Bedürfnisorientierte Hundeerziehung. Kann das funktionieren?
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Ich finde, in der Diskussion werden allgemein zu viele Dinge vermischt bzw. nicht genau definiert. Für mich bedeutet bedürfnisorientierte Beziehungsführung (bzw. bedürfnisorientierte Erziehung / BO), dass eben Situationen ganzheitlich zum größtmöglichen Wohle aller Beteiligten gelöst werden. Das geht mit Kindern, Lebenspartnern, Hunden, Arbeitgebern, Pferden usw.
Anders gesagt: oft wird kritisiert, dass es bei BO Erziehung darum ginge, dass jedes irgendwie aufkommende Bedürfnis des Hundes bzw. Kindes durch die HH bzw. Eltern "erfüllt" werden soll und dabei nur "schöne Gefühle erlaubt" sind. Diese Annahme entspricht mMn nicht dem eigentlichen Sinn von BO, und ich versuche es mal an einem Beispiel zu verdeutlichen:
Situation: Hund will Reh jagen. Es geht dabei dann eben nicht drum, zu schauen, wie kommt der Hund zu seiner Jagdsequenz, ohne sich irgendwie negativ zu fühlen. Es geht um die Bedürfnisse (Plural!)
- des Rehs (nicht gejagt zu werden)
- des HH (nicht stundenlang den Hund im Wald suchen)
- der Autofahrer auf der Straße nebenan (kein Wildschaden/Unfall wegen ausweichen/ Hund überfahren)
- des Försters/ Jägers (Reh selbst erlegen
)
- ...
- und des Hundes (Jagdsequenz-Hormoncocktail? Unterforderung? Überforderung? Hormonchaos? ...).
Zur Lösung dieser Bedürfnisse kann man dann schauen, macht der HH nix und lässt den Hund jagen (löst im Worst Case nichtmal eins der fünf der aufgezählten Bedürfnisse), nimmt der HH den Hund an die Schleppleine (löst immerhin 4/5), lässt der HH ihn als neues Hobby auf der Rennbahn hetzen (löst eventuell das Hundebedürfnis, widerspricht aber evtl. dem HH Bedürfnis nach einem freien Samstag ;)) usw.
Oder der HH nutzt sein großes, erwachsenes Menschengehirn und setzt an dem Hundebedürfnis an sich an. Dafür muss man sowohl Ahnung von seinem eigenen Hund haben (WAS ist da eigentlich das Bedürfnis?) als auch von verschiedenen Lösungsmethoden und deren Konsequenzen und erst jetzt kommt dann die Frage "wie trainiere ich" ins Spiel. Dabei sind dann "positives Training", Wasserspritzpistole, Teletakt, Klickern... einige der unendlichen Möglichkeiten, die zu einer individuellen Lösung, für die individuellen Bedürfnisse in dieser Situation passen (oder nicht passen) können. Wenn ich einen gelangweilten Hund habe, der nicht mehr total jung und jagdlich spezialisiert oder sonst wie triebig ist, dann ihm reicht es vielleicht schon, mal auf einen Baumstamm zu klettern und dafür n Leckerli zu bekommen, um das "Jagdbedürfnis" nicht aufkommen zu lassen. Hat man einen Spezi wie Jin von l'eau geschildert, muss man das "Problem" eben entsprechend anders angehen - die Abbrüche um das Bedürfnis "Entspannter Spaziergang" zu erreichen würde ich z.B. eindeutig als BO-Erziehung deklarieren
Im besten Falle nervig und nicht zum Ziel führend und im Worst Case gefährlich wird es, wenn die Situation falsch eingeschätzt wird oder die Lösung nicht zum Problem passt. Ein Beispiel kam dafür auch von l'eau
Denn das ist das Problem (bei Hunden wie Jin). Würde ich Jin bei Fehlverhalten mit einem positiven Abbruch (wie dem Geschirrgriff) setzen, wäre das für Jin nur ein Signal, das Fehlverhalten noch öfters zu zeigen - es lohnt sich ja schließlich, weil sie dafür Lob, Kekse, Spielzeug etc. bekommt.
Genau diesen Fehler hab ich nämlich bei der jugendlichen Jin einmal gemacht. 2x Geschirrgriff beim Mobben von Puck und ich habe Jahre (!) gebraucht, um ihr dieses Mobben wieder abzugewöhnen - ganz in den Griff hab ich das schließlich mit einer sehr massiven Strafe bekommen (hätte ich die früher gesetzt, hätten wir daran nicht Jahre rumgedoktert - aber so heftig zu reagieren, noch dazu gegenüber einem Lebewesen, das ich gern habe, ist mir nicht leicht gefallen). Nur nötig, weil ich damals so naiv war, der Wattebausch-Trainerin zu glauben, dass der Geschirrgriff das Allheilmittel für alle Art von unerwünschten Verhaltensweisen ist.
--> in dem Falle war das "positiv arbeiten" mMn nicht BO - es hat ja das Bedürfnis nach einem friedvollen Miteinander nicht gelöst...
Der hat mich nicht anzuknurren. Der soll kommen weil ich ihn rufe, nicht weil es dafür einen Keks gibt. Ich laufe jetzt da lang, weil ich das will und wenn der Hund pöbelt bekommt er einen über den Latz - mir doch egal das der Hund schon X Meter vorher angezeigt hat, dass er gerne weichen möchte.
So erlebe ich es leider selbst auch, auch analog in den Eltern-Kind-Beziehungen. Meist endet das dann damit, das beide Seiten miteinander unglücklich sind.
Sorry für den langen Text, ist aber finde ich ein wahnsinnig spannendes Thema!
Edit: Ninma hat es perfekt zusammengefasst, finde ich
Zitat von NinmaBedürfnissorientiert bedeutet für mich das ich mich auf den Hund einlassen kann, erkenne was möglich ist, was er braucht, aber auch was ich brauche, wie wir zusammen harmonieren. Ich finde das hat wenig mit Erziehung zu tun, sondern ist eher eine Einstellung.
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Hi
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die Abbrüche um das Bedürfnis "Entspannter Spaziergang" zu erreichen würde ich z.B. eindeutig als BO-Erziehung deklarieren
so seh ich das eben auch. Es ist normaler Bestandteil sozialer Kommunikation, dass es auch mal ein "böses" Nein gibt. Es ist das Bedürfnis aller Lebewesen zu wissen, in welchem Rahmen sie sich "bewegen" dürfen - und diesen Rahmen kann man eben nicht "erklickern" oder nur sehr langwierig, so dass der Hund relativ lang im Unklaren ist, was genau erwartet wird. Aus eigener beruflicher Erfahrung kann ich sagen, dass das keine schöne Situation ist. Lieber einmal klar sagen, was Sache ist, als ewig lang den Punkt suchen zu müssen.
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Danke für die Erstellung des Threads!
Aber die breite Masse der HH erlebe ich tatsächlich wenig Bedürfnisorintiert. Da wird eher das Bedürfnis des Menschen zwanghaft versucht über den Hund zu stülpen, was dann oft auch in die Hose geht:
Ja, das erlebe ich ganz genauso und das war auch das, worum es mir im Hauptkern ging.
Als Beispiel auch noch zwei Trainingsansätze von Trainerinnen, die ich als eher nicht bedürfnisorientiert wahrgenommen habe:
Luna hat ein Problem mit Besuch, das nach Einschätzung einer der o.g. Trainerin und einer weiteren (positiv arbeitenden) Trainerin eher auf Unsicherheit als auf Territorialverhalten beruht.
Ansatz der aller ersten Trainerin war Leine an den Hund, Hund neben sich holen, Fuß auf die Leine und der Hund muss aushalten. Irgendwann wird er sich beruhigen. Hab ich 2x ausprobiert, Luna hat sich nicht beruhigt und auch mein Bauchgefühl hat sich dabei nicht gut angefühlt (Rückblickende Einschätzung nach meinem Wissensstand jetzt: Diese Methode kann dazu führen, dass der Hund sich beruhigt und die Situation irgendwie erträgt. Aber eher aus dem Grund, dass der Hund in dem Moment keine andere Wahl hat und nicht weg kann und das natürlich auch irgendwann realisiert. Der Hund ist äußerlich also ruhig, innerlich wird sich die Emotion in Bezug auf die Situation aber sehr wahrscheinlich nicht verändert haben. Eher im Gegenteil: Wenn Luna Besuch blöd findet, weil der ihr zu Nahe kommt und ich sage "sie muss da jetzt halt durch" führt das mEn dazu, dass Luna Besuch am Ende noch blöder findet, nur keinen Sinn mehr sieht das auch zu kommunizieren. Deshalb nehme ich das Bedürfnis, dass sie Abstand braucht und ihr das gerade alles zu viel ist - was sie mir über bellen und/oder knurren mitteilt - wahr und ernst und lasse sie nicht in der Situation, sondern zeige ihr ein Alternativverhalten, indem ich sie aus der Situation rausführe und ihr beibringe, dass die Decke ein sicherer Ort ist, an dem sie niemand anfasst o.Ä.)
Die zweite Trainerin, die sich selbst als bedürfnisorientiert beschrieben hat (es aber mMn nicht war), hatte den Ansatz Luna einfach körpersprachlich zu blocken. Also konkret: Luna frei (ggf. mit Maulkorb) laufen lassen, wenn Besuch da ist und jedes mal, wenn sie nach vorne gehen will, in den Hund reindrehen und blocken, um ihr somit "Grenzen aufzuzeigen". Darüber hinaus sollte ich auch "einfach weil ich es kann" mal im Alltag für ein paar Minuten die Küche o.Ä. zu blockieren, um Luna zu zeigen, dass ich den Raum verwalte und nicht sie. Tja, jetzt habe ich hier aber eine sehr sensible Hündin sitzen, die auf das Blocken direkt mit Beschwichtigungssignalen und Meideverhalten reagiert hat (ich habe sie nicht lange geblockt, war ruhig und souverän dabei, wie Trainerin es gezeigt hatte und habe den Druck immer sehr schnell wieder rausgenommen. War trotzdem zu viel für Luna). Auch das hat sich für mich nicht richtig angefühlt, weil ich nicht gegen meinen Hund arbeiten möchte, sondern mit ihm zusammen. Bei dieser Methode, hat sich das "Training" mMn viel zu sehr auf das "Fehlverhalten" von Luna fokussiert und nicht auf das, was sie gut macht. Auch diese Methode finde ich nicht bedürfnisorientiert, weil Luna ja gerade aus Unsicherheit agiert und ich sie nach diesem Ansatz ja mehr oder weniger ins kalte Wasser werfe, nach dem Motto "mach du mal, was du denkst und wenn ich das nicht gut finde, bestrafe ich dich durch Blocken."
Auch hier wird ihr eigentliches Bedürfnis nach Abstand zu fremden Menschen nicht wirklich berücksichtigt und anstatt dass ich ihr eine Anleitung gebe, was sie machen soll, wenn Besuch kommt (z.b: positiv aufgebautes Decken und Bleib Kommando + Futterbeschäftigung zur Beruhigung), überlasse ich sie mehr oder weniger sich selbst. Und das ist dann meiner Meinung nach auch das Gegenteil von "Grenzen aufzeigen", weil Luna nach der Methode ja selber ausprobieren muss wo die meine Grenzen sind und dadurch werde ich sie für sie weniger berechenbar. Mit positiv aufgebautem Deckenkommando hingegen, sage ich ihr genau was ich von ihr möchte und erwarte und sie weiß, woran sie ist.
Und ansonsten bedeutet bedürfnisorientiert für mich auch, immer im Hinterkopf zu haben, dass Luna ein Hund ist und dementsprechend Bedürfnisse vorhanden sind. Ich erwarte nicht, dass sie bei Spaziergängen bei Fuß läuft, sondern sie darf schnüffeln und ich warte so lange auf sie, weil Hunde die Welt nunmal hauptsächlich mit der Nase wahrnehmen. Wenn sie das nicht darf, wozu gehe ich dann sonst mit ihr spazieren? Ich gebe ihr Möglichkeiten, sich auch mal dreckig zu machen, buddeln zu können, flitzen zu können etc. Und ich gebe ihr Entscheidungsfreiheiten, damit sie Selbstwirksamkeit erleben kann.
Mein Hauptgedanken dahinter ist, dass Luna sich dieses Leben nicht ausgesucht hat und sehr abhängig von mir und meinen Entscheidungen ist. Dabei sehe ich es als meine Aufgabe, ihre Hobbys und Bedürfnisse weitestgehend zu erfüllen, sodass es ihr im Umkehrschluss leichter fällt, sich an das menschliche Zusammenleben anzupassen. Vieles davon ist für einige DF-User*innen selbstverständlich, aber im Umkreis erlebe ich das leider häufig nicht.
Auch Medical Training inklusive Kooperationssignalen gehören für mich zum bedürfnisorientierten Training dazu. Mein Hund darf über seinen Körper (außer in medizinischen Notfällen) selber entscheiden. Für mich gibt es kein "der muss da jetzt halt einfach durch", weil ich finde dabei macht es sich der Mensch ziemlich einfach. Klar, kann ich meinen kleinen Hund einfach auf den Arm nehmen, in die Dusche setzen, Tür zu machen und abduschen, obwohl ich weiß, er fühlt sich damit absolut unwohl, mache ich aber nicht, weil ich das nicht fair finde. Der Hund ist mir zu 100% ausgeliefert und gerade deshalb stehe ich in der Verantwortung fair mit diesem Lebewesen umzugehen.
Klar ist es utopisch, dass ein Training ausschließlich über positive Verstärkung läuft, allein weil man ja keinen Einfluss auf die Umwelt und andere Menschen hat, aber mein Anspruch ist es möglichst positiv zu arbeiten und dabei fair zu bleiben und Luna's Bedürfnisse zu berücksichtigen. Die Trainerinnen, die ich mir zum Vorbild nehme, sehen das auch ähnlich differenziert.
Was mich persönlich immer etwas aufregt sind so abwertende Kommentare nach dem Motto "mit Klickern und Keks kommt man nicht weit", weil das viel zu oberflächlich ist. Natürlich ist positiv verstärktes Training nicht einfach nur mit Keksen um sich zu werfen. Das wäre ja auch viel zu einfach. Ebenso gibt es auch im positiven Hundetraining Grenzen, die werden nur nicht aversiv aufgebaut.
Wie ist die 'Grundlage' die Bedürfnisorientierte Erziehung bei Kindern im Vergleich zu Hunden anwendbar?
Meiner Meinung nach in dem Sinne, dass man sich Hinsetzt, sich Zeit nimmt und Kindern Dinge erklärt. Was bei mir als Kind/ Teenager immer direkt eine bockige Reaktion hervorgerufen hat, waren Aussagen meiner Eltern wie "Das ist jetzt so, weil wir das sagen.", "Du machst das jetzt, weil wir das wollen.", "Das kannst du noch nicht verstehen, glaub und einfach."
Solche Aussagen waren nie zielführend. Hingegen war ich (und so erlebe ich die meisten Kinder) recht einsichtsfähig, wenn man sich hingesetzt hat um Dinge zu erklären und Fragen seitens der Kinder beantwortet wurden.
Das kann man, finde ich, gleichsetzen mit "dem Hund eine Anleitung geben" - Beispiel Straße überqueren:
Meinem Kind erkläre ich, warum das gefährlich ist und dass man erst gucken muss und den schnellsten Weg über die Straße nimmt und was sonst passieren kann. Meinem Hund bringe ich ein zuverlässiges "Warte" Kommando bei.
Beide haben dann im Prinzip eine Anleitung bekommen und wissen, was sie tun sollen.
Was ich im besten Fall am Ende habe sind ein Kind / ein Hund, das / der sich traut mit seinen "Problemen" zu mir zu kommen und mit mir zu kommunizieren, weil beide wissen, dass sie gehört und ernst genommen werden und ich eine "Anleitung" haben, was in Situation XY getan werden soll.
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Ich finde den Begriff schwierig. Erst schon einmal, weil i. d. R. nicht beide Bedürfnisse betrachtet werden, wenn der Begriff in den Raum geworfen wird - die des Hunds und die des Halters. Es gehören aber beide zum Team und wenn ein Team gut funktionieren soll, muss den Bedürfnissen aller Beteiligten Rechnung getragen werden.
Dann wird bei Grabenkämpfen, die ich zu dem Thema lese, sehr gerne ganz viel menschliches Denken in Hundebedürfnisse hineinprojiziert, ohne dass genau geguckt wird, was denn situativ das Bedürfnis des Hunds ist. Jetzt mal egal aus welcher Richtung. Das ist die große Gefahr, wenn man etwas als Konzept bzw. Ideal aufzieht. Der Begriff wird zum Selbstwert, das System wird starr und kann auf den konkreten Fall wegen seiner a prioris nicht mehr flexibel reagieren. Da hat man ganz schnell eine Ideologie, die man um ihrer selbst Willen verteidigt und nicht wegen des Lebewesens, mit dem man interagiert (was die in dem Ausgangsthread aufgeworfene Frage beantworten könnte, warum Menschen, die Wertschätzung propagieren, teils so wenig wertschätzend mit andersdenkenden Mitmenschen umgehen).
Ich lebe sehr, sehr gerne bedürfnisorientiert mit meinen Hunden, den Begriff mal völlig von irgendeiner Trainingsrichtung losgelegt. In der Hinsicht, dass ich mit Ihnen und dem auch noch hier lebenden Mann ein möglichst glückliches und stressfreies Zusammenleben für alle Beteiligten haben möchten. Und da gehören Grenzen und mal Mecker genauso dazu wie Leckereien, Lob, Zuwendung (soweit meine nicht sehr streichelbedürftigen Hunde das zulassen), Sicherheit, Kuschelkissen und nette Ausflüge.
Wichtig finde ich dabei, möglichst gut zu wissen, was Hundebedürfnisse sind und wo man drauf achten muss, dass die menschliche Brille dem im Weg steht. Hunde haben mWn keine Ideologien
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Ich finde den Begriff schwierig. Erst schon einmal, weil i. d. R. nicht beide Bedürfnisse betrachtet werden, wenn der Begriff in den Raum geworfen wird - die des Hunds und die des Halters. Es gehören aber beide zum Team und wenn ein Team gut funktionieren soll, muss den Bedürfnissen aller Beteiligten Rechnung getragen werden.
Da bin ich definitiv bei dir! Es ist immer schwierig, über ein Thema zu diskutieren, wenn ein bestimmter Begriff nicht eindeutig definiert ist. Für mich bedeutet bedürfnisorientiert nicht, dass alle Bedürfnisse meines Hundes immer und zu jeder Zeit erfüllt werden - was ja auch mehr oder weniger unmöglich wäre. Aber dass ich die Bedürfnisse zumindest immer im Hinterkopf habe. Kommt mein Hund mal zB ein paar Tage zu kurz, weil bei mir viel ansteht, dann kann mein Hund sich durchaus auch mal zurücknehmen, aber im Gegenzug sehe ich dann drüber weg, wenn in der Zeit bspw. mehr an der Leine gezogen wird, weil der Hund etwas unausgeglichener ist als sonst.
Es ist echt nicht einfach das kurz und prägnant zu definieren.
Dann wird bei Grabenkämpfen, die ich zu dem Thema lese, sehr gerne ganz viel menschliches Denken in Hundebedürfnisse hineinprojiziert, ohne dass genau geguckt wird, was denn situativ das Bedürfnis des Hunds ist. Jetzt mal egal aus welcher Richtung. Das ist die große Gefahr, wenn man etwas als Konzept bzw. Ideal aufzieht. Der Begriff wird zum Selbstwert, das System wird starr und kann auf den konkreten Fall wegen seiner a prioris nicht mehr flexibel reagieren. Da hat man ganz schnell eine Ideologie, die man um ihrer selbst Willen verteidigt und nicht wegen des Lebewesens, mit dem man interagiert (was die in dem Ausgangsthread aufgeworfene Frage beantworten könnte, warum Menschen, die Wertschätzung propagieren, teils so wenig wertschätzend mit andersdenkenden Mitmenschen umgehen).
Findest du? Ich habe das tatsächlich eher andersrum erlebt.
Als relativ klassisches Beispiel: Hund hat Trennungsangst und zerstört deshalb ein Kissen in der Abwesenheit der Menschen. Menschen kommen nach Hause, verkennen die Trennungsangst des Hundes, gehen böse auf diesen zu, Hund zeigt deshalb Walaugen und Mensch sagt böse "Du weißt genau, dass du das nicht machen sollst, das sieht man schon an deinem schuldbewussten Blick!"
Hier wird zum einen menschliches Denken in den Hund projiziert, weil Hunde kein richtig und falsch kennen und auch kein schlechtes Gewissen haben, es wird übersehen, dass der Hund Trennungsangst hat (Bedürfnis nicht wahrgenommen) und der Hund wird bestraft, obwohl er das gar nicht mehr in Zusammenhang bringen kann.
Das ist für mich so ein klassisches Beispiel, das sich aber auch auf viele andere Bereiche übertragen lässt. Also vor allem dieses "Der weiß das" und "Der hat ein schlechtes Gewissen".
Und gerade das Bedürfnisorientierte Training/Zusammenleben ist für mich das Gegenteil davon. Nämlich dass hündische Kommunikation wahrgenommen wird und man sich auch ein bisschen darüber informiert, wie Hunde so "ticken" (also eben keine Gewissen im menschlichen Sinne haben, das Konzept "richtig" und "falsch" nicht kennen etc.).
Es ist auch was anderes, ob einem (einfach weil es menschlich ist) mal ein lautes/scharfes "Nein" rausrutscht / man mal wütend wird oder ob man sich bewusst dafür entscheidet, seinen Hund primär über Wasserflasche & aversives Halsband o.Ä. "trainiert".
Mir persönlich ist Fairness einfach super wichtig (auch gegenüber anderen Menschen) und dass man als Mensch seine "überlegene" Position reflektiert und nicht missbraucht und gewaltfrei bleibt.
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Ich mag den Begriff in der Kindererziehung schon immer nicht, weil er entweder dazu dient, andere Erziehungsmethoden schlecht zu machen oder dafür steht, das Kind über alles zu stellen.
Ich erziehe weder meine Kinder, noch die Hunde bedürfnisorientiert, behaupte ich... nicht wenn man darunter versteht, jedes Bedürfnis jetzt und sofort zu befriedigen. Und nu gehe ich mal den Thread lesen, das habe ich nämlich noch nicht getan. Allein schon die Überschrift ist ein rotes Tuch für mich.
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Es ist auch was anderes, ob einem (einfach weil es menschlich ist) mal ein lautes/scharfes "Nein" rausrutscht / man mal wütend wird oder ob man sich bewusst dafür entscheidet, seinen Hund primär über Wasserflasche & aversives Halsband o.Ä. "trainiert".
Mir persönlich ist Fairness einfach super wichtig (auch gegenüber anderen Menschen) und dass man als Mensch seine "überlegene" Position reflektiert und nicht missbraucht und gewaltfrei bleibt.Warum ist ein lautes/scharfes Nein unfair? warum darf das nur "rausrutschen"? Manchmal ist das eben angebracht. Natürlich nicht unbedingt bei so einem sensiblen Hund, wie du deine Hündin beschreibst. Aber bei "härteren" Hunden macht man damit nix kaputt. Im Gegenteil.
Beispiel:
Vor einiger Zeit sollte es ein Gruppenbild u.a. mit dem Border unserer Agi-Trainerin geben. Jin fand das ziemlich öde und ist aufgestanden. Ich sagte: "Sitz!" (minimale Strenge in der Stimme). Der Border der Trainerin guckte direkt ganz "schuldbewusst", ihm war das also schon deutlich unangenehm. Derweil Jin sich mit einem "Wenn du unbedingt drauf bestehst"-Blick wieder setzte.Es ist nicht das Bedürfnis eines jeden Hundes in einer (überspitzt gesagt) rosa-roten Wattebauschwelt zu leben. Und es gibt nicht nur schwarz oder weiß. Man kann auch einen liebevollen Umgang mit dem Hund haben, viel positiv trainieren und trotzdem dort wo es angebracht ist Strafen anwenden.
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Mein Bedürfnisse nicht gebissen zu werden, auch nicht im Spiel, kollidiert direkt mit dem Bedürfniss meines Hundes, es doch zu tun.
Und nu? Mich ankauen lassen und Leckerchen werfen, wenn er kurz aufhört? Dann lernt er nur, wenn ich beisse und dann Pause mache, bekomme ich was. Das, was wirklich geholfen hat war ein ganz deutliches "Grenzen setzen "meinerseits und zwar ziemlich unnett. Vielleicht habe ich auch zu wenig Ahnung um zu erkennen, wie man es anders hätte machen können, für uns hat es so aber funktioniert. Und das war ziemlich bedürfnisorientiert, nur halt nicht auf das Bedürfniss des Hundes bezogen, sondern auf meines.
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Vielleicht habe ich auch zu wenig Ahnung um zu erkennen, wie man es anders hätte machen können, für uns hat es so aber funktioniert.
Das ist der Punkt. Nicht jeder Hund ist gleich. Und nicht jeder Mensch ist gleich. Nicht jede Beziehung ist gleich.
Bei dem einen Hund wird man die Beißhemmung ganz "einfach" über Schmerzenslaute in den Griff bekommen, bei einem andren durch anbieten einer Alternative (anstatt Mensch doch bitte Spielzeug ankauen) und bei wieder einem andren braucht's halt auch mal eine deutliche Ansage, damit er Hund versteht, was Mensch meint.
Und all diese Möglichkeiten werden noch durch den Menschen beeinflusst. Derweil der eine die Schmerzenslaute absolut glaubhaft rüberbringt, kann ein andrer das gar nicht (weil es eben in dem Punkt, in dem man schon eingreifen sollte, noch gar nicht weh tut - das evtl. auch durch eine eigene hohe Schmerzgrenze verursacht). Ein andrer bringt wegen so einer (in seinen Augen) Kleinigkeit keinen authentischen Anschiss rüber. usw. usf.
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