Führung vs. Selbstbestimmung

  • Es gibt kein perfekt, das kommt auf den Hund und die Situation an.
    Ich bin aber ganz klar jemand, der den unteren Teil der Skala präferiert, wenn der Hund verlässlich hört. Außer jagen und wirklich weit wegrennen (woran meine Hunde eh kein Interesse haben) dürfen meine Hunde draußen eigentlich alles, dafür erwarte ich aber, dass Kommandos zuverlässig und ohne schuldhaftes Verzögern befolgt werden, wenn ich der Meinung bin, dass ein Eingreifen nötig ist.

    Bei Junghunden ist es also meist ein sehr hohes Maß an Kontrolle und das nimmt dann ab, wenn ich den Hund kenne (und er im Charakter gefestigt ist) und mich auf ihn zunehmend verlasse(n kann).


    Ich hatte auch schon Hunde, bei denen es nötig war wirklich immer den Deckel drauf zu haben, immer die Kontrolle zu behalten damit der Hund entspannt bleibt. Das geht also auch, finde ich aber einfach nur anstrengend.

  • Ich glaube, wir befinden und irgendwo in der Mitte, haben aber auch einen sehr pflegeleichten Hund. Allerdings neigt sie dazu, kleine Inkonsequenzen gnadenlos auszunutzen, worauf vor allem mein Mann reinfällt, der ihr nichts abschlagen kann (bzw. er muss es noch lernen und bekommt, wenn er mit ihr alleine ist, eine vorgegebene Menge Leckerlis, damit sie nicht bettelt; bei mir bettelt sie nicht mehr so viel :lol:).


    Drinnen darf sie sich aufhalten, wo sie will; Räume, in die sie nicht darf, bleiben für sie verschlossen. Praktisch ist, dass sie als Mini-Hund nicht überall rankommt, sodass es fast überall gereicht hat, die Bodenhöhe zu sichern. Es gibt aber klare Regeln, die ich teilweise immer wieder durchsetzen muss (ich schmeiße sie zur Zeit mehrfach am Tag vom Sofa, auf das sie zwar darf, aber eben nicht mit Futter oder Kaustangen oder so). Anderes klappt schon gut (mittags kam sie zum Betteln an den Esstisch; sie legt sich jetzt brav auf die Decke neben dem Tisch, wartet, bis wir fertig sind, und macht wirklich sobald das Besteck auf dem Teller abgelegt ist bei meinem Mann oder bei mir "Männchen", um sich Streicheleinheiten abzuholen.)


    Draußen gibt es morgens und abends eine kurze Runde, in der ich den Weg vorgebe und wir an der Leinenführigkeit üben (mit der Ausnahme, dass ich manchmal, wenn sie mich anschaut, weil sie noch nicht wieder rein will, eine Extrarunde drehe). Mittags gebe ich grob die Richtung vor, aufs Feld, und dann darf sie entscheiden, wie das genau aussehen soll (mit Regeln von mir).


    Ich bin ja mit ihr noch relativ weit am Anfang, habe aber schon gemerkt, dass sie alles gnadenlos ausnutzt - und man trotz "so klein" und "so niedlich" bei bestimmten Dingen konsequent sein muss (das war mir vorher klar, aber man lässt bestimmte Sachen bei einem sehr lieben kleinen Hund sicher schneller schleifen als bei einem wilderen und größeren Hund).

    Mir ist vor allem wichtig, dass sie so unkompliziert bleibt und keine kleine Tyrannin wird. Und solange sie draußen auf mich achtet und auf meine Kommandos hört ist es für mich okay, auch mal abends eine Extra-Runde einzulegen, weil wir an dem Tag noch gar nicht an der Wiese am anderen Ende des Viertels waren - und sie da uuuunbedingt schnuppern muss.



    Was perfekt ist, hängt sicher vom Hund ab. Bei den kleinen Begleithunden hat man ja auch den Vorteil, dass sie von Fremden wohlwollend aufgenommen werden. Wenn ich hier am Supermarkt vorbeilaufe und nicht total aufmerksam bin, steht Sasa binnen Sekunden vor irgendeiner älteren Dame mit Einkaufstasche, weil sie Menschen zugewandt und sehr neugierig ist, was da wohl drin sein könnte. Ich versuche natürlich, darauf zu achten, aber wenn es mal passiert, finden die meisten es eher niedlich. Wenn ich mir das mit einem größeren Hund vorstelle, der insgesamt nicht so eine Ruhe ausstrahlt wie meine Kleine - unangenehm. Da wäre ich auch viel aufmerksamer und strenger oder würde den Weg am Supermarkt entlang ganz vermeiden, vermute ich.

  • Ich würde auch sagen 6


    Mein Opi Hund muss bestimmte Dinge einfach ausführen und ertragen da gibt's keine Disskusion.


    Und in manchen Punkten darf er gerne mal Diskutieren und manchmal gehe ich drauf ein

  • Die Frage stelle ich mir auch sehr oft und finde das Thema deshalb spannend.


    Uns würde ich in der Skala auch bei einer 7-8 einstufen. Anfangs habe ich mir eingebildet, dass meine Hunde recht viele Freiheiten besitzen, aber dem ist eigentlich nicht so. Im Endeffekt dürfen sie vieles, dass sie wollen, aber nie ohne Rücksprache oder vorangegangene Erlaubnis und auch eher nur temporär.


    In der Wohnung werden sie zum Beispiel ihren Liegeplätzen zugeordnet und ich mag es nicht, wenn sie mir permanent nachlaufen, Spielchen anfangen etc. Sie dürfen Kontaktliegen oder mal auf meine Sofaseite, auch ins Bett, wenn ICH das auch möchte und es freigebe. Wir spielen regelmäßig zusammen, wenn ICH ein Spielzeug hole. Wenn ich Jacke anziehe oder andere Anstalten mache, die Wohnung zu verlassen, dürfen sie erst nach Aufforderung nachlaufen oder mitkommen, obwohl sie am liebsten schon minutenlang hüpfend vor der Türe stehen würden. Sie müssen im Auto warten, bis ich sage, sie dürfen aus dem Kofferraum hüpfen. Im Garten haben sie freie Hand und auch ihr Spielzeug zur Verfügung, solange nicht gekläfft wird, gehe ich da nicht mal mit raus. Solange sie nicht alle 20 Minuten vor der Tür und hinter der Tür stehen wie ne Katze, lasse ich sie auch raus und rein, wenn sie das möchten.


    Draußen im Freilauf ist der Radius zwar groß, aber muss immer so sein, dass sie ansprechbar bleiben für mich und sie halten auch immer wieder Rücksprache. Nicht ständig, sie dürfen schon viel schnüffeln, mal in diese und mal in jede Richtung laufen, sind aber immer mit einem Ohr bei mir. Wo wir langlaufen, entscheide in 90% der Fälle ich, den Rest dürfen die Hunde machen wie oder was sie möchten. Es gibt ein paar feste Regeln (an Kurven, Ecken und Straßen warten, keinen Mist fressen, Kontakt mit Menschen / Hunden nur nach Rücksprache), aber den Rest der Zeit unterhalte ich mich meistens mit meinen Gassibegeltungen und die Hunde machen ihr Bier.


    In Sachen Pflege gibt es selten viel Selbstbestimmung, weil das meiste gemacht werden MUSS (Krallenschneiden, Jacke wegen kalt, Hundefrisör, Tierarzt, Physio). Selbstbestimmung würde hier zur absoluten Verweigerung führen, ergo nicht denkbar.


    Ich glaube, die einzig absolute Freiheit, die sie haben, ist die Selbstbestimmung darüber, wann sie fressen wollen. Das Futter steht den ganzen Tag :lol:

  • Spannende Frage!
    Ich seh das auch situationsbezogen unterschiedlich, zu Hause ohne Besuch ist was anders, als beim Tierarzt und man muss da bestimmt auch rassebedingte Unterschiede machen. Manche Hunde kommen mit zu wenig Führung nicht klar, manche haben Probleme mit zu eng gesteckten Grenzen.

    Aber auch zum Menschen muss es passen, wie viele Freiheiten man dem Hund so lässt und ob man lieber früher oder später eingreift, ob man erst eng führt und die Grenzen nach und nach ausweitet,...


    Im Alltag zu Hause und beim Training in den eigenen 4 Wänden würde ich uns bei 1-2 ansiedeln. Sobald aber andere Lebewesen mit ins Spiel kommen, wandern wir die Skala rasant nach oben, bei normalen Spaziergängen mit durchschnittlicher Dichte an Hunden und Menschen sind wir mittlerweile bei 4-6, bei höherer Dichte oder wenn wir irgendwo zu Besuch sind, ists wahrscheinlich so 8-10 (je nach Situation und Erregungslage beim Hund).


    Mein Ziel ist allerdings, dass auch in solchen Situationen meine Führung immer weniger gebraucht wird. Wir arbeiten darauf hin, dass Carlo selbstständig und souverän durchs Leben gehen kann und seine Entscheidungen auch vorteilhaft für die Umwelt sind (irgendwo reinbeißen ist zwar für Herrn Hund eine adäquate Lösung, wird aber von der Umwelt nicht so gern gesehen).


    Mit Carlo funktioniert es sehr gut, er kann mit viel Entscheidungsspielraum sehr gut umgehen und wird dadurch sogar eher noch selbstsicherer und in anderen Situationen angenehmer zu führen. Uns beiden liegt die enge Führung dagegen nicht so gut. Wir kommen damit schon klar, aber länger als 1-2h schaffen wir das nicht, da reiben wir uns nur noch aneinander auf und frusten uns gegenseitig hoch :headbash:
    Wir diskutieren beide einfach gern und ich bin wirklich froh, dass wir durchs Training in manchen Besuchssituationen schon so weit sind, dass ich nur noch in speziellen Situationen oder wenns lange dauert gegen Ende eingreifen muss.

  • Ich glaube pauschal kann ich da gar nix angeben.

    Beim Gassigehen sind/waren meine Hunde zwar immer viel im Freilauf, aber doch mit häufiger Kontrolle. Das wurde mir schon von anderen Hundehaltern "angekreidet", die ihre Hunde zu Beginn des Spaziergangs ab machen, am Ende wieder dran und dazwischen macht Hund was er will. Gibts bei mir nicht, ich rufe ran bei Begegnungen, ich rufe ab, wenn Hund an unpassenden Stellen (und das ist es ja meistens) buddeln will und möchte generell gerne mit Hund immer wieder in Kontakt stehen. Dafür haben meine einen großen Radius, da wir hier viele freie Flächen haben. Dennoch hatte ich immer das Glück, dass ich mit allen Hunden ein sehr entspanntes Gassigehen ohne Leine erreichen konnte, da reichen 80% Aufmerksamkeit auf den Hund und nicht 100% Fokus:nicken:


    Hier gibt es keine freie Fütterung sondern ich gebe Futter & Snacks zu bestimmten Zeiten raus. Ich kenne durchaus Hundehalter (für die ich wenig Verständnis habe), die Futter nicht zur freien Verfügung schon als unzumutbare Einschränkung der Freiheiten des Hundes einsehen:ugly: Immer wieder gruselig dann zu lesen, wie sich Hunde 3kg Trofu einverleiben, kotzen, scheißen, Bauchweh haben, aber wehe der Besitzer will die freie Fütterung abbrechen, dann ist man ein Tierquäler. Wegen unpassender Äußerungen meinerseits zu diesem Thema flog ich dann aber aus dieser sehr speziellen, gewaltfreien Facebookgruppe:pfeif:

    Bei Besuch musste ich meine Hündin oft wegschicken weil ... nicht so menschenfreundlich. Bei hundeliebendem Besuch lasse ich meinen Rüden machen was er will, außer direkt an der Tür. Bei Besuch, der nicht so scharf auf Hunde ist, wird er in sein Körbchen geschickt.


    Wie man das jetzt einordnet ist immer eine Frage der ganz persönlichen Perspektive:ka: Ich empfinde unser Zusammenleben als recht frei, vor allem stressfrei:smile: Aber dennoch müssen meine Hunde sicher häufig mal was mitmachen, wo sie sich anders entschieden hätten, hätten sie ganz frei wählen dürfen. Ich versuche halt, es ihnen gut zu verkaufen;)

  • Würde Max selbst entscheiden, wären viele Männer, Hunde, manche Radfahrer und auf jeden Fall der Postbote nicht vor ihm sicher :ugly:

    Er sucht sich etwas zu tun, wenn ich ihm da nichts vorgebe. Insofern muss ich ihn relativ eng regeln, auch wenn ich es lieber lockerer hätte.

    Bei ihm dürfte es demnach eine 8-9 sein.


    Ich trainiere mit ihm seit Jahren daran, dass er seine Entscheidungen so fällt, wie ich sie gerne hätte. Das hatte durchaus auch Erfolge, aber keine 100%igen. Er ist schlicht kein Verlasshund, sondern stellt Entscheidungen immer wieder neu in Frage.



    Dexter ist da einiges einfacher. Er ist im Alltag recht entspannt, sucht normalerweise keinen Ärger (es gibt ein paar ganz wenige Ausnahmen, da übernehme ich dann und sage, was er tun soll bzw was nicht). Er geht locker an Leuten vorbei, hat kein Interesse am Postboten usw.

    Bei ihm ist das Regeln eher dahingehend, dass er beim Träumen nicht auf die Straße läuft. Denke etwa eine 4 im Allgemeinen.


    Es ist eben eine sehr individuelle Sache, aber bestimmt auch vom Halter abhängig, sowie vom Umfeld.

    Finde es schon angenehmer, wenn die Hunde nur wenig Leitung im Alltag bräuchten.



    Wobei ich den Hunden durchaus auch zugestehe, eine ganz eigene Meinung zu haben. Heute beispielsweise wollten beide keine große Runde spazieren gehen, weil Wetter richtig eklig. Ich persönlich hätte es noch ok gefunden, aber beide waren sich völlig einig, sie möchten lieber zuhause noch eine Runde eingekuschelt schlafen.

    Da wir die letzten Tage genug Action hatten, ist das dann auch was, dass die Hunde mitbestimmen. Wir sind dann eben wieder zurück nach hause :ka:

  • Ich finde die Frage auch schwer zu beantworten.

    Meine Hunde haben wenige Regeln, aber die sind dafür in Stein gemeißelt. Innerhalb dieser Regeln haben sie dafür enorm viel Freiheit.


    Wie würdest du das denn beurteilen? Meine Hunde haben beim Gassi einen gewissen radius einzuhalten. In diesem dürfen sie sich aber frei bewegen.

    Ist das jetzt eine 0 oder eine 10? Denn den Radius lege ich ja fest.

  • Und wo ordnest Du euch ein?

    Gute Frage. :D


    Ich denke hier in der Wohnung sind wir bei einer 4?

    - Er darf bis auf das Kinderzimmer in alle Räume und Schlaf- bzw. Liegeplätze fast immer frei wählen: nur nicht ins Bett und beim Essen nicht unterm oder am Tisch liegen. Ach, Balkonverbot hat er noch, weil er da noch pöbelt.

    - Futterzeit und -sorte bestimme ich.

    - Gassizeiten ebenfalls - aber ich reagiere natürlich, wenn er anzeigt, dass er mal nötig muss.

    - Spielzeug liegt hier nur sein Gummiball rum, gespielt und getobt wird damit aber nicht - er trägt ihn aber zur Begrüßung stolz, so dass diese entspannter abläuft, als hätte er nichts zum Herzeigen im Maul.

    - Sucht er von sich aus Körperkontakt, bekommt er den nahezu immer, es sei denn er fängt an über uns Menschen bspw. auf dem Sofa drüberzusteigen, dann wird er weggeschickt.

    - Kontakte zu unserer Tochter (4) beobachte ich genau und manage ich. Sie ist manchmal zu grob, dann muss er gerettet werden und manchmal ist er zu grob, dann muss sie gerettet werden.

    - Wenn es klingelt und/oder Besuch kommt, darf er nicht zur Tür. Wenn er sich entspannt, darf er dann ggf. den Besuch begrüßen. Bei Kinderbesuch bleibt er räumlich getrennt. Er ist da zu sehr in Versuchung irgendwas zu regeln.


    Hm, wenn ich das so lese, ist es vielleicht doch eher eine 6.


    Draußen ist es wohl noch eine 8, bei Hundebegegnungen tatsächlich 9-10.


    - Pelle läuft, bis auf verschwindend geringe Momente an der Schleppleine.

    - Ich bestimme die Wege, auch ob auf dem Weg bleiben oder über die Wiese bummeln angesagt ist.

    - Wir integrieren gerade Inseln auf den Spaziergängen, um für eine gewisse Erwartungssicherheit zu erzeugen (hier wird apportiert, da wird gemäuselt und dort machen wir Leckerlispiele), ich weiß nicht, ob an diesen Plätzen, die zunächst von mir integriert und irgendwann von ihm abgefragt werden, dann ein Gleichgewicht und damit eine 5 entsteht.

    - Pelle darf nicht jagen, aber er darf beobachten, so lange er möchte, solange sein Erregungsniveau nicht Richtung Tunnel kippt - bei Wild, wie auch bei anderen Hunden.


    -Bei Hundebegegnungen in direkter Begegnung hat Pelle keinen Handlungsspielraum. Ich markere erwünschtes Verhalten und manage den Verlauf, unerwünschtes Verhalten ignoriere oder breche ich ab. Da denke ich oft, dass das der Grund ist, warum wir nicht weiterkommen vom Management zur Selbstregulation - weil ich ihn keine Wege finden lasse, sondern manage.

    - Bei Hundebegegnungen in indirekter Begegnung, mit ausreichend Platz, der seiner Komfortzone noch entspricht, darf er alleine Lösungen finden (schnüffeln, Bogen größer machen, markieren, beobachten), aber auch nur so lange er nicht dicht zu nah dran am Tunnel ist.


    Ich hoffe, dass wir auf eine ausgewogene 5 kommen im Laufe seines Lebens. Das würde ich mir für ihn und mich wünschen. :nicken:

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