Wann ist Vermenschlichung „ok“ und wann leidet der Hund?

  • Nein, das stimmt einfach nicht! Die Leute werden fallengelassen und man redet es sich schön mit "die wollen es ja so". Keiner "wohnt" freiwillig in Bahnhöfen oder Hauseingängen. Und wer sehr heruntergekommen ist, kann auch gar nicht mehr viel entscheiden, weil er Mühe hat, am Leben zu bleiben. Es wäre sehr einfach, zumindest Containerunterkünfte zur Verfügung zu stellen, wenn der politische Wille da wäre.

  • Obdachlosigkeit ist ein großes und ein komplexes Problem. Ich finde diese Gegenüberstellung hier deplaziert, der Vergleich zwischen Obdachlosen und Straßenhunden ist unpassend.


    Wäre es morgen Pflicht, entweder einen Straßenhund oder einen Obdachlosen aufzunehmen, würde die Mehrheit lieber den Hund nehmen.

    Das ist sehr plakativ und auf den ersten Blick natürlich irgendwie überzeugend. Aber bei kurzem Nachdenken offenbart sich durch die Unzulänglichkeit - Verantwortung für einen Menschen zu übernehmen, ist nun mal etwas komplett anderes, als für einen Hund. Die Bedürfnisse eines Menschen sind andere, als die eines Hundes. Und Menschen kann man nicht gegen ihren Willen "retten", es sei denn, man entmündigt sie - Hunden dagegen spricht man keine Mündigkeit, keine Entscheidungsfähigkeit über ihr eigenes Leben zu (sprich: vermenschlicht sie eben NICHT).


    Diese Analogie hinkt auf ganz vielen Ebenen und ist auf ihre eigene Art herabwürdigend für die Menschen, auch wenn das nicht so gemeint war.

  • Das ist sehr plakativ und auf den ersten Blick natürlich irgendwie überzeugend. Aber bei kurzem Nachdenken offenbart sich durch die Unzulänglichkeit - Verantwortung für einen Menschen zu übernehmen, ist nun mal etwas komplett anderes, als für einen Hund. Die Bedürfnisse eines Menschen sind andere, als die eines Hundes. Und Menschen kann man nicht gegen ihren Willen "retten", es sei denn, man entmündigt sie - Hunden dagegen spricht man keine Mündigkeit, keine Entscheidungsfähigkeit über ihr eigenes Leben zu (sprich: vermenschlicht sie eben NICHT).

    Wenn du einem Obdachlosen einen Platz in deinem Gästezimmer anbietest, übernimmst du weder Verantwortung für ihn noch "rettest" du ihn gegen seinen Willen.


    Ich finde es eigentlich auch nicht gut, da eine "Konkurrenz" zwischen Hund und Mensch aufzumachen. Worauf ich hinaus wollte ist, dass nach meinem Eindruck in dieser Gesellschaft die Liebe zum Mitmenschen und der ach so hohe Stellenwert selten viel mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

  • Denn an und für sich tirfft es der Artikel mMn ganz gut mit der Vermenschlichung - (vor allem auf Seite 2)


    "Vermenschlichung, wissenschaftlich Anthropomorphismus genannt, bedeutet, nicht-menschlichen Lebewesen (aber auch Gegenständen, Naturgewalten etc.) menschliche Eigenschaften, sowohl im Verhalten, aber auch in der äußerlichen Erscheinung zuzusprechen." Quelle: https://yourdogmagazin.at/verm…ng-wo-liegen-die-grenzen/

    Das klingt viel schöner als die andere Definition, aber ich sehe es nicht unkritisch. Was genau ist eine "menschliche Eigenschaft"? Und ist die vermeintlich menschliche Eigenschaft wirklich ausschließlich dem Menschen vorbehalten?


    Es ist inzwischen bei relativ vielen Eigenschaften, die noch vor wenigen Jahrzehnten ausschließlich Menschen zuerkannt wurden, bekannt, dass Hunde und andere Tiere sie auch haben. Wie entscheiden wir also, welche "menschlichen" Eigenschaften das Tier auch hat und welche wir ihm zuschreiben? Sicher, es gibt eindeutige Dinge: wenn ich den Blick meines Hundes in menschliche Sprache "übersetze", dann ist das Vermenschlichung. Aber das ist keine Eigenschaft. Wenn ich andererseits behaupte, mein Hund habe sowas wie ein Gerechtigkeitsempfinden, dann ist das in dem Moment vermutlich auch Vermenschlichung, weil ich es idR in Situationen sage, in den mein Hund nur egoistisch ist (noch eine Vermenschlichung?). Aber es gibt Hinweise, dass Hunde sowas wie ein Gerechtigkeitsempfinden haben, das ist also vermutlich gar keine exklusiv menschliche Eigenschaft.


    Wenn man also davon ausgeht, dass das Wissen über rein menschliche Eigenschaften unvollständig ist, dann sagt Vermenschlichung mindestens genauso viel darüber aus, wie wir uns als Menschen sehen (wollen), wie darüber, wie wir die Hunde sehen (wollen). Jemand, der den Abstand zwischen Menschen und anderen Tieren möglichst groß machen will, wird vermutlich viel häufiger Vermenschlichung feststellen als jemand, der den Menschen als ein biologisches Säugetier unter vielen anderen Säugetieren wahrnimmt.

  • Bei dem Thema scheiden sich echt die Geister, und ich glaube, dass viele Halter großer, robuster Hunde manches nicht verstehen können.

    Z.B. fragte eine Freundin mal ganz entsetzt, warum wir ins Restaurant eine Decke mitnehmen.

    Mein Vater lacht sich kaputt, weil wir unserem Pudelmix bzw. Pudel bei Kälte etwas anziehen MÜSSEN, weil sie sonst vor lauter Zittern aufgrund der fehlenden Unterwolle einfach keinen Schritt gehen können. Macht uns auch keinen Spaß, den Hunden noch weniger - ist aber halt so.

    Dass die Klamotten unserer Hunde halt nett aussehen, ist den Hunden egal, erfreut uns aber hingegen. Insofern win-win.


    Was ich schlimm finde, sind Prozeduren, die nur dem Menschen "was bringen", dem Hund aber unangenehm sind. Z.B. gibt es hier eine Frau, die ihrem Jagdhund braunes Puder aufs Fell um die Nase schmiert, weil er da schon grau ist und ihr das nicht gefällt.


    Oder halt dieses ständige Hocheben, Rumtragen, in Taschen packen, auf den Schoß setzen, wenn es gar nicht notwendig ist.


    Dass man manchmal Verhalten aus menschlicher Sicht sieht, ist vermutlich einfach Unwissen. Ich dachte auch lange Zeit, Hunde könnten ein schlechtes Gewissen haben... Es wirkt halt einfach so, wenn man sie bei etwas ertappt.

  • Das Problem bei den Obdachlosenunterkünften ist häufig das die Menschen diese nicht in Anspruch nehmen weil sie einmal Angst haben im Schlaf beklaut zu werden und andererseits ihren Hund, der für viele ja auch ein wichtiger Sozialpartner ist, nicht mitbringen dürfen.

    Von daher ist das Thema Unterkünfte wirklich schwierig zumal Obdachlose ja nicht alle gleich sind.

    Als ich noch in Altona wohnte hab ich mich hin und wieder mit unseren Sesshaften Obdachlosen aus unserer Gegend unterhalten.

    Die haben mir dann zum Beispiel erzählt das diesem einen bestimmten weiträumig aus dem Weg gehen weil der in Afganistan war das ganze Psychisch nicht ertragen hat und immer wieder in Zustände kommt wo er die Realität nicht mehr so richtig war nimmt und gewalttätig wird. Dieser Mensch hat höchstwahrscheinlich eine PTBS und wahrscheinlich noch mehr, möchte aber nicht stationär behandelt werden und ist dann auf der Straße gelandet. Ich kann verstehen das Leute nicht in einer Unterkunft mit anderen Leuten , wie zum Beispiel dem , wohnen wollen vor denen sie Evtl Angst haben. Auch wenn das was er erlebt hat schlimm und nicht seine Schuld ist.

    Ich denke das Thema Obdachlosigkeit ist wirklich komplex und schwierig.

    Aber hat Do rein garnicht mit Hunden zu tun die im Tierheim versorgt werden.


    Ich finde aber genau so wie man aufpassen muss das man Tiere nicht zu stark vermenschlicht muss man aufpassen das man Obdachlose nicht entmenschlicht.

    Das ist ja keine Homogene Gruppe für die es das patenthilfsrezept gibt das sind viele zum Teil sehr schlimme Einzelschicksale von Menschen.

  • Schade dass du nur die ersten zeilen/die Überschrift gelesen hast.

    Entschuldigung? Ich habe alles gelesen.

    Nur weil ich ich mich entschieden habe die erste „Definition“ von Vermenschlichung zur Diskussion zu stellen, heißt das nicht, dass ich den Rest nicht gelesen habe. Wieso über etwas diskutieren, das völlig richtig ist? Bei dem was du aus dem Artikel über Vermenschlichung zitierst, gibts meiner Meinung nach nichts zu diskutieren und auseinanderzunehmen.

  • Worauf ich hinaus wollte ist, dass nach meinem Eindruck in dieser Gesellschaft die Liebe zum Mitmenschen und der ach so hohe Stellenwert selten viel mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

    Naja, ich liebe meinen Hund natürlich viel viel mehr als ich Menschen liebe, die ich gar nicht kenne.

    Eine große Zahl der Menschen, die ich persönlich kenne, "liebe" ich ganz und gar nicht, sondern sie gehen mit hochgradig auf den Keks und ich ziehe die Gesellschaft meines Hundes vor. Mit dem verbringe ich bis zu 24 Stunden am Tag. Freiwillig.


    Dennoch würde ich - sollte es je zu dieser abstrakten und hypothetischen Entscheidung kommen, ob ich eher ein Hundeleben oder ein Menschenleben opfern würde - nicht den Hund als höherwertig einstufen.


    Dieses subjektive Gefühl der "Liebe" hat mit dem Vergleich, den du da aufmachst, doch gar nichts zu tun.

  • Wenn die Liebe zum Hund so weit geht, dass er den gleichen oder gar einen höheren Stellenwert einnimmt als Mitmenschen, spricht man von einer Vermenschlichung des Tieres.

    Den Satz finde ich, gelinge gesagt, schwachsinnig.

    Ich habe Schuhe, die für mich einen höheren Stellenwert haben als manche Mitmenschen. Vermenschliche ich also meine Schuhe?


    Welchen Stellenwert jemand/etwas in unserem Leben hat und welchen nicht, hängt von vielen Faktoren ab und wenn Hund zB einen höheren Stellenwert hat, als Mensch X muss es nicht zwingend bedeutend, dass der Hund überhöht wird.

    Ich finde die Diskussion immer müsig, denn egal wie sehr man sich den Heiligenschein aufsetzen will, mir kann niemand erzählen, dass jeder Mensch auf dieser Welt für sie/ihn gleichbedeutend ist und den selben Stellenwert in ihrem/seinen Leben einnimmt.


    Beim Hund sehe ich das recht pragmatisch. Vermenschlichung ist dann schlecht, wenn sie dem Hund Schaden zufügt, weil seine Bedürfnisse ignoriert und nicht erfüllt werden.

    Geburtstagstorte, jeden Tag passendes Outfit zu Frauchens, täglich frisch zubereitetes Menü... alles ok, so lange es hundekonform ist und eben nicht die Benjamin Blümchen Torte aus der TK Abteilung, etc.

  • Worauf ich hinaus wollte ist, dass nach meinem Eindruck in dieser Gesellschaft die Liebe zum Mitmenschen und der ach so hohe Stellenwert selten viel mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

    Seh ich auch so. Tag für Tag. Menschen als Krone der Schöpfung, immer am wichtigsten, schon allein der Vergleich mit einem Hund ist dem Menschen gegenüber abwertend, wie kann man nur, Menschenleben geht immer vor etc. pp. Und dann schauen wir uns mal im Alltag um, wo die meisten kaltschnäuzig an Obdachlosen vorbeilaufen, ignorieren, dass die Kinder von nebenan auffällig grün und blau rumlaufen, wenn die Eltern am Vorabend laut geworden sind, zig Gaffer um einen Unfall stehen - ohne irgendwas zu unternehmen - man lieber nicht Hilfe! schreit, sondern FEUER! damit jemand kommt... Natürlich jeder sofort ALLES machen würde, um einen Menschen zu retten, aber schon regelmäßig Blut spenden zu viel verlangt ist...


    Jaja, Menschen, diese edlen Wesen. In der Theorie zumindest.


    Sehe ich bei Tieren aber nicht anders. Wie viele machen den wirklich etwas, um zu helfen? Anruf beim Tierheim, Vet-Amt, Ordnungsamt, Polizei - wenn es richtig hochkommt. Aber ansonsten...Wird da ganz genauso vorbeigetrabt. Es sei denn, es nervt. Das ist dann was anderes. Dann kann man sich in Bewegung setzen.


    Ich hab mich hier ja auch schon unbeliebt gemacht, weil meine Tiere für mich über vielen anderen stehen. Da ist mir die Spezies herzlich egal. Weiß ich aus praktischer Erfahrung. Daher weiß ich auch, dass ich in Notsituationen funktioniere, reagiere, aber nicht erst drüber nachdenke, wessen Leben ich denn jetzt für wertvoller erachte. Mein Körper schmeißt sich vor die, für die ich Verantwortung übernommen habe und die ich liebe. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass mir andere komplett am Allerwertesten vorbeigehen, wie es so gerne unterstellt wird, wenn einem die eigene Familie mehr wert ist, als andere.

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