Hund und Depressionen - Kann das klappen?

  • Ich habe dieses Forum entdeckt, bin einige Monate hier rumgeschlichen und traue mich nun, ein für mich sehr zentrales Thema zu starten. Ich hoffe auf Austausch, Zuspruch, Ideen, Kritik...oder was auch immer euch dazu einfällt.


    Kurz zu uns: Ich habe eine junge Hündin aus Rumänien, Zena, sie ist inzwischen ca. 1,5 Jahre alt und seit etwas über einem Jahr bei mir. Sie ist mein erster Hund und eigentlich läuft es meistens ziemlich gut zwischen uns und das obwohl ich total blauäugig ans Thema Hundehaltung gegangen bin und mir jetzt sehr bewusst ist, was da alles hätte schiefgehen können. Wir haben natürlich einige Baustellen, wobei ich denke, dass vieles dabei mehr an mir liegt, als an ihr und das lässt mich manchmal schon ziemlich zweifeln, ob es ihr wirklich gut geht bei mir und das zerreißt mich total. Aber von vorne:


    Ich habe seit dem Jugendalter immer wieder schwere depressive Phasen. Durch ein Trauma aus früher Kindheit habe ich noch heute manchmal schlimme Alpträume und schlafwandle. Außerdem habe ich sowas wie Migräne und bin manchmal einfach sehr erschöpft und muss tagsüber schlafen. Die letzte richtig tiefe Depression (Dauer ca. 3 Jahre) ist grade so ein bisschen am abklingen, aber mir geht es noch nicht wieder gut. Das liegt vor Allem daran liegt, dass ich dadurch, dass ich so lange in einem so tiefen Loch war, im Grunde alle meine sozialen Kontakte verloren habe und es schwer ist, wieder auf die Beine zu kommen, so lange ich ganz allein bin. Ich habe zwar ein paar lose Bekanntschaften aber keine richtigen Freunde. Kontakt zur Familie habe ich seit meinem Auszug vor ca. 10 Jahren nicht mehr. In diese Situation kam Zena.


    Ich hoffe, ihr verurteilt mich nicht. Ich weiß, dass ein Hund kein Ersatz für menschliche Kontakte sein kann und darf und ich hatte mich u.a. deshalb auch lange dagegen entschieden, einen Hund bei mir aufzunehmen, obwohl das schon immer mein Traum war. Während Corona ging es mir dann aber anfangs viel besser, logisch, denn plötzlich waren alle Menschen sozial ein Stück weit isoliert und nicht mehr "nur ich", das hat geholfen, dadurch habe ich mich "normaler" gefühlt. Ich habe, wie so viele, angefangen, im Homeoffice zu arbeiten, das mache ich auch erstmal dauerhaft. Während dieser Zeit bin ich dann nochmal so richtig tief in das Thema Hund eingestiegen und habe viel Zeit mit Hunden verbracht. Das hat mir unheimlich Spaß gemacht und dadurch dachte ich dann doch irgendwann, dass ich der Aufgabe, selbst einen Hund zu haben, gewachsen sein würde.


    In Zena habe ich mich, genauso wie mans nicht machen soll, anhand eines Fotos verliebt und sie dann 3 Wochen später von einer Raststätte abgeholt. Anfangs war es super hart und ich stellenweise verzweifelt, weil ich dachte, dass ich das alles nicht schaffen kann mit ihr, aber wir haben uns zusammengerauft und schon viel zusammen bewältigt.


    Aber nun zu meinem Hundeproblem:


    Ich habe Zena gegenüber ein schlechtes Gewissen. Immer. Jeden Tag. Ich habe Angst, dass ich ihr durch meine Erkrankung nicht geben kann, was sie braucht. Das sie hier verkümmert. Das sie selbst depressiv wird, denn sie ist ein sehr sensibler Hund. Das liegt daran, dass ich es leider sehr häufig nicht schaffe, alle ihre Bedürfnisse zu stillen.


    Die Grundversorgung ist selbstverständlich gegeben, wir gehen auch viel raus, aber ich schaffe es leider seit einigen Monaten gar nicht mehr, ihr darüber hinaus etwas zu bieten, obwohl ich weiß, dass sie das braucht. Ich glaube, sie hat totale Langeweile und Spazierengehen reicht ihr nicht. Aber ich schaffe es gerade einfach nicht, mit ihr richtig zu trainieren, ihr was für den Kopf zu bieten, ich habe keine Kraft dafür. Das schlechte Gewissen führt gleichzeitig dazu, dass ich viel sehr traurig bin und das merkt sie natürlich auch und ich habe das Gefühl, sie wird auch immer trauriger.


    Sie ist ein toller Hund und ich will nur das Beste für sie. Vielleicht wäre das Beste ein Zuhause, wo die Menschen ihr geben, was sie braucht und verdient? Gleichzeitig kann ich mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen, ein Stück weit hat sie mich schon "gerettet" und ich fühle mich deshalb sehr egoistisch.


    Ich bin in Therapie und gebe mir alle Mühe, dass ich wieder auf die Beine komme. Eigentlich wäre eine stationäre Therapie auch wirklich gut für mich, aber ich kann mir nicht vorstellen Zena für mehrere Wochen an eine fremde Person zu geben. Deshalb wären ein paar Gedankenanstöße gut, wie ich das mit Zena besser hinbekommen kann, wie ich ihr trotz meiner Probleme ein gutes Leben bieten kann, falls es die gibt. Ich hoffe, vielleicht durch eure Anregungen ein besseres Gefühl für sie und ihre Bedürfnisse zu bekommen und mich stückweise da hinzuarbeiten, wo ich leisten kann, was sie braucht. Ich weiß nicht, ob mir hier geholfen werden kann, aber ich dachte, ich versuchs einfach mal.

  • Zeigt Zena denn irgendein problematisches Verhalten? Kommt sie schlecht zur Ruhe, kläfft sie scheinbar grundlos, wirkt sie unruhig?


    Wenn nein: alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen. Hier gibt es manchmal auch Phasen, da gibt's wochenlang kein Training (ich bin 3x wöchentlich mit meinem Dino beim Hundesport) und den Hunden fehlt nix. Die Gründe für "kein Training" sind vielfältig: mir gehts nicht gut, der Hund hat was, Arbeit ist grad so anstrengend, dass ich keine Energie mehr für Hundesport übrig habe ...


    Wenn ja: welches Verhalten zeigt sie wann und inwiefern ordnest du das als problematisch ein? Erzähl mal. =)


    Falls es dir hilft: fühl dich gedrückt. Du bist nicht alleine. :streichel:

  • Ich mag mich den Fragen von Karpatenköter einfach mal anschließen.

    Finde das sehr wichtige Aspekte.



    Ein Punkt, der mir wichtig wäre / ist, hast du jemanden der dich unterstützt, der dir Zena mal abnehmen kann (sie vielleicht auch mal "Pause" bekommt) und vor allem einen Plan B für sie, wenn mal wirklich "gar nichts" mehr geht?



    Viele Grüße

  • Ich bin selbst psychisch schwerst- und chronisch krank und bin gleichzeitig überglückliche Besitzerin zweier Hunde. Ich würde auch behaupten, dass die beiden es bei mir gut haben und glücklich sind. Was ich damit sagen möchte: krank sein und Hunde halten schließt sich per se nicht aus. Es kann wunderbar zusammen passen- aber leider auch gründlich nach hinten los gehen.


    Daher schließe ich mich den Fragen meiner Vorredner an. Hat sie Verhaltensauffälligkeiten? Hast du jemanden, der dir mit ihr mal helfen kann, zb mal Gassi gehen oder auch mal auf sie aufpassen kann?

  • Ich kenne dieses schlechte Gewissen den Hunden gegenüber auch nur zu gut!

    Mich hat auch eine Krankheit sehr niedergestreckt und zu "dem selber auf die Füße kommen müssen", hatte ich ständig das Gefühl, meine Hunde kommen zu kurz.


    Aber ich habe festgestellt, dass Hunde sehr anpassungsfähig und flexibel sind.

    Ich wage zu behaupten, dass sie einfach schon glücklich waren, dass ich wieder da war und sie bei mir sein konnten.

    Mein Rüde war aber, zum Glück, schon in einem Alter, wo er nicht mehr so viel Aktion gebraucht hat und die Hündin ist schon zufrieden, wenn sie nur bei mir sein kann.


    Also wenn du nicht das Gefühl hast, dass deiner Hündin wirklich etwas fehlt, schafft sie das mit dir.

    Hunde spüren unsere Stimmungen und Zustände sehr genau und können sich gut zurücknehmen.


    Ich drück' dir die Daumen, dass du aus der depressiven Phase raus kommst.


    Ich finde es toll und mutig von dir, dass du so ehrlich bist und dir Hilfe holst.

  • Es ist total mutig dass du so offen schreibst und es geht mir echt ans Herz weil ich viele deiner Gedanken kenne.


    Mich haben vor Jahren mehrere Schicksalsschläge + Trauma + MS ... in eine laaaaaaaange depressive Phase geworfen. Zu Beginn dieser, wirklich als Seelentröster, haben wir uns Teddy geholt. Die letzten 7 Jahren liefen natürlich nicht rund und es gab immer mal Phasen die sicher langweilig für ihn waren.

    Natürlich begleitet von meinem schlechten Gewissen und der Frage ob das unfair ihm gegenüber ist.

    Rückblickend kam Teddy damit super klar und vieles, wo ich dachte er braucht das jetzt, war für ihn garnicht relevant. Habe mir da mehr Stress gemacht als nötig. 😅


    Hunde sind so anpassungsfähig und eigentlich auch genügsam. Oft entsteht gerade über Foren wie dieses der Eindruck dass man sie sportlich auslasten müsste. In "echt" sind sie aber einfach nur gerne um einen rum.


    Ich wünsche dir alles Gute für deinen/euren Weg.

  • Wir sind Vollzeit berufstätig ohne Home-Office, andere Hundebesitzer haben kleine Kinder oder müssen plötzlich Angehörige pflegen usw usw. Das sind alles keine optimalen Bedingungen für einen Hund aber machbar!

    Du schaffst es , die Grundversorgung in den schlechten Phasen sicherzustellen, dafür schon mal großen Respekt. Und wenn es Dir besser geht, wirst Du mehr mit dem Hund machen können. Das reicht völlig aus. Ich weiß, gerade hier um Forum gibt es viele Hundebesitzer, die ein perfektes Hundeleben bieten. Und auch mir macht das regelmäßig ein schlechtes Gewissen. Aber wir leben eben nicht in einer perfekten Welt :ka: .

  • Hi!


    Die Krux einer Depression ist ja die verschobene Wahrnehmung der Umwelt bzw. die Neigung Dinge negativer zu interpretieren, als sie sind. Das heißt, es kann sehr gut sein, dass dein schlechtes Gewissen deinem Hund gegenüber durch die Erkrankung eingefärbt ist. Gleichzeitig neigt man dazu sich selbst und das eigene Verhalten schlechter einzuschätzen als es ist. Diese Erkrankung ist, neben anderen Dingen, eine ziemliche Lügenbaronin.


    Deshalb ist die Frage, was genau zeigt deine Hündin, dass dich glauben lässt, sie hätte Langeweile von den vorherigen Foristen eine gute. 80% aller Hunde sind mit Spazierengehen super glücklich. Die brauchen gar nicht das perfekte, gesellschaftlich akzeptierte Leben. Gibt es Dinge, die dich daran konkret zweifeln lassen?


    PS ich habe auch eine mentale Erkrankung und musste in schlechteren Phasen immer aufpassen meine Hündin nicht zu einem Ablenkungs/Stellvertreterproblem werden zu lassen. Ich habe dank Hund extrem viel über meine Denkmuster gelernt, man kann den Fokus auch mal umlegen, schöne Dinge gemeinsam erleben und die Routine macht mich wahnsinnig stabil.


    PPS Menschen, die mit ihren Depressionen umgehen, sind superstark.

  • Als meine letzte Hündin starb und ich aufgelöst und weinend in der Tierklinik stand, hat die Tierärztin zu mir gesagt, sie hatte doch ein schönes Leben bei Ihnen. Ja, mag sein ein Standardsatz aber ich möchte noch hinzufügen: sie wurde geliebt. Das ist schon mehr als die meisten Hunde dieser Welt bekommen. Leider.

    Sie war ein Windhund und ich habe ihr zwar ein schönes aber kein perfektes Leben bieten können.

    Du versorgst Deinen Hund, machst Dir Gedanken um sein Wohlergehen, gibst ihm Geborgenheit und ein Zuhause. Dein Hund braucht Dich genauso wie Du ihn. :nicken: Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, schon alleine wenn Zena auf euren Spaziergängen herumschnüffelt ist es für sie ein kleines Abenteuer.


    PS: Ich selbst bin zwar nicht depressiv aber mein Vater war es daher weiß ich wie teuflisch und belastend diese Erkrankung ist.

  • Hallo,


    Wenn du denkst, dass ein Klinikaufenthalt das richtige wäre, tu es. Es gibt auch Kliniken in die man seinen Hund mitnehmen kann:


    https://dbkg.de/angebote-thera…ialangebote/reha-mit-hund


    https://www.fachklinik-sankt-l…somatische-reha-mit-hund/


    https://www.qualitaetskliniken…k/mitnahme-von-haustieren


    https://www.gezeitenhaus.de/patientenaufnahme-mit-hund


    https://gute-laune-dogs.de/in-…tnahme-von-hunden-erlaubt


    Klick dich mal durch, vielleicht ist was geeignetes dabei.


    Ich wünsche dir von Herzen alles Gute. Lass dich von der Depression nicht unterkriegen, auch wenn es schwer ist.


    Viel Kraft dir!

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