Vergesellschaftung in der Mehrhundehaltung - Realität & Vorstellung

  • Ich überleg jetzt schon länger, ob hier was zu schreiben habe. Ich hatte schon 11 Hunde im Lauf der Zeit, seit Jahren 4 gleichzeitig. Ich nehme immer ältere (ab 7 Jahren) Tierschutzhunde, die meisten haben in ihrem Leben noch gar nichts kennen gelernt oder auf der Straße/im Hinterhof gelebt.


    Man könnte also meinen, ich hätte was zu erzählen. Hab ich aber nicht.


    Ich glaube, viel wichtiger als die Art der Zusammenführung ist das, was davor passiert. Die Auswahl. Die eigene innere Einstellung, die eigene Stabilität. Die eigene Beziehung zu den schon vorhandenen Hunden.

  • Zur „verhaltensoriginellen“ erwachsenen Bo, ist der mega nette, liebe, erwachsene Sammy eingezogen. Sammy hat vorher ein paar Monate bei Thorstens Bruder gewohnt, so dass man oft miteinander spazieren gehen konnte, damit Bo Sammy kennenlernt. Bei Bo war das Problem, dass sie recht unverträglich war. Sie konnte wochenlang mit ein und demselben Hund laufen und zocken, und plötzlich hat sie versucht diesen Hund zu töten. Eine Vergesellschaftung war also ein sehr großen Wagnis. Zum Einzugstag wurde dann auch noch Bo‘s Hundetrainerin hinzugerufen. Die Vergesellschaftung hat fast 100% geklappt. Beim Spaziergang ist nie was passiert. Auch gab es keine Futter- oder Beuteaggression. Aber einmal im Jahr, im Frühjahr, vermutlich, wenn sie läufig geworden wäre, hat sie ihn angegriffen. Wir waren glücklicherweise immer zugegen und Sammy ja auch so groß und kräftig, dass er ihr was entgegen zu setzen hatte. Es ging immer recht glimpflich ab, da wir eingreifen konnten.


    Wenn hier nochmal ein zweiter Hund zu Kasper einziehen wird, dann eher ein Welpe und zwar auch ein KHC. Ich denke, das dürfte ohne Probleme klappen.

  • Klar gabs nen Auslöser der mich letztlich bewogen hat den Thread zu eröffnen. Aber eben zum allgemeinen Austausch und nicht um über irgendwen hinter nem 'Vorhang' zu reden.


    Aber ich finds auch heftig, wenn ein Hund so reagiert, dass er medizinisch versorgt werden muss, nur weil ein Welpe anwesend ist.

    Für mich ein absolut notwendiges Tool für die Hundehaltung an sich: sich verwahren lassen. In einer Box, in einem Auslauf, in einem anderen Raum, hinter einem Türgitter.

    Lernen, mit dem was 'auf der anderen Seite' passiert, nix zu tun zu haben, weil es einen nicht interessieren muss.

    Das finde ich bei Besuch der Angst hat, Kindern und eben neuen Hunden/Besuchshunden äußerst hilfreich.


    Wir haben hier alle durchgeschlafen in der ersten Nacht mit Raven. Weil Boxen und alle wussten, der Welpe in der Kiste geht sie nix an. Und in der ersten Nacht waren wir sehr weit davon entfernt, dass das für Ally in Ordnung war, dass Raven nun hier wohnt :pfeif:

    Also zu 'war teuer, wird nicht gehauen usw.' ergänze ich 'und was in einer Kiste im Raum ist betrifft dich nicht'. Das übertragen wir dann auf außerhalb der Kiste.

    Ich weiß, Boxen sind hier im DF echt ungern gesehen, aber als Management für ein paar Tage können sie gold wert sein. Das ist einer der Gründe wieso es hier alle lernen, sich in Boxen unterbringen zu lassen.


    Ich glaube ein großer Teil ist auch wie man selbst drauf ist.

    Weiß man das Zickereien halt dazugehören ist es viel einfacher als für jemand der glaubt alle müssten sich immer permanent liebhaben und 24/7 Harmonie ist das einzig Wahre.

    Aber GENAU das ist für mich der zentrale Grund für den Thread.

    Wer der Meinung ist alle müssen sich 24/7 lieb haben und Harmonie ist das einzig Wahre, der sollte nicht in die Mehrhundehaltung einsteigen. Lebewesen die in Gruppen leben haben Konflikte. Ich wage zu behaupten dass es in ALLEN Hundegruppen Konflikte gibt. Kleine, die nie ausufern sondern die sie selbst untereinander lösen oder deeskalieren. Aber auch offensivere, oder gar schwelende - die erkannt werden müssen. Vor denen kann man die Augen nicht verschließen, weil man nicht möchte, das sie da sind. Das ist einfach naiv :ka:

  • Der Althund/die Althunde sollten Boxen kennen, da stimme ich absolut zu. Was ich auch gemacht habe: die Bracke im Auto schlafen lassen. Hauptsache, man hat irgendeinen Ort in der Hinterhand, wo der Welpe oder neue Hund weder gesehen, noch gehört noch gerochen wird.

    Parallel: Hundeleute in der Hinterhand haben, um einen Hund jeweils mal auslagern zu können um mit dem anderen ein, zwei Tage spezifisch etwas zu machen.

    Und das eigene Mindset. Seitdem es zwei sind gibt es hier zum Teil sehr rigide Strukturen, die ich bei einem niemals etabliert hätte. Die muss man aber auch durchsetzen können.

  • Also zu 'war teuer, wird nicht gehauen usw.' ergänze ich 'und was in einer Kiste im Raum ist betrifft dich nicht'. Das übertragen wir dann auf außerhalb der Kiste.

    Ich weiß, Boxen sind hier im DF echt ungern gesehen, aber als Management für ein paar Tage können sie gold wert sein. Das ist einer der Gründe wieso es hier alle lernen, sich in Boxen unterbringen zu lassen

    Türgitter, Laufstall, Box - gerade für krank/verletzten Hund in der Mehrhundehaltung Gold wert. Das gewöhnt zu sein. Dann ruhig zu bleiben.


    :klugscheisser:

  • Hier kennen es ja beide Hunde von Turnieren neben fremden Hunden in Boxen zu schlafen.. teilweise stehen die Boxen wirklich direkt nebeneinander, also Stoff an Stoff. Oder wie neulich direkt an der Parcousbegrenzung. Wir haben auch schon eine Tour gemacht, da haben wir uns mit jemandem das Hotelzimmer geteilt und Ares hat mit einem ihm recht fremden Hund im Hotelzimmer übernachtet..

    das ging völlig problemlos.. Ares rollt sich in seine Box und pennt :ka:

    Schlicht weil er weiß, das ist sein Rückzugsort, da kann er schlafen. Völlig egal was um ihn rum passiert. Er ist sicher und wird in Ruhe gelassen. Muss sich nicht mit der Welt um ihn rum auseinander setzen.

  • Ah fällt mir grade noch ein… bei der Tour damals sind wir bei jemandem mitgefahren..


    Ares ist in einem fremden Auto in einer fremden Box gefahren und saß neben einem ihm komplett fremden Welpen. Die beiden haben sich durch das Boxengitter zum ersten Mal gesehen.


    Alles völlig problemlos. Ich konnte ihn beobachten, er lag die ganze Fahrt über ganz entspannt in der Box, von Zeit zu Zeit hat er sich mal mit dem Welpen neben ihm durchs Gitter beschnuppert. Aber ganz entspannt.

  • Ja, was Tüdeldü schreibt, finde ich auch sehr wichtig: die eigene innere Stabilität.


    Unsere Madame hat sicher ein halbes Jahr Dauer geknurrt (leider keine Übertreibung), egal, ob Willi nahe oder ferne oder gar nicht da war. Ein leises, knurrendes Rauschen, monatelang.

    Nur draußen war von Tag 1 an alles okay, sobald aber die Haustür nach innen zufiel: grrrrrrrrrrrrrrrrrr ...


    Ohne unser Bauchgefühl "wir machen das Richtige" wären wir wahrscheinlich alle miteinander wahnsinnig geworden.

    Ich habe aber nur gehört:

    Das Knurren wird leiser. (Monat 2)

    Jetzt hat es eine Sekunde aufgehört! (Monat 3)

    Jetzt ne Minute! (Monat 4)

    ... und so haben wir immer gedacht: Wird schon.


    Willi war das Knurren übrigens anscheinend auch vollkommen Wurscht. Der hat sein Ding gemacht und war absolut unbeeindruckt. In seiner anfänglichen Hamstergröße ist der an Juni vorbei marschiert, hat sich in der Nähe zum Schlafen hingelegt, dann ist er wieder woanders hingegangen, völlig seelenruhig. Hat Juni die ersten Wochen / Monate gar nicht groß beachtet. Irgendwie extrem lässig. Wir waren sehr beeindruckt.


    Warum ein zweiter Hund? Wir hatten Lust drauf. Und unser Bauchgefühl hatte gesagt: Juni ist irgendwie einsam nur zwischen uns Menschen, weil sie als Welpe / Junghund die Sprache der Menschen im Tierheim zwischen 700 Hunden wohl kaum gelernt hat. Die checkt irgendwie null, was wir eigentlich von ihr wollen. Ihr tut ein anderer Hund sicher gut. So der Gedanke.


    Unsere Vorüberlegung: ausnahmsweise (!) ein Hund vom (ausgewählten) Züchter, da wir da die Sozialisation des Welpen kennen und wissen, dass der die ersten wichtigen Wochen alles bekommen hat, was er braucht für so ein Hundeleben mit Menschen und (sozial geschädigten) Hund.

    Ein Rüde sollte es außerdem sein, denn mit Rüden kommt Juni eigentlich grundsätzlich klar.

    Das "Seelchen" im Wurf vielleicht auch nicht unbedingt (weise Entscheidung, siehe oben).

    Mehr Vorgaben gab es nicht.


    Heute lieben sich die beiden heiß und innig und Juni ist tatsächlich so viel entspannter, glücklicher und "kommunikativer" mit uns Menschen geworden!

    Willi passt draußen auf Juni auf und zeigt ihr, dass man andere Hunde auch einfach mal ignorieren kann. Er ist mittlerweile der Chef von den beiden mit seinen 3,5 kg. Aber Madame kann genauso stur sein bei ihrem Mini-Meister wie mit uns Menschlein. Hihi.

    Das Los teilen wir uns jetzt also mit Willi.

    Juni zeigt Willi, dass man auch mal chillen kann zu Hause. Einfach nur chillen.

    Und leider auch, dass man prima am Zaun bellen kann. :-/

    Aber das bekommen wir schon wieder aus ihm raus.

    Bei Madame wird das in diesem Leben nichts mehr ...


    Nur eitel Sonnenschein ist hier natürlich auch nicht 24/7.

    Und Spinnereien (ums Fressen, ums Streicheln, ums Spielen ...) denken die beiden sich anscheinend auch zu gerne aus. Neurotisch geht zu zweit einfach so viel besser. ;-)

    Aber bisher bleibt es bei unserer stabilen Einstellung zur Mehrhundehaltung.

    Wir sind zufrieden.

  • Kleine, die nie ausufern sondern die sie selbst untereinander lösen oder deeskalieren.

    Was aber für Leute die 100% dieses "Mein Hund regelt garnix, ich regel alles für ihn" eben beim Zweithund um die Ohren fliegt. Selbst wenn man weiß das es Konflikte geben wird.

    Weil man kann garnicht immer alles für 2 Hunde regeln. Die müssen auch selber Dinge regeln dürfen und können. Kleinigkeiten halt.

    Wenn das einem Hund aber von klein auf aberzogen wurde...


    Und dann sitzt da ein fremder Welpe. Hund kennt vielleicht garkeine Welpen, weiß nicht was das ist, kennt zuhause nur Ruhe und auf dem Platz bleiben, sowas wird mit nem Welpen total durcheinander gewirbelt. Frauchen ist auch irgendwie anders, ist aufgeregter. Dann muss dieses Kleinteil auch noch ständig raus, sogar nachts! Alle Routinen sind durchbrochen....

    Manche Hunde können sowas nicht tagelang mitmachen.

    Und ich kenne hier aus dem Gassigebiet tatsächlich einige wo das enorm schiefgehen würde. Die haben gelernt das man ohne Frauchen vielleicht grad noch atmen kann. Alles andere regelt Frauchen. Der eine Hund ist inzwischen soweit das Frauchen ihn mit Worten beruhigen und aufbauen muss wenn der Wind zu stark mit dem Laub raschelt! Weil das geht ja so nicht, das Laub einfach so raschelt! Und erkunden darf er nicht, kann er vermutlich nicht mal mehr. Also stresst er sich bei allem wo andere Hunde mit den Schultern zucken, was alles wirklich nur anerzogen ist.

    Ich persönlich finde das hochgradig gruselig.

  • Dann Berichte ich auch mal.

    Ich habe ja schon mal einen Welpen zurück gebracht.

    Vor fast fünf Jahren habe ich einen Großspitz Welpen zu Balou dazu gepackt. Der war da fast 3.

    Die haben sich im Auto durchs Gitter kennengelernt und waren von Anfang an fein miteinander. Zwischendurch mal gab's so Blitzableitersachen usw, da musste ich mich erst mal zurecht finden.

    Balou war leider sehr gestresst. Fand ich nicht so schlimm, damit hatte ich gerechnet.

    Allerdings hatte er dann erst eine Ohrenentzündung und dann einen IBD Schub, sodass wir den Welpen nach 2,5 Wochen zur Züchterin zurück gebracht haben. Wir waren mit dem Thema IBD da noch nicht ganz so routiniert wie heute und ich hatte einen Bandscheibenvorfall, der erst nach der Abgabe raus kam.... Meine Schmerzen haben da sehr mit reingespielt in die Entscheidung.

    Heute würde ich wohl anders entscheiden. Da bin ich ehrlich.


    Vor bald 2 Jahren zog dann Nelli hier ein. Eine 7 Monate alte Rückläuferin. Balou und sie lernten sich im Garten der Züchterin kennen und fanden sich retrievermäßig bollerig toll. In meinen Augen etwas zu bollerig, aber kriegt man ja hin.

    Sie mögen sich, leben aber eher nebeneinander her. Paar Mal gab's Kloppe für Nell. Unterwegs komme ich mit beiden super klar. Unsere Probleme sind zuhause und im Garten. Beide ballern als Übersprungshandlung los, ballern sich um, Nelli mobbt Balou usw. Deswegen sind wir im Training, sofern ich mal richtig Zeit finde (Hausrenovierung, kleines Baby usw...). Das finde ich ehrlich gesagt super anstrengend und es nervt. Und ja, das Thema habe ich mir nicht so hartnäckig vorgestellt. Da hatte ich eine andere Vorstellung, als jegliche Interaktion zwischen den beiden unterbinden zu müssen. Balou wehrt sich leider nicht und so spult es sich im gegenseitigen Gefiddel sonst immer weiter hoch. Mäh.


    Da ich gewisse Vorstellungen habe, wie bspw. einfach mit meinem Sohn zukünftig durch die Terrassentür in den Garten zu gehen und die Hund kommen halt einfach mit oder auch nicht, ist das Thema Abgabe für uns nicht gegessen.

    Ich will Nelli nicht abgeben. Deswegen auch das Training. Aber für mich ist es keine Option, die nächsten 7 Jahre immer einen Hund an der Leine herauszuführen, weil die zwei sich sonst schon in der Terassentür wegbomben. Oder da immer schauen und verbieten zu müssen. Das soll in meiner Vorstellung nebenbei laufen. Für uns ist das eine schwierige Kiste. Wir wollen keine Tiere abgeben. Erst recht nicht nach so langer Zeit.

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