Wann ist Vermenschlichung „ok“ und wann leidet der Hund?

  • mich verstört der Artikel total


    So wie in dem Artikel vermenschlicht wird

    da würde ich als Mensch mehr als unwirsch reagieren

    So behandelt man keine Menschen und erst recht keine Tiere


    Aber vermutlich habe ich eine ungünstige landkinder sozialisation

    Die zu dem noch in der (fast) prä Plastikzeit stattgefunden hat

  • Der Artikel an sich ist nicht diskussionswürdig, da er lediglich eine Aneinanderreihung von veralteten Klischees ist: "Praktikant, wir müssen noch ein bißchen Platz füllen, schreib mal was Brisantes über Hunde!" - Praktikant surft 10 Minuten durchs Internet und schreibt Obiges.


    Davon abgesehen, wird der Begriff "Vermenschlichung" interessanterweise immer nur auf eine von vielen kritisch zu sehenden Rollen des Hundes im Verhältnis zum Menschen angewendet, nämlich der Hund als Kindersatz. Es gibt aber auch andere kritikwürdige Rollen, die der Hund für Menschen ausfüllt, zB der Sklave, das Sexobjekt (ein Tabuthema) das Sportgerät, das Statusobjekt u.A..


    Bemerkenswert ist daran, daß die Vermenschlichung in der Kinderrolle weitgehend der Frau zugeordnet wird und von Männern bzw einer traditionell männlichen Sichtweise negativ kommentiert wird. Das verwöhnte, von Männern verachtete Schoßhündchen der Frauen schimmert da durch. Das hat eine lange Tradition schon seit mehr als hundert Jahren.


    Umgekehrt werden die überwiegend von Männern bevorzugten Rollenzuweisungern als Diener, Sklave usw traditionell als normaler, angemessener, sachlicher Umgang mit dem Hund angesehen, sieht man mal vom verschwiegenen Tabuthema Sex ab.


    Ältere Hundebücher spiegeln das gut wieder. Ich habe zB ein Buch "Alles über Hunde" aus den Sechziger Jahren, in dem ganz selbstverständlich Stachelhalsband, Würger und Gerte als selbstverständliche Erziehungsmittel für jeden Hund bis hin zu kleinen Begleithunden vorausgesetzt werden. Alles andere wäre Verwöhnen und Vermenschlichen.


    Dagmar & Cara

  • Vermenschlichung ist für mich, wenn dem Hund Eigenschaften, Gedanken, Verhaltensweisen etc. zugeschrieben werden, die er schon aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht nicht im Entferntesten zeigen/denken könnte.

    ABER: das ist für mich (!) erstmal nix schlechtes. Wie oft leg ich meinen Hunden aus Spaß Worte in den Mund, äff sie nach ("mimimi Herrchen gibt mir keine Nudel ab!") usw.?


    Für mich ist das erstmal nur Bestandteil des gemeinsamen Zusammenlebens.

    Ich nenn Dino auch mal "mein Spatzi", drück ihm ein Küsschen auf den Kopf, er darf sich zu mir unter die Bettdecke kuscheln ... aber ich weiß halt, dass er ein Hund ist und dementsprechende Bedürfnisse hat. Er darf sich im Dreck wälzen, er darf bellen, er darf Blödsinn machen, artgerechte Beschäftigung erfahren usw.


    Heutzutage lässt sich ein gewisser Grad an Vermenschlichung vom Hund mMn nicht mehr vermeiden. Wir leben inzwischen so eng mit unseren Hunden - Familienmitgliedern - zusammen, da würde es mich schon sehr wundern, wenn einem niemals z. B. ein liebevolles "ach, mein süßer Dummhund" (oder so) über die Lippen rutscht.


    Kritisch wird es jedoch, wenn genau das dem Hund schadet, weil man hündische Bedürfnisse übersieht oder den Hund nur noch wie ein Objekt (Stichwort Anziehpüppchen) behandelt.

    Wenn der Hund nicht mehr durch Dreck laufen darf, weil oh mein Gott er könnte ja dreckig werden. Wenn der Hund die ganze Zeit nur in einer Handtasche rumgetragen wird. Wenn ihm menschliche Attribute aufgezwungen werden. Da hört's für mich komplett auf. Und Dinge wie das von dagmarjung erwähnte Sexobjekt sind sowieso absolut verabscheuungswürdig. Darüber muss man hoffentlich nicht erst diskutieren. Diskussionen mit Betroffenen sind auch alles andere als zielführend, das kann man gleich sein lassen.


    Ich lebe alleine und hab eine ziemlich enge Bindung zu Dino. Der ist halt mein Terrorkrümel, mein Spatz, mein Lieblingshund. Aber er ist und bleibt nunmal ein Hund. Dass ich ihn hier und da vermenschliche - geschenkt.

  • Ich finde den Artikel befremdlich und einfach schlecht. Seltsam find' ich es auch das ein Nachrichtenportal über die Bedürfnisse und die Vermenschlichung eines Hundes aufklären will.


    Bezüglich Vermenschlichung bin ich da eher konservativ unterwegs. Ich vermenschliche meinen Hund so gut wie kaum. Nie - würde ich jetzt nicht sagen, ich denke jedem passiert es mal das er den Hund vermenschlicht.


    Küsschen geben, Kosenamen oder zusammen im Bett schlafen gehört für mich eher zu Zärtlichkeiten seitens Menschen und nicht zur Vermenschlichung. Ebenso finde ich das Bett-Verbot eine Grenze, andersrum ist es mir so was von egal ob es mein Hund auf dem Bett gemütlicher findet. Soll er halt.


    Das komische Bild mit dem Hund der auf dem Tisch steht und so intensiv frisiert wird: Wenn es nur für die Schau ist, dann halt. Für irgendwas stellt man die Hunde aus. Aber jeden Tag / wöchentlich fällt für mich eher unter der Kategorie Tierquälerei. Ich verurteile auch jeden, der dem Hund nicht-natur-gegebene Farben färbt, die Krallen lackiert oder ständig unnötige Accessoires anzieht. Für die eigene Belustigung.


    Ich sehe die Vermenschlichung von Hunde da, wo die Verantwortung des Menschen abgegeben wird und viel Interpretation analog der menschlichen Welt betrieben wird. "Der macht er mit voller Absicht." "Der schämt sich" - um zwei klassische Dinge zu erwähnen.

  • Mein Sohn meinte eben im Gespräch um dieses Thema, dass es auch dahingehört, wenn der Hund ( jedes Tier) nicht als Lebewesen mit Bedürfnissen etc gesehen wird, sondern als Spielzeug behandelt wird und darüber eben die Bedürfnisse ignoriert werden.

  • Mein Sohn meinte eben im Gespräch um dieses Thema, dass es auch dahingehört, wenn der Hund ( jedes Tier) nicht als Lebewesen mit Bedürfnissen etc gesehen wird, sondern als Spielzeug behandelt wird und darüber eben die Bedürfnisse ignoriert werden.

    Deswegen finde ich "Vermenschlichung" den falschen Begriff. Es ist Objektivierung. Und da ist es egal, ob es sich um Anziehen und als Deko verwenden handelt oder als Statussymbol oder der SoKa, der aussieht wie auf Steroiden, oder das Sportgerät Hund.

  • Wir vermenschlichen den Hund schon. Wir überlegen, was sie gerade denkt (meist eher nicht so viel :roll: ) und auf eine gewisse Weise ist sie Kinderersatz. Nicht so, wie irgendwelche alten Damen mir das unterstellen, sondern eher in Bezug auf Zeit und Fürsorge.

    Solange man den Hund aber Hund sein lässt, sehe ich da überhaupt kein Problem, ihn auch mal etwas zu viel zu verhätscheln. Macht doch auch Spaß. Trotzdem ist sie ganz gut erzogen, kann ohne Leine laufen, darf sich ordentlich einsauen und bekommt ihre Aufgaben.

    Ein Lebewesen, das so sozial und am Menschen ausgerichtet ist wie der Hund wird doch natürlich ins eigene Leben integriert, anders als zum Beispiel ein Hamster. Und dazu gehört eben auch das Bett oder das Sofa und dazu gehört auch, dass man mal schmusiger mit dem Hund redet. Wenn man es mit dem Vorwurf der Vermenschlichung übertreiben will, ist ja schon ein Name für ein Tier oder gar ein Kosename eine Vermenschlichung.

    Solange der Hund nicht zum Spielzeug wird oder unter dem Verhalten leidet, wüsste ich nicht, warum man sich für bestimmte Dinge (Hundejacke, im Bett schlafen) rechtfertigen sollte.


    Tatsächlich hat jeder, dem ich erklärt habe, warum ein Hundepullover sinnvoll ist, das sofort verstanden. So kompliziert ist das nämlich nicht. Lustig ist, dass in der Hinsicht immer andere Leute meinen armen, selten bekleideten Hund im Winter vermenschlichen.

    Wer Vermenschlichung anhand solcher Parameter erkennen will, dem fehlt einfach die Empathie oder der Sachverstand.


    Was ich ganz schrecklich finde sind die Leute, die beim Gassi permanent auf ihre Hunde einbrabbeln und glauben, diese würden das verstehen, sich dann aber wundern, wenn die Hunde nicht hören. Das finde ich vermenschlichend, wenn man glaubt, dass der Hund sich durch Argumente abbringen lässt vom Fehlverhalten.

  • Für mich ist Vermenschlichung, wenn man nicht in der Lage ist zu erkennen, dass ein Hund ein Hund ist.

    Einem Hund der friert einen Mantel anzuziehen gehört mMn zur Fürsorgepflicht. Das Tier friert, weil es nicht (mehr) ausreichend an die Umgebung angepasst ist und eben mehr Wärme bräuchte. Genau der gleiche Grund warum wir Kleidung tragen.

    Einem Hund vorsichtshalber den Mantel anzieht, das ist dann wegen mir Verwöhnen. Schädlich wird es dann wenn der Hund objektifiziert wird, also wenn man (um eim Beispiel Mantel zu bleiben) der Hund in der Sommerhitze einen dicken Pulli tragen muss und darin leidet, weil der Pulli so gut zum eigenen Outfit passt.

    Eine Vermenschlichung sehe ich in dem Beispiel allerdings gar nicht. Außer eventuell jemand wäre ernsthaft der Meinung der Hund würde sich nackt nicht vor die Türe trauen und müsse deswegen einen Mantel tragen. Entsprechende Scherze sind wieder was anderes.


    Mich nervt diese Unterstellung mit dem Kind einfach nur. Klar gibt das es bestimmt auch, aber im Endeffekt ist es doch meist so, dass einer Frau ab einem gewissen Alter wenn sie keine Kinder, aber Hunde hat und diese gut und als Sozialpartner behandelt automatisch unterstellt wird, dass es ein Kinderersatz ist. Wenn sie es abstreitet, dann ist es eben unterbewusst oder sie gesteht es sich nicht ein.

    Aber mal im Ernst, wie viele Frauen kennt man denn wo der Hund wirklich wie ein Baby, also ein echtes menschliches Baby, behandelt wird und ganz explizit rein menschliche Baby/Kind-Bedürfnisse befriedigt werden. Ich meine, selbst wenn man den Hund als Ersatzbeschäftigung holt, weil es mit der Kinderplanung nicht geklappt hat, dann ist das ja immer noch kein Kinderersatz, sondern ein Hobby das man sich zulegt, weil man nichts anderes zu tun hat und das einen glücklich macht. Welche Frau, die ungewollt kinderlos ist und eigentlich keinen Hund will, holt sich denn einen Hund und denkt sich "och ja, ist eigentlich ist das fast genauso gut. Jetzt ist es okay keine Kinder haben zu können."

  • Um meine Gedanken von vorhin noch einmal aufzugreifen:


    Eine sehr häufige Vermenschlichung, die aber nie mit diesem Wort bezeichnet und kritisiert wird, ist "Chef" und "Untergebener". Das ist eine rein menschliche Beziehung, die auf Tiere angewendet sachlich unzutreffend ist und ganz schnell zu Unverständnis und auch Leid fürs Tier führt. Tiere denken und handeln nicht in diesen Begriffen. Wenn der Hund sich dann in irgendeinerweise seiner Rolle als Befehlsempfänger entzieht, ist er "frech", "weiß es ganz genau", "will mich herausfordern" und muß gemaßregelt und bestraft werden.


    Das ist vielerorts, gerade auch im Hundetraining für Alltag, Sport, Dienst und Jagd nach wie vor gängig. Ob genau mit diesen Begriffen oder davon abgeleitet als Alpha oder Rudelführer versus Rangniederer, wobei den Begriffen wieder die menschliche Chef/Untergebenenrollerolle unterstellt wird, ist letztlich egal,

    Vermenschlichung des Hundes ist auch hier die Grundlage des Denkens. Obwohl gherade die Vertreter dieser Richtung das vehement abstreiten würden.


    Dagmar & Cara

  • Mit dem Thema hab ich mich lange und intensiv beschäftigt und ich hab da keine so klare Haltung zu. Ich hab meine Bachelorthesis mehr oder weniger darüber geschrieben, ein Großteil meiner künstlerischen Arbeit widmet(e) sich diesem Thema. Und trotzdem - ein klares Bild oder Urteil über Vermenschlichung und was das sein soll, will sich nicht einstellen.


    Der Hund eignet sich für sein meschliches Gegenüber hervorragend als Projektionsfläche - klar, das können Menschen auch, machen es einem aber durch deren Sprachbegabtheit oft schwerer. Einen Hund zu lieben ist deshalb leichter, er ist leicht "bespielbar" mit den eigenen Vorstellungen, Wünschen und Unterstellungen.

    Ich erinnere mich da an ein Hundebuch meiner Kindheit, das sinngemäß damit begann:

    "Er liebt dich treu und urteilt nicht über dich. Er liebt dich und es spielt keine Rolle, ob du klug bist oder dumm, reich oder arm, gut oder böse." - Bedingungslose Liebe, wer sehnt sich danach nicht? Und dabei spielt keine Rolle, ob wir indexikalische Beweise dafür finden, geliebt zu werden - es reicht unsere Interpretation dessen, die aber völlig natürlich ist, da sie nicht nur kulturell in Sicht auf den Hund gewachsen ist, sondern auch in uns menschlich veranlagt. Was wir zu fühlen und zu denken im Stande sind, unterstellen wir dem Gegenüber. Fehlt uns eine Erfahrung oder Fähigkeit in unserer Erfahrung oder Vorstellung, unterstellen wir sie auch nicht.


    Was ist also mit Menschen, die sich sexuell, amourös oder als Partnersubstitut zu Tieren hingezogen fühlen? Finde ich erst mal nicht verwerflich, solang es nicht zu Übergriffen auf das Tier kommt, die dem Tier schaden. Ist ein Tabu, ja, aber außerhalb der Tabuisierung ist Zoophilie nicht mal zwangsläufig an sexuelle Übergriffe auf ein Tier gekoppelt und solange habe ich nicht das Gefühl, mich demgegenüber moralisch positionieren zu dürfen.


    Ich kam damals zu diesem Thema, weil ich Ulrich Seidls Mockumentary "Tierische Liebe" gesehen habe. Seidl-typisch absolut verstörend. Es gibt einige Ausschnitte bei Youtube, ist sehr anstrengend - ich verlinke mal nichts - aber wenn ihr mal reinseht, stellt euch vor, dass ihr unkommentiert zwei Stunden solche Bilder seht, wie Menschen einfach ganz ohne Blick aufs Tier mit ihren Tieren umgehen.

    Das eigentlich verstörende in diesen Mensch-Tier-Beziehungen ist das radikale Ignorieren der Bedürfnisse der Tiers bzw. dessen Entgrenzung. Das passiert ja gar nicht aus böser Absicht, sondern weil das Vermögen nicht da ist, sich - insbesondere in eine fremde Lebensform - einzufühlen. Manche Menschen können das vielleicht besser als andere. Manche Menschen können es nicht besser als andere und kompensieren das intellektuell über die Auseinandersetzung mit der spezifischen Art. Und vermutlich die meisten von uns hier im DF können es zum einen intuitiv ganz gut und nutzen darüber hinaus die Möglichkeiten des Wissenserwerbs. Deshalb wirkt es auf uns verstörend oder abstoßend, wenn wir andere Menschen dabei beobachten, wie sie das Tier (oder häufig auch andere Menschen) zur reinen Projektionsfläche eigener Bedürfnisse machen, so wie wir es zu Kinderzeiten mit unseren Stofftieren gemacht haben. Sie werden in dem Moment entkoppelt von ihrer Eigentümlichkeit und reduziert auf ein "als ob".

    Letztlich findet sich das gleiche Bedürfnis bei Hunde-, Hahnen-, Bärenkämpfen, in denen diese andere Spezies eine Stellvertreterrolle einnimmt und somit letztlich dem Selbstbezug dient.


    Ich weiß nicht, wer von euch John Berger "Warum sehen wir Tiere an?" gelesen hat. Es ist nur ein Kapitel in "das Leben der Bilder" und nett zu lesen. Kurz gesagt geht es darum, dass der Mensch in Zoos viel mehr gesehen werden will, auf Interaktion mit der anderen Spezies hofft, um sich selbst wahrgenommen zu fühlen, als dass er Tiere sehen will. Das hat mich beeindruckt, weil ich mich damit schmerzlich identifizieren konnte.


    Die Frage ist also eigentlich meiner Meinung nach, ob wir Tiere überhaupt auch nicht-vermenschlichen können oder ob unser Bezug zum Leben nicht immer dadurch geprägt ist, dass wir nur aus unserem Selbstempfinden heraus überhaupt Zugang zu anderen Lebewesen konstruieren können.


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