Unser Mops ist aggressiv. Schon soviel versucht. Was hilft?

  • Du schreibst, dass du jetzt eine Hausleine benutzt.

    So muss ich sie nicht aus den unmöglichsten Ecken hervor zerren.

    Zu solchen Situationen darf es gar nicht erst kommen. Wie soll der Hund Vertrauen fassen, wenn er aus Ecken rausgezerrt wird, in die er sich wahrscheinlich vor lauter Angst verkrochen hat.

  • Ich bin mir nicht so sicher, ob Du meine Beiträge liest, ich schreib trotzdem mal, was ich machen würde, wenn es mein Welpe wäre.


    Ich würde mich freuen, einen Garten zu haben. In diesem Garten wäre eine niedrige Kiste aus Karton mit Papierbällen drin. Und paar supergute Leckerlis, die den Welpen animieren zu entdecken. Ich hätte einen flachen Pool, verschiedenes Spielzeug, paar Dinge, die Geräusche machen, wenn der Welpe sie berührt, wie Dosen, Plastikbecher und dann wäre da eine große Decke, wo ich mich drauflegen würde und dann den Welpen einfach entdecken lassen würde und ich schaue leise lächelnd zu.


    Ich würde selbst Dinge fasziniert betrachten, die Neugierde meines Welpen wecken, ihm mental ein bisschen helfen. Ich würde schaun: Was mag er, wo kann er entspannen, auf welchem Material liegt er besonders gerne, oder was spielt er gerne. Papier zerreissen? Socken rumtragen? Was kauen? Mit den Pfoten Dinge berühren?


    Und egal was mein Welpe entdeckt, oder vielleicht buddelt, sich hinlegt, ich würde ihn unglaublich toll finden und das würde mein Knirps spüren bis in die letzte Haarspitze. Er würde spüren, akzeptiert zu werden, so wie er ist. Und wer akzeptiert wird, wie er ist, kann wachsen, weil Raum da ist für Entwicklung, ohne Druck.

    Ich würde kindisch mit den Händen auf den Boden klopfen, dabei ruckartig rückwärts weg vom Hund und schaun: Hat er Angst, wird er neugierig, kommt er sogar?


    Rausgehen würde ich mit einer 5 Meter Leine. Und dem Hund Zeit geben. Einfach vor der Türe sein. Vielleicht wieder die Decke aus dem Garten mitnehmen, weil er die schon kennt. Oder vielleicht kann er schon einen kleinen Trick und springt draußen drauf an. Bonnie macht das, Tricksen, da wird sie total happy, das hilft ihr, wenn die Angst zu groß wird.

    Talente finden, alles, was mein Hund gut macht, fördern. Selbstbewußtsein geben durch Loben, ehrliche Anerkennung.


    Ich hatte einen Hund, der 6 Jahre lang in einer Schweinebucht in einer Scheune eingesperrt war. Diese Hündin kannte nichts. Mit nichts meine ich nichts. Keinen Wind, keine Sonne, keine frische Luft, kein Gras, keine Hindernisse, nichts. Bäume waren unheimliche Gestalten für sie. Die Angst lähmte sie. Sie konnte keinen Schritt gehen. Was muß es für einen Hund bedeuten, man kann ja nicht mir Worten erklären, man kann nur da sein.

    Ich bin mit ihr früh morgens in den Wald gefahren. Ja, es war flooding, weil es bei ihr gar nicht anders möglich war. Allein meine Wohnung mit dem Licht und den Geräuschen war viel für sie.


    Normal ist sie nie geworden, aber ich habe mein Versprechen gehalten: Ihr das Leben zu zeigen und ihr zu zeigen, daß eine Hundeseele lachen kann. Ja, das versucht man nicht, ich wußte von Anfang an, daß ich das schaffe. Daß ich diesem Hund für immer zur Seite stehe, egal was passiert. Ich habe sie angenommen ohne jeden Zweifel, so wie ich auch Bonnie angenommen habe ohne jeden Zweifel, die ihre ersten drei Jahre in einem Keller eingesperrt war.


    Ohne Zweifel, aber dennoch mit dem Anspruch, daß mein Hund ein fröhliches Hundeleben führen wird und dazu gehört, die Welt zu entdecken, Freundschaften zu gründen, mehr zu sehen als den Haus und Garten. Dazu gehört, Unfug machen zu dürfen, Fehler, Bonnie macht im Übermut Sachen kaputt, sie will rennen und lachen und Hunde treffen, sie möchte ihren Ball suchen und schmutzig nach Hause kommen und Nachts bei mir im Bett schlafen


    Ja, ich glaube Dir, daß Du Deinen Welpen als schwierig empfindest, weil Angst auch etwas ist, was einen hilflos machen kann. Nicht durchdringen zu können und selbst nicht zu wissen, was man machen soll, ist anstrengend.

    Aber Du hast auch Dein Gespür. Und auf das würde ich hören und eben kleinere Schritte mit dem Knirps machen. Stell Dir vor, Dich würde jemand auf eine dreispurige Autobahn stellen und dich festbinden und dann von Dir verlangen, Dich gut zu fühlen ;-)


    Und Du solltest tief in Dich hineinhorchen: Bin ich bereit, diesen Weg gemeinsam mit meinem Hund zu gehen, der ein Recht auf ein anständiges Leben hat und dabei mein eigenes Leben einschränken wird. Beantworte das für Dich allein, indem Du in Dich hineinfühlst und nicht hineindenkst.

  • Das größte Problem, dass ich hier momentan sehe ist, dass Molly bereits sehr viele negative Dinge mit Selinchen verknüpft hat. Es ist also leider nicht so, dass man einfach einen "Neustart" machen kann.


    Dieser Hund hat nicht nur Angst vor allem, was draussen ist, er hat auch Angst vor "seinen" Menschen, das macht alles einfach ungleich schwieriger, als würde man mit Molly quasi von Null anfangen. Momentan startet man eher bei -100

  • Das größte Problem, dass ich hier momentan sehe ist, dass Molly bereits sehr viele negative Dinge mit Selinchen verknüpft hat. Es ist also leider nicht so, dass man einfach einen "Neustart" machen kann.


    Dieser Hund hat nicht nur Angst vor allem, was draussen ist, er hat auch Angst vor "seinen" Menschen, das macht alles einfach ungleich schwieriger, als würde man mit Molly quasi von Null anfangen. Momentan startet man eher bei -100

    Danke!

    Deswegen wäre ein paralleler Vertrauensaufbau so so so so so so so wichtig!

  • Ja, der Hund hat nach dem, was beschrieben wurde, mit Sicherheit schon einen Sozialisationsschaden mit generalisierten Ängsten davon getragen, der Auswirkungen zeigen wird. Das ist was Anderes als ein Deprivationsschaden und der würde sich, wenn er in so jungen Jahren sichtbar wäre, anders zeigen, eher durch völlige Apathie anzeigen (ein Deprivationsschaden ist eine Hirnschädigung infolge dessen, dass während der Ausbildung genau der neuronalen Verknüpfungen im Hirn, die für das Verarbeiten, Speichern und Generalisieren von Sinneseindrücken zuständig sind, viel zu wenig Sinneseindrücke kommen - oder so viele bei gleichzeitigem Mangel an Sicherheit so viele, dass die Verarbeitung völlig geblockt ist. Das kann entstehen, wenn der Welpe im Keller aufgezogen wird, viel zu früh von der Mutter getrennt wird, alle Kapazitäten fürs nackte Überleben gebraucht werden … Beginnt von der 3. - 5. Woche ab)


    Uns auch mit unserer Hündin mit (leichtem) Deprivationsschaden können wir mittlerweile Urlaub machen. Halt nur am Arsch der Welt. Und sie genießt ihre Gassigänge. Halt nur mit uns und in ruhiger Umgebung. Und so etwas wie einen Ausflug in die Rhön und Besuch verschiedener Touristenattraktionen können wir so gestalten, dass der entstehende Stress für sie zu bewältigen ist. Es geht schon. Man muss halt das Umfeld dafür haben, die Kenntnisse und vor allem muss man den Hund wollen. So wie er ist.


    Das Möpschen ist auf jeden Fall zutiefst verängstigt und verunsichert. Normal wäre es jetzt, wenn das Kerlchen sich Hilfe und Anleitung bei seiner Bezugsperson sucht, da, wo es sich geborgen fühlen kann. Und sich auf erlerntes Alternativverhalten zu Panik, mit dem es sich einigermaßen wohlfühlt, zurückziehen kann. Und den Stress durch viel Ruhe und Schlaf ausgleicht.


    Und das ist hier die Krux: Soweit ich es lese, gibt es keine Bezugsperson, ist mit dem Hund kein anderes Verhalten geübt worden und wie sicher es sich drinnen im familiärem Umfeld tatsächlich fühlt steht in den Sternen.


    Selinchen Das Hundchen braucht ganz platt gesagt nicht Deinen Ehrgeiz und Dein Verantwortungsgefühl, sondern Deine Liebe. Denn Hunde spüren, ob „ihr“ Mensch ihnen wohlwollende Gefühle entgegenbringen oder nicht. Und Sicherheit ziehen sie daraus, dass sie gemocht und akzeptiert werden. Wohlwollende, humorvolle Toleranz und Geduld wären auch ok, aber bei einer so verbastelten Kiste ist Liebe einfacher.


    Lieben ist kein Zustand, sondern eine Fähigkeit. Und es hängt an Dir, ob Du diese Fähigkeit für den Welpen, so wie er ist, aktivieren willst. Oder ein anderes Mitglied Deiner Familie, das sich bereitfindet, der Anker zu sein.

  • hej.

    Ich finde jedenfalls gut, dass du es etwas kleinschrittiger machst - zwei Minuten sind nicht lang, aber wenn du sie hinterherziehen musst und sie aus ihrem Stress nicht herauskommt, dann ist es einfach noch zu viel.

    Wenn sie gern Leckerchen nimmt, sind die ein guter Indikator: Ist der Stress zu hoch, können keine Leckerchen (und auch kein Lob) mehr angenommen werden. Das hat glaub ich was mit Sympathikus und Parasympathikus zu tun. Das hilft dir aber insofern, dass du eigentlich ein recht genaues Instrument hast, mit dem du feststellen kannst, wo die Grenze für Molly ist.


    Wenn man sich den sog. Zirkel der Hermeneutik ansieht, versteht man ziemlich schnell: Lernen passiert genau dort, wo der konfrontierende Reiz weder zu fremd, noch zu vertraut ist. In größtmöglicher Fremdheit kann nicht gelernt werden, es fehlen die Anknüpfungspunkte. In größtmöglicher Vertrautheit kann nicht gelernt werden, weil die Reize nicht als Reize wahrgenommen werden.


    Ich glaube, dass du mit dem Gang zur Tür/zwei Schritte weiter/20 Meter weiter (das kannst nur du beurteilen) diesen Punkt gut wirst finden können. Und dann in Babysteps ein wenig ausweiten.

    Den Stress geringer zu halten, halte auch ich für unumgänglich - der Cortisolspiegel bleibt im Körper so viel länger erhöht, als die Situation andauert. Und Stress, vor allem Distress, macht alle Lebewesen dauerhaft krank.


    Auch möchte ich den anderen zustimmen, dass es bestimmt sinnvoll ist, die Uhrzeiten sehr wohl bedacht zu wählen, zu denen ihr rausgeht. Es ist viel leichter, wenn man nicht noch auf herumlaufende Kinder, Autos, Fahrräder, andere Hunde usw. achten muss.


    Ich habe wirklich keine Ahnung von Welpen, ich hab immer erwachsene Auslandstierschutzhunde. Aber die haben ja auch häufig mit größeren und kleineren Umweltängsten zu kämpfen. Und hier hat es immer geholfen, die minimalste Anstrengung zu finden und langsam zu steigern.

    Das Schöne daran ist, jetzt mal gar nicht nur psychologisch betrachtet, sondern auch von der simplen Lerntheorie her: ihr habt so die echte Chance auf Erfolgserlebnisse (du hast ja sicher auch schon mal bei so banalen Dingen wie Tricks lernen gehört, dass man immer mit einem gelungenen Durchgang abschließen soll). Und das wiederum stärkt das Selbstvertrauen und das Vertrauen in euch gegenseitig.


    Was nimmst du eigentlich für Leckerchen? So ein Keks ist ja immer schnell geschluckt, ich hab die Erfahrung gemacht, dass Leberwurst aus der Tube (oder Schleck Snack für Katzen, gibt's z.B. bei Lidl) auf meine Hunde eine stärkere Belohnung ist, sie länger "am Ball" hält und auch den Parasympathikus nachhaltiger stimuliert. Schmeckt halt noch nach.

  • Es bringt aber nichts, auch nur eine Sekunde mit Molly vor die Tür zu gehen, solange sie Selinchen nicht vertraut!


    Das allerwichtigste, was hier jetzt passieren muss ist, Vertrauen zu Molly aufzubauen und sie lernen zu lassen, dass Selinchen "ihr Hafen" ist. Das ist viiiiieeeelll einfacher, wenn ein Hund quasi als unbeschriebenes Blatt zu einem kommt als das was da wahrscheinlich schon an Beziehung "kaputt gegangen" ist, jetzt wieder zu reparieren.


    Alleine das wird Wochen dauern und dann ist Molly was ihre "Draussen-Ängste" angeht immer noch nicht weiter.


    Ich will wirklich nicht schwarzmalerisch klingen aber ich habe wirklich wenig Hoffnung, dass man das mit nahezu null Hundeerfahrung und -verstand irgendwie hinbekommt. So traurig es ist.

  • Weil es mich jetzt schon die ganze Zeit beschäftigt:

    Flooding. Hierbei muss der Hund so lange in der Situation bleiben bis Entspannung eintritt. Das würde hier bedeuten, dass man so lange bleiben muss bis der Hund vor Erschöpfung einschläft. (Nur hilflos körperlich ruhiger werden gilt nicht!

    Kannst du mir kurz erklären, was genau das bewirkt?

  • wölfchenarya - ich möchte mich hier nicht dazu hinreißen lassen, eine Mutmaßung über das Verhältnis von Mops und Halterin aufzustellen. Ja, vermutlich ist kein Vertrauen gewachsen. Und natürlich ist das elementar. Aber ich bin mir recht sicher, dass ich auch schon mit Hunden Dinge gelernt habe, als sie noch kein Vertrauen zu mir hatten. Wenn man sich nur in Babysteps aus einer relativ sicheren Zone herausbewegt (und der Hund fühlt sich ja im Haus zumindest sicher genug um zu spielen und zu fressen, was ich von meinen Hunden so anfangs nicht immer sagen konnte) dann ist der sichere Hafen in dem Moment die Nähe zur Eingangstür.

    Wie gesagt, vielleicht ist das bei Welpen anders, das weiß ich nicht, die sind bestimmt ein Stückweit abhängiger.

    Natürlich muss auch an der Beziehung gearbeitet werden.

    Bei den ausgewachsenen Hunden hier passierte das glaube ich einfach nebenbei. Durch Kontaktliegen. Namentliche Ansprache und Leckerchen. Aber vermutlich auch zu einem ganz großen Teil darin, dass ich stetig darauf beacht war, ihre Grenzen wahrzunehmen und eben immer eng an und mit diesen Grenzen zu arbeiten.


    Ich glaub nicht so ganz an eine schematische Abfolge, bei der erst das eine stimmen muss, bevor das andere losgeht. Ich glaube an gut dosierte Gleichzeitigkeit.

    (ich wiederhole: ich bin keine Welpenexpertin)

  • Molly wird immer ein Problem besonderer Hund bleiben, da zu viel negatives passiert ist.


    Wenn ich jetzt Selinchen wäre und ich war ja auch nur Halterin eines verkorksten Hundes, dann würde ich mit Molly im Garten Vertrauensaufbau üben. Nichts anderes.


    Dann erst den Garten verlassen und alles in Minischritten zeigen. Schutz bieten und gemeinsam erkunden.


    Vieles kann ein Hund auch erlernen, wenn er eine mangelhafte Sozialisierung erfahren hat.


    Kiro kam aus einer Dachkammer und kannte die Welt nicht. Trotzdem er verkorkst war, hat er sich in unser Herz geschlichen. Umgang mit Menschen und Hunden war immer auf Abstand. Kontakt war mit wenigen für ihn erträglich, aber auch erst als er älter war.


    Selinchen könnte es hinbekommen aber muss bei ihrer Erwartungshaltung viele Abstriche machen, Zeit investieren und Molly auch als weit von perfekt lieben und beschützen können.


    Selinchen, wenn Du das nicht kannst, gebe Molly in Hände, die das können. Sie ist ein Lebewesen, das Verständnis und ganz viel Liebe braucht.

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