Echte Wölfe und blöde Fragen - Teil 2

  • Ich fand das Informationsseminar für Weidetierhalter sehr .... optimistisch. Es wurde über die empfohlenen Präventionsmaßnahmen des Landes aufgeklärt.


    Knappe Zusammenfassung:


    - ein normaler Wolf springt erstmal nicht, Risse gehen quasi ausschließlich auf das Fehlen einer stromführenden Litze auf 20cm Höhe zurück

    - für Ziegen & Schafe sind Elektronetze mit 90cm Höhe ein völlig ausreichender Schutz, an Hängen sollte eine Breitbandlitze auf 120cm drüber

    - sollte doch ein Exemplar das Springen erlernen, sind 140cm sicher

    - bei Großtieren sind nur Fohlen/Kälber und Ponys in Shettygröße gefährdet, Risse größerer Tiere gehen darauf zurück, dass dort zuvor Fohlen/Kälber gerissen und der Wolf somit angefüttert wurde

    - HSH werden nur in seltenen Ausnahmefällen empfohlen, da sie mehr Probleme als Nutzen mit sich bringen


    Im Endeffekt starke Betonung auf: Organisiert euch mobile, stromführende Zäune. Risse gehen auf schlechte Zäune zurück. Der Rest ist Panikmache der sozialen Medien und Fälle, in denen 140cm Zaun überwunden wurden, sind ihm keine bekannt. Es gäbe dann immer Schwachstellen wie schlecht umzäunte Teile oder nicht ausreichend Pfosten. Schon dürftige 2 Litzen Zäune hätten im Monitoring gute Dienste erwiesen und Wölfe abgehalten, sollten aber verbessert werden.

    Ich meine - schön, wenn es tatsächlich so kommt und eine 20cm Litze all unsere Probleme löst. Das würde aber suggerieren, dass alle Berichte aus dem Norden auf unzureichende Stromzäune zurückgehen. Ist dem wirklich so? Funktionierender Elektrozaun und alles ist sicher?


    Hier wird es nochmal zusammengefasst, allerdings sind dort sogar nur 120cm genannt:


    Herdenschutz Empfehlungen


    HSH sind zwar auf dem Foto, werden aber in den Empfehlungen nicht genannt.

  • Aus Gesprächen mit Betreibern privater Wildreservate in Südafrika weiss ich, dass fast alle Beutegreifer praktisch jeden Zaun überwinden können, wenn dei Motivation nur groß-genug ist.

    Aber das heisst nicht, dass ein guter Zaun nicht schützt.

  • Danke - es wäre für die Praxis noch richtig interessant zu wissen ,bis zu welchem Grade?


    Schützt er nur, solange bei den Nachbarn kein Zaun steht? Schützt er nur vor Einzeltieren, aber nicht mehr vor einem Rudel, das die Aufgaben sozusagen untereinander aufteilen kann? Schützt er nur im Sommer, nicht aber im Winter, wenn das Futter knapp wird (was ja für die Halter von ganzjährig draußen lebenden Offenstallpferden ein brennendes Thema ist)? Schützt er nur mit Hund(en) dahinter, also als optische Warnung vor "auf der anderen Seite wird es ungemütlich!"? Verliert er bei gut trainierten Individuen wie Zaunspezialistin Gloria generell jede Schutzwirkung, oder betreibt auch die noch Risikoabwägung?


    Oder schützt er, was immer auch man tut, generell nur, bis das Magenknurren und damit die Kreativität einen gewissen Level erreicht haben?

  • Wenn wir die Zeit 20 Jahre zurück drehen könnten, flächendeckend Zäune 140cm hinstellen, 5-6 reihig, ordentlich Saft drauf, ich denke dann hätten wir viele Probleme erst gar nicht bekommen. Jetzt hat man Wölfe, die gelernt haben, dass Weidetiere einfache Beute sind, die gelernt haben, wie Zäune zu überwinden sind und wenn diese Wölfe abwandern, nützt einem ein solcher Zaun sicher mehr, als der beim Nachbarn, der nur 2 reihig ist aber von wirklich sicher ist es dann trotzdem ein Stück entfernt.

  • Funktionierender Elektrozaun und alles ist sicher?

    Nein, natürlich nicht.

    Es gibt zwar viele Riss-Berichte, wo es tatsächlich Schwachstellen an den Zäunen gegeben hat, aber eben längst nicht bei allen Rissen.


    Es gibt Wölfe und Rudel, die höhere Ansprüche an den Herdenschutz stellen als andere.

    Und es gibt neben zahlreichen äusseren Bedingungen, die Zaun-Überwindungsversuche von Wölfen wahrscheinlicher machen können, auch Gegebenheiten bei den Weidetieren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen können.


    Man hat also IMMER verschiedene unterschiedliche Variablen in der "Angriffs-Formel".

    a) Zustand der Herdenschutzmaßnahmen (und da zählt vom HSH mit Bauchweh oder Lahmheit über die Erdung bei Schnee alles Mögliche hinzu)

    b) Motivation der Wölfe (auch da zählt alles Mögliche zu: Gesundheitszustand, Rudelstärke, Fütterung von Nachwuchs, Vorhandensein von Beute, Störungen bei der Jagd, bereits gemachte Erfahrungen, Wetterbedingungen, etc.)

    c) "Zustand" der Weidetiere (mit z. B. Geburten auf den Flächen, Jungtieren auf den Flächen, Herdenzusammensetzung, angeschlagenen Uralt-Tieren auf den Flächen, Ausweichmöglichkeiten innerhalb der Flächen, die einen Ausbruch verhindern können, Wehrhaftigkeit der Weidetiere, etc.)


    Die Formel ist also unglaublich variabel:

    ax? + bx? + cx? = Wahrscheinlichkeit eines Angriffs trotz Herdenschutzmaßnahmen


    Für mich ist "guter Herdenschutz" einer, der diese Variablen mit einkalkuliert und somit dynamisch ist.

  • Wie gesagt, ich fand den Vortrag sehr optimistisch, wollte es aber dennoch mal hier widergeben.


    Ich vermute schon, dass durchaus mit einberechnet wurde, dass sich hier im Süden nicht direkt auf Großtiere spezialisierte Rudel ansiedeln werden. Wir stehen ja ganz am Anfang mit einzelnen, durchziehenden Wölfen.


    Aber generell war der offizielle Tenor: Wölfe, die Stromzäune überwinden, sind Panikmache durch Social Media. Das Thema HSH wurde bewusst im Ansatz vom Vortragenden erstickt, er sagte, er möchte wegen der großen Probleme, die HSH verursachen, diese nicht thematisieren, da sie nichts für den durchschnittlichen Weidetierhalter sind.

  • Das Thema HSH wurde bewusst im Ansatz vom Vortragenden erstickt, er sagte, er möchte wegen der großen Probleme, die HSH verursachen, diese nicht thematisieren, da sie nichts für den durchschnittlichen Weidetierhalter sind.

    Schade, statt das man einfach thematisiert, warum HSH so problematisch sind.


    Natürlich kann nicht jeder mal eben drei große Hunde anschaffen und handeln, für seine 5 Hobby Schafe.

    Aber viele schreckt auch einfach die fehlende Toleranz der Bevölkerung und Politik ab.

  • Naja, auf der einen Seite steigt die Angst vor Hunden, Aggression wird immer mehr zum Tabu, Gesetze und Verordnungen werden immer radikaler und auf der anderen Seite soll man sich als Tierhalter HSH auf den Hof holen? Das passt halt absolut nicht zusammen.

  • Am Wochenende konnten wir beobachten, wie Eltern ihre Kinder über den Zaun heben wollten, damit die Kinder die Hunde besser streicheln können..

  • Tatsächlich sehe ich hier keine HSH, weil es furchtbar eng besiedelt ist. Das ist null vergleichbar mit nördlicheren Gebieten, wo auch mal etwas Platz zwischen Häusern ist, Grundstücke großzügig geschnitten sind, Weiden wirklich riesige Flächen bieten. Hier stehen Nutztiere teils in wirklich kleinen Gärten, da hat keiner ein 1000qm Grundstück. Und trotzdem vielleicht ein paar Schafe oder Ziegen in seinem 20m x 30m Garten. Oder ein paar Pferde auf so einem kleinen Fleckchen am Haus. Teils sogar ganz ohne Weidegang.


    Vielleicht reichen die vorgeschlagenen Maßnahmen ja wirklich für die absehbare Zukunft in unserer Region. Mir persönlich hätte aber genau diese Erklärung gefehlt. Dass es eben keine allgemeingültigen Empfehlungen sind sondern die, für die absehbare Zukunft hier.

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