Erregungskontrolle - das Geheimrezept für den gehorsamen Hund?

  • Dieses zwanghafte Ruhe halten beim Welpen finde ich auch oft befremdlich. Für mich ist nomal, dass Welpen und Junghunde mal abspacken und die Sau rauslassen.

    Ich erwarte da auch gar nicht, dass sie das schon packen, immer das Hirn anzuhaben. Die sind jung, die dürfen auch mal abdrehen. Das heisst aber nicht, dass ich da nicht schon langsam dran arbeite, dass die Aussetzer weniger werden, dass sie lernen, dass man auch drei Gehirnzellen auf Empfang haben kann, wenn man in Action ist. Dass man sich nicht endlos hochdrehen muss. Aber das ist m. E. auch ein Entwicklungsprozess.

    Ich finde oft, dass es ein Problem ist, dass viele zu schnell zu viel erwarten. Und weil es dann nicht sofort 100% funktioniert oder es Ausreisser gibt, verliert man die Geduld und bleibt nicht konsequent dran. Dass man mit Aufregung umgehen lernt, sich zurücknehmen kann, trotz starker Impulse auf Empfang bleibt und Kommandos annimmt, das muss sich erst mit der Zeit festigen. Auch Hunde reifen mit dem Älterwerden und können manches erst dann zuverlässig umsetzen.

  • Aufregung heißt doch nicht, dass der Hund sich zwingend dabei abschließt. Meine Hündin ist beispielsweise sehr gut ansprechbar und die Aufregung, welche ich korrigiere hat nichts mit fehlendem gehorsam zu tun oder soll irgendwie ausgleichen, dass in punkto gehorsam etwas nicht passt.

  • Die Kontrolle über das Erregungslevel hat für mich absolut nichts damit zu tun, ob ein Hund im Gehorsam steht.

    Aber wenn der Hund ganz hoch in der Erregung steht, ist es doch schwerer zu ihm durchzudringen.

    Der Hund kann zwar lernen, auch auf einem hohen Erregungslevel noch ansprechbar zu sein, aber das ist doch viel herausfordernder für ihn.

    Wofür brauch ich denn den Hund im oberen Drehzahlbereich? Was bringt es dem Hund denn, wenn er auf 180 ist? Der sollen doch auch und gerade beim Arbeiten fokussiert und konzentriert sein, oder?

    Auch andere Hunde tolerieren eine hohe Aufregung bei anderen Hunden meist nicht. Da lernen Junghunde auf die harte Tour, dass sie sich runterzuregeln haben, weil sie halt eine auf den Deckel kriegen, wenn sie sinnlos rumspacken.

  • Vor allem glaube ich, dass "Ruhe" und "Aufregung runter fahren" momentan Modethemen sind und von vielen überbetont werden.



    Dennoch hängt auch viel vom Hund und vom Entwicklungsstand ab. Ich war am frühen Abend unterwegs, hatte da in diesen Thread schon reingelesen und habe es bewusst beobachtet:


    Nastro war mit mir in einem Café, anderer Hund, der ihn zuerst sanft anpöbelte, ein paar Tische weiter. Nastro angespannt, aufgeregt, erregt. Ich habe ihn maximal allein gelassen und mal geschaut. Trotzdem konnte er das "Sitz" halten und sich irgendwann zu mir orientieren.


    Hätte er vor drei Jahren so nicht gekonnt. Fiel ihm wirklich schwer. Aber hier: Erregung, die ich bei einem jüngeren Hund hätte kontrollieren müssen? Für ihn händelbar.


    Anderes Beispiel: Nastro auf Wildspuren. Nicht erreichbar. Die Erregung ist so hoch, da sind keine Löffel mehr für Gehorsam. Anderer Hund auf der gleichen Spur? Weniger aufgeregt, lässt sich lenken.


    Lange Rede, kurzer Sinn: Erregung und gehorchen-können hängt zusammen. Nichtsdestotrotz dürfen sich Hunde gerne mal aufregen - und viele sind (irgendwann) dennoch ansprechbar.

  • Ich sags mal so : Ich finde es im Alltag unglaublich praktisch, dass sich das Schnuff auch dann zusammen reißen und im Gehorsam stehen kann, wenn ihr Aufregungslevel grad ganz weit oben ist.


    Also zB, wenn wir wie vorhin ein Cityreh treffen, ich warten möchte ob es den Weg verlässt, und mich dann doch in Ruhe dafür entscheide, einen anderen Weg zu gehen, weil ich sehe dass das Reh vollkommen entspannt mitten im Weg bleibt.

    Dabei würde sie natürlich liebend gern hinterher, und möglicherweise etwas Bambi Braten kosten, aber sie bleibt bei mir, springt nicht in die Leine, setzt sich hin, bzw läuft halbwegs gesittet einfach mit mir mit.

    Ähnlich ist es bei anderen Hunden, bei Igeln, wenn sie etwas creepy findet oder sie sonst was in Aufruhr bringt.

    Das ist keine Aufregungsregulierung ( was für ein Wort), sondern Selbstbeherrschung.

    Lilo bekommt sowas sehr gut hin.


    Aufregungsregulierung ist für mich eher sowas wie in folgender Situation :

    Ich gehe mit ihr durch die Stadt, ein anderer Hund ist hinterm Zaun, und ich würde gern die Straßenseite wechseln um vorbei zu gehen, ohne dass es auf einer der beiden Seiten eskaliert.

    Der Hund hinterm Zaun ist semi begeistert und sagt zum Schnauz,, Ey, das mein Garten, hinfort mit dir! ". Lilo wiederum regt sich auf, weil sie angeblafft wird.

    Nun kann ich nicht einfach so über die Straße gehen, weil Verkehr. Und vielleicht nicht einfach so umdrehen, weil hinter uns bspw eine Katze im Busch sitzt ( mir fällt grad kein besseres Beispiel ein).

    Lilo hat nun also die Möglichkeit, ruhig abzuwarten, oder sich weiter aufzuregen.

    Ich hab sie absitzen lassen und meine Aufmerksamkeit auf die Straße gerichtet, und Lilo tat das relativ zügig auch. Sie wusste, dass ein paar Meter weiter noch der drohende Hund hinterm Zaun ist, entschied sich aber dafür, runter zu fahren und diesen Hund zu ignorieren. Sie war also deutlich entspannter.

    Und das ist jetzt auch das, was ich unter der Aufregungsregulierung verstehe - eben die innere Aufregung regulieren.


    Wobei ich mich da auch nicht wirklich mit auseinander gesetzt habe. Aber das kommt doch hin oder?

  • Wenn ich so zurückblicke (Pflegis und Servicehunde mal außen vor gelassen):

    Von den letzten 8 eigenen Hunden waren zwei Aufregungsjunkies.

    Der Rest völlig normal, von der Welpen bis über die Junghundenzeit bis hin zum Erwachsenen Panikhund ausm TS.


    Bis zu den beiden Junkies hätte ich auch gesagt, "Ach passt. 1 -2 Jahre und dann ist man stolz auf den Hund. Kann überall mit ihm sein, meistens klappts super, ab und zu braucht es noch Management, aber Hundi ist halt nen normaler Hund."


    Und dann kamen die Junkies. Wer dann meint, dass es total toll für nen Hund ist, permanent unter Stress zu stehen, spielt lustiges Roulette mit der Gesundheit seines Hundes. Eine solche Form von Stress macht Krank. Das ist nicht mal ne neue wissenschaftliche Erkenntnis, sondern schon ziemlich alt.


    Also fängt man an, sich damit zu beschäftigen, wie man seinem Hund den Stress nehmen kann, den der Hund hat, sobald er wach ist. Ansprechbarkeit ist das Eine, ändert aber ja zb nix daran, ob ein Hund aufgeregt ist.

    Gehorsam ist das Andere, ändert aber ja zb nix daran, ob ein Hund aufgeregt ist.


    Beispiel: kennt vielleicht doch der eine oder andere - das formal entspannte Laufen an der Leine.

    Wunsch: Hund läuft entspannt(!) An der lockeren Leine.

    Realität: Leine ist locker, der Hund zeigt Stresshecheln, will eigentlich hierhin, dorthin, glotzen, fixieren, tänzelt, dotscht mal zufällig ins Bein, schiebt sich hier und da mal unauffällig vor.

    Joa. Leinenführigkeit sitzt. Aber nicht so, wie gewollt. Da wären wir dann beim Thema Aufregung.

    ;)



    Keine Ahnung, vielleicht muss man so nen Junkie einfach mal gehabt haben, damit der Erfahrungschatz bereichert wird und man vielleicht eine andere Sicht auf das Thema Stress bekommt.

    Vielleicht reicht aber, dass man 32kg Hund wie auf Ecstasy einfach nicht so lustig und cool findet, um sich mal ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen, seit wann es bitteschön hipp ist, dass Hunde wie Junkies durch die Welt rennen, weil Langsam leider im Hirn nicht vorgesehen war.

    =)

  • Vielleicht reicht aber, dass man 32kg Hund wie auf Ecstasy einfach nicht so lustig und cool findet, um sich mal ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen, seit wann es bitteschön hipp ist, dass Hunde wie Junkies durch die Welt rennen, weil Langsam leider im Hirn nicht vorgesehen war.

    Ganz ehrlich? Ich habe eher den Eindruck, dass etwas anderes "hipp" ist: Nämlich dass ein normales Aufregungslevel problematisiert oder pathologisiert wird. Weil der Hund ja sonst keine Ruhe findet, seine Löffel aufbraucht etc.


    Nicht falsch verstehen: Es gibt Hunde, bei denen vieles Herumdoktoren an Symptomen ist, weil die eigentliche Ursache - die Erregung - nicht gesehen wird.


    Aber "hipp" ist der andere Trend. Ruhe um jeden Preis.

  • Dann scheinst du nicht gelesen zu haben, was ich geschrieben habe.


    Nochmal von den letzten 8 eigenen Hunden waren 6 völlig normal.

    Mit bunter Knete. Mit rennen, mit flitzen, blöd werden, Rückruf überhören, Jagen gehen etc. Pp.


    Das ist aber kein Vergleich zu nem Aufregungsjunkie.

  • Dann habe ich den Tenor tatsächlich falsch verstanden. Sorry!


    Ich las es als Problem-Sensibilisierung bzgl. Erregung.

  • Ganz ehrlich? Ich habe eher den Eindruck, dass etwas anderes "hipp" ist: Nämlich dass ein normales Aufregungslevel problematisiert oder pathologisiert wird.

    Zumindest in meinem Job ist das wirklich sehr, sehr selten der Fall.


    Viel häufiger wird das hohe Stresslevel nicht wahrgenommen und der Hund für "normal" gehalten in den Zustand.

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