Hund permanent auf 180, verzweifelt
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Hi, ich wurde von einer Freundin auf deinen Thread aufmerksam gemacht und hab mich hier angemeldet, weil mir deine Schilderung sehr bekannt vor kommt.
Ich hab im April 2019 einen damals etwa 1,5 – 2 Jahre alten Malamute-Husky-Mix aus dem Tierschutz übernommen. Mein 5. eigener Hund (einer davon eine in jungen Jahren auch sehr, sehr aktive, durchsetzungs- & willensstarke und nicht gerade einfache TWH-Hündin), zudem jahrelange Erfahrung als Trainer in einer Hundeschule; ich trau mich also zu behaupten, dass ich jetzt nicht ganz unerfahren war. Und trotzdem haben wir eine 1,5 Jahre andauernde Leidensgeschichte hinter uns, in der ich so oft verzweifelt, auch wütend und an meinen Grenzen war, weil dieser Hund so absolut anders war, als alles, was ich bisher erlebt habe.
Abgesehen von diverse vermutlich vergangenheitsbedingter Baustellen war vor allem seine extreme Hibbelei und das nicht zur Ruhe kommen können auffällig. Egal wo (außer in den eigenen 4 Wänden), es war ihm nicht möglich, sich für länger als einen Augenblick irgendwo hinzusetzen. Draußen schien er permanent völlig reizüberfordert, selbst ein Baumstamm neben dem Weg konnte ihn zum explodieren bringen. Normales spazieren gehen war nicht möglich, er konnte nichts in Ruhe erkunden oder erschnüffeln, pendelte permanent von links nach rechts, riss vor und zurück – alles war spannend, aber nichts interessant genug, um sich länger damit zu befassen und es genauer zu erkunden. Wenn er wo hin wollte, preschte er mit Vollgas in die Leine (und nein, ich hatte keine Skrupel, dann auch mal etwas grober Grenzen zu setzen, hat allerdings rein gar nichts gebracht, weil er es einfach nicht „bemerkt“ hat, in seinem Wahn), auf Reize reagierte er häufig völlig überzogen und inadäquat. Er war nicht fähig, sich länger als einen Augenaufschlag auf etwas zu konzentrieren und draußen (draußen bedeutete meist möglichst einsame und meist immer dieselben Gebiete, um ihn ja nicht zu überfordern; unbekanntes Terrain war dementsprechend noch schlimmer) war im Oberstübchen schlichtweg niemand anwesend. Menschen findet er, wie deiner, absolut toll, konnte sich aber überhaupt nicht beherrschen in seiner Freude und Aufregung, was bei einem Hund dieser Größe und dieses Gewichts halt nicht cool ist. Egal was ich versuchte (Lutschtube, Clicker, auf große Distanz einfach nur schauen, kreiseln, Körperblockaden, usw.) nichts, wirklich nichts fruchtete, weil er einfach nicht ansprechbar war. Er wirkte wie permanent gehetzt, fegte wie ein Tornado durchs Leben.
Ich hab übrigens ebenfalls Bikejören versucht – anfangs klappte es gar nicht so schlecht, weil er seine überschüssige Energie dabei kurzfristig loswerden konnte (Freilauf war ja nur auf eingezäuntem Gebiet möglich – bekam er regelmäßig, auch toben mit seinen Kumpels und ich achtete sehr auf genügend Ruhe, aber darauf, nicht zu wenig zu machen), aber nach einiger Zeit begann er auch da, nebenbei zu scannen und schließlich einfach auf die Seite zu preschen, wenn dort etwas spannendes war. Nicht so lustig. 😉 (Und ja, ich bin jetzt kein absoluter Neuling im Zug/Laufhundesport)
Es ist immer schwierig, aus der Ferne zu beurteilen, ob im Internet beschriebenes Verhalten normal ist oder nicht, ob jemand vielleicht ein wenig übertreibt, weil er/sie einfach schon so genervt ist, zumal ja auch das subjektive Empfinden sehr unterschiedlich ist. Ich kann nicht beurteilen, ob das bei deinem Hund tatsächlich über normales Verhalten hinaus geht, aber ich kann die Verzweiflung in deinem Text so gut nachvollziehen. Und auch mir hat man so oft gesagt/geschrieben: das ist normales Junghund/Nordische Hunde/Tierheimhundeverhalten – nein, war es nicht (jeder, der ihn dann selbst gesehen hat, hat diese „Weisheit“ dann auch ganz schnell wieder verworfen; ich glaube, wenn man das nicht selbst gesehen hat, kann man sich´s schlecht vorstellen); oder: das gibt sich mit der Zeit schon – nein, es gab sich nicht einfach mit der Zeit.
Im Jänner 2021 war ich mit ihm dann bei einer auf Schilddrüse spezialisierte Tierärztin vorstellig. Heraus kam, dass er eine SD-Unterfunktion hat, sein T4 lag bei 0,3 (normal ist 1,3 – 4,5). Wir haben dann mit der Gabe von SD-Hormonen begonnen und uns langsam auf seine Wohlfühldosis hochgearbeitet. Der T4 ist gestiegen und leicht über dem Normalwert (was durch die Gabe der Medikamente normal ist) und es hat sich ganz deutlich auf sein verhalten ausgewirkt. Es ist freilich nicht so, dass er jetzt die Ruhe „in Person“ ist und sich sämtliche Probleme in Luft aufgelöst haben. ABER er ist Großteils ansprechbar und in einem Zustand, in dem man endlich mit Training an diverse Baustellen beginnen konnte. Er kann sich besser beherrschen, reagiert nicht mehr so arg über, kann seine Umwelt ruhiger erkunden und ist nicht mehr durchgehend auf 180.
Ich plädier´ also auch unbedingt zu einer SD-Untersuchung. Wichtig ist, wie oben schon angemerkt wurde, dass nicht vom 0-8-15 HausTA machen zu lassen, wenn er nicht darauf spezialisiert ist. Du benötigst für eine aussagekräftige Diagnose ein Organprofil (um andere Krankheiten ausschließen zu können), sowie alle 8 SD Werte (T4, T3, ft3, ft4, TSH, TG Antikörper, T3 und T4 Antikörper) und jemanden, der die Erfahrung hat, das dann auch lesen und auswerten zu können (wobei das nicht zwingend derjenige sein muss, der das Blut abnimmt und die Profile und Werte anfordert). Das ist nicht billig, aber es lohnt sich, das abklären zu lassen. Wenn er eine SD Unterfunktion hat, wird alles Training der Welt nicht helfen können, solang er nicht eingestellt ist.
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Vielleicht sollte ich das noch ergänzend dazu sagen: Wie oben geschrieben: mit fünf war der Zappelterrier vernünftig und ansprechbar - und mit sieben kam ein massiver Rückfall. Das kam mir so seltsam vor, dass ich sie beim TA habe untersuchen lassen, und bingo: ebenfalls eine massive Schilddrüsenunterfunktion.
Seit die eingestellt ist, ist die Hund wieder normal - sowas kann also tatsächlich auch dahinterstecken. Ich weiß nur nicht, ob schon in so jungem Alter? Da wissen andere hier garantiert besser Bescheid.
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Doch auch schon in dem jungen Alter. Tatsächlich wohl gar nicht so selten. Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen werden gerne durch das Hormonchaos und den Stress in der Pubertät aktiv.
Nach dem 6. Lebensjahr gibt es anscheinend auch wieder einen Peak von Hunden die eine SDU entwickeln. Warum auch immer.
Imp ist jetzt 19 Monate, die Diagnose haben wir seit Anfang September. Wir sind also noch in der Einstellungsphase und ich gehe davon aus, dass wir da nochmal nachjustieren müssen. Aber es ist einfach ein so großer Unterschied schon im Verhalten, der Ansprechbarkeit draußen und der Trainierbarkeit. Das hätten wir ohne Medikamente nicht nie erreichen können.
Arbeit ist es immer noch, klar da haben sich unschhöne Verhaltensketten etabliert (bei Hund und Halterin XD), aber wir haben hetzt endlcih eine Chance da zusammen dran zu arbeiten.
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Das muss man, mWn, immer wieder mal ein klein wenig anpassen, weil es durch diverse Begebenheiten auch zu Schwankungen kommen kann. Und es gibt immer wieder Schübe, wo es kurzfristig wieder etwas schlechter ist. Q hat das z.B. meist bei Wetterumschwüngen. Da ist er dann für einige Tage wieder deutlich hibbeliger und weniger ansprechbar.
Ich glaub, das ist auch wirklich schwer vorstellbar, wenn man nicht schon selbst mit einem SDU-Hund zu tun hatte. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, weil man mit nichts zum Hund durch dringt; die gut gemeinten, aber meist völlig nutzlosen Ratschläge von Leuten, die einem nicht glauben, wie schlimm es wirklich ist und letztendlich die vielen Zweifel an sich selbst - ob man nicht vielleicht doch übertreibt und weil man sich extrem unfähig vorkommt. Abgesehen davon, dass man mit Medikamenten für Besserung im Verhalten sorgen kann, war´s daher bei mir auch für mich selbst ein bisschen eine Erleichterung, endlich zu wissen, was mit dem Hund los ist und dass ich mir das nicht alles nur einbilde und mich völlig dämlich anstelle.
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So ähnlich erging es mir mit meinem damaligen Dackelrüden. Der war teils nicht mehr ansprechbar und nichts hat gefruchtet. Ich hatte vorher 4 DSH erzogen und ausgebildet, war aber anscheinend zu doof für den Dackel, konnte es mir aber nicht erklären.
Bei ihm wurde mit 1,5 Jahren eine subklinische SDU diagnostiziert. Erst als er mit Forthyron richtig eingestellt war, wurde aus ihm ein fast normaler Hund.
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Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, weil man mit nichts zum Hund durch dringt; die gut gemeinten, aber meist völlig nutzlosen Ratschläge von Leuten, die einem nicht glauben, wie schlimm es wirklich ist und letztendlich die vielen Zweifel an sich selbst - ob man nicht vielleicht doch übertreibt und weil man sich extrem unfähig vorkommt
Ja, das kenne ich auch gut. Hier noch eine Stimne für die Schilddrüsenunterfunktion. Auch unser Hund hatte ein extremes Problem mit Ruhe, an Besuch war kaum zu denken, dass ging nur mit viel Mangement und trotzdem dauergestresstem und hechelndem Hund.
Mit eingestellter SD waren die Probleme nicht verschwunden, aber unser Hund überhaupt erstmal in der Lage zu trainieren. Vorher konnten wir auch mit nichts zu ihm durchdringen, egal ob extremer Abbruch oder Leckerlieregen.
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