Fehlender Respekt?

  • Und nicht immer denken: "der Hund muss doch aber...." (dieses können, sich zurücknehmen, ruhen usw.)

    Das kann ich so bestätigen. Wir haben einen Pudelmix aus dem Tierschutz und einen Pudel-Junghund.

    Sie sind total unterschiedlich. Der Ältere ist auch sehr schnell gestresst. Er will gehorchen, aber er kann es einfach nicht. Es wäre für ihn z.B. eine Qual, ihn auf ein großes Familienfest mitzunehmen, selbst wenn er nichts tut und sich benimmt. Aber er würde vor Stress eingehen, sich permanent kratzen und japsen. Also muss er da nicht mit hin.


    Der Junghund ist für seine Rasse echt gechillt. Dafür mag er es nicht, wenn er eingeengt wird. Also im Restaurant unter dem Tisch liegen zwischen lauter fremden Beinen wäre der Horror für ihn. Also muss auch er das nicht tun.


    Man kann für Vieles, was man möchte, auch sinnvolle Alternativen finden. Also wenn ein Hund halt ungern auf einer Decke LIEGT, vielleicht bleibt er ohne Probleme dort stehen?? Wäre das auch ok. Bei uns heißt es nur "geh auf die Decke". Dort darf er machen, was er will. Auch daneben liegen, wenn ihm der kühle Boden lieber ist. So what? Es geht ja darum, dass er nicht im Weg rumsteht, also völlig legitim.


    Weiß nicht, ob das schon mal hier erwähnt wurde: Du könntest ja mal probeweise 2-3 Tage ohne jegliche Anforderungen ausprobieren. Also nur spazieren gehen, kuscheln. Kein Training, keine Leinenführigkeit, etc. Und dann mal schauen, wie er ist.

  • Ich erkenne so ein bisschen meine eigene Hündin wieder, als sie in der Pubertät war. Da war ich auch kurz vorm Verzweifeln. Sie hat mich eine Zeit lang überhaupt nicht ernst genommen. Wenn ich sie auf die Decke geschickt habe, bin ich konsequent geblieben. Das resultierte dann oft darin, dass sie in Richtung meiner Hände geschnappt und gebellt hat. An der Leine kam dann die totale Rebellion. Wenn sie nicht zu einem anderen Hund hin durfte (und das darf sie nie, durfte sie auch vorher noch nie an der Leine) ist sie vor Frust an mir hochgesprungen und hat meine Unterarme angeknabbert.


    Das alles war auch ein Stück mein eigener Fehler. Sie ist mein erster Hund und ich war sehr unsicher in allem was ich getan habe. Das hat sie natürlich gemerkt. Als Welpe und Junghund habe ich sie immer sofort bespaßt, wenn die Dame erwacht ist. Sie hatte im Prinzip nie Langeweile und stand immer im Mittelpunkt. Das hatte ich dann also davon.


    Als sie in der Pubertät dann so abgedreht ist, habe ich einige gute Tipps von einem Hundetrainer bekommen. Das hilft aber alles nichts, wenn du dich nicht auch wirklich souverän und sicher FÜHLST. Das merkt dein Hund sofort. Ich konnte Paula sehr effektiv in ihre Schranken weisen und nach ein paar Wochen hatte ich einen viel entspannteren Hund an der Leine und auch Zuhause hat sie gelernt, auch mal Langeweile auszuhalten und sich selbst zu beschäftigen.


    Paula ist jetzt 13 Monate alt und vor ein paar Monaten hätte ich niemals gedacht, dass mein hyperaktiver und aufgedrehter Junghund einmal so entspannt und an mir orientiert sein könnte. Ich glaube, dass auch vieles einfach mit dem Alter kommt.

  • Weiß nicht, ob das schon mal hier erwähnt wurde: Du könntest ja mal probeweise 2-3 Tage ohne jegliche Anforderungen ausprobieren. Also nur spazieren gehen, kuscheln. Kein Training, keine Leinenführigkeit, etc. Und dann mal schauen, wie er ist.

    Den Tipp finde ich total gut!


    Vielleicht sogar für eine Woche, damit das Stresslevel auch wirklich Zeit hat runterzufahren. Einfach entspannte Spaziergänge an der langen Leine, vielleicht sogar wirklich keine Runden gehen, sondern Strecken und den gleich Weg hin und zurück, keine neuen Orte, viele spaßige Sachen und ruhige Aktivitäten, wie schnüffeln, Kekse im Gras suchen, buddeln etc., natürlich auch mal flitzen lassen zum Stresabbau und ansonsten einfach nichts erwarten. Weder Leinenführigkeit, noch Kommandos üben. Einfach mal sein und die Zeit genießen, ohne Erwartungen an den Hund und sich selber.



    Was ich letztens noch von einer Trainerin im Webinar gelernt habe:


    Vielleicht auch mal bewusst machen, wieviel Frust für Hunde im Alltag entsteht. Achte mal auf die Hobbies deines Hundes und schreibe alle auf. Und dann mach dir bewusst, wieviel davon nicht geht.


    Bei uns wären Luna's Hobbies zB:


    - Schnüffeln (geht fast immer)

    - Buddeln (geht nur an bestimmten Orten)

    - Vorgärten erkunden (geht nie)

    - Mäuseln (geht auch nie)

    - Eichhörnchen jagen (geht idR auch nicht)

    - Im Vorgarten sitzen und alle fremden Menschen verbellen (im Vorgarten sitzen ja, aber nur mit viel Management und Nachbarn verbellen geht nicht)

    - Geräusche im Treppenhaus melden (geht halbwegs - ein Beller ist ok, aber mehr auch nicht)

    - Essen auf der Straße suchen und finden (geht nicht, nur wenn ich die Kekse selber verstreue)


    etc...


    Bei jedem "nein" oder "geht nicht" entsteht Frust beim Hund. Natürlich geht das hier im Alltag gar nicht anders. Aber weil das für uns Menschen so selbstverstädnlich ist, vergisst man total schnell, an wievielen Stellen für den Hund Frust entsteht, weil der unsere menschlichen Regeln (wie Vorgärten sind tabu) natürlich nicht kennt.

    Klar, kann man das beibringen, dass das verboten ist. Aber jedes mal, wenn der Hund gerne würde, aber nicht darf und auf dich hört / hören muss, wird ein Stück weit Impulskontrolle verbraucht. Und Impulskontrolle ist endlich, die ist irgendwann alle und muss wieder aufgefüllt werden. Wieviel Impulskontrolle ein Hund hat, ist von Hund zu Hund untercshiedlich.


    Was für uns auch selbstverständlich ist, aber ebenfalls Impulskontrolle verbraucht (selbst wenn es nur ein bisschen ist), sind Sachen wie

    - warten, wenn der Mensch sich noch eben Schuhe und Jacke anziehen muss

    - noch kurz im Auto warten, wenn man schon am tollen Auflugsziel geparkt hat

    - wenn der Mensch das Essen vorbereitet

    ...


    Auch da lernt der Hund natürlich zu warten und das ist auch gut so, aber dennoch ist es Fakt, dass es Impulskontrolle verbraucht. Und Impulskontrolle wird langfristig durch (Tief-)Schlaf wieder aufgeladen. Deshalb sind Ruhephasen auch so wichtig.



    Also wie gesagt, vielleicht wirklich mal für eine Woche gar nichts erwarten und für sich selber einmal aufschreiben was Hobbies vom Hund sind und wo im Alltag Frust entsteht und dann sortieren: An welchen Stellen lässt sich Frust vermeiden und welche Hobbies kann ich meinem Hund öfter problemlos ermöglichen?


    =)

  • Den richtigen Weg finde ich gerade nicht. Manchmal denke ich, vielleicht bin ich einfach nicht der richtige Mensch für ihn und ich bin nicht in der Lage ihn zu führen.

    Den Weg findest du ;)


    Ich hab in der Welpenzeit meiner Hündin oft heulen irgendwo gesessen und wusste nicht weiter, war wütend auf mich weil ich nicht wusste wie ich ihr in ihrem Stress, ihrer Überforderung helfen sollte.


    Dachte ich hab mir zu viel zugemutet, das sie es bei mir nicht gut hat. Tips wie Härte haben uns zusätzlich “das Leben schwer gemacht”. Es hat bald 1 Jahr gedauert bis ich wirklich das Gefühl hatte, wir sind jetzt ein Team, zusammen gewachsen, sie ist MEIN Hund.


    Ihr kommt da hin, Geduld.

    Du musst euren Weg finden und manchmal ist das eben etwas langwieriger und mit viel Trial und Error verbunden.


    Dein Kleiner kommt in die Pubertät. Plus dessen kennt er es einfach schlicht weg nicht begrenzt zu werden - klar findet er das nicht witzig und nutzt eben die Methoden die ihn (bisher) zum Erfolg geführt haben. Und auch ändert sich für ihn ja auch viel und das kommt auf sein Stresslevel dann noch dazu.


    Mein erster Weg wäre den Stressgrund zu finden, den zu reduzieren so gut wie möglich und dann eben anfangen Strukturen und Regeln, Grenzen einzuführen- ebenso wie eine ruhige, sinnvolle Beschäftigung. Und dabei dann auch erstmal bleiben, nicht immer von Methode zu Methode. Das kann nicht funktionieren. Du musst euch auch Zeit geben :)

  • 80-90min/Tag Gassi oder Übungen.
    20min Gassi ist ja quasi nur einmal kurz um den Block. Wie häufig trefft ihr denn z.B. Artgenossen oder wann kann sich der Hund auch einfach mal 1-2 Std. ordentlich auspowern draußen?

  • Vielleicht nur mal so als Vergleich für dich.

    Mein Hund ist 32 Wochen alt, bisschen was über 7 Monate, also altersmäßig nahe deinem Hund.

    Wir sind im Schnitt täglich 2,5 h draußen unterwegs, Strecke um die 8 km, Tagesgesamtwert. Inklusive sind dabei Gehorsamsübungen, Schüffel und Suchspiele und auch Dummyarbeit, allerdings immer nur mal 2, maximal 3 Übungen. Mehr als 2/3 Drittel der Zeit ist er im Freilauf unterwegs, Leinengehorsam gibts zwischendurch mal und an der Straße, wo wir ein paar Meter langlaufen müssen.

    Alle paar Tage, manchmal auch mehrere Tage hintereinander, treffen wir einen Hundekumpel, dann wetzen sie über die Wiesen und toben sich ordentlich aus. An diesen Tagen ist die Strecke weniger, dafür sind wir länger unterwegs und der Hund danach platt. So für eine Stunde 😁

    Vielleicht hilft dir der Vergleich ein wenig.

    Mein Hund ist übrigens im Haus ausgesprochen entspannt, ruhig und ruht sehr viel.

  • Manchmal denke ich, vielleicht bin ich einfach nicht der richtige Mensch für ihn und ich bin nicht in der Lage ihn zu führen.

    Dein Hund hat nur dich.

    Dein Hund ist nicht perfekt.

    Und dein Hund braucht dich und nicht irgendeine super perfekte „Superwomanhundehalterführerin“.

  • Ich weiß nicht ... ich habe ja Border Collie aus Hüteleistungszucht. Also extrem reizoffene Hunde, die das zur Ruhe kommen ja nicht unbedingt erfunden haben.


    Ich habe den Eindruck, dass das Problem hier tiefergehend ist.


    Ich gestalte das Leben dieser Hunde so, dass sie quasi "Raum zum Ruhen" finden. Also sie von selbst, ohne mein Zutun, wirklich richtig entspannt schlafen können. Und sich das selbst nehmen können.
    Sobald das nicht mehr ging und ich über Maßnahmen den Hund zur Ruhe bringen nachdenken musste, habe ich sofort die Handbremse reingehauen für ein paar Tage. Ja, das passierte mir auch mal, dass der junge Hunde zu viel Input hatte und tatsächlich Zuhause deutlich fertig war, aber überdreht. Das war für mich immer ein Alarmzeichen, dass wir sofort nicht nur einen Gang runterschalten, sondern alle Gänge rausnehmen und erst Mal nur rumgammeln und Ruhen bis mein Hund wieder im "Grundzustand" war.


    Das erwähnte Programm hätten meine im Übrigen in dem Alter nicht hinbekommen ohne gestresst zu sein. Es gibt Junghunde, die können das. Wenn sie vom Naturell her anders gestrickt sind und ihr Kopf die Außenreize gefiltert reinbekommt. Das ist ja bei meinem Hundetyp nicht der Fall.


    Ich würde hier also viel, viel weiter unten ansetzen und tatsächlich mal versuchen ein Reset zu machen. Ich war vor ein paar Wochen richtig krank. Meine Hunde sind die erste Woche gar nicht Gassi gewesen, nur Garten zum Machen. Man konnte zugucken wie die immer entspannter wurden und sich mal so richtig ausgeschlafen haben. (Ich berufsbedingt manchmal nicht vermeiden, dass sie doch etwas mehr um die Ohren haben als ich möchte.)

  • Ich finde das immer etwas schwer greifbar. flying-paws was ist denn für dich z.B. "Raum zum Ruhen" finden?

    Heißt das, ich liege am Sofa und bewege mich nicht, es sind also möglichst wenig Reize da, die den Hund aus der Ruhe bringen können? Oder heißt es einfach nur, dass man nicht permanent unterwegs ist, wo sich der Hund fremdbestimmt bewegen muss (weil ich ihn grade irgendwo mit hinnehme).

    Ich habe z.B. seit 1 Woche einen Mini Aussie hier, der kommt einfach sehr schnell in eine "Erwartungsaufregung". Wenn die Chance besteht, dass demnächst gefüttert, gekuschelt, Gassi gegangen - sonstwas wird, dann ruht der nicht. Und das kann potentiell dann passieren, wenn der Mensch sich durch die Wohnung bewegt. Bei ihm muss ich extrem aufpassen, dass jede Aufmerksamkeit und Action indoor nicht nach einem Muster passiert bzw. am besten gar nicht. Was schon beim Thema "kuscheln" echt nicht so einfach ist. Ich muss ihn einfach sehr viel ignorieren - da wäre jedes "um den Hund drehen" im Sinne von Aufmerksamkeit, den Hund zu viel anschauen, mit ihm reden, ihn im Vorbeigehen streicheln schon kontraproduktiv, weil wie gesagt macht Aufregung - könnte ja mehr davon geben. Das könnte übrigens auch ein Thema sein Libellia ?! - wie viel Aufmerksamkeit hast du während dem Tag beim Hund?


    In flying-paws Beschreibung der Krankheitsphase finde ich einen Faktor außerdem dass deine Hunde ja im Rudel leben. Das heißt, es gibt da bereits einiges an "unbemerkter" Interaktion / ggf. Kontaktliegen etc. - vielleicht auch Spiel im Garten(?) - welche ein Einzelhund nicht hat. Oder?


    LG Betty

  • Mir und Ayu haben Phasen in denen ich Ruhe für mich brauchte und uns alles hauptsächlich schön einrichten wollte wunderbar weiter gebracht.

    Kein Stress, Training nur soviel ihr genießen könnt, überlegen was euch gut tut und schon gut gelingt, darauf(!) konzentrieren und es weiter tun.

    Wenn ihr zur Ruhe kommt, wächst euer Verständnis für einander, eure Beziehung wird stabiler und ganz viele Dinge werden euch zufliegen.

    🍀

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