Hosenbein, Jacke und Wade - Warum?

  • Das klingt echt gruselig, Erziehung nur über Gerucke an der Leine, und nicht gestraft ist Lob genug...

    Mag sein, dass das vor 100 Jahren noch die gängige Art war, Hunde zu erziehen, aber zum Glück ist man mittlerweile schon weiter, was die Erforschung von Lernverhalten betrifft.

    Wie wird denn im Verein trainiert, ist man da auch noch mit Methoden von anno dazumal unterwegs?

  • Ich würde dir raten dir einen 24h Zeitplan zu erstellen und dann wahrheitsgetreu einzutragen in welchem Takt der Hund aktiv auf allen vieren ist, in welchem Takt ihr etwas von ihm verlangt, wie lange ihr das tut und wie lange er döst / schläft / ruht. Nur so kannst du sehen, ob ihr nicht zu viel macht.

    Das haben wir bereits getan. 3 Wochen lang. Wir wollten unbedingt wissen, ob Murphy auf seine Ruhepausen kommt. Bis auf das Spazieren morgens und Nachmittags, dann das Training ruht Murphy mehr oder weniger. Das sind bisher die aktiven Zeiten. Nachdem er morgens spazieren war, schläft er bei mir im Büro bis ca. 13 Uhr, dann nach dem Training oder Spazieren wieder 2 Stunden Schlaf oder dösen im Büro. Das sind ungefähr 7 Stunden. Nachts schläft er 9 Stunden und nachmittags bis abends liegt er und döst. Damit hat er auf jeden Fall 18 Stunden in denen er ruht.


    Ich habe ja bereits geschrieben, dass er ohne diese Ruhepausen einfach sehr nervös wird und wir deshalb auf die Ruhephasen sehr achten. Anfangs haben wir das falsch gemacht und mussten so unsere eigenen Erfahrungen machen.


    Wir kommen also mit Spazieren und dem Training auf 2 Sunden aktive Zeit. Das die 30 Minuten Training zu lang sind, sehe ich ein. Wird deutlich gekürzt!

    Der ist vom täglichen Programm einfach überfordert. Für mich liest es sich so als bestände sein Tag aus lautem:"Murphy mach dies, Murphy mach das, Murphy mach jenes, Murphy sitz, Murphy warte, Murphy NEIN WIR ÜBEN JETZT!"

    Absolut falsch!


    Ich sehe ja ein, dass die 30 Minuten zu viel sind. Wir werden sie reduzieren. Sonst liest du unseren Alltag aber komplett falsch raus. Das Training wird gekürzt und wir versuchen in den geschilderten Situationen eine Alternative zur Hand zu haben.

  • Das mit den 30 Minuten Training sehe ich langsam ein. Könnte wirklich zu viel für ihn sein. Jetzt fällt mir aber auf, dass er dieses Verhalten nicht am Ende, also nach 30 Minuten, zeigt. Das passiert eher schon am Anfang in den ersten paar Minuten. Klar, er hat keine Lust auf das Training. Beißt er sich fest und wir sprühen ihn an, dann ist alles wieder soweit OK und er trainiert mit. Also ob nichts gewesen wäre.

    Warum nicht? So ein junger Dobermann sollte doch recht begeisterungsfähig sein, wenn man es richtig aufbaut. Alles bei dir klingt nach "gegen" den Hund arbeiten, nicht "mit". Ziel der ganzen Erziehung soll doch sein, dass ihr ein gutes Team werdet und Vertrauen in beide Richtungen besteht, oder?

  • Ich musste grade echt ganz schön schlucken. Hast du dann den Eindruck, dass das die richtige Herangehensweise ist um einem jungen, motivierten Hund auf Dauer zu vermitteln, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Menschen lohnt?
    Ihr arbeitet soweit ich das den Ausführungen entnehmen kann lediglich über "positive" (im Sinne von Hinzufügen) Strafe. Lerntheoretisch ist das aber nur eine von 4 Möglichkeiten den Hund auf erwünschtes Verhalten zu konditionieren.
    Kann man so probieren, aber dadurch macht man sich das Leben halt deutlich schwerer als es sein müsste. Erwünschtes Verhalten zu bestätigen und Konsequenz schließen sich zumindest in meiner Welt auch überhaupt nicht aus.

  • Das klingt echt gruselig, Erziehung nur über Gerucke an der Leine, und nicht gestraft ist Lob genug...

    Mag sein, dass das vor 100 Jahren noch die gängige Art war, Hunde zu erziehen, aber zum Glück ist man mittlerweile schon weiter, was die Erforschung von Lernverhalten betrifft.

    Wie wird denn im Verein trainiert, ist man da auch noch mit Methoden von anno dazumal unterwegs?

    Es ist ein leichter Ruck mit der Leine. Kein Ziehen und keine Gewalt. Vor allem aber nicht nur über Gerucke an der Leine, wie du das schilderst.


    Im Verein sind fast nur große Hunde angemeldet. Einer der Trainer ist Hundetrainer bei der Bundeswehr gewesen und arbeitet auch mit einem leichten Ruck. Es geht hierbei ja nicht darum ihm wehzutun, sondern um die Konzentration bzw. Aufmerksamkeit auf den Halter.


    Ein leichter Leinenruck entsteht schon bei einer nicht gespannten Leine, wenn die Gehrichtung gewechselt wird und Murphy dabei nicht aufmerksam ist. Schaut er in eine andere Richtung, dann spannt sich die Leine beim Gehen und ein Ruck entsteht. Die einzelnen Schritte habe ich mir in meinen Worten so aufgeschrieben. Auf Papier klingt das in meinen Worten schlimmer, als es wirklich in der Praxis ist.

  • Ihr arbeitet soweit ich das den Ausführungen entnehmen kann lediglich über "positive" (im Sinne von Hinzufügen) Strafe. Lerntheoretisch ist das aber nur eine von 4 Möglichkeiten den Hund auf erwünschtes Verhalten zu konditionieren.
    Kann man so probieren, aber dadurch macht man sich das Leben halt deutlich schwerer als es sein müsste. Erwünschtes Verhalten zu bestätigen und Konsequenz schließen sich zumindest in meiner Welt auch überhaupt nicht aus.

    Nun ja, mit unserer Hundetrainerin und ihren Methoden, dazu gehörten eben immer viele Worte, Leckerlies und positive Verstärker dazu, hat es nicht funktioniert. Ich beziehe mich hierbei aber nur auf das Thema Leinenführigkeit und UO. Nichts anderes.


    Mit der Trainingsmethode meines Stiefvaters läuft Murphy mittlerweile problemlos bei Fuß. Vor einigen Wochen war jeder Spaziergang ein blanker Horror. Meine Frau wiegt 55 Kilo und hatte große Schwierigkeiten gehabt. Jeder Hund, jeder Fahrradfahrer, Mensch, ein Geruch und Murphy hat gezogen. Er ist mit einer so großen Kraft in die Leine rein, dass meine Frau ihn kaum halten konnte.


    Wir haben ja noch immer private Trainingseinheiten mit unserer Trainerin und erzielen in anderen Bereiche Step by Step Erfolge.

  • Alles was uns unsere Trainerin gezeigt hatte, hatte einen fast verschwindenden Lerneffekt gezeigt. Die Arbeit mit Leckerlies und alle Ratschläge von ihr, dann würde Murphy wahrscheinlich noch 2 Jahre brauchen.

    Klar, er hat keine Lust auf das Training. Beißt er sich fest und wir sprühen ihn an, dann ist alles wieder soweit OK und er trainiert mit. Also ob nichts gewesen wäre.


    Puh, ich kenne mich mit Gebrauchshunden nicht in der Praxis aus, aber ich gebe trotzdem mal meine Meinung dazu.


    Natürlich dauert es mit rein positiv verstärktem Hundetraining etwas länger. Die 2 Jahre sind allerdings etwas überspitzt.

    Ganz plumpes Beispiel: Stell dir vor du hast ein Kind und möchtest, dass es nicht alleine über die Straße geht. Da gibt es 2 Optionen - entweder nimmt man sich Zeit und setzt sich mit dem Kind hin um zu erklären, warum es das nicht machen soll und was daran gefährlich ist oder man schimpft das Kind aus oder gibt einen Klaps, sobald es einen Fuß alleine auf die Straße setzt.


    Szenario 1: Das Kind versteht nun den Grund und kann nachvollziehen warum es etwas nicht darf. Es wurde respektvoll und auf Augenhöhe behandelt und das stärkt die Beziehung. Das Kind kann alles gut nachvollziehen und wird auch in Zukunft seinen Eltern vertrauen und hören, weil diese sich Zeit nehmen Dinge zu erklären und dabei ruhig bleiben. Das nächste mal bleibt das Kind an der Straße stehen, kriegt ein Lob von seinen Eltern dafür und sowohl die Eltern als auch das Kind sind stolz darauf und freuen sich.


    Szenario 2: Das Kind setzt keinen Fuß mehr auf die Straße, aber nicht weil es den Grund verstanden hat, sondern weil es Angst vor der Strafe hat. Hier wurde das Kind nicht mit Respekt behandelt, sondern bestraft. Das kann einen nachhaltigen Knick in der Beziehung geben, weil das Kind ja nicht versteht warum es nicht auf die Straße darf und die Strafe deshalb für das Kind nicht nachvollziehbar ist. Die Eltern sind für das Kind also unberechenbar und es geht Vertrauen verloren. Hier traut sich das Kind in Zukunft nun kaum noch was, weil es Angst hat jedes mal aus dem blauen heraus bestraft zu werden. Es verliert Selbstvertrauen.


    Das ganze kannst du eigentlich auf Hunde übertragen. Natürlich muss man sich für positiv verstärktes Hundetraining Zeit nehmen und auch mal geduldig sein. Aber das Ergebnis ist eine Beziehung auf Augenhöhe und Vertrauen. Es staut sich kein Frust auf, der dann wie bei Murphy abgeladen werden muss. Wieso ist denn Ziel überhaupt so schnell wie möglich einen "gehorsamen" Hund zu haben? Das verstehe ich gar nicht. Klar ist es entspannt, wenn der Hund ohne Leine laufen kann, das verstehe ich schon. Aber das ist doch nichts was man um jeden Preis erzwingen muss. Das ist ein Hund, ein Lebewesen, das einen eigenen Charakter hat und für manche Dinge vielleicht einfach länger braucht als für andere. Da muss man sich mMn drauf einlassen.


    Viele sagen immer "ach die Sprühflasche tut ja nicht weh." na ja, aber sie ist ja zumindest unangenehm genug für den Hund, als dass er sein Verhalten sofort unterbindet. Strafe funktioniert nur, wenn sie unangenehm ist. Klar erreicht man so vielleicht schneller sein Ziel. Aber da muss man sich einfach fragen zu welchem Preis. Ich würde die Beziehung zu meinem Hund nicht gerne auf einer solchen Grundlage aufbauen.

    Es könnte auch passieren, dass Murphy irgendwann abstumpft und ihn das Wassersprühen gar nicht mehr stört. Da ihr dann aber euer Training auf Strafen aufgebaut habt, bleibt keine andere Möglichkeit als eine härtere Strafe einzusetzen. Ist das wirklich das, was ihr wollt?


    Keine Ahnung, ich würde an eurer Stelle glaube ich nochmal ganz von vorne anfangen. Meinungen von anderen außen vor lassen und mich erstmal in verschiedene Trainingsansätze einlesen um für euch persönlich herauszufinden, womit ihr euch am wohlsten fühlt. Dann würde ich dem entsprechend eine*n qualifizierte*n Trainer*in hinzuziehen.



    Und du schreibt ja selber "Klar, hat er keine Lust auf das Training." Das erklärt doch vielleicht schon den aufgestauten Frust?

    Wenn ihr so deutlich merkt, dass dieses Training keinen Spaß macht, warum dann erzwingen? Das ist doch für beide Seiten nicht schön. Findet doch lieber eine Aktivität an der Murphy auch Spaß hat. Vielleicht gibt es ja einen Hundesport für den er zu begeistern ist? Dadurch stärkt sich eure Bindung auch und das wirkt sich auf den Alltag aus. Murphy soll euch doch positiv verknüpfen. Habt Spaß zusammen!



    Und eine letzte Sache: Warum soll Murphy ohne Leckerchen-Belohnung auf den Rückruf hören? Ich weiß, dass das auch so ein klassisches Argument ist "mein Hund muss auch ohne Futter auf mich hören." Aber wieso es sich selber schwer machen? Hunde sind nun mal Opportunisten und machen die Dinge, die sich am meisten für sie lohnen. Gebt Murphy doch einen tollen positiv verknüpften Anreiz, um zu euch zurückzukehren. Mein Gott dann bekommt er halt einen Keks dafür, ist das wirklich so schlimm?

    Bzw. muss es ja nichtmal ein Keks sein. Was macht Murphy denn Spaß? Rennt vielleicht eine Runde zusammen, wenn er bei euch ankommt oder holt sein Lieblingsspielzeug aus der Tasche. Macht irgendwas tolles, damit es sich für Murphy lohnt zu euch zu kommen. Ihr würdet doch auch nicht ohne Bezahlung arbeiten gehen, oder?


    So viel von mir. Tut mir leid, wenn es an einigen Stellen vielleicht etwas harsch klingt. Aber das ist meine ehrliche Meinung.

  • Was mich zum nachdenken anregen würde ist, dass du schreibst er hat keinen Spaß am Training, er hat keine Lust. Das finde ich nicht normal. Wenn man es richtig angeht macht Training dem Hund sehr viel Spaß. Meine freuen sich immer wenn wir trainieren, egal was. Ob jetzt UO, Alltagskram oder Tricksereien. Sie wissen, dass es geil ist mit Frauchen zu üben, weil sie von klein auf gelernt haben, dass Zusammenarbeit Spaß macht.

  • Vielleicht magst du ja mal genau schildern, wie die Methode eurer Trainerin war, die bei euch nicht funktioniert? Also was waren ihre Ansätze und welche davon hat Murphy angenommen und welche nicht?


    Ich finde es aber sehr toll, dass ihr euch hier noch weitere Meinungen einholt! :bindafür:

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