Echte Wölfe und blöde Fragen - Teil 2

  • ist ja eigentlich genau das Argument, was man in Deutschland zugunsten der Wölfe nicht gelten lassen möchte

    Macht sich denn irgendeiner Sorgen, dass Wolfspopulationen durch Weidezäune zerschnitten werden? Fände ich genau so albern wie bei Rehen o.ä. Habe ich aber noch nie gehört.

  • Die Verinselung von Populationen ist ein riesiges Problem in D. Es gibt nur wenige unzerschnittene Lebensräume, und die Schaffung von Wanderungskorridoren versucht, diese Verinselungen aufzuhalten. Wenn jetzt der gesamte Bruch eingezäunt ist, konterkariert das gewissermaßen diese Bestrebungen des Naturschutzes. Es geht nicht um die 10 Rehe, die vielleicht innerhalb des Zaunes jetzt mit den Pferden eingesperrt sind, es geht um eine großräumige Vernetzung von Lebensräumen, die so Stück für Stück vernichtet wird.


    Auch das ist in Gebieten mit Wolfspräsenz und Weidetierhaltung ein Problem, welches noch überhaupt nicht in den Konsequenzen durchdacht ist.

  • Es geht nicht um die 10 Rehe, die vielleicht innerhalb des Zaunes jetzt mit den Pferden eingesperrt sind, es geht um eine großräumige Vernetzung von Lebensräumen, die so Stück für Stück vernichtet wird

    Das weiß ich, ich arbeite in der Naturschutzforschung :lol: Ich glaube aber tatsächlich nicht daran, dass das Errichten von Wolfszäunen da noch einen signifikaten Unterschied macht. Gibt's dazu Studien? Wäre ja spannend, wenn ich mal Zeit finde, recherchier ich dazu mal.


    Die Bestrebungen "des Naturschutzes" konterkarieren in Europa momentan in meinen Augen andere Dinge (zumal "der Naturschutz" ja auch gar nicht homogen ist in seinen Bestrebungen). Der hier so bejubelte Abschuss der Wölfe in Schweden wird beispielsweise tatsächlich SEHR kritisch von Populationsbiologen und Naturschutzbiologen betrachtet (siehe: https://www.science.org/doi/10.1126/science.add5299).

  • Dann verstehe ich Dich nicht. Wenn Du in der Naturschutzforschung arbeitest, müßtest Du doch noch viel besorgter sein bezüglich der "Aufrüstung" mit Zäunen in der (Kultur-)Landschaft. Ich bin nur ein kleiner Praktiker und sorge mich schon...


    Und es ist mir klar, daß der Abschuß von Wölfen deren Population nicht gut tut. Das tut es bei keiner Population. Die Frage ist, ob es in der Summe aller Faktoren vertretbar ist oder nicht. Zwischen Schweden und D sehe ich da durchaus erhebliche Unterschiede, die eine Übernahme von Bewertungen 1 zu 1 in Frage stellt.

  • müßtest Du doch noch viel besorgter sein bezüglich der "Aufrüstung" mit Zäunen in der (Kultur-)Landschaft

    Nein, das müsste ich nur, wenn ich denken würde, dass das ein bedeutender Faktor bei der Verinselung von Populationen sein wird. Und davon bin ich bisher nicht wirklich überzeugt, kenne keine Studien o.ä., die darauf hindeuten. Aber deswegen hatte ich hier ja gefragt und es scheint niemand mehr dazu zu wissen als ich, es dreht sich daher gerade etwas im Kreis.

  • Zitat

    Ich glaube aber tatsächlich nicht daran, dass das Errichten von Wolfszäunen da noch einen signifikaten Unterschied macht.

    In einem Land mit viel Platz sicher nicht, hier, wo ohnehin nur noch Inseln übrig sind, dürfte es langfristig und konsequent umgesetzt verheerend werden.


    Man sieht ja schon auf "unseren" 40 Hektar, was da plötzlich alles vor abgeschnittenen Wechseln steht und nur autobahnwärts ausweichen kann. Ganz doof in Großstadtnähe, wo der Bewegungsraum eh knapp ist. Reguliert sich allerdings zunehmend damit, dass der Wildnachwuchs von den Wölfen schlicht aufgefressen wird und die Bestände rasant vergreisen.


    Sowas auf alle Weideflächen im Land hochgerechnet, dürfte einen sehr bitteren ökologischen Schaden verursachen. Dazu alle Verluste wegen aufgegebener Tierhaltung (hier im Landkreis wären es zum Beispiel die letzten Kiebitzpaare, deren Brutrevier seit Jahrzehnten von Rindern freigeweidet wird) - da ergeben zu viele Wölfe schon verdammt massive Kollateralschäden.

  • Man sieht ja schon auf "unseren" 40 Hektar, was da plötzlich alles vor abgeschnittenen Wechseln steht und nur autobahnwärts ausweichen kann

    Sowas auf alle Weideflächen im Land hochgerechnet

    Nee, so einfach funktioniert das nicht. Man kann anekdotische Evidenz nicht einfach hochrechnen. Skaleneffekte sind gerade in der Populationsgenetik nicht so einfach linear. Sonst müsste man da ja gar keine Forschung betreiben, wenn es mit "sieht man ja" getan wäre.


    Ich wollte aber auch eigentlich gar nicht die nächste "Wölfe sind der Untergang des Abendlandes, unserer Kinder, Hunde, Weidetiere und der Biodiversität"-Tirade lostreten, sondern einfach nur fragen, ob es zu den populationsgenetischen Effekten von Weidezäunen Daten gibt, für welche Tierarten das relevant sein könnte.

  • Das Problem an dieser ganze Sache ist doch - und deshalb nützt eine Diskussion wohl tatsächlich nichts mehr - dass weder du noch ich da irgendwelche evidenzbasierten Voraussagen machen können. Schlicht deshalb nicht, weil es nicht möglich ist.


    Das Freiluftexperiment, Wölfe in unbegrenzter Zahl und mit unbegrenzter "Handlungsfreiheit" in ein kleines, modernes, dicht besiedeltes Kulturland zu quetschen, ist noch nie irgendwo unternommen worden, wie soll es da belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse geben? Die jahrhundertelang erfahrenen Wolfsländer hüten sich offenbar sehr vor sowas, und wir werden es dann eben ausprobieren müssen, koste es, was es wolle.


    Time will tell - und ich kann nur inständig hoffen, dass du richtig liegst!

  • sondern einfach nur fragen, ob es zu den populationsgenetischen Effekten von Weidezäunen Daten gibt, für welche Tierarten das relevant sein könnte.

    So dermaßen komplett trennende Weidezäune gibt es ja bisher kaum.

    Am ehesten könnte man da wohl in Oostvaarderplassen in den NL nachhaken, ob und welche Effekte dort gesehen wurden.

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