Medical- und Kooperations-Training: Allgemeiner Austausch

  • Ich hab mal eine Frage, und zwar habe ich gerade einen Urlaubsgast und der... mag nicht gerne angefasst werden. Also er hat keine Angst im Sinne von er verkriecht sich, rennt weg oder so. Allerdings hat er mit berührt werden, streicheln usw durchaus Stress, meidet und beschwichtigt sehr viel.


    So viel ich weiss wurde er als Junghund von seinem damaligen Herrchen zeitweise sehr grob behandelt und scheinbar ist das hängen geblieben. Er ist im Kontakt mit Menschen generell sehr ambivalent... eigentlich will er, aber irgendwie auch nicht.


    Ich hab heute mal versucht das wie einen Trick aufzubauen. Also ich hab ihn ruhige berührt und gestreichelt, zunächst an Stellen wo er es "okay" finden und das belohnt. Und mich dann langsam vorgetastet... wie würdet ihr das machen?


    Ziel ist nicht das er anfassen toll findet... aber er muss sich ja anfassen lassen, gerade wegen TA usw.

    Zecken entfernen und ähnliche Sachen sind teilweise wirklich kompliziert :fear: Wenn er wirklich mal verletzt ist und Schmerzen hat :flucht: Keine Chance.

  • Wie hast du das aufgebaut?

    Ich wünschte wirklich, ich könnte dir da eine tolle Anleitung geben :see_no_evil_monkey: Mit "Ich hab es einfach gemacht" kannst du wahrscheinlich nichts anfangen.

    Fusselchen hatte sich mit ihrer Grobmotorik einen Kratzer auf der Netzhaut verpasst. Da war sie noch nicht sehr lange bei mir und wir mussten uns eh erst noch aufeinander einstellen. Sie war zu dem Zeitpunkt sehr unsicher und fing schnell mit Beschwichtigen an (auf den Rücken rollen, Bauch zeigen), sobald man sich irgendwie über sie beugt. Ich hab mich also mit den angewärmten Tropfen (3xtgl.) nach dem Gassi zu ihr auf den Boden gesetzt, damit mein Körperschwerpunkt nicht nach vorne geht.

    Dann hab ich ihr die Tropfen gezeigt und sie schnüffeln lassen. Neugier war ja da, weil, könnte ja lecker sein. Direkt beim Zeigen hab ich "Erst" gesagt. Als sie mit Schnüffeln fertig war (nur paar Sekunden, weil langweilig) hab ich ihr das Leckerchen gezeigt und "Dann" gesagt. Leckerchen in Sichtweite auf den Tisch gelegt. Ich hab sie dann nicht direkt an den Kopf gefasst, sondern die hand über die Seite kraulend nach oben wandern lassen. Und dann eben wie gesagt, das Lid bissel hochgezogen, Tropfen rein und gelobt. Dann gab es das Leckerchen.

    Die Tropfen brennen ja nicht, und wenn sie warm sind, fühlen sie sich nicht so fremd an. Das Oberlid hochziehen geht leichter, als direkt am Maul am Unterlid zu hantieren. Je nach Hund ist es ihm vllt. angenehmer, wenn man daneben sitzt statt wie wir direkt voreinander.

    Hab sie auch genau dabei beobachtet und unterbrochen, wenn sie den Kopf wegziehen wollte. Man muss ja auch nicht direkt tropfen, kann Hund erstmal dran gewöhnen, dass man da mit etwas rumhantiert, ohne, dass was passiert. Aber wenn es akut ist, geht es halt nicht anders.

    Anfangs hatte Erst/Dann für sie auch keine Bedeutung, aber inzwischen kann sie was damit anfangen (z. B. auch Erst Pipi, dann Suchkeks ^^). Und weil es eben sein musste, ging es auch nicht wirklich anders.

    Ich hab geschaut, es ihr so angenehm und zwanglos wie möglich zu machen. Gerade nachdem die damalige TÄ in einem Anfall von Ungeduld sie angeschnauzt und reichlich grob am Kopf gepackt hat, blieben mir nicht viele Möglichkeiten. Aber so und mit viel Ruhe und Achtsamkeit hat es gut funktioniert. Im Grunde kann man sich da auch ranclickern, aber zum einen fehlte mir da eine dritte Hand und zum anderen haben wir zu der Zeit noch nicht geclickert. War wie gesagt alles ganz am Anfang unserer Beziehung und das Ganze entstand in einem Grundgedanken aus Berechenbarkeit.

    Ich wünschte, das würde beim Krallenschneiden auch so gut gehen :grinning_face_with_smiling_eyes:


    Also ich hab ihn ruhige berührt und gestreichelt, zunächst an Stellen wo er es "okay" finden und das belohnt. Und mich dann langsam vorgetastet... wie würdet ihr das machen?

    Ich würde es genau so machen, wie du es schreibst. Genau beobachten und langsam vortasten. Wobei ich das Setting so sortieren würde, dass es sich vom alltäglichen Streicheln im Rahmen seiner Möglichkeiten unterscheidet. Dass es eben wirklich Anfasstraining für pflegende/medizinische Maßnahmen ist. Gerade, weil er sich generell nicht so gerne anfassen lässt. So kann er lernen, dass er im Alltag sich vllt. den Streicheleinheiten entziehen kann (wenn du seine Beschwichtigungssignale berücksichtigst und entsprechend darauf reagierst), aber eben in diesem Setting "da durch muss".

    Das kann schon eine bestimmte Decke sein, die nur für diese Zwecke benutzt wird (die kannst du dann auch mit in die Praxis nehmen).

    Wir machen das immer auf dem Tisch. Bisher war es der Wohnzimmertisch. Sobald das weiße Tuch drauf liegt, springt sie schon selber drauf. Sie weiß, da passieren zwar blöde Sachen wie Schweif Bürsten und Augen freischneiden, aber sie weiß auch, dass es immer wieder kleine Pausen mit Keksschauern gibt und einen Jackpot am Ende. Für meinen gealterten Rücken müssen wir das jetzt aber an den Esstisch verlegen, aber auch hier kann sie selbstständig rauf und runter springen. Das ist meinem Mädchen wichtig und eins der großen Probleme bei dem Tisch beim TA.

    Wir haben auch eine Extra-Kiste für Fell- und Pfotenpflege und eine andere mit Kram fürs Medical Trainig mit Stethoskop, so einem Ohr-Guck-Ding, Stauschlauch und eine kleine Sprühflasche (zum Desinfizieren der Einstichstelle). Sie kennt beide und weiß dann auch dementsprechend, was auf sie zukommt. Sie weiß, im Notfall kann sie einfach gehen. Sie weiß, wir machen Pausen. Sie weiß, auch wenn wir nicht jeden kleinen Schritt belohnen, dass die Belohnung, wenn sie dann kommt, nur größer ausfällt.

    Berechenbarkeit ist wichtig für sie. Deshalb werden bestimmte Maßnahmen auch angezählt, damit sie weiß, gleich ist es vorbei.

    Sorry, ich gerate ins Schwafeln ... :zipper_mouth_face:

  • noda_flake ich würde entweder mit einem Kooperationssignal arbeiten (z. B. Stehen auf einem Target mit dem Vorderpfoten) oder zumindest das Training fürs anfassen immer auf ein und derselben Matte / Decke machen, damit er weiß, was passiert. Zusätzlich würde ich das anfassen immer ankündigen, entweder allgemein für alles dass selbe Wort oder Körperteile benennen, die du anfassen wirst. Am Anfang eben nur mit der Hand nähern und markern (kein Clicker, nimm ein Wortmarker, du brauchst deine Hände), dann langsam vortasten und berühren und Berührung verlängern. Dabei immer seine Konfliktsignale im Blick behalten.

    Je mehr der Hund weiß, was passieren wird, desto einfacher wird es für ihn. Und wenn er von Matte/Target was immer runter geht, dann aufhören. Kontrolle zu haben nimmt den Hunden enorm Stress.

  • In dem Fall würde ich das einfach immer wieder einfließen lassen und schlicht markern und belohnen, wenn der Hund still hält.


    Meine Sheila ist auch so eine. Drängt sich auf, ist aber mega gestresst, wenn sie angefasst wird. Anfangs habe ich vor allem die normalen Dinge im Alltag genutzt. Halsband anziehen, sie steht vor mir und möchte Kontakt, abtrocknen ... Der Hund ist ja in einer "neuen" Lebenssituation. Und in Deinem Fall vermutlich auch nur recht kurz. Da hat der Hund kaum Kapazitäten für ein wirklich intensives Training.

  • Dann hab ich ihr die Tropfen gezeigt und sie schnüffeln lassen. Neugier war ja da, weil, könnte ja lecker sein. Direkt beim Zeigen hab ich "Erst" gesagt. Als sie mit Schnüffeln fertig war (nur paar Sekunden, weil langweilig) hab ich ihr das Leckerchen gezeigt und "Dann" gesagt. Leckerchen in Sichtweite auf den Tisch gelegt.

    Danke 😃

    Das war's was ich wissen wollte.

    Dann probiere ich das mal mit der Bürste. Nur, dass der Herr ewig schnüffeln muss 🤷‍♀️😅

  • Ich hab gestern mal unser abendliches Zähneputzen mitgefilmt und einen kleinen Ausschnitt mitgebracht.


    Startsignal ist das Ablegen des Kopfes, Stoppsignale sind Schlecken/Schlucken und Kopf wieder anheben.

    Worauf ich in Zukunft mehr achten möchte: bei den Backenzähnen früher aufhören, damit er nicht stoppen muss (was aber echt schwierig für mich ist, denn gerade auf der rechten Seite ists ganz wichtig, dass der M1 gut geputzt wird, da fehlt im Oberkiefer nämlich der P4 und unten noch der M2, so dass er auf der Seite kaum kauen mag/kann und sich so schnell Zahnbelag bildet :( )


    [Externes Medium: https://youtu.be/yToyISnoFic]
  • Pfeffernaserl Klasse! Was mir beim Schauen aufgefallen ist: immer, wenn Carlo die Behandlung unterbricht, bekommt er auch einen Keks. Um Behandlungszeiten ausdehnen zu können, üben wir das ganz leicht abgewandelt: abbrechen darf der Hund natürlich jederzeit. Dafür gibts dann allerdings keinen Keks, sondern ich merke mir, wann es dem Hund zuviel war, und bestätige beim nächsten Mal vor dem Abbruch, also noch während des Behandelns. Wenn der Hund unterbricht, gibts einfach nur eine kleine Pause, dann lade ich ihn wieder ein, weiterzumachen, und bestätige entsprechend früher.

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