Körpersprache im Mehrhundehaushalt - wie erkennt ihr Konfliktpotenzial?

  • Hej ihr,

    ich lese gerade einen älteren Thread durch, in dem die Hunde einen Haushalts deutliche Konflikte miteinander hatten. ("Zwei Hunde haben plötzlich Probleme")
    Da schrieb der TS, dass die Hunde sich gegenseitig die Schnauzen lecken würden und Kontaktliegen und einige interpretierten das mehr oder minder als mögliches Konfliktsignal (zumindest in der Konstellation mit den anderen Informationen).

    Im Urlaub habe ich mal erlebt, wie es zwischen den drei im Ferienhaus lebenden Hunden eskaliert ist, die beiden etwas jüngeren Rüden (ca 5 Jahre) haben sich massiv auf den sehr alten Rüden gestürzt. Mein Freund stand unmittelbar daneben und rief nach dem Eigentümer, denn es sah wohl sehr schlimm aus und es hörte sich auch im inneren des Hauses übel an. Als ich auf die Terrasse gerannt kam, war wirklich eine Menge Blut auf dem Boden zu sehen, der Besitzer hatte blitzschnell die Hunde getrennt (wohl mit ganz heftigem Körpereinsatz seinerseits, wie mein Freund berichtete) und die Hunde wirkten ziemlich ruhig... ich würde sogar sagen entspannt.
    Der eine jüngere Rüde ging kurze Zeit darauf wieder in Richtung des alten Rüden, ich empfand ihn als sehr defensiv, er leckte auch die Lefze des eben noch attackierten von unten - es wirkte auf mich beschwichtigend.

    Der Eigentümer sagte zu mir, dass das nun schon das dritte Mal vorgekommen sei, er habe die Rüden immer trennen können (ich kann rein gar nicht einschätzen, ob ihn das geängstigt hat oder ob es ihm relativ egal war, den Mann konnte ich noch schlechter lesen als die Hunde) und kurz nach so einer Beißerei, in der sich immer die Jüngeren auf den uralten Rüden stürzen würden, würden sie wieder alle zusammenliegen und sich gegenseitig die Ohren, Lefzen und Wunden lecken.

    Wie ist das in dieser Kombination von "Pflegeverhalten" und handfester Eskalation? Kann mir das jemand erklären?

    Und was gibt es in eurer Beobachtung für häufig missverstandene Indikatoren dafür, dass etwas nicht rund läuft?

  • Mega spannendes Thema! 😍


    Ich kenne Pflegeverhalten bei meinen Hunden und Kontaktliegen und habe auch schon gehört/gelesen dass es eine Vorstufe von Konflikten sein kann. Für mich klingt das jedoch eher kontraintuitiv.


    Konflikte zwischen den Jungs gibt es bei uns nur selten und wenn dann vor allem aus Eifersucht (da ist es aber nur „Gemeckere“ oder sich dazwischen Drängen, und wird von uns Menschen im Haushalt nicht geduldet) oder wegen (besonders wertvollen) Ressourcen. Diese Art von Konflikten kenne ich bei vielen Hunden und erscheint mir nicht ungewöhnlich. Ähnlich war es bei Freki und ihrer „BFF“, der Wolfhundmixhündin meiner besten Freundin - da wurde auch mal um Essen oder Streicheleinheiten gestritten, aber nicht mit Beschädigungsabsicht - und sobald das Ressourcenproblem aus dem Weg war waren die beiden sehr entspannt miteinander.


    Ich würde bei der beschriebenen Situation mit den drei Rüden vermuten dass da Ressourcen im Spiel sind. Oder sogar ein „Rangproblem“ (wie macht der Besitzer das? Lässt er die Hunde rumimponieren miteinander?). Dass sie alle drei anschließend zusammenliegen und sich pflegen würde ich eher als einen Versuch der Deeskalation und der gegenseitigen Beruhigung durch die Hunde deuten.

  • Crazy, dass du das schon mal gehört hast, dass Kontaktliegen eine Vorstufe für Konflikte sein kann. Ich hab das tatsächlich noch nie gehört. Immer nur, dass Kontaktliegen und gegenseitiges Pflegeverhalten eben was ganz Tolles wäre. Ich hab das in dem Thread wirklich zum ersten Mal gelesen.

    Ich hab hier (hier gibt es ja wechselnde Besetzungen) festgestellt, dass es immer in Phasen verläuft:
    erste Phase - Distanz und vorsichtiges Abklopfen im Testspiel.

    zweite Phase - Kontaktliegen

    dritte Phase - kein Kontaktliegen mehr, aber durchaus in Nähe zu einander.


    Stänkereien und Kommentkämpfe gab es konstellationsabhängig mal mehr in der einen, mal mehr in der anderen Phase.


    In dem Ferienhaus war es so, dass das Haus wirklich abgelegen, fern von allem in der andalusischen Pampa war, die Hunde lebten alle draußen und konnten sich völlig frei bewegen. Meist liefen die beiden Jüngeren die Reviergrenzen ab, der alte lag meist im Schatten vor dem Arbeitszimmer des Besitzers auf der Veranda. Was die Hunde da taten oder nicht, hat der Mann glaube ich gar nicht mitbekommen. Ich hab allerdings zwischen denen auch keine Disharmonien wahrgenommen, kein Imponieren und auch nicht, dass die überhaupt irgendwelche Ressourcen gehabt hätten. Aber wer weiß, vielleicht hatte einer von denen eine Beute gemacht, das weiß ich nicht. Da lebt aber auch nicht viel, sehr trockenes Land, fast nur Steine.
    Die These des Besitzers war, dass die jüngeren Rüden den alten einfach platt machen wollen weil er eben alt und krank ist. Das sei eben in der Natur so. Werden denn in wildlebenden Rudeln die Schwachen eliminiert?!

  • Ob etwas Konflikte auslöst oder nicht liegt ja an der "Einstellung" der Hunde. Warum legt sich Bello neben Fiffi. Macht er es weil er die Bindung stärken will, oder weil er Fiffi kontrollieren möchte, oder weil er ihn durch seine Präsenz einschränken will.


    Bei meinem Pärchen war es so, dass sie in jungen Jahren gerne zusammen gelegen haben. Später, als der Rüde alt wurde und schlechter hören und sehen konnte, hat er die Signale der Hündin nicht mehr erkannt und es kam häufiger zu kleinen Reibereien. Mit dem jungen Rüden mag meine Hündin überhaupt nicht zusammen liegen. Der wird oft verjagt und gemaßregelt.


    Aber um die wahren Ziele und Absichten zu erkennen, muss man den gesamten Umgang der Hunde kennen.


    Konfliktpotenzial ist bei uns die Fütterung. Gustav ist sehr futterneidisch Rosie gegenüber. Hedi gegenüber nicht. Hedi darf eher an seinen Napf als Rosie.

  • Hmmm. Bei Wölfen in freier Wildbahn wird da nichts eliminiert. Die älteren Tiere ziehen sich zwar zurück - werden aber meist noch lange mitversorgt und „umkümmert“. Und es wird um sie dann auch getrauert.


    Bei frei lebenden Hunden - habe ich noch nichts dazu gelesen dass da irgendwer eliminiert wird. Da kann es aber - aufgrund weniger altruistischem Verhalten als beim Wolf - vielleicht dazu kommen, dass die älteren und schwächeren Tiere nicht mehr genug Futter abbekommen etc. und dadurch verenden.


    Als es Freki schlechter ging, haben die Jungs ganz viel Kontaktliegen bei ihr gemacht und auch weiterhin auf sie gehört wenn sie Ansagen machte (sie erlaubte ihnen nicht, im Wohnzimmer zu toben, bis zum Schluss - Wohnzimmer ist für die Hunde Ruhebereich und sie hat mich da immer unterstützt). Losgegangen sind sie auf sie nicht.


    Rangwechsel sind bei Schwächung eines älteren Tiers bei Wölfen übrigens möglich - aber meist nicht gewaltsam. Das ältere Tier wandert entweder selbst ab oder bleibt im Rudel und ist ein normales Mitglied.


    Andererseits ist natürlich die Frage, wie schlimm die Hunde des erwähnten Mannes sich wirklich zofften und ob sie, wenn er sie nicht trennen würde, auch so wieder zur Ruhe kommen würden untereinander. Manche Rüden finden Stunk super und können mit den Wunden auch leben. Würde ich persönlich bei meinen Hunden aber nicht so cool finden.

  • Bei Newton und Hunter erkenne ich es daran, dass Hunter Newton fixiert und Newton beschwichtigt. Hunter bekommt dann ein Abbruchsignal. Das reicht mittlerweile um den Konflikt aufzulösen.

  • Ich finde das Thema super spannend!


    Es geht mir auch sehr im Kopf rum, meine Eltern - bei denen ich immer wieder über Wochen bin - haben ebenfalls einen Hund. Und bei zwei Rüden (beide intakt, drei Jahre Altersabstand), habe ich das sehr im Blick.


    Klar könnte man mit Management arbeiten, falls es dauerhaft Spannungen zwischen den Hunden gibt. Aber wenn ich ehrlich bin? Ich wünsche mir wirklich sehr, dass das nicht nötig wird und die Hunde weiter unbeobachtet allein sein können.


    Bin also jetzt schon dankbar für jede, die hier ihre Beobachtungen teilt.


    (zwischen Nastro und dem Hund meiner Eltern gibt es kein Kontaktliegen, keine Pflege - aber sie ruhen oft recht nahe beieinander - und komischerweise in fast identischer Körperhaltung)

  • Oh nochmal etwas zum Thema „Rangverschiebungen“ - Freki hat Garmr sehr geliebt, mehr als Geri. Von Anfang an. Sie hat ihm ihre Lieblingsspielzeuge gebracht und „gegeben“ und immer mit ihm kontaktgelegen. Sogar an ihrem Fell nuckeln durfte er 🤣 Sie mochte Geri durchaus auch und hat ihn ebenso umsorgt - aber Garmr eindeutig bevorzugt.


    Sobald die Jungs in die Nähe der Geschlechtsreife kamen, gab sie „Verantwortung“ an Garmr ab - er durfte das Grundstück bewachen und sie hatte dann ihre Ruhe im Garten; er durfte nachts ihren Kennel im Flur („Wachposten“) nutzen, sie hat sich dann mehr direkt bei uns aufgehalten in den anderen „Höhlen“ im Haus. Außerdem hat sie es bei ihm zugelassen, dass er ihren Hintern beschnupperte - für Geri war das ein Tabu. Wäre sie jetzt noch am Leben, hätte sie wahrscheinlich dafür gesorgt dass Garmr in der Hundegruppe das Sagen hätte und auch selbst auf ihn „gehört“ (wie sie es sonst bei ihrem Partner, meinem Lieblingsspitz, getan hatte). Sie selbst hatte nicht unbedingt das Bedürfnis, die Chefrolle zu spielen, sie hatte da aber ein sehr interessantes Gespür dafür wer geeignet ist und wer nicht.

  • Andererseits ist natürlich die Frage, wie schlimm die Hunde des erwähnten Mannes sich wirklich zofften und ob sie, wenn er sie nicht trennen würde, auch so wieder zur Ruhe kommen würden untereinander. Manche Rüden finden Stunk super und können mit den Wunden auch leben. Würde ich persönlich bei meinen Hunden aber nicht so cool finden.

    nur kurz darauf: das war schon echt ernst. Der Mann war sich sicher, dass die jungen Rüden da Tötungsabsicht hatten. Und den Verletzungen nach zu urteilen sah das auch so aus, der alte war halt ein Riese mit sehr dickem Fell, ich glaube, dass ihn das letztlich gerettet hat.
    Mein Freund meinte, dass er so einen Kampf zwischen Hunden noch nie gesehen hat, nur was man so aus den 90er-Jahre Dokus von Kampfhunden kennt. Ich selbst hab's ja nicht gesehen. Es klang übel - aber vieles was übel klingt, ist ja oft nicht wirklich gefährlich, deshalb kann ich dazu keine genauen Angaben machen.


    Naja, back to topic - in dem anderen Thread wurde herausgestellt, dass das beieinander Liegen und die gegenseitige Körperpflege (das war ein Dackel-Terrier und ein Schäfer-Spitz-Ridgeback, glaube ich) als Problem gesehen werden müssten. Aber aus den Beschreibungen des Halters ging nicht hervor, ob das ein 'kontrollierendes' oder 'nähestiftendes' Kontaktliegen war. Auch wenn er nicht in der Lage gewesen wäre, das zu differenzieren - ich weiß auch nicht, ob ich das wäre - und ich bin zwar kein Profi, aber ne Vollfritte bin ich auch nicht.
    Da klang es in den Kommentaren meiner Empfindung nach eher so, als sei Kontaktliegen per se problematisch.
    Vielleicht kopier ich die entsprechenden Zitate mal hier rein, wenn ich die Muße finde. Ich will da jetzt echt mal mehr zu wissen.

  • Mich würde das sehr interessieren mit den Zitaten!


    Was ich bisher gehört/gelesen habe:

    - Hunde würden sich am besten verstehen wenn sie nur „nebeneinander“ leben und kaum Kontakt aufnehmen.

    - Körperkontakt sei ein Konfliktsignal (etwas ist „ungeklärt“)


    Wie gesagt, das klingt für mich total kontraintuitiv 🤷‍♀️ Zumal der Hund vom Wolf abstammt und innerhalb eines Wolfsrudels sehr viel Körperkontakt besteht.


    Außerdem müsste man dann folgerichtig schließen dass auch Körperkontakt zum Halter auf Konfliktpotenzial hinweist, oder? 😱

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