Allgemeine Betrachtungen zum Stellenwert des Hundes

  • IngoK

    Ich bin da bei Dir. In einer Situation in der eine bewusste Entscheidung möglich ist (machen wir uns nichts vor, in Gefahren- oder Konfliktsituationen übernimmt oftmals das Unterbewusstsein/Reflex/Gewohnheit, what ever :ka: ) würde ich mich immer für den Mensch entscheiden, auch gegen meinen wirklich geliebten Hund.


    Ich drücke es mal ganz stumpf aus. Tot ist tot, aber um meinen Hund würden "lediglich" ich und mein Partner trauern - und wir würden zutiefst trauern. Stirbt aber ein Mensch, ist dieser nicht nur nicht mehr da, sondern hinterlässt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sehr viel mehr Leid, zerstört womöglich sogar Existenzen oder das Leben weiterer Menschen.


    Ja, ich würde meinen Hund "opfern" für fremde Menschen. Damit nicht eine Mutter um ihr Kind trauern muss, ein Bruder um eine Schwester, ein Mann um seine Frau, Eine Großmutter um ihren Enkel. Das Leid das mein toter Hund hinterlässt, wäre nicht vergleichbar. Ich bin sicher, es wäre kleiner, als das Leid das ein toter Mensch hinterlässt.
    Vielleicht klingt es herzlos, aber der tote Mensch ist tot. Der tote Hund ist tot. Mir geht es eher darum wie groß das Loch ist, das ein solcher Verlust reißt.


    Und ich muss mir selbst gegenüber ehrlich sein und mich fragen, was hoffe ich was passiert, wenn ein mir fremder Hundehalter die Entscheidung zwischen dem Leben seines geliebten Hundes und dem eines Menschen den ich liebe, treffen muss? Natürlich hoffe ich, dass er sich für das Menschenleben entscheidet das ich liebe, gegen das Hundeleben das er liebt.

  • An dem Dogma, den Menschen als Krone der Schöpfung zu betrachten, wird von den Verhaltensbiologen zunehmend kräftig gerüttelt. Gerade was das "Ichbewusstsein" betrifft, aber auch die Fähigkeit zu beginnenden kulturellen Leistungen. Oder sozialen Beziehungen usw. - der Abstand schwindet.


    Ich akzeptiere, dass es evolutionsbiologisch sinnvoll ist, die eigene Spezies zu bevorzugen. Das beinhaltet aber nicht den Zwang, andere Spezies grottenschlecht zu behandeln. Gerade, wenn man sich kognitiv und leidensfähig als Spitze der Pyramide sieht.


    Bei dem Autobeispiel könnte man noch ungezählte andere Varianten konstruieren. Wenn die Wahl zwischen A.H. und Deinem Hund liegt, z.B. Dieses moralische grundsätzliche Dilemma konnten auch die Autopilot-Entwickler nicht zufriedenstellend klären.

  • Ich entscheide mich in so einer Situation überhaupt nicht mehr bewusst :ka: Hab ich schon rausgefunden. Hätte ich noch so viel Zeit, wirklich erstmal richtig Pro und Contra abzuwägen, könnte ich auch mich aus der Gleichung nehmen (Baum, Leitplanke) - es sagt sich immer so einfach: In Situation x mache ich definitiv y.


    Aber man reagiert eben nur noch. Und würde ich zum Beispiel meinen Hund oder meine Oma auf der Straße sehen - ich würde sehr wahrscheinlich nichts anderes mehr sehen, sondern ausweichen oder eine Vollbremsung hinlegen. Einfach, weil sie mir wichtiger sind als alles andere darum herum und kein Mensch hat die Kapazität sich in so einer Situation noch rational zu verhalten und erstmal schön in Ruhe eine Kosten-Nutzen-Abrechnung für die Menschheit aufzustellen.


    Klingt nett. Klar. Aber Realität ist anders.

  • Ich bin weit davon entfernt den Award Krone der Schöpfung an irgendeine Spezies zu vergeben.

    Will man unbedingt Titel vergeben, könnte man den Homo sapiens auch mit guten Argumenten als den größtem Schädling globaler Ökosysteme auszeichnen oder die Ratte als die Spitze der Säugetierevolution- denn sie ist nach vielen Kriterien die erfolgreichste Spezies dieser Klasse.
    Die Alleinstellungsmerkmale unserer Art sind wenige.

    Auch Ichbewußtsein gibt es von Delfin bis Elster gar nicht so selten im Tierreich.

    Kultur und Tradition sind bei Säugern und Vögeln weit verbreitet.
    Selbst Kriege im engsten Sinne gibt es ((nicht nur) bei Schimpansen)

    Bei Hunden gibt es allerdings definitiv kein Bewußtsein des eigenen Selbst. Das wurde oft genug und eingehend genug untersucht.

    Und die wenigen Alleinstellungsmerkmale unserer Art sind immerhin hoch relevant: Kein Tier ist aber in dem Maße ein geschichtliches Wesen und hat auch nur annähernd ein ähnliches Bewußtsein von sich, seiner und der generellen Geschichte sowie seiner Vernetzung im kleinen wie im Großen, wie der Mensch. Kein Tier hat ein Speziesbewusstsein und nur ganz wenige (nicht keine!) kommunizieren global und Populationsübergreifend...und wohl gar keine abstrakt..

    Ansatzweise gibt es vieles davon zwar durchaus bei einigen Säugern, vor allem Primaten, aber auch bei Vögeln und Cetaceen.

    Aber hier hat der Mensch schon ein starkes Alleinstellungsmerkmal.
    Kein Tier wäre zb in der Lage, den Begriff Ethik zu verstehen, zu hinterfragen ...oder zu dem Schluß: Cogito, ergo sum zu kommen. Auch nicht die Arten, die sich ihrer individuellen Existenz durchaus bewusst sind.

    Ich bin nach wie vor erschrocken über einige Statements hier und wundere mich inzwischen über den Tenor, den der Threadstarter hier ins Spiel bringt.
    Für viele scheint es mir hier geradezu anders herum: Der Hund, vor allem der eigene, wird überhöht und der Mitmensch zumal der persönlich unbekannte, wird entwertet, um nicht zu sagen, auf die Stufe des Hundes oder darunter gesetzt.
    Letztlich eine ebenso logische wie absurde Konsequenz der Anthropomisierung des Hundes und des Mißverständnisses seiner Rolle als Sozialpartner des Menschen.

    Zum missachten der Menschlichkeit zB eines Kriegsgegners ist da nur noch ein kleiner Schritt und ich muss wohl nicht sagen, zu was solche Emotionen und Denkweise schon vieltausendfach in der Menschheitsgeschichte geführt haben.

    Ich bleibe dabei: Bei aller Liebe zum Hund und bei aller Hochachtung vor seiner Spezies und seinen Ansprüchen und bei allem Verantwortungsbewußtsein als Halter: Den (beliebigen) Hund im Falle einer Entscheidung um Wohl oder Wehe dem (beliebigen) Menschen vorzuziehen finde ich nach so objektiver Analyse, wie mir als subjektiv empfindendem Individuum möglich ist, als unethisch und aus persönlicher Sicht äusserst bedenklich.

    Ich denke mal, ich halte mich ab jetzt in dieser Diskussion besser etwas zurück. Die Fronten sind verhärtet und mir zu extrem. Aber ich habe auch gesagt, was meine Einstellung ist und warum.

  • Bei Hunden gibt es allerdings definitiv kein Bewußtsein des eigenen Selbst. Das wurde oft genug und eingehend genug untersucht.

    Nein, das ist inzwischen auch überholt. Auch Hunde haben (nebst anderen Tierarten) durchaus ein Ichbewusstsein.


    Die Wissenschaft macht Fortschritte, es kommen von Jahr zu Jahr neue, erstaunliche Erkenntnisse zu Tage, welche die "alten" Überzeugungen über den Haufen werfen.


    Ichbewusstsein beim Hund


    Ich nehme an, da ist die Wissenschaft noch lange nicht am Ende der Erkenntnisse angelangt.

  • Der Befund, dass Hunde ihren eigenen Urin erkennen ist unstrittig. Die Schlußfolgerung, dass das auf ein Ichbewußtsein hindeutet aber absolut nicht. Im Gegenteil, diese Schlußfiolgerung erscheint völlig unlogisch.

    Hunde nutzen ihren Urin zur Markierung.

    Alle Wirbeltiere, die markieren, können die eigenen Geruchsmarken von denen von Artgenossen unterscheiden und reagieren entsprechend angepasst. Sonst macht die ganze Markiererei ja auch überhaupt keinen Sinn.
    Selbst Geckos erkennen die eigenen Geruchsmarken und unterscheiden sie von denen von Artgenossen....und Geckos haben nunmal definitiv kein Ich Bewußtsein. Ihnen fehlen jegliche Hirnregionen, die so etwas zulassen könnten.

    Nebenbei bemerkt erkennen (zumindest die weniger nasenorientieren Exemplare) Hunde durchaus ihre Spezies im Spiegel, sie können sich selber aber nicht von anderen differenzieren.
    Abgesehen davon ist die Frage nach dem Ichbewußtsein hier absolut nicht das Hauptthema. Ich würde auch eher ein Elster als eine alte Dame überfahren. Ichbewußtsein haben beide, die Elster u.U die noch längere Lebenserwartung.

  • Hmh. Für mein Handeln hilft mir ein theoretisches Gedankenkonstrukt einer Extremsituation nicht weiter, in der ich mich aller Wahrscheinlichkeit niemals befinden werde. In dieser speziell geschilderten Situation sowieso nicht, ich fahre (letztlich aus ethischen Gründen :smile:) nicht Auto. So bringen solche Beispiele ihre eigenen Probleme mit sich.


    Der Respekt Leben gegenüber und der Stellenwert, den man ihm beimisst, zeigt sich für mich viel eher in ganz, ganz vielen kleinen unspektakulären Alltagshandlungen und -entscheidungen, bei denen man quasi im Minutentakt jedesmal neu entscheiden kann.


    Und da komme ich tatsächlich ausgesprochen gut klar, ohne die Frage entscheiden zu müssen, ob ich gedanklich und abstrakt betrachtet dem Leben eines Hunds mehr Wert beimesse als dem einer Kuh und dem Leben eines Menschen mehr Wert als dem eines Hunds. Und ja, ich verfüttere Kuh an Hund. In dem Bewusstsein, dass das eine nach meinen eigenen Maßstäben unethische Entscheidung ist. Ich bemühe mich dabei nach Kräften, den “Schaden“ so gering wie möglich zu halten. Aber er ist da, und zwar aufgrund meines egoistischen Bedürfnisses nach dem, was ich für ein gutes Leben halte. Das ist ein Teil meines Daseins als Mensch.


    Ihn mir bewusst zu machen und zu schauen, dass ich die Kollateralschäden, die ich bei meinem Stampfen durchs Leben verursache, doch an der ein oder anderen Stelle einschränke, auf Bedürfnisse anderer (Mensch und Tier) eingehe und dafür meine unmittelbaren Bedürfnisse hintanstelle - nicht immer, nur manchmal, wenn ich kann - das ist für mich gelebte Achtung vor dem „Stellenwert“ des Lebens.

  • A) Ja, ich finde Verbrecher werden zu sehr verhätschelt. Für mich sind alle Menschen, die Tiere wie der letzte Dreck behandeln, zweibeinige Bestien. Mir ist völlig wurst, aus welchem Kulturkreis die kommen. Bestie ist und bleibt Bestie! Ich habe niemals geschrieben, man sollte innerhalb der Spezies Homo sapiens nach Herkunft ab oder aufwerten. Zudem entspricht das auch überhaupt nicht meiner Haltung, die heisst: Keine Abwertung eines Menschen aufgrund seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner Religion, seiner sexuellen Orientierung etc. Warum werden mir im DogForum oft die Worte im Mund verdreht?


    B) Was mich extrem stört, ist weniger die Höherrangigkeit des Menschen, sondern das Extrem dieser Höherrangigkeit, dieser Stellung. Nach dem Mensch kommt weit dahinter lange nichts. Auch stört mich die Einstellung "Ein Mensch ist kein Tier" aber "Tier ist Tier, egal ob Hund oder Weinbergschnecke". Denn daraus resultiert ja dieses Denken, ein Menschenleben ist um ein Vielfaches mehr wert als das eines Hundes. Überheblicher gehts wohl nicht mehr. Ich weiss, es ist mit dem Vergleich zwischen Hund und Weinbergschnecke etwas überspitzt, dennoch wird jeder wissen, was damit gesagt werden soll.


    C) Aus dem einfachen Grund, weil wir Menschen diese Abgrenzungen brauchen. Nur sollte sich der Mensch einfach nicht so extrem stark überhöhen. Es passt gut zur Antwort B).


    D) Strenggenommen "müssten" demnach nicht nur wir Menschen uns vegan ernähren, sondern wir dürften dann auch unseren Hunden und Katzen weder Fleisch noch Fisch geben.

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