Was ist und braucht es "Druck" im Erziehung und Ausbildung?

  • Ich denke, dass sich durch kurzzeitigen Druck auch Dinge besser werden können.

    Hm, wie erkläre ich das... Also wenn man mal kurzzeitig Druck ausübt und den Hund quasi zwingt, etwas zu machen oder auszuhalten, fällt es ihm ggf. in einfacheren Situationen oder allgemein in Zukunft dann plötzlich nicht mehr schwer.


    Vielleicht das Thema Zähneputzen als Beispiel.

    Also Zähneputzen mag wahrscheinlich so gut wie kein Hund, aber wenn man es "einfach macht" (ohne ihm natürlich weh zu tun), kann es sein, dass er merkt, dass es gar nicht so schlimm ist.

    Meiner jedenfalls bleibt mittlerweile einfach liegen, wenn ich mit der Zahnbürste komme und lässt es gut machen. Anfangs naja, da wäre er am liebsten weggelaufen, aber es muss halt sein, und der Zahnstein entwickelte sich schneller, als ein Medical Training fruchtet.


    Mir tut sowas immer sehr leid, aber als Mensch weiß man halt, was perspektivisch für den Hund besser ist.


    Meinen Senior habe ich mit Druck und einer Methode entgegen jedem "Lehrbuch" gezwungen, bei Hundebegegnungen sprichwörtlich in der Spur zu bleiben und nicht in die Leine zu rennen und zu pöbeln. Und siehe an: Schon beim ca. dritten Mal fing er mit sozial kompetentem Verhalten an (deeskalierendes Schnüffeln, etc.). Das hätten wir nie geschafft, wenn ich es alles ohne Druck gemacht hätte (habe ich lange genug erfolglos versucht).

  • Ich schätze Hunde reagieren auf Druck ähnlich unterschiedlich wie Menschen und wenn etwas kurzfristig gut funktioniert, braucht es darum (wie bei anderen Spezies) nicht auch langfristig der optimale Weg zu sein.

    (Ich bin ausgesprochen störrisch wenn ich unter Druck gesetzt werde 😅und hab schon gesagt bekommen, dass Menschen mich dann emotional für gefährlich hielten.

    Trotzdem bewegen mich Adrenalin Ausschüttungen, die der Stress bei mir auslösen kann, auch gelegentlich (kurzfristig) zu konzentrierten Leistungen, die nur positiv sind.)

    Mir erscheint Druck etwas heikles zu sein. Außer im Notfall mag ich vermeiden ihn auszuüben.

  • Wenn ich mir vergegenwärtige, wann ich sagen/schreiben würde „Nimm den Druck raus“ - der mir auch am Häufigsten begegnet - dann meine ich alles, was aus Unzufriedenheit, Hektik, falschen Erwartungen an den Hund, Vermenschlichung bzw. Missverständnissen und Perfektionismus kommt. Gerne in Kombi und teils bewusst, teils unbewusst. Z. B. beim GöGa beim Versuch von Momos „Sauberkeitserziehung.“


    Ansonsten ist es abhängig vom Ziel und den beteiligten Individuen, weil das Thema Druck so vielfältig ist. Auch die positivste Erziehung beinhaltet Druck. Wann immer ich will, dass sich was beim Anderen ändert, wird es nicht komplett ohne Druck funktionieren (wenn man das Wort mal in seiner wertneutralen eher physikalischen Bedeutung betrachtet).


    Wenns darum geht, den Hund mittels was Anderem als Belohnung dazu zu bewegen, was zu tun, was er gerade nicht möchte (oder was zu unterlassen, was er möchte), da kommts halt darauf an, dass man es fein angepasst ans Individuum macht und sich ganz klar ist, was man erreichen möchte und was das, was man tut, bewirkt. Und ob das angestrebte Ziel realistisch ist. Gerade bei den wirklich ängstlichen Hunden, mit denen ich bisher zu tun hatte, war anfangs ein wenig Druck fürs „Verlassen des Schneckenhäuschens“ nötig. Rein positiv ging das nicht, weil keine Belohnung oder Bestätigung angenommen wurde.

  • Bei ängstlichen Hunden würde ich ähnlich vorgehen wie bei ängstlichen Katzen. Da bin ich immer gut gefahren, wenn ich sie vollkommen in Ruhe gelassen habe. Kein Locken, kein Ansprechen, kein Leckerli, kein Staubsaugen im gleichen Raum. Das kann mehrere Tage oder auch Wochen dauern, aber irgendwann kommen sie von selber, denn sie wollen ja auch Anschluss. Und auf diesen inneren Antrieb kann man mMn bei Hunden erstrecht setzen.

  • Es geht nicht primär um Kontaktaufnahme :smile: Ich hatte eine ängstliche verwilderte und misshandelte Katze, der wegen eines mit Feuerzeug verblitzten Auges viermal täglich Augentropfen gegeben werden musste. Und auch ein ängstlicher Hund sollte lernen, sich nicht nur in der Wohnung zu entleeren. Und muss irgendwann laufen, sonst wird das nichts mit Adrenalinabbau und hormonellem Gleichgewicht. Ich rede hier nicht von simpler Scheu, sondern wirklich generalisierter Angst.

  • Ich rede hier auch nicht von Sonderfällen aus medizinischer Unvermeidbarkeit. Dass man da einen gewissen Zwang anwenden muss, braucht ja gar nicht diskutiert zu werden.

  • Das sind bei Tierschutztieren keine Sonderfälle, leider. Gehört mit dazu.

    Das was du schreibst teile ich total.

    Dabei würde ich von ‚Notfällen‘ sprechen.

    Klar kommt das schrecklich oft vor, aber ich nehme es trotzdem nicht als alltäglich wahr.

  • Wo meiner Ansicht nach viel über körpersprachlichen Druck gemacht wird, ist bei der Raumverwaltung.

    Kaya darf z.B. grundsätzlich schon in die Küche. Stört mich normalerweise nicht und sie liegt da halt gern daneben, wenn ich Abendbrot esse, in der berechtigten Hoffnung, dass da was für sie abfällt.

    Jetzt mag ich sie halt mal nicht drinhaben ( aus welchen Gründen auch immer) und schicke sie aus der Küche mit " raus". Dann geht sie, aber wenn sie Anstalten macht, wieder reinzukommen, reicht es den Oberkörper auf sie zuzubewegen und sie anzusehen ( gerade und eher fest). Dann legt sie sich vor der Schwelle ab.

    Beim Blocken zum Beispiel "drückt" man ja auch den Hund körpersprachlich weg. Da wird man ja beim Fremdhund normalerweise nicht taktil.

    Ich denke also schon, dass man öfter körpersprachlich Druck ausübt. Auch eher unbewusst.

  • Die Swiffer

    So läuft es bei uns auch. Frage: aufgebaut aber doch trotzdem mit Kommando, oder?

    Zumindest mache ich das so. Kommando + Körpersprache, später nur noch Körpersprache.

    Ich kommandiere meinen Hund nicht gern rum, spreche draußen mit Hund so gut wie nie und habe mir angewöhnt viel allein über Körpersprache zu machen. Eben wie auf deinem Video.


    Ich sehe das auch nicht als Druck, sondern als Kommunikation.

    Echter Druck wäre, wenn ich den Hund immer und immer wieder Situationen aussetze, die er nicht lernen will/kann, wie auch immer, und ich das nicht erkenne.

    Ein minimaler Druck, um das Zusammenleben angenehm zu gestalten, halte ich für normal und nicht schädlich. So funktioniert das nun mal, wenn man einen einigermaßen erzogenen, alltagstauglichen Hund möchte.


    Vielleicht geben viele Menschen ihren Hunden nicht die angemessene Zeit, um zu lernen und zu zeigen, dann wird Druck aufgebaut, weil Mensch ungeduldig wird. So was versuche ich zu vermeiden, aber ich habe da eben auch nichts im Nacken. Mein Hund muss nichts in einem bestimmten Zeitraum können. Wir üben, wenn’s nicht passt, lasse ich es eine Weile ruhen und versuche es an einem anderen Zeitpunkt wieder. Deswegen gehen wir auch nicht mehr zu Hundeschulen und ich bin auch kein Vereinstyp. Ich nehme mir die Zeit, die der Hund braucht.


    Auf den unbewussten Druck muss ich allerdings mal achten, wobei ich denke, im Rahmen, kann das ein normaler Hund ab. Angsthunde usw. Ist da natürlich etwas andres.

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