Wo fängt Vermenschlichung an, bzw. Was ist Vermenschlichung?

  • Mein Problem mit "Vermenschlichung" ist eher, dass wir selbst immer unnatürlicher werden in der westlichen Welt. Unser ganzes Handeln und Denken wird immer rationaler, berechnender, technischer. Wir entfernen uns ja selbst immer mehr von der Natur und "Natürlichkeit". Diese Art zu Handeln und Denken ist zwar in unserer westlichen Gesellschaft immer wichtiger um erfolgreich zu sein, aber wirklich sehr ab von dem wie Tiere ticken. Ich finde es sehr faszinierend wie "schlecht" viele meiner hoch-akademischen Freunde und Bekannten darin sind, wenn es darum geht mit Tieren umzugehen. Die einfach völlig anders ticken, für die es Bauchgefühl, Empathie und Verständnis braucht - und eben keine "Anleitung" bzw. "Wenn dies, dann das". Dieser Spargat fällt vielen verständlicherweise sehr, sehr schwer.

  • Vermenschlichung heißt streng genommen „nur“, einem anderen Lebewesen oder auch einem Objekt menschliche Eigenschaften, Werte- und Moralvorstellungen, Gedanken- und Erlebenswelt zu unterstellen. Meist auf dem Weg der Projektion, in dem man das eigene Wollen ins Gegenüber hineinprojeziert. Und es ist mit Sicherheit eine der faszinierenden Eigenschaften von Hunden, dass sie auf eine Art und Weise mit uns kommunizieren, die sehr dazu einlädt. Ich kenne keinen Hundehalter, auch nicht unter den Abgeklärtesten, der nicht mal sowas gesagt hätte wie: „Guck doch mal, der hat jetzt genau verstanden, was Du gesagt hast“. Was eine harmlose Ausprägung ist.


    Eine weniger harmlose, aber sehr gängige Ausprägung ist sowas wie: „der hat jetzt doch ein total schlechtes Gewissen“, „der weiß doch ganz genau, dass er xyz nicht darf“, „der macht das doch nur um zu ärgern, testen, provozieren“ ... Ziemlich üblich, vor allem (aber nicht nur) bei Ersthundehaltern. Birgt die Gefahr, Konflikte nicht zu erkennen bzw. Unstimmigkeiten in der Mensch/Hund Kommunikation nicht zu erkennen oder falsch zu benennen und damit nicht wirklich gut daran arbeiten zu können. Und führt sehr schnell in diese Dominanz/Hierarchie/Stellung im Rudel-Geschichte.


    Wirklich schlimm wirds dann, wenn man das Handeln eines Hunds so lange aus der Brille menschlicher Wunsch- oder Moralvorstellungen betrachtet, bis vorhandene Probleme schon verfestigt oder eskaliert sind. Und wenn man aus Unfähigkeit, den Hund als Hund zu sehen, daran überhaupt nicht arbeiten kann. Das steht dann der Empathie fürs Geschöpf auch massiv im Weg, weil man es in seiner Eigenart gar nicht wahrnehmen kann.


    Den Hund als Sozialpartner mit Liebe zu bedenken, ihn nach eigenen optischen oder erzieherischen Wünschen zu formen, Befriedigung aus erfolgreicher Erziehung, sportlicher Zusammenarbeit, Showerfolg zu ziehen ... ist meiner Interpretation nach keine Vermenschlichung, sondern würde eher in die Richtung von „Besetzung“ gehen. Das Übermaß ist da, wo es dem Hund schadet. Was schadet ist dabei eine ziemliche Interpretationssache.


    Aber in unseren Breitengraden hat ein Großteil der Hundehalter Hunde in einer „Funktion“, die ihm so erstmal nicht in die Wiege gelegt wurde. Und Hunde werden seit Jahrhunderten für menschliche Bedürfnisse geformt und gezüchtet. Die Gattung ist dadurch nach wie vor erfolgreich. Und ob es die Hundeindividuen, die als geliebte Familienmitglieder behandelt werden, wirklich schlechter haben, als die, die die früher strikt gemäß ihrer Funktion genutzt wurden, ist auch eine ziemliche „Wertungssache“.


    „Würde“ ist übrigens auch ein menschliches Konzept :smile:

  • Ich vermenschliche, sag regelmäßig „ schön bei Mama bleiben“ . Befremdlich findet das der Hund nicht, aber meine Kinder ? . Muss dazu sagen, dass ich keine Antwort erwarte....

  • Der Hund an sich ist doch schon eine Vermenschlichung.

    Er ist Hund geworden einzig und allein durch den Menschen. Ohne Mensch kein Hund.


    Er ist ein Partner, ein Sozialpartner. Das einzige Tier das uns Menschen wirklich als Sozialpartner ansieht.

    Warum soll es also schlecht sein wenn wir Menschen ihn dann auch als unseren Sozialpartner ansehen?

    Soweit wie es der Hund eben leisten kann. Und soweit wie wir es für ihn leisten können.


    Solange es dem Hund gut geht ist mir recht egal was sein Mensch mit ihm macht.

    Man lässt den Hund doch nicht mehr Hund sein als andere nur weil man nur 1 Halsband und 1 Leine für ihn hat.

    Oder keine auffälligen Mäntel kauft. Der Mensch kauft den Mantel ja nicht brauch oder schwarz weils der Hund so toll findet, sondern weil der Mensch selber diese Farben haben will.


    Und wie einsam ist es wohl für das soziale Lebewesen Hund bei Menschen wäre die ihn nur weil er ein Hund ist im Haus nicht beachten würden, ihm keinerlei Ansprache bieten, ihm keinen Kontakt geben...

    Ich sehe diese ganze "Verhundlichung" oder schlimmer, diese "Der Hund ist ein Wolf!" deutlich kritischer als die Vermenschlichung.

  • Für mich ist vermenschlichen etwas ausschließlich negatives.

    Vermenschlichen ist wenn man einem Hund rein menschliche Gefühle, Gedanken, Verhaltensweisen usw zuordnet bzw diese von ihnen erwartet. Da der Hund logischerweise kein Mensch ist, ist dies aber eine falsche Annahme und das dadurch folgende Missverständnis hat dann normalerweise eben negative Auswirkungen. V.a. da das Wort ja in einem explizit negativen Kontext, also wenn diese Missverständnisse problematisch werden, verwendet wird.

  • Für mich ist vermenschlichen etwas ausschließlich negatives.

    Vermenschlichen ist wenn man einem Hund rein menschliche Gefühle, Gedanken, Verhaltensweisen usw zuordnet bzw diese von ihnen erwartet. Da der Hund logischerweise kein Mensch ist, ist dies aber eine falsche Annahme und das dadurch folgende Missverständnis hat dann normalerweise eben negative Auswirkungen. V.a. da das Wort ja in einem explizit negativen Kontext, also wenn diese Missverständnisse problematisch werden, verwendet wird.

    Das funktioniert so aber nur, wenn man rein menschliche Eigenschaften als prinzipiell negativ sieht.

  • Für mich ist vermenschlichen etwas ausschließlich negatives.

    Vermenschlichen ist wenn man einem Hund rein menschliche Gefühle, Gedanken, Verhaltensweisen usw zuordnet bzw diese von ihnen erwartet. Da der Hund logischerweise kein Mensch ist, ist dies aber eine falsche Annahme und das dadurch folgende Missverständnis hat dann normalerweise eben negative Auswirkungen. V.a. da das Wort ja in einem explizit negativen Kontext, also wenn diese Missverständnisse problematisch werden, verwendet wird.

    Das funktioniert so aber nur, wenn man rein menschliche Eigenschaften als prinzipiell negativ sieht.

    Negativ werden sie ja erst, wenn sie fälschlicherweise aufs Tier übertragen werden.

  • Das funktioniert so aber nur, wenn man rein menschliche Eigenschaften als prinzipiell negativ sieht.

    Negativ werden sie ja erst, wenn sie fälschlicherweise aufs Tier übertragen werden.

    Hmm, aber warum? Wenn ich zum Beispiel Loyalität nehme. Eine Eigenschaft die Hunden oft angedichtet wird. Das ist doch nichts Negatives. Es ist nur nicht unbedingt wahr. Wenn mir ein Tier gehört, hat es ja wenig eigene Wahl sich unloyal zu verhalten :lol: Hat aber auch absolut keine Auswirkungen auf das Leben des Tieres, ob ich es nun als Loyal vermenschliche.

  • Negativ werden sie ja erst, wenn sie fälschlicherweise aufs Tier übertragen werden.

    Hmm, aber warum? Wenn ich zum Beispiel Loyalität nehme. Eine Eigenschaft die Hunden oft angedichtet wird. Das ist doch nichts Negatives. Es ist nur nicht unbedingt wahr. Wenn mir ein Tier gehört, hat es ja wenig eigene Wahl sich unloyal zu verhalten :lol: Hat aber auch absolut keine Auswirkungen auf das Leben des Tieres, ob ich es nun als Loyal vermenschliche.

    Ich glaub, wir reden um Haaresbreite aneinander vorbei.

    Nee. Loyalität an sich ist nichts negatives - negativ wird sie erst dann, wenn sie als Form über den Hund gepresst wird und er diese Erwartung nicht erfüllen kann, weil der Mensch zu menschlich denkt und sie in Momenten erwartet, wo Erziehung im Vorfeld besser gewesen wäre.

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