Eure Meinung zur Tierhaltung, reicht "Mittelmaß"?

  • Ich finde auch, dass das sehr individuell ist und auf die Tierart ankommt.

    Als ich mich damals zu Mäusen belesen hab, hab ich natürlich auch die Mindestanforderung an den Käfig gelesen. Mir persönlich war das aber zu wenig. Ich hatte den Platz und die Lust, deutlich größer zu werden und fand es nur fair, reinen Käfigtieren diesen "Luxus" zu gönnen. Hätte ich die Möglichkeiten nicht gehabt, hätte ich vermutlich keine. Oder hätte ich Nager die jeden Tag stundenlang in der Bude Freilauf haben können, hätte ich es auch noch anders gesehen.

    Bei Pferden sehe ich es ebenso. Eine Bekannte hat ihr Pferd in einem großen Reitverein stehen mit maximal 3 Stunden Koppel am Tag, im Winter gar nicht und nur aufs kleine Paddock. Unter den Bedingungen würde ich mir niemals ein Pferd anschaffen, egal wie sehr ich es wollen würde. So viel kann ich ein Pferd gar nicht bewegen, wie es von Natur aus bräuchte. Das finde ich ganz persönlich schon egoistisch.

    Bei Hunden bin ich da irgendwie noch nicht ganz klar und schätze, da kommt es auch sehr auf individuelle Mindestanforderungen an. Sowohl Queeny als auch Robbie habe ich versucht so gut es mir möglich ist zu halten. Ich würde mal behaupten, Queeny war ein zufriedener Hund, da hab ich es geschafft, die Mindestanforderungen locker zu erfüllen. Bei Robbie nicht so. Er hätte vermutlich deutlich mehr rassegerechte Auslastung gewollt (was noch gekommen wäre, aber die kurze Zeit bei uns hat dafür nicht gereicht) und alleine bleiben war für ihn die Hölle. Also waren die Mindestanforderungen von genau DIESEM Hund bei uns nicht erfüllt.

    Dort wo er jetzt ist, sind sie es aber.


    Sich ein Tier anzuschaffen in dem Wissen, dass es alles "gerade so" passt, finde ich uncool. Persönlich finde ich schon, dass man sich durchaus bemühen kann, dem Tier das bestmögliche zu ermöglichen. Kann man das nicht (oder wie geschrieben, ist bei dem minimalsten an Anforderungen schon am Limit), sollte man sich wirklich genau überlegen, ob man dieses Tier wirklich aufnehmen muss.

  • Ich spreche hier jetzt mal NUR vom Hund: Beim Lesen der vielen, vielen "Hilfe- mit dem Welpen läuft es nicht perfekt und ich bin total krank davon!" - Postings hier in letzter Zeit komme ich mehr und mehr zu dem Schluß, dass ein bißchen gesundes Mittelmaß in vielen Fällen sehr gut tun, weil sehr viel unnützen Druck rausnehmen würde. Ich fürchte ,wir verlieren da vor lauter gutem Willen und Perfektionismus allmählich den gesunden Menschenverstand: ein Hund kann mit erfüllten Grundbedürfnissen so ziemlich jeden Kompromiß mitmachen.


    Beim Pferd zum Beispiel würde ich das schon total anders sehen: dessen Grundbedürfnisse schließen nun mal sehr viel Bewegungsfreiheit ein - und insofern lege ich mich hier schief und krumm, dass meine uralten Stuten auch weiter auf Riesenweiden laufen können. Die können eben, anders als der Hund, oder das Kleintier mit nicht perfekt riesigem Käfig, aber Wohnungsfreilauf, keine Kompromisse machen.


    Kommt also, wie immer, total auf die individuellen Umstände an.

  • Also im Bereich von Kleintieren, Ziervögel, Reptilien und Zierfischen befindet man sich mMn fast immer bei einem Kompromiss und Mittelmaß im Vergleich zum ursprünglichen Habitat.


    Dieser Kompromiss muss doch aber gar nicht zwingend schlecht sein. Immerhin bekommen die Tiere auch Schutz vor Beutegreifern, frisches Wasser, Futter, hygenische Zustände, sie werden gesundheitlich versorgt und mit genug Platz ist auch ausreichend Bewegung möglich. In einer passenden Haltungsform kann das Sozialverhalten ausgelebt werden. Also ja nach Tierart natürlich mehr oder weniger und manches bewegt sich für mein Enpfinden moralisch auf einem ganz heißen Pflaster, egal wie perfekt die Haltung ist.


    Bei wieder anderen Tieren - Katzen zum Beispiel - geht die perfekte Haltung immer mit Risiken einher und gefährdet andere Tiere. Risiken überfahren zu werden, verletzt zu werden, Kleintiere und Vögel werden gejagt.


    Und dann haben wir den Hund, der mit der "perfekten" 24/7 Betreuung, Familienanschluss, vielen Sozialkontakten, Fleischlastiger Ernährung und Hundeschule gar nicht unbedingt so glücklich sein muss, obwohl aktuell definiert ist, dass das doch perfekt und super artgerecht sei.


    Ich denke dann muss man noch artgerecht (also Bedürfnisse sind erfüllt, Tier fühlt sich wohl) und arttypisch(Tier würde so in der Natur leben) unterscheiden.

    Persönlich gilt für mich aber auch bei Tieren, dass die Freiheit des einen endet wo die eines anderen eingeschränkt wird. Jagdverhalten beim Hund zum Beispiel, wenn es auf Kosten von Wildtieren ausgelebt wird, ohne, dass es dafür einen guten Grund gibt (Jagdgebrauch zum Beispiel).


    Nun bin ich aber auch überzeugt, dass artgerecht ziemlich wandelbar ist und sich der Gesellschaft anpasst. War beim Hund Zwingerhaltung, Arbeitseinsatz und Hofhaltung und Nicht-vorhandenes-Gassi vor wenigen Jahrzehnten noch völlig normal und als artgerecht definiert, muss man sich für eine solche Haltung heutzutage rechtfertigen.


    Für mich gilt aber ganz klar: mehr zu wollen, muss nicht zwingend besser sein. Man kann sich in Perfektionismus auch verlieren und damit völlig am Ziel vorbeischießen.

  • Bei wieder anderen Tieren - Katzen zum Beispiel - geht die perfekte Haltung immer mit Risiken einher und gefährdet andere Tiere. Risiken überfahren zu werden, verletzt zu werden, Kleintiere und Vögel werden gejagt.

    Wenn es für die Katze riskant ist, ist es nicht perfekt.

    Ein katzensicher eingezäunter Garten wäre perfekt, aber extrem aufwändig. Mittelmaß wäre demnach eine Wohnung mit abgesichertem Balkon/Terrasse. Mindestmaß eine Wohnung ohne Balkon. Dazu viele Klettermöglichkeiten in der Wohnung.

    Und bei der Ernährung gibt es ja auch die Kategorien wie Mindestmaß (Futter vom Discounter) oder Mittelmaß (hochwertiges Fertigfutter) oder

    Optimum (Fleisch mit entsprechender Ergänzung).

  • Nicht perfekt anfangen heißt ja noch lange nicht, dass man sich mit wachsender Erfahrung nicht beträchtlich steigern kann.


    Ich hatte zum Beispiel als Teenie, bevor ich den ersten Hund bekam, ein Streifenhörnchen. Mit einem Käfig, der damals als großzügig galt, es heute aber sicher nicht mehr wäre. Was eh wurscht war: Das Hörnchen war bald derart zahm und hatte so guten Appell (sprich: es kam von überall angerast wie der Blitz, sobald man die Leckerlidose schüttelte) , dass es die meiste Zeit frei durch die Wohnung sauste. Auf den Käfig war es bald nur noch die Zeit beschränkt, bis ich aus der Schule kam, anschließend belief sich der Auslauf regelmäßig auf dreißig (mein Zimmer) bis 120 Quadratmeter mit reichlich Turn- Spring- und Klettermöglichkeiten von der Gardine bis zum Bücherregal. Meine Eltern waren da zum Glück ziemlich tolerant.


    Würde ein Tierschutzverein heute den ursprünglichen Käfig sehen, würde ich da bestimmt nicht mal einen Hamster bekommen, aber das Hörnchen kam mit seinen Lebensbedingungen offenbar super zurecht: es erreichte (obwohl später ein Hund dazukam) das wirklich biblische Alter von neun Jahren.

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