Woher kommt die „Hibbeligkeit“ und „Reizoffenheit“?

  • Ich denke es gibt verschiedne Motivationen sich in Hundeforen anzumelden.


    -Leute mit Problemen mit ihrem Hund

    -Leute die fürs Thema Hund brennen

    -Leute die anonymen unkomplizierten sozialen Austausch suchen und ihr Hobby als anlas dafür nehmen

    Usw..

  • Für mich sind Reizoffenheit und Hibbeligkeit zwei verschiedene paar Schuhe.


    Reizoffenheit ist je nach Rasse eine gewünschte Charaktereigenschaft bzw. Veranlagung.


    Reizoffenheit gepaart mit schlechtem Wesen ist Murks.


    Reizoffene Hunde mit: schlechten Wesen, schlechter Führung, falschem Umfeld, falschen Aufgaben, können u. a. hibbelig werden.


    Hibbeligkeit ist sicher auch unabhängig von der Veranlagung zur Reizoffenheit ein Spektrum. Manche Hunde bringen bessere Nerven mit als andere. Ich denke aber dennoch, dass der Trend in die Richtung geht, die Hibbeligkeit vorzuschieben. Dort, wo eigentlich Erziehungsfehler die Ursache des Verhaltens sind. Ist ja nicht verwerflich, alle machen Fehler. Aber es fällt schon auf, wie viel darauf geschoben wird.

  • Wären wir hier in der Wissenschaft, müsste jeder einzelne erstmal seine Definition äußern, damit die Aussagen nachvollziehbar sind.

    In der Wissenschaft wäre die Begriffsdefinition das Erste was man klärt wenn ein Begriff eingeführt wird und nur in Spezialfällen oder bei Neuerungen/Änderungen wird über eine Anpassung diskutiert. Aber bestimmt nicht mit dem Ansatz: Jetzt sagt jeder mal was er sich darunter vorstellt. ;)


    Ich verwende es so, wie es auch beim AD(H)S verwendet wird. Das Gehirn filtert automatisch Reize für uns damit wir nicht von einer Fülle unnötiger Informationen erschlagen werden (ein schönes Beispiel ist unsere Nase, die wir nicht sehen obwohl sie in unserem Blickfeld liegt). Liegt die Effektivität dieses Filters auffällig unter der Norm ist jemand reizoffen. Man nimmt also Reize bewusst wahr, die die meisten andere Gehirne mit dem Stempel "derzeit unwichtig" im Unterbewusstsein verschwinden lassen würden.

    Es ist also erstmal nichts was grundsätzlich eine schlechte Eigenschaft oder gar krankhaft wäre. Das Problem beim AD(H)S ist ja, wie gesagt, die damit einhergehende Priorisierungsstörung und die Tatsache, dass unsere Umwelt oftmals sehr viele Reize hat.
    Beim Hund ist das Problem normalerweise auch eine überreizte Umgebung, ein schlechtes Nervenkostüm usw.

  • Unter dieser Begriffserklärung finde ich nich nicht, das Terrier unter reitzoffen fallen, die können ja in der Regel recht gut priorisieren.


    Aber ich kann mir nicht vorstellen das das dannzum Beispiel für den wirklich arbeitenden Malli oder Border ( Also Malis im Polizeidinst oder Border an den Schafen, nicht die Sporthunde) eine erstrebenswerte Eigenschaft ist, beide rasen müssen sich ja in ihrer Arbeit auf das wesentliche konzentrieren, der Malli auf die Zusammenarbeit mit ihren Hundeführer und der Border auf die Pfiffe des Schäfers und die Bewegung der Schafe.

  • Ich habe auch einen Hund den ich als reizoffen beschreiben würde. Allerdings ist er null hibbelig und kann zuhause super entspannen. Zuhause ist bei uns aber auch nichts los, selten Besuch und wir haben keine Kinder. Viele die den Hund mal draussen in Aktion erlebt haben, meinen der hat ja Power, den kriegst du bestimmt nie müde und zuhause muss man sicher aufpassen, dass er die Bude nicht zerlegt. Die können immer kaum glauben, dass er zuhause quasi nur rumliegt, weil er weiß da gibts keine Party und es ist Ruhe.

    Allerdings hatte ich die Möglichkeit vor meinem ersten eigenen Hund einen "Adhs" Terrier kennenzulernen, der war über mehrere Jahre immer wieder mal für ein paar Tage bis Wochen bei mir zur Pflege und das hat super geklappt, weil ich vom Herrchen sehr viel gelernt habe über den Umgang mit so einem Hund (der Besitzer hat den Hund nicht selbst zu einem überdrehten Balljunkie gemacht, sondern als Wanderpokal vom Tierschutz übernommen und ganz viel in die richtigen Bahnen gelenkt).

    Das hat mir sehr viel geholfen für meinen jetzigen Hund. Den hätte ich auch in kürzester Zeit zum hibbelig und nervösen Hund gemacht, da er eben reizoffen ist. So werden halt gewisse Regeln eingehalten wie drinnen wird nicht wild gespielt ( ruhige Suchspiele, Nasenarbeit bei schlechtem Wetter sind natürlich erlaubt), unkontrolliert Bälle/Stöckchen werfen gibt es gar nicht usw. Ich wollte aber ganz bewusst einen reizoffenen Hund, weil ich vor Anschaffung des Hundes genau wusste, welche Aufgabe er mal bekommt.

    Aber es gibt glaube ich viele Hundehalter, die von sowas (also "reizoffene Hunde" ) noch nie gehört haben. Das beste Beispiel ist mein Schwager. Er hatte eigentlich immer Hunde, ist ein absoluter Hundenarr und hatte (aktuell aufgrund der Wohnsituation hat er keinen Hund) soweit ich das beurteilen kann auch super erzogene Hunde. Allerdings waren das immer schon eher Hunde "ruhigerer" Rassen. Wenn er auf meinen Hund trifft haben die beiden einen Spass, er robbt mit auf dem Boden rum, die beiden jagen sich usw. Man könnte meine da toben 2 junge Hunde und ich muss dann immer nach einiger Zeit eingreifen und das Spiel beenden (tatsächlich wie wenns 2 Hunde wären die kein Ende kennen), mein Schwager würde da stundenlang mit dem Hund toben. Wenn er mal meinen Hund ne Woche zur Pflege hätte wäre der danach sicher auch extrem aufgedreht und nicht mehr gechillt. Aber wahrscheinlich fände mein Schwager das nichtmal schlimm, ist doch ein junger Hund, die toben nunmal den ganzen Tag.

    Denke das ganze "Problem" mit reizoffenen Hunden ist eine Kombination aus Zucht/Rasse und Erziehung bzw. Lebensumfeld des Hundes oder einfach falscher Hund für den entsprechenden Halter.

  • Es geht definitiv ein paar Zuchten, die von einer Rasse, wie ich sie kenne, hin zu mehr Arbeitsleistung züchten und wo die Nerven auf dem Weg flöten gehen.

    Genauso wie man einen Arbeitshund züchtet und dabei nicht auf Arbeit selektiert und dabei die Nervenstärke abhanden kommt (wird berechtigterweise bestimmten Showlinien nachgesagt), so kann man auch auf Trieb Trieb Trieb züchten und einen Hund kriegen, dessen Nerven komplett blank liegen, wenn sie gerade nicht im "Arbeitstunnel" sind.

    Seh ich beispielsweise seit Jahren schon bei Riesenschnauzern aus der Gebrauchslinie, wo die Hunde immer "krasser" werden müssen, um mit Schäferhund und Mali mitzuhalten, dabei aber komplett das flöten geht, was für mich persönlich diese Rasse aus macht und was ihn eben auf keinen Fall zu einem schwarzen Rauhaarmali macht.

    Vice Versa die Showriesen, die an Ernsthaftigkeit, Druck und Präsenz es einem Labbi gleich tun und mit dem man als Gebrauchshund nüscht anfangen kann, weil der Hund null Beuteinteresse mehr hat.

    Bei beidem gehen die Wesenseigenschaften abhanden, bei beidem seh ich immer mehr hibbeliges Verhalten.

    Da fallen mir noch eine Rassen ein, wo man das ähnlich sagen kann.


    SherlyH

    Bei unserer Rasse, dem Pudel, gibt es ja nichts an Wesenstest, Arbeitsleistung usw. Spricht man das an und sagt wie es ist, kriegt man dann auch noch die volle Breitseite von einigen Leuten. Deswegen gibt es innerhalb der Rasse stark unterschiedliche Linien. Für Rasseneulinge auch sehr schwierig zu filtern. Und ein aktiver, lustiger Hund, der zum Fiddeln eher neigt als in die anderen Richtungen, die kriegt man auch ziemlich blöd im Kopp, wenn man es drauf anlegt.

  • Unter dieser Begriffserklärung finde ich nich nicht, das Terrier unter reitzoffen fallen, die können ja in der Regel recht gut priorisieren.


    Aber ich kann mir nicht vorstellen das das dannzum Beispiel für den wirklich arbeitenden Malli oder Border ( Also Malis im Polizeidinst oder Border an den Schafen, nicht die Sporthunde) eine erstrebenswerte Eigenschaft ist, beide rasen müssen sich ja in ihrer Arbeit auf das wesentliche konzentrieren, der Malli auf die Zusammenarbeit mit ihren Hundeführer und der Border auf die Pfiffe des Schäfers und die Bewegung der Schafe.

    Ich glaube du hast mich missverstanden.

    Reizoffenheit geht eben nicht automatisch mit Priorisierungsstörungen einher. Das Krankheitsbild AD(H)S entsteht (u.a.) durch die Kombination dieser beiden Komponenten. Wobei es da auch den Hyperfokus gibt... aber das führt zu weit...

    Ich gehe jetzt erstmal 100 mal reizoffen tippen. Vielleicht schaffe ich es irgendwann nicht mehr reisoffen zu schreiben :headbash:

  • Es freut mich, dass sich so viele beteiligen - danke :smile:


    Ich weiß, dass „reizoffen“ und „hibbelig“ nicht zusammenhängen müssen. Ich dachte mir aber, dass beides gut ins Thema passt, weil es ja doch sehr häufig im gleichen Kontext genannt wird.


    Ich finde das „Ruhe lernen“ auch spannend. Das ist ja eigentlich ein ganz natürliches Verhalten für einen Hund. Welpen erleben und lernen in den ersten acht Wochen so viel Neues, dennoch gibt es da mit Ruhe halten gar kein Problem. So ist zumindest mein Eindruck, aber ich kann mich natürlich auch irren. Die erleben was, toben, fallen um, schlafen. Die rennen ja auch nicht 15 Stunden wie aufgezogen durch die Gegend. Wie kommt es, dass das dann in den Familien nicht mehr klappt? Hat vorher einfach die Mutterhündin den Daumen drauf und managed das? Greift man als HH vielleicht einfach zu stark in den natürlichen Rhythmus ein? Oder kann man das gar nicht vergleichen?

  • Reizoffenheit geht eben nicht automatisch mit Priorisierungsstörungen einher.

    Bei den Kindern wird es aber genau so verwendet.

    "Reizoffenheit" bezeichnet dort die ungefilterte Reizaufnahme und die Unfähigkeit diese Reize angemessen zu verarbeiten.


    Also genau das Gegenteil vom hochkonzentriert arbeitenden Hütehund, der während der Arbeit noch in der Lage ist, die Signale seines Menschen klar wahrzunehmen und richtig darauf zu reagieren.


    Z.B. hier: https://medizin-aspekte.de/goldene_regeln_4256-3265/

  • Also genau das Gegenteil vom hochkonzentriert arbeitenden Hütehund, der während der Arbeit noch in der Lage ist, die Signale seines Menschen klar wahrzunehmen und richtig darauf zu reagieren.

    Der befindet sich dabei allerdings unter äußeren Bedingungen, die seine Kapazitäten nicht überschreiten.

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