Vigilanz versus Reizoffenheit
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Aus dem Thread Woher kommt die „Hibbeligkeit“ und „Reizoffenheit“? habe ich für mich über die Definition vom Begriff "reizoffen", den ich häufig anwendete, mich interesshalber in das Thema reingekniet und bin auf einen für mich viel passenderen Begriff der "Vigilanz" im Zusammenhang mit Hunden, die eine hohe oder vermehrt Aufmerksamkeit, gegenüber der Umwelt haben, als das gros der Hunde gestoßen.
Ich halte BCs, deshalb sind die Beispiele oft BC-lastig. Aber es betrifft ebendso den Kangal oder andere Arbeitshunde. In wie weit genetische Dispositionen dann zu einem Störungsbild führen, steht auf einem anderen Blatt.
Zitate, hier aus dem menschlichen Bereich, was aber für Begrifflichkeiten zum Verständis der Worte, in meinen Augen unerheblich sein sollte:
"Die Fähigkeit, den eigenen Fokus bewusst zu steuern, nicht ständig zwischen Tätigkeiten hin- und her zu hüpfen und sich nicht dauernd unterbrechen zu lassen, ist in unserer hektischen, modernen Welt unerlässlich geworden."
"Gleichzeitig ist ein anderer Bereich von Aufmerksamkeit in den Hintergrund gerückt: die Vigilanz, auch allgemeine Wachsamkeit genannt. Gemeint ist die Bereitschaft, genau wahrzunehmen und prompt zu reagieren. Diese Form der Aufmerksamkeit war in früheren Zeiten überlebenswichtig: als Jäger und Sammler galt es, stets auf der Hut zu sein – Vorteile hatte, wem jedes Rascheln im Gebüsch, jede Bewegung im Augenwinkel, jede verwischte Fährte im Wald auffiel. Mithilfe der Vigilanz gelang es unseren Vorfahren, Beutetiere aufzuspüren und nahenden Feinden rechtzeitig die Stirn zu bieten."
Quelle:https://www.mit-kindern-lernen…erksamkeit-wissen-muessen
Zusammengefasst heisst es für mich, dass ich ab sofort eher sagen würde, dass Border Collies, ebenso wie die Kangals von McChris, vigilant sind und nicht reizoffen.
Und noch ein Link zu mehreren Definitionen zu Vigilanz:
Diese Definition ist aus dem Jahr 2006:
Zitat:
"1. Definition „Vigilanz bezeichnet den über eine längere Zeit aufrechterhaltenen Zustand, seltene Veränderung in der Umwelt zu erkennen und darauf zu reagieren. Überwachungstätigkeiten, bei denen sehr selten eine Reaktion erforderlich ist, sind Beispiele für Vigilanzaufgaben“ (Pawlik 2006, S.137). (Stangl, 2020).
Verwendete Literatur
Stangl, W. (2020). Stichwort: 'Vigilanz'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik."
WWW: https://lexikon.stangl.eu/271/vigilanz/ (2020-12-29)
Und wenn man sich das anschaut:
"3. Definition Bei Daueraufmerksamkeit wie auch der Vigilanz geht es um eine über längere Zeit aufrechterhaltene Aufmerksamkeit (vgl. Westhoff & Hagemeister 2005, S.16). (Stangl, 2020).
Verwendete Literatur
Stangl, W. (2020). Stichwort: 'Vigilanz'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/271/vigilanz/ (2020-12-29)
Dann sehe ich bei 1. den Kangal, der 24 Stunden lang vigilant ist und bei 2. den BC, dessen Akku, nach getaner Arbeit neu aufgeladen werden muss. Wie auch immer und wo auch immer, diese Hunde müssen abschalten, sonst geraten sie in eine Stressschleife und letztlich ins Burn out. Abschalten können sie, wenn man sie lässt, oder es fördert, mal mehr, mal weniger gut.
Wenn sie das nicht können, dann passt das hier vielleicht und dann sind wir beim Thema "reizoffen".
Zitat:
"Kinder mit klassischen Aufmerksamkeitsproblemen sind oftmals besonders vigilant: sie sind sehr reizoffen – egal ob Bilder, Geräusche oder Gerüche; alle Eindrücke werden aufgesaugt wie ein trockener Schwamm. Gleichzeitig haben sie oftmals Mühe mit der Konzentration: ihr Fokus lässt sich vom Geschehen treiben und verlagert sich dorthin, „wo etwas los ist“. Aufgaben können kaum zu Ende gebracht werden, weil mit allen Ablenkungen mitgeschwungen wird."
Und weiter gehts.
Ich denke nicht, dass es große Unterschiede zu chemischen Abläufen im Gehirn der Hunde und Menschen gibt. Aber das können Fachleute besser rausfinden. Im Hundehirn gibt es schließlich auch den Locus Coeruleus, der frontalen Cortex, parietale Bereiche, den rechten cerebralen Kortex sowie den Thalamus.
Zitat:
"Das sogenannte "Alerting"-Netzwerk hat die Aufgabe, uns Menschen dauerhaft in einem wachen, geistig offenen, konzentrierten Zustand zu halten. Es bereitet den Körper darauf vor, Informationen aufzunehmen und Warnsignale frühzeitig auszumachen. Wir können uns dieses Netzwerk wie einen großen Radarschirm vorstellen, der Eindrücke aus der Umgebung einfängt. Interessanterweise zeigt die Forschung, dass dieser Radarschirm offenbar einem gewissen Arbeitsplan folgt. Denn wie gut dieser funktioniert, hängt auch von der Tageszeit ab. Am frühen Morgen und am späten Abend bzw. in der Nacht kommt es zu verzögerten Reaktionszeiten. In diesen Phasen passieren auch deutlich öfter Verkehrs- oder Arbeitsunfälle – Momente der Unachtsamkeit nehmen zu. Aber nicht nur die Tageszeit, sondern auch Ängste und Stress können dem Alerting-Netzwerk einen Strich durch die Rechnung machen (z.B. Pilar Pacheco-Unguetti et al. 2010), wie das folgende Beispiel zeigt:
(Hinweis für Fachpersonen: Ein Blick ins Gehirn zeigt, dass das Alerting-Netzwerk vorwiegend durch den Botenstoff Noradrenalin moduliert wird. Involvierte Hirnbereiche sind der Locus Coeruleus, der frontale Cortex, parietale Bereiche, der rechte cerebrale Kortex sowie der Thalamus.)
Quelle:https://www.mit-kindern-lernen…erksamkeit-wissen-muessen
Zu den Hirnfunktionen und das bevorstehende Sylvesterfest passt ganz gut, auch weil der BC wieder als Paradebeispiel dasteht:
Zitat:
"Die Angst ist eine angeborene Stressreaktion des Körpers, welche sich mit der Furcht, der erworbene Erfahrung mit bestimmten Situation, vermischt. Es gibt daher Hunde die genetisch bereits mehr Angst aufweisen als andere. Dazu zählen unter anderem Border Collies. Sowohl Angst als auch Furcht lösen im Körper negativen Stress aus, sogenannten Distress. Bei Geräuschangst handelt es sich meist um akuten Stress. In diesem Fall kommt es als erstes zu einer kurzzeitigen Aktivierung des Nervus Vagus (Parasympathikus), welcher eigentlich als Ruhenerv bekannt ist. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Darmpassage (Durchfall, unkontrollierter Kotabsatz) und vermehrtes Speicheln. Gleich darauf setzt jedoch der Gegenspieler der Sympathikus ein. Dieser veranlasst die Freisetzung von Noradrenalin und Adrenalin aus Alpha2-Rezeptoren. Diese Rezeptoren sind nahezu im gesamten Körper verteilt, finden sich aber vemehrt in einer bestimmten Hirnregion, dem Locus Coeruleus."
Quelle:
https://www.tierarztpraxis-kol…vester-und-die-trickkiste
Ich würde mich über eine Diskussion freuen.
Mit viel geblödel, Ernsthaftigkeit und massenhaft OT.....
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Für mein Verständnis passt Vigilanz wesentlich besser zu HSH, als zu Border Collies. Die erste Definition von der Seite mit-kindern-lernen-usw. halte ich für ungenau. Präziser sind die folgenden Definitionen, die beide davon sprechen, dass unter Vigilanz die Bereitschaft zu verstehen ist, bei lang anhaltender Aufmerksamkeit in gleicher Reizumgebung auf den einen, neuen, seltenen (!) Reiz prompt zu reagieren.
In der Menschenwelt habe ich z.B. einen Fließbandarbeiter vor Augen, der unter den 10000 leeren Glasflaschen, die am Tag an ihm vorbeifahren, die zwei mit einem Sprung zu entdecken und auszusortieren. In der Hundewelt sehe ich den HSH, bei dessen Herde nur selten ein Wolf vorbeischlappt, der dann aber schnell einsatzbereit sein sollte.
Beim Border sehe ich eher viele Reize, die ständig neu verarbeitet werden, weshalb ich reizoffen passender finde.
Reizoffenheit beinhaltet für mich noch nicht, wie das jeweilige Individuum mit den Reizen umgeht - ich kann (oder Hund kann... ) gleichzeitig ein herunterfallendes Blatt wahrnehmen, eine zwitschernde Lerche am Himmel, ein kreischendes Kind in 1km Entfernung, zwei Radfahrer, einen Balljunkie-Hund auf der gegenüberliegenden Wiese, den Geruch des Grills in einem der Gärten, an denen wir vor 300m vorbeigelaufen sind, die Maus, die gerade über den Weg huscht, den Grashalm vorne links, der nach läufiger Hündin riecht, usw., Reizoffenheit bedeutet erstmal in meinen Augen, ich krieg das alles überhaupt mit, und zwar - in Abgrenzung von Vigilanz - tatsächlich als viele, viele, einzelne Reize, während Vigilanz für mich eher die Aufmerksamkeit gegenüber dem ganzen Szenario ist. Da würde eher das Bild als Ganzes abgespeichert und abgeglichen, ob sich an diesem Bild irgendwann etwas Grundlegendes ändert.
Unterscheiden würde ich auch zwischen Reizoffenheit und der Reaktion auf die Reize. Letztere erfolgt z.B. möglicherweise halbwegs gechillt, weil ich filtern kann, was für mich bedeutungsvoll ist. Oder ich bin von all den Reizen reizüberflutet und reagiere mit einer Übersprungshandlung/ etc.
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