Bedürfnisorientierte Hundeerziehung. Kann das funktionieren?

  • Hihi!

    Genau zum Thema "Fressen von nicht erlaubten Dingen" habe ich am Wochenende eine Erfahrung gemacht, die klar abseits von "Wattebäuschchenwerfen" steht. Ich arbeite ja eigentlich gerne und viel mit positiver Verstärkung und habe da auch in einigen Punkten zum Teil deutliche Fortschritte gemacht, wo ich zuvor mit Verboten auf der Stelle trat. Aber vorgestern war das deutliche Aufzeigen von Grenzen plus negativer Vestärkung die erfolgreichere Methode.


    Mein Rudi liebt es, im Wald Scheiße zu fressen. Während der Pandemie scheinen deutlich mehr Spaziergänger ihre Darmfunktion nicht unter Kontrolle zu haben, denn ständig wird irgendwo hingeschissen. Widerlich. Obendrein hat niemand den Anstand, mal mit dem Fuß etwas Laub und Erde drüberzuscharren.


    Auf jeden Fall war ich mit meinem Kumpel und dessen Hund wieder im Wald unterwegs und um an einer Stelle auf eine kleine Senke mit Bachlauf einen besseren Blick zu haben, sind wir mal vom Weg abgegangen und in das sehr lichte Unterholz getapert. Keine 20m weiter fand mein Hund naaatürlich direkt wieder einen Schiss. Ich lockte ihn weg, was aber nur wenige Sekunde funktionierte. Dann blockte ich durch meinen Körper die Fundstelle ab, bis mein Hund von selber wegging. Das funktionierte schon etwas länger, aber der Geruch war für meinen Hund einfach zu verführerisch. Also er wieder hin, ich wieder hin. Erneut abblocken, deutliches "Nein" sagen. Das wiederholte sich dann aber noch ein drittes Mal. Und jetzt überraschte ich mich selber durch eine spontane Aktion, indem ich meinen Hund in seinen Hinterlauf "biss". Natürlich nicht mit meinen Zähnen, sondern meine Hand ist quasi das Maul und meine Finger die Zähne. Zack!! Einmal gebissen quiekte mein Hund auch laut auf (ich denke, er war mehr überrascht, als dass es ihm weh getan hat), ich zeigte ihm an, wohin er sich zu verziehen habe (Zeigegeste), blockierte natürlich wieder die Fundstelle und wir gingen danach sowieso weiter, entfernten uns also.


    Mein Hund war von meinem "Biss" sehr überrascht, war für die nächsten Sekunden sehr aufgeregt (Rute wedelte extrem, er hopste 2x mal vor mir in die Höhe). Nach ein paar Metern beruhigte sich das Ganze wieder und ich ging dann natürlich auch schon wieder freundlich mit ihm um, als ich ihm auf den Weg zurückgekehrt die weitere Marschrichtung anzeigte.


    Das für mich Bemerkenswerte kommt aber jetzt erst. Wegen eines umgestürzten Baumes mussten wir nach ca. 200m wieder umkehren und kamen somit zurück an diese Stelle. Natürlich rannte mein Hund direkt wieder zu dem Baum. Obwohl ich eigentlich nie mehr durch den Wald schreien wollte, rief ich laut 2x mit tieferer Stimme "Ey". Tatsächlich schaute er, bereits an der Fundstelle angekommen, dann zu mir hoch. Allein das war schon ein Erfolg. Aber es kam noch besser. Es folgte von mir das Abbruchkommando "Lasssss essss" (mit scharf betontem S) und tatsächlich ließ er es. DAS hatte ich bis dahin noch nie geschafft. Aus der Entfernung per Kommando ihm seine heißgeliebte Scheiße verbieten, war bisher völlig undenkbar und unmöglich. Der "Biss" hatte bemerkenswert gewirkt. So deutlich sogar, dass er deutlichst beschwichtigend zu mir zurückkam. Er trödelte, hielt den Kopf tief, schleckte, wand den Blick ab. Natürlich änderte ich sofort mein Verhalten, lockte ihn mit freudiger Stimme zu mir, lobte ihn, was dann auch bei ihm für Entspannung sorgte. Ein Leckerchen gab's obendrein.


    Es tat mir natürlich in der Seele weh, zum einen meinem Hund einen drüber gegeben zu haben, zum anderen ihn so beschwichtigend auf mich zukommen zu sehen, aber Hunde sind auch untereinander mit ihrem Verhalten klarer und deutlicher. Ab und an kommt man dann halt doch nur mit negativer Verstärkung weiter.

  • Wenn Du Deinem Hund einen Abbruch beibringen würdest, bräuchtest Du all da Theater nicht.

  • Wie viele angebliche Signale hast du eigentlich um deinen Hund von was abzulassen?


    "nein" "ey" "lass es"?


    Der Hund ist "unterzogen"/ steht nicht genug im Training um das umzusetzen was du willst. Das ist eure Problem in der Situation.


    Versteh nicht was das mit BO Trainingsansatz zu tun hat.

  • Wenn Du Deinem Hund einen Abbruch beibringen würdest, bräuchtest Du all da Theater nicht.

    Der Hund ist "unterzogen"

    Wohl war. :woozy_face:

    Versteh nicht was das mit BO Trainingsansatz zu tun hat.

    Mit bedürfnisorientiertem Training hat das nix zu tun. Es war nur ein Beispiel für die parallel laufende Diskussion bezüglich BO wäre gleich nur positive Verstärkung.


    Aber nochmal zu flying-paws Bemerkung. Welcher Hund beherrscht den dieses (oder überhaupt auch irgendein) Kommando zu 100%? Wenn dem so wäre, bräuchten wir hier kaum noch Diskussionen. Jeder muss sich mit seinen Defiziten auseinander setzen, die sich automatisch auch in der Hundeerziehung widerspiegeln.


    Ich bin Ersthundebesitzer, jetzt im 6ten Jahr. Die ersten beiden Jahre waren aus heutiger Sicht eine einzige Katastrophe. Ich arbeite an mir und dadurch auch an meinem Hund. Tatsächlich habe ich noch kein einheitliches Signal/Wort als Abbruch etabliert. In vielen Situationen reicht allerdings ein einfaches "ä ä" (wie schreibt man diesen Laut, der ein "Nein nein" bedeutet?) Mein Hund versteht meine Energie dahinter und reagiert adäquat. Allerdings ist bei gefundenem Futter/Scheiße PLUS Freilauf bei meinem Labi (!!) nix zu wollen. An der Leine ist meine Erfolgsquote schon deutlich besser. Aber im Freilauf...?! No chance! Deshalb fand ich das am Samstag auch so bemerkenswert, dass nach einer klaren, körperlichen Ansage (Aufzeigen einer Grenze/Regel/Struktur) auf einmal auch ein verbales Kommando aus der Ferne funktionierte. Mit positiver Verstärkung habe ich hier immer auf der Stelle getrampelt. Bei einigen anderen Dingen hat dagegen die Abwendung von negativer Konsequenz und Hinwendung zu positiver Rückmeldung den Fortschritt gebracht.

    Wie so oft ist der Mittelweg der berühmte goldene Weg. Man braucht, situations- bzw. individuenbedingt, mal mehr das eine, mal mehr das andere. Das Abenteuer dahinter ist herauszufinden, was bei welchem Hund in welcher Situation am besten funktioniert.

  • Tatsächlich habe ich noch kein einheitliches Signal/Wort als Abbruch etabliert.

    Schade, denn das macht das Leben mit dem Hund leichter und ist auch für den Hund angenehmer ... Geht auch bei einem Labbi.


    Aber hat jetzt auch irgendwie so gar nix mehr mit dem Thema hier zu tun.


    Deshalb hier mal ein kleines Video zur Bedürfnisbefriedigung über die Grundpfeiler wie Ernährung, Schlaf, Sicherheit hinaus von meinem Nian ... der dieses Bedürfnis gut zwei Monate nicht befriedigen konnte, weil er eine Verletzung am Knie hat. Das war der Test, ob es besser ist. Der war leider nicht wie erhofft - er lahmte danach wieder leicht, daher ist er jetzt wieder auf dem "Abstellgleis" bezüglich der Schafe. (Der Hund gehorcht perfekt. Aaaaaaaaaaanhalten bedeutet, dass er rausdrehen soll im Bezug auf die Schafe.)


    [Externes Medium: https://youtu.be/kqHgl8u7RFE]
  • eure nuancierte kommunikation miteinander ist spektakulär. im prinzip in fast allen deinen videos in denen deine hunde am schaf arbeiten. insbesondere wenn du einzelne deiner hunde losschickst und die anderen währenddessen warten.

    am beeindruckendsten war jedoch das video von cooma auf einer meisterschaft, weil ich einfach ihr alter nicht fassen konnte!


    im prinzip kann ich die leidenschaft anderer an BCs erst verstehen seit ich deine videos kenne.


    du lässt deinen hunden ihre zeit "junghund" zu sein und fängst mit der arbeit relativ spät an, wenn ich das richtig in erinnerung habe, oder?

  • eure nuancierte kommunikation miteinander ist spektakulär. im prinzip in fast allen deinen videos in denen deine hunde am schaf arbeiten. insbesondere wenn du einzelne deiner hunde losschickst und die anderen währenddessen warten.

    am beeindruckendsten war jedoch das video von cooma auf einer meisterschaft, weil ich einfach ihr alter nicht fassen konnte!

    Oh, danke schön. Nach einem katastrophalen Einstieg in die Hütewelt damals war ich stets bemüht es zu verbessern. Es freut mich, dass man das sehen kann.

    du lässt deinen hunden ihre zeit "junghund" zu sein und fängst mit der arbeit relativ spät an, wenn ich das richtig in erinnerung habe, oder?

    Mit dem Training am Vieh fange ich in der Tat recht spät an. Meist erst, wenn sie über ein Jahr alt sind. Dafür nutze ich die Zeit vorher mir Basis für den Alltag und auch neben den Schafen zu erarbeiten.

  • Wie viele angebliche Signale hast du eigentlich um deinen Hund von was abzulassen?


    "nein" "ey" "lass es"?


    Also ich bin mir sicher, dass es zu 90% auf die Betonung und nur zu 10% auf die "Buchstaben" bzw. das Wort ankommt.


    Ich habe schon öfter mal aus Spaß einfach verschiedene sinnfreie Wörter verwendet und entsprechend betont. Unsere Hunde verstehen das trotzdem. Und ich will weiß Gott nicht sagen, dass unsere Hunde schlau sind.

    Klar, beim Kommando "sitz" ist vermutlich das Wort schon wichtig, aber bei Abbruch, Lob und "komm" kann ich eigentlich ein Wort nach Wahl nehmen und betone es einfach entsprechend.

    Außerdem ist das Kontext wichtig. Wenn unser Senior z.B. wenn wir essen durchs Wohnzimmer schleicht und ich mich laut räuspere, trollt er sich auf die Decke, weil er das einfach in dieser Situation tun soll. Da braucht man das Wort "Decke" nicht.

    Und unser Kleiner weiß, dass wir es nicht sonderlich schätzen, wenn er draußen Kippen frisst, auch da reicht ein beliebiger Ton, um ihn daran zu erinnern.


    Das ist ja meines Wissens in der Sprache Mandarin auch klassisch, dass ein und dasselbe Wort - unterschiedlich betont - etwas ganz Anderes bedeutet.


    In dem Zusammenhang finde ich es auch immer irritierend, wenn es heißt, man dürfe den Namen des Hundes niemals in einem negativen Kontext verwenden.

    Ich bin mir zu 100% sicher, dass und tief ausgesprochenes "HASSSO!" für den Hund etwas ganz Anderes bedeutet als ein säuselndes "Hassöleinchen!"

  • Es kommt wahrscheinlich auch darauf an, was man erwartet. Als Otto Normalhundehalter brauchst du keinen Hund, der auf perfekt auftrainierte Kommandos 10 Meter mehr links oder rechts läuft sondern der im Alltag funktioniert. Da sollen die Grundkommandos stimmen und der Rückruf, für alles andere gibt es eine Leine. Das meiste lesen Hunde sowieso eher aus unserer Körpersprache heraus.


    Ich glaube aber auch, dass es eine enorme Leistung unserer Hunde ist, aus dem Kauderwelsch, das wir tagtäglich von uns geben an Worten und Gestik, herauszuhören, was wir wirklich von ihnen wollen und wie sehr wir es wollen.

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