Tierschutzhund zieht bald ein — eure Tipps

  • Hallo liebe Community,


    Nach reiflicher Überlegung und vielen Stunden der Recherche ist es endlich soweit: Wir bekommen vierbeinigen Familienzuwachs!

    Mitte Januar zieht bei uns ein knapp 3 1/2 jähriger Mischlingsrüde aus Ungarn ein. Als Hundeanfänger haben wir uns natürlich die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, einen Hund vom Züchter nehmen. Am Ende haben wir uns dann dafür entschieden, uns der Herausforderung zu stellen, da wir auch gerne einer Fellnase, die es zur Zeit nicht so gut hat, ein endgültiges Zuhause zu schenken.

    Wir beide haben tolle Ansprechpartner bei dem Tierschutzverein, der uns den Hund vermittelt hat und können auch mit all unseren Fragen jederzeit zu ihnen kommen, dennoch hoffe ich, hier ein paar HH zu finden, mit denen ich mich austauschen kann und vielleicht hat jemand ja auch ein paar hilfreiche Tipps (gerade für die ersten paar Wochen)

    Hier mal ein paar Eckdaten:

    Stan ist knapp 3 1/2 Jahre alt und seit 2 Jahren in einem Shelter in Ungarn untergebracht.

    Vermutlich steckt ein bisschen Pinscher in ihm (aber so genau weiß das keiner). Vom Wesen her ist er laut Vermittlern ein sehr freundlicher und sozialer Hund, der mit Menschen, anderen Hunden und auch Kindern gut verträglich ist; nur Katzen sollten gemieden werden, da er einen sehr ausgeprägten Jagdtrieb hat. Vorerkrankungen und Handicaps scheint er keine zu haben.

    Dass Stan absolut noch keine Erfahrungen als „Haushund“ gemacht hat und somit auch weder leinenführig ist, noch die Grundkommandos beherrscht, ist uns bewusst und wir haben uns auch schon intensiv mit dem Thema Hundetraining auseinandergesetzt und uns Tipps beim TSV geholt.


    Wir freuen uns schon sehr auf den kleinen Mann und haben auch schon die Erstausstattung zusammen. Lediglich Futter, Fellpflege und Geschirr bzw. Halsband fehlen uns noch.


    Und beim Futter fängt es schon an: Durch die Umstände in Ungarn bekommen die Hunde so gut wie alles zu fressen und wir sind uns jetzt unsicher, wie wir die Fütterung handhaben sollen, wenn Stan dann da ist. Wir haben zunächst an ein getreidefreies sensitive Trofu gedacht, um auf Nummer sicher zu gehen, denn eine Schritt-für-Schritt Umstellung, wie sie ja oft empfohlen wird, ist in diesem Fall ja nicht möglich.


    Wie habt ihr es denn bei Tierschutzhunden gehandhabt? Und habt ihr eventuell noch Tipps, was am Anfang noch zu beachten wäre?


    Grüße, Trice dog-face-w-one-eye-open-blowing-heart

  • Hallo Trice,


    als Hundeanfänger hätte ich euch zwar von einem "Direktimport" aus dem Ausland abgeraten.

    Aber ihr habt euch entschieden, Januar gibts Zuwachs und jetzt ist Freuen angesagt ;)


    Wir haben, direkt aus einem polnischen Tierheim, unseren Arek vor knapp 6 Jahren aufgenommen - eines besseren Hund hätten wir nicht bekommen können.

    Ich drück euch die Daumen dass auch ihr Glück habt =)


    Die ersten Tage gab es hier Schonkost (Möhren, Reis, Hähnchen - alles gekocht) . Umzugststress kann sich auf den Magen legen.

    Am 2. oder 3. Tag haben wir dann mit dem Trockenfutter begonnen, was er dauerhaft bekommen sollte. Es gab keine Probleme.


    Arek hat aus dem Tierheim Flöhe mitgebracht, so dass wir gleich am 2. Tag zum Tierarzt mussten - die ganze Wohnung war nach einer Nacht natürlich auch potentiell voller Flöhe - wir haben Chemie benutzt (an Hund und Wohnung) und dann war es kein Thema mehr.

    Sollte hier wieder ein Hund aus einem ausländischen Tierheim einziehen, würde ich mich vorher schlau machen, wie ich Flöhe am Hund gut behandeln kann bevor ich sie mir in die Wohnung hole.

    (Also nen TA fragen, oder Vermittler oder so) - nur den Hund zu behandeln ist so viel einfacher, als noch die ganze Bude, Wäsche, Teppiche, ...


    Ich habe mich vor Einzug auch sehr viel informiert, Trainingspläne geschmiedet, Clicker gekauft und und und.

    Und dann kam Arek ^^

    Die ersten Tage/Wochen empfehle ich euch, NUR ankommen, für euch und für den Hund. Kein Training, kein Nichts.

    "Ankommen" ist genug Arbeit für alle Beteiligten.

    Ihr müsst einander kennen lernen, einander verstehen lernen, eine gemeinsame Kommunikation finden, einen Alltag finden. Euch aufeinander "eingrooven".

    Das geht nicht in 5 Minuten clicker-Training oder Leinenführigkeitstraining draußen - sondern im Alltag.

    Vertrauen und Bindung aufbauen - so wird der Grundstein und eine Basis für ein effektives Training gelegt.


    Achtung - Erziehung nicht mit Training verwechseln.

    Erziehung darf und sollte ab dem 1. Tag stattfinden. Hausregeln aufstellen und umsetzen, Alltagsstruktur zeigen, Umgangsregeln einhalten.


    In den ersten 1-3 Tagen würde ich nur kleine Löserunden anbieten - damit er die nähere Umgebung der Wohnung kennen und vertrauen lernt.

    Zu Beginn auch ruhig öfter rausgehen - nach 2 Jahren Zwinger "kennt" er Stubenreinheit vielleicht nicht. (Da hatten wir mit Arek tatsächlich keine Probleme - er war mind. 6 Monate im Zwinger und war vom 1. Tag an stubenrein).


    Geschirr und Leine gab es hier als Leihgabe vom Verein - wir haben es zurück geschickt sobald wir was eigenes, passendes für Arek hatten.

    Anfangs würde ich nur mit Geschirr und normaler Führleine (ca. 3 Meter ist die lang). Keine Flexi benutzen am Anfang - Halsband erst wenn ich mit Leinenführiegkeitstraining anfangen möchte. (Kann man recht früh machen - aber jeh nach Hund dauert es länger mit dem Leinenführigkeitstraining - und 5 Minuten effektives Training sind oft besser als 1h während eines normalen Spaziergangs)


    An der Leine gibt es bei mir absolut keinen Kontakt zu anderen Hunden. Das würde ich auch beim neuen Hund so handhaben und gleich vom ersten Tag an umsetzen.

    Bereits in der 1. Woche kann man ja mal in schöneres Gelände fahren - Schleppleine (10m z.B.) ans Geschirr machen und dann ist Hundekontakt auch möglich - oder, noch besser, komplett ohne Leine auf eingezäuntem (aber nicht zu kleinem) Gebiet - ein Hundeverein, ein Garten, ...


    Kausachen (Wurzel, Geweih, Kauholz, ...) oder was zum Ausschlecken (Kong, Hundeeis) würde ich da haben - das hilft Hunden beim Stressabbau.

    Uns hat es geholfen Arek vom Stuhlbein weg zu bekommen - der wollte dran knabbern - durfte er natürlich nicht - das haben wir verboten, ihm das Geweih angeboten und alle waren zufrieden.


    Arek durfte von Anfang an im Schlafzimmer schlafen - das hat mich sehr beruhigt die ersten Nächte ^^

    Und ihm sicher auch beim Ankommen sehr geholfen.


    Das Geschirr haben wir die ersten Tage angelassen - das Anziehen mochte er gar nicht und so lange wir uns alle wenig kannten, wollte ich unangenehme Situationen mit ihm möglichst vermeiden.


    Das erstmal zu meinen Erfahrungen - sicher habe ich aber die Hälfte vergessen ^^

  • Ich würde beim Futter nicht auf getreidefrei und sehr hohem Fleischanteil wechseln, das kennen solche Hunde nicht und darauf sind sie meistens gar nicht selektiert.


    Ich würde davon ausgehen, dass Ihr einen Hund bekommt, der mit dem Zusammenleben mit Menschen komplett überfordert sein wird. Das ist nämlich der Standard bei diesen Hunden. Ich hoffe, Ihr seid auch bereit Euch das restliche Hundeleben auf diese Defizite einzustellen. Das kann einen schon ganz schön einschränken. Über viele Jahre.

  • Ich würde ihn auch am Anfang räumlich begrenzen, also z.B. Küche und Wohnzimmer. Wenn ein Hund das Leben im Haus nicht kennt, ist erst mal alles bedrohlich. Und da spreche ich nicht von dem schrecklichen Ungetüm namens Staubsauger, sondern der brummende Kühlschrank, die Kaffeemaschine, die Mikrowelle usw.


    Bietet ihm eine Box als Rückzugsort, die evtl. mit Decken abgehängt ist. Und da hat er seine Ruhe und wird nicht gestreichelt oder angefasst.


    Sicherheitsgeschirr für den Anfang finde ich empfehlenswert, evtl. Doppelsicherung mit Leine am Halsband. Die Leine habe ich mir am Bauchgurt festgemacht. Gerade wenn man eine Flexi verwendet und die einem aus der Hand knallt, erschrecken sich die Hunde und flüchten und der scheppernde Kasten immer hinterher...


    Unsere Hündin wollte am Anfang aus dem Haus flüchten, weil sie Angst hatte. Da war ich immer sehr hinterher, dass die Haustür abgeschlossen ist, damit die nicht mal aus Versehen offen steht und sie abhaut. Hat sich dann relativ schnell gegeben, aber habt da ein Auge drauf.


    Im Tierheim bekommen die Hunde oft sehr getreidehaltiges billiges Futter, getreidefrei ist vielleicht nicht optimal, weil die Umstellung zu krass ist. Was empfehlenswert ist, ist das Josera Sensi adult. Wurde hier sehr gut vertragen, aber das erste Jahr war schwierig mit der Verdauung. Da habe ich viel probiert und das werdet Ihr letztendlich auch machen müssen. Mittlerweile hat sich unsere Hündin aber gut stabilisiert und verträgt ganz viel. Das muss sich erst alles einspielen.


    Das sind mal meine Gedanken zum Thema. :smile:

  • Zum Futter - da ist, so wie ich Tierheime (in 6 Ländern) kenne, getreidefreies TroFu vermutlich quasi der krasseste Wechsel, den man vollziehen könnte. Gebt dem Hund irgendeinen Billig-Discounter-Kram, nass und/oder trocken und gut. Zumindest erstmal.


    Zur restlichen Eingewöhnung wurd ja schon viel gesagt. Langsam angehen. Langsamer, als ihr denkt, dass es gehen sollte.

  • Wir haben unsere Hündin aus Slowenien übernommen und sind sehr froh sie zu haben!


    Das erste halbe Jahr war allerdings ziemlich herausfordernd...


    Ich brainstorme einfach mal so drauf los, was ich selber gerne vorher gewusst hätte .?


    Gesundheit: stellt euch darauf ein, das euer Hund höchstwahrscheinlich mit Giardien und Flohstichdermatitis, bakteriellen Infektionen oä zu euch kommt, Donna hatte auch eine hartnackige Bindehautentzündung. Dh sehr zügig dem TA vorstellen und schauen, was er so findet.


    Unbedingt mit Sicherheitsgeschirr und Halsband doppelt sichern und die ersten Monate nicht von der Leine lassen, besorgt euch eine Schleppleine (und alte Handschuhe, denn sonst brennt es euch die Hände durch, wenn der Hund plötzlich anzieht).


    Lasst den Hund in Ruhe, lasst ihn von alleine ankommen, überhäuft ihn nicht mit Streicheleinheiten.

    Ein Hund aus einem Shelter hat noch nie "eigene" Menschen gehabt, ihn beunruhigt es, wenn er zu sehr im Focus steht. Denn immer, wenn ein Mensch besonders nett zu ihm war, kam danach ja meistens was Doofes- er wird eingefangen, kastriert, eingesperrt etc.pp.


    Hausregeln von Anfang an festsetzen, aber keine Tricks oder Sitz oder so einen Kram üben. Vor allen Dingen keine Futterspielchen wie nur an den Napf dürfen, wenn man vorher Sitz gemacht hat oder so was. Futter ist für den Hund existentiell, dafür müsste er im Shelter kämpfen. Dort gibt es ja nur die Gruppenhaltung, das Futter wird irgendwie schnell hingeschmissen und jeder Hund muss sehen, wie er davon was abbekommt.


    Beim Futter würde ich auf jeden Fall zunächst kein hochwertiges und sehr fettreiche Futter auswählen, denn darauf reagieren die osteuropäischen Hunde sehr häufig mit Durchfall.

    (Wir haben gute Erfahrungen mit Josera Sensi Plus gemacht.)


    Extrem kurze Gassigängen und immer dieselben kurzen! Wege, nehmt denselben Hin-und Rückweg.

    Es kann sein, das euer neuer Hund völlig panisch auf alles reagiert, was draussen los ist, evtl kennt er weder Autos noch Fahrräder etc.


    Achtet auf Ruhe, Ruhe ,Ruhe - hab ich schon Ruhe gesagt?


    Euer Hund soll nix müssen, außer lernen dass er essen darf, gesund werden darf und dass er euch vertrauen kann.

  • Hallo, wie schön, dass ihr einem Hund aus Ungarn ein eigenes Zuhause schenken wollt. Ich würde auch erst einmal "nichts" planen. Er soll viel Zeit zur Eingewöhnung haben. Da ist dann ja auch schon alles neu. Erst einmal Vertrauen aufbauen und ihm Zeit lassen alles zu erkunden.


    Futter habe ich für meine letzten beiden "Neuen" zur Auswahl gekauft. Es gibt die Sorten oft auch in kleinen 1, oder 4 kg Säcken. Davon drei Sorten und im Endeffekt schmeckt meinen Hunden auch nur eine Sorte davon. Auch Leckerchen habe ich viel ausprobiert und kaufe jetzt nur noch die wenigen Sorten, die meine gerne mögen. Auch koche ich öfter für meine Hunde, habe Pansen gewolft in der Truhe und so wechsel ich immer mal wieder ab.


    Die Idee des Vorschreibers mit der Schonkost die ersten Tage ist eine gute Idee. Morgen hat mein Rüde seinen ersten Jahrestag. Er kam am 21. Dezember letzten Jahres auch aus dem Tierschutz zu mir. Er hatte gleich 3 Tage Durchfall und ich dachte, ohje, so ein Hund mit empfindlichem Magen wird aber eine Herausforderung. Aber nix da, seitdem ist seine Verdauung 1 A und er verträgt alles, was auch meine Hündin frisst. Das war wohl wirklich der Aufregung seines Umzugs geschuldet.

  • Das erstmal zu meinen Erfahrungen - sicher habe ich aber die Hälfte vergessen ^^

    Danke dir für deinen ausführlichen Erfahrungsbericht und deine Hinweise. :)

    Stan wird zwar nochmal komplett durchgecheckt bevor er sich auf den Weg zu uns macht, aber Vorsicht ist ja bekanntlich besser als Nachsicht und bevor wir die ganze Wohnung ausräuchern müssen, werden wir auf jeden Fall schon mal einen Tierarzt konsultieren ;)


    was die Stubenreinheit betrifft, wurden wir tatsächlich auch schon vorgewarnt, haben aber auch Info bekommen, dass es bei erwachsenen Hunden recht schnell gehen soll.

    Dass die ersten Wochen erstmal ruhiger werden und sich nur ums Kennenlernen drehen werden, haben wir uns fast schon gedacht, den Hinweis mit den Kausachen werden wir uns auf jeden Fall zu Herzen nehmen!

    Berufstechnisch haben wir auch das Glück, uns alle Zeit der Welt für die Eingewöhnung nehmen zu können, sodass die volle Konzentration auf dem Kennenlernen liegen kann, wenn er dann da ist :)


    Toi Toi Toi, dass wir genauso viel Glück mit Stan haben werden, wie ihr mit Arek ^^

  • Danke für die zahlreichen Hinweise, gerade auch was das Futter betrifft!

    Da sieht man mal wieder, dass man sich durch zu viel lesen nur verrückt macht und das zu falschen Entscheidungen führen kann ?

    Den Tipp mit der Schonkost werden wir definitiv umsetzen und dann mal das Josera Sensi probieren, dass ja einige von euch empfohlen haben.


    Dass ein Hund aus dem Tierschutz eine so große Herausforderung darstellen wird, war uns von Anfang an bewusst und wir haben glücklicherweise die Zeit und Möglichkeiten uns voll drauf einlassen zu können :)

    Wir sind auf die Reise mit Stan super gespannt und hoffen, ihm vollends gerecht werden zu können. Gerade kam der Anruf von unserer Vermittlerin mit der Nachricht, dass Stan am 21.01. seine Reise zu uns antreten wird. Auch wird sie gerne bei uns vorbeikommen und den Vierbeiner mit uns zusammen in Empfang zu nehmen :)

  • Auch zum ‚in Empfang nehmen‘ ein kurzer Tipp - kein großes Brimborium. Raus aus dem Transporter und weg - nicht noch lange begrüßen, Fotos machen, plaudern... sondern pinkeln lassen (wenn er will/kann), dann heim, dann Ruhe.

    Futter auch ruhig über Nacht stehen lassen - evtl frisst er vor euch am Anfang gar nicht. Auch nicht fortwährend nach ihm gucken, das stresst auch.


    Auch nochmal betonen möchte ich die Sicherung mit Sicherheitsgeschirr (zwei Bauchriemen). Wir hatten es schon dreimal im TH, dass frisch vermittelte Auslandshunde stiften gegangen sind - einer ist über den Gartenzaun gesprungen, einer aus der Haustür geflitzt und einer auf‘m Gassi aus dem Geschirr geschlüpft - zwei wurden im Anschluss überfahren.


    Er kann natürlich auch ein ‚hallo, hier bin ich‘-Hund sein, aber rechnen würd ich damit nicht.

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