Welpe aus dem Tierschutz - Sozialisation/Prägung

  • Und wegen diesem Aufruf wollt ihr bewusst einen Welpen mit schlechtem Start ins Leben aufnehmen?


    Ja, die Welpen sind sicher süß. Die Rasse ist sicher auch toll. Aber blende doch mal all das aus und überlege dir, wie der worst case-Fall aussehen kann - und ob du dir das für die nächsten 10-15 Jahre wirklich antun möchtest.

    Sehr wahrscheinlich sind Muttertier und Welpen nie aus dem Keller des Vermehrers herausgekommen. Gewöhnung an Unweltreize und Co. wird während der Quarantäne auch eher nicht stattgefunden haben, denn die Welpen dürfen ja auch nicht raus - ihr werdet den Hund also ggf. auch erstmal an fremde Untergründe wie Gras, Asphalt, Kies, Holzschnitzel ... gewöhnen müssen.

    Und an die Autos in der Stadt. An andere erwachsene Hunde. An das Leben in einer Wohnung, wo drumherum auch noch permanent Geräusche sind. An so viele Dinge, an die man als Normalsterblicher gar nicht denkt, weil die für einen selbst einfach Alltag sind.

    Und wie gesund die Hunde sind, weiß auch niemand so richtig. Die Impfungen sind nicht alles. Während des Wachstums können sich eventuell angeborene Krankheiten bemerkbar machen, die das Leben des Hundes womöglich beträchtlich verkürzen und/oder zusätzlich einschränken.


    Du weißt, zu welchen Krankheiten die Rasse - selbst vom seriösen Züchter! - neigt? Warum willst du dir dann unbedingt einen Welpen vom Vermehrer holen, wenn das Risiko für die rassetypischen Krankheiten bei Vermehrerhunden ungleich höher ist?


    Willst du dir wirklich und bewusst einen Hund holen, der eventuell nie normal im Alltag mitlaufen kann? Der eventuell jung verstirbt, weil er von Geburt an krank war? Mit dem ihr ständig zum Tierarzt müsst? Ich rede hier nicht von 5-6x im Jahr, sondern einmal wöchentlich (oder mehrfach!). Das belastet den Geldbeutel und die eigenen Nerven unheimlich. Auch wenn es dem Tier durch die ständigen TA-Termine gut geht...


    Du hast die Chance auf einen Welpen vom Züchter, wo die Chance auf ein gesundes Tier deutlich höher ist. An deiner Stelle würde ich diese Chance nutzen.

    Zusätzlich dazu kannst du die Welpen ja mit einer Patenschaft unterstützen.

  • Welpen/Junghund Erziehung auch diese Sachen nachholen müssen

    Das ist ja der Knackpunkt. Das lässt sich in Teilen nicht mehr nachholen. Das Gehirn ist in seiner Entwicklung gehindert gewesen und ist an den Stellen, wo sich Verbindungen durch Reizaussetzung und positive Erlebnisse bilden, "blind".

    Wenn das so ein richtiger Vermehrertransporter war, dann kann man sich ja ausmalen, wie alleine der Deckakt, die Trächtigkeit und die ersten wenigen Wochen ausgesehen haben für die Hündin. Und das gibt sie ja ihren Welpen weiter, alleine schon durch die Milch. Dazu dann der Transport und wochenlang Quarantäne, wo die Welpen zwar versorgt wurden, aber die Isolation weiter ging.

    Ein Deprivationsschaden ist keine Lücke, die man schließt, wenn man nur genug mit dem Hund macht und genug Liebe schenkt . Da kann man hinterher noch so viel aufholen und gegenarbeiten, wie man will. Es ist nicht absehbar, wie gut das funktioniert.


    Ich würde mir einen Trainer für solche speziellen Fälle suchen und schauen, wie weit man irgendwann mal kommt. Im Prinzip muss man da mit quasi Null rechnen und bereit sein, ein ganzes Hundeleben lang damit umgehen zu können.

  • Das ist halt Tierschutz...... bei all Euren Gegenargumenten muss man solche Welpen dann auch nicht mehr quarantänisieren und vermitteln, sondern kann sie direkt an Ort und Stelle in einer Wassertonne ertränken.


    So ist das halt wenn man einen Hund mit bekannt unbekannter Vorgeschichte aufnimmt..... der kommt dann eben nicht frisch aus dem Bällchenbad.

  • Das ist halt Tierschutz...... bei all Euren Gegenargumenten muss man solche Welpen dann auch nicht mehr quarantänisieren und vermitteln, sondern kann sie direkt an Ort und Stelle in einer Wassertonne ertränken.


    So ist das halt wenn man einen Hund mit bekannt unbekannter Vorgeschichte aufnimmt..... der kommt dann eben nicht frisch aus dem Bällchenbad.

    Die Sache ist, dass in der Familie auch zwei kleine Kinder leben und man sich damit nicht unbedingt so super auf einen womöglich deprivierten Hund einstellen kann. Wozu soll man sich diesen Extraaufwand aufbürden, wenn man es mit einem gut aufgezogenen Welpen vom Züchter viel leichter haben kann?


    Ja, meine Hunde kommen auch allesamt aus dem Tierschutz. Aber sie waren zum Kaufzeitpunkt schon (halbwegs) erwachsen und vom Wesen her beurteilbar. Das ist ein Unterschied, den man nicht aus den Augen lassen darf. Bei erwachsenen Hunden weiß ich einfach viel eher, was mich erwartet als bei einem Welpen, dessen Wesen und Probleme man gerade nur orakeln kann.

    Dass sie trotzdem Macken und Probleme haben - geschenkt. Aber ich als Einzelperson kann mich viel eher den Hunden anpassen als eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern.


    Unpopular opinion im Spoiler:

  • Ich schließe mich in Teilen der 'unpopular opinion' an, noch besser fände ich es, wenn dem Personal vor Ort eine Aussortiermöglichkeit gegeben werden könnte.


    Ich denke, mit ein paar standardisierten Tests lässt sich herausfinden, welcher der 'geretteten' Welpen Neuem gegenüber aufgeschlossen ist und damit ein hohes Potential an einem angstfreiem Leben hat und welche in Zukunft viel stärker mit Ängsten zu kämpfen haben werden.


    Ich bin aber keine Verhaltens-Test- oder sonstwie-Fachperson, sondern nur Beobachterin im Freundeskreis, wo mir der entsprechende, sehr panische Hund nur unsagbar leid tut, die 'Retter' aber fürchterlich stolz sind. Seit Jahren.

  • Okay, ich danke euch erstmal für die vielen Reaktionen, die Meinungen waren zu dem Thema ja ziemlich einstimmig. Mein Mann und ich werden sicher noch einmal eingehend beraten und auch bei den anstehenden Besuchen im Tierheim nochmal genau abwägen, ob wir dem gerecht werden können und diese Bedenken auch nochmals zur Sprache bringen.

  • Viele Welpen sind anfangs noch ganz lustig, auch die typischen Auslandswelpen. Den Knacks, den sie teilweise weg haben, merkt man dann erst, wenn sie erwachsener werden. Ängste, die dauerhaft bleiben oder Aggressionen können dann auf einmal auftreten und haben ihren Ursprung in der fehlenden Sozialisation.


    Manches lässt sich dann auch nicht trainieren, da das Hirn zu wenig Input hatte. Damit muss man dann leben. Ich würde so eine Wundertüte nie zu Kindern setzen. Zumal man sich eine Rasse ja wegen ihrer Eigenschaften ausgesucht hat. Mit Pech merkt ihr davon aber garnichts, da der Hund durch den schlechten Start einfach innerlich blockiert ist.


    Alles kann, nichts muss. Aber wenn es so kommt, sollte man damit Leben können. Könnt ihr das? Wollt ihr das? Geht vom worst case aus. Wenn nicht, geht zum Züchter.

  • Hallo,


    ich hab ja einen deprivationsgeschädigten Hund und bin ziemlich glücklich, dass sie noch lebt :emoticons_look:


    Was Euch klar sein muss: Die vorhandenen Defizite machen sich mit großer Wahrscheinlichkeit erst später in der Junghundzeit bemerkbar. Ein Deprivationsschaden heißt nicht, dass der Hund zu wenig gelernt hat. Ein Deprivationsschaden bedeutet, dass die Fähigkeit zu lernen selbst Schaden genommen hat, weil die entsprechenden neuronalen Verknüpfungen nicht aufgebaut worden sind. Dieser Schaden ist nicht behebbar und bleibt lebenslang.


    Das heißt im Klartext, dass der Hund es schwerer hat zu lernen. Und möglicherweise einige Sachen gar nicht lernen wird. Je nach Schwere. Lilly hat einen nur schwach ausgeprägten Deprivationsschaden und funktioniert hier im idyllischen Umfeld an sich recht „normal“. So lange der Alltag wie gewohnt läuft. Und trotzdem gibts Sachen, auf die wor immer wieder angesprochen werden. Bei Bedarf kann ich da gerne mehr zu schreiben.


    Wenn es diesen Schaden gibt (wovon nicht zwangsweise ausgegangen werden muss, wenn bis zur 8.-9. Woche genügend Reize da waren, dann ist der unwahrscheinlich), dann müsst Ihr Eure Vorerwartungen an Hund komplett über den Haufen werfen und schauen, was dieser spezielle Hund leisten kann. Ein gut strukturierter sicherer Alltag mit wenig Überforderung ist für einen Hund ungewisser Herkunft die beste Voraussetzung. Ob das mit zwei kleinen Kindern zu leisten ist, müsst Ihr wissen. Und gerade Kindern fällt das „Anders Sein“ des Hunds nicht unbedingt leicht.


    Meiner Meinung nach müsst Ihr aber nicht unbedingt mit einem Deprivationsschaden rechnen. Aber auch die Folgen schlechter Aufzucht wie generelle Ängstlichkeit, Tendenz zu Angstaggression, Verlassensängste etc. können schon reichlich stressen.


    Wenn Ihr sagt, dass Ihr aus einem Tierschutzgedanken heraus die Verantwortung für dieses Lebewesen übernehmen wollt und Euch auch auf Eventualitäten wie Bissigkeit oder generalisierte Ängste einstellen könnt, dann drücke ich Euch und dem Welpen alle Daumen. Wenn Ihr jedoch die Situation eher als Chance seht, Euch „sozialverträglich“ Euren eigentlichen Rassewunsch zu erfüllen, dann würde ich das lieber lassen. Denn das tut Ihr damit nicht, sondern holt Euch ein Tier ins Haus, das möglicherweise lebenslang andere Eigenschaften hat, als man von einem kleinen unkomplizierten Spaniel erwartet.

  • bei all Euren Gegenargumenten muss man solche Welpen dann auch nicht mehr quarantänisieren und vermitteln, sondern kann sie direkt an Ort und Stelle in einer Wassertonne ertränken

    Dir geht's aber noch gut, oder? Meinst Du nicht, dass Du ein bisschen übers Ziel hinausschießt mit Deinem netten Wassertonnenvergleich?


    Ein Hund aus dem Tierschutz ist halt aus dem Tierschutz. In diesem Fall ein höchstwahrscheinlich stressig und mangelernährt aufgewachsener, isolierter Vermehrerwelpe einer ohnehin schon kranken Rasse.


    Was kann man da tun, was bleibt zurück und wie wird sich das bessern? Kann keiner sagen...

    Wird eine Familie ohne Hundeerfahrung mit zwei kleinen Kindern einen deprivierten Vermehrerwelpen gerecht und kann genug auf ihn eingehen? Und das eine Hundeleben lang? Können nur die Leute selbst beantworten.


    Ich persönlich würde es nicht leisten wollen und wäre da nicht offen und auch nicht leidensfähig genug dafür. Und hier sitzt auch ein Upswelpe, den ich genommen habe, wie er halt war. Aber der wuchs im Haus auf, hatte die Eltern um sich, hatte Menschen um sich, kannte Garten und war nicht bis zur 15. Lebenswoche isoliert. Und selbst die hat Charakterzüge, wo nicht alles easy ist.

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