Wir brauchen unsere Tierärzte!

  • Ja, wir brauchen unsere Tierärzte, aber ich zweifle etwas daran, dass wir die Hightech- Gerätemedizin brauchen, die jetzt auch in der Vet-Medizin auf dem Vormarsch ist.

    Auch deshalb steigen immer mehr Medizin- Konzerne ein und der "alte Praktiker", der eben kein MRT, CT oder ähnliches rumstehen hat, gerät unter Druck, weil die Kunden heute eine fast ausufernde Diagnostik erwarten. Und auch, weil die Kunden bezüglich der Verfügbarkeit für "Notfälle" immer fordernder werden. Ein Notfall ist für mich, wenn die Gefahr besteht, dass der Hund ansonsten am nächsten Morgen tot ist, d.h. ein schwerer Unfall, heftige Bissverletzungen oder eine Magendrehung und nicht, weil der Hund mal nichts frisst, ein bisschen humpelt oder Flitzekacke hat.

    Ich jedenfalls bin dankbar für meinen erfahrenen Praktiker, der mich eher runterholt, wenn ich selber mal zur Helikopter- Hundemutter mutiere und dank Google den Hund sofort an der Schwelle des Todes sehe.

    Der hat moderate Preise, auch weil eben keine teuren Geräte abfinanziert werden müssen. (Und was da ist, wird eben auch genutzt, ob es jetzt dringend nötig wäre, das CT zu machen oder auch nicht.)

    Auch denke ich nicht, dass wir im Tierbereich an Therapie alles machen sollten, was im Humanbereich mittlerweile Standard ist. Ich warte ja nur darauf, dass hier der erste aufschlägt, der seinen 16- jährigen Hund mittels Magensonde ernähren lässt, weil der nicht mehr fressen mag.

    Die Lebensqualität des Tieres Hund ist völlig anders zu ermitteln als die des Verstandeswesens Mensch.

    Und ich möchte Tierärzte, die Tiere nach bestem Wissen und Gewissen behandeln und nicht in erster Linie den Kunden Mensch befriedigen, oftmals zu Lasten der Tiere.

  • KayaFlat Ja, ich verstehe deinen Gedankengang. Aber meine Smilla wäre heute tot damit, zumindest wäre kein Leben für sie mehr möglich gewesen, sie hat eine sehr seltene Form von erregungsabhängigen Anfällen, die keine Epilepsie sind und schlägt auf die klassischen Medikamente auch nicht an. Sie hatte mehrere Anfäle pro Tag damals. Ohne extrem engagierte Ärzte und ja, alles was an Diagnostik und Möglichkeiten existiert, wäre sie nicht mehr da

    Für meine Lucy wäre ein so langes Leben auch nicht möglich gewesen, hätten wir sie nicht durchchecken lassen mit MRT, sie hatte angerissene Kreuzbänder, das war anders kaum feststellbar. Grisu ebenso, mit seinem Bandscheibenvorfall.

    Ist schön, wenn man in einer solchen Situation noch nicht wahr. Ich bin für die "HighTech-Geräte-Medizin" jedenfalls dankbar. Hat Lucy so letztlich auch einen schnellen Tod beschert, hatte nichts mit Vorerkrankungungen zu tun, sondern war ein Tumor, der in Organe gewachsen war. Festgestellt wurde das in Sassari in der Uniklinik, das ist auf Sardinien. Wir waren im Urlaub dort. Und konnten sie erlösen. Ich bin ein großer Fan von Hightech in der Hundemedizin, es erspart viel Leid

  • Ich muss jetzt auch mal noch meinen Senf zu der Sache dazugeben. Ich bin gelernte TFA und möchte auch Veterinärmedizin studieren. Ich arbeite aktuell nicht in meinem Beruf. Nicht, weil er mir nicht gefällt, sondern weil ich hier schlicht und einfach nur schwer davon leben könnte. Stattdessen arbeite ich aktuell als ungelernte Arbeitskraft wochenweise in einer großen Firma und verdiene dabei das Doppelte. Das kann es doch nicht sein? Meine ehemaligen Kollegen können auch nur unter besonderen Voraussetzungen von dem Gehalt leben. Eine hat einen gut verdienenden Mann, die andere wohnt im Haus der Eltern, die nächste muss nur Nebenkosten zahlen, da die Wohnung Angehörigen gehört. Anders geht es meiner Meinung nach bei den aktuellen Mietpreisen und Lebenskosten hier in Süddeutschland nicht - vor allem, wenn man noch Tiere hat. Das ist sicher in vielen Berufen ein großes Thema, aber hier MUSS sich etwas ändern. Meine ehemalige Praxis hat so massive Probleme ausgelernte TFAs zu finden und es wird immer schlimmer.


    Ich denke ein Problem hier ist, dass man in der Ausbildung eigentlich super viel lernt aber im Vergleich dann recht wenig machen darf. Ein guter Freund von mir ist MFA und hat nur gelacht über meine alltäglichen Aufgaben in der Praxis. Ich kann da nur über meine Erfahrungen sprechen und in anderen Praxen läuft es vielleicht anders, aber würde das Potential einer TFA ausgenutzt werden können, wären die Arbeitgeber sicher auch zu höheren Gehältern bereit. Wir dürfen ja nicht mal impfen, ohne, dass ein TA daneben steht…


    Und da kommen wir zu meinem nächsten Punkt: Diese elende Bürokratie in Deutschland und die ganzen - zum Teil wirklich fragwürdigen -Regelungen, die von Menschen aufgestellt werden, die vom realen Leben - geschweige denn von der Veterinärmedizin- nicht die leiseste Ahnung zu haben scheinen. Und es wird immer kurioser. Was ich da alleine in den 2 Jahren Ausbildung mitbekommen habe… Kein Wunder hat da keiner mehr Lust zu Praktizieren und erst recht eine Praxis zu führen, wenn man nicht mal so behandeln darf, wie man könnte und dazu noch drölfzig Dinge beachten muss, damit man auch ja kein Gesetz verletzt. Wie mein ehemaliger Chef immer sagte: Als Tierarzt stehst du immer mit einem Bein im Knast. Dass da auf viele Sachen geachtet werden muss ist logisch aber manchmal frage ich mich auch, wer auf die teilweise gruseligen Vorschläge da kommt.


    Zuletzt möchte ich noch anmerken, dass der Weg zum Tierarzt wirklich beschwerlich ist und es angesichts des Tierärztemangels vielleicht sinnvoll wäre, da etwas zu lockern. Ich war auf meiner Berufsschule in einer gesonderten Klasse für Abiturienten, viele mit der Absicht im Anschluss zu studieren. Von uns allen hat kein einziger einen Studienplatz bekommen. Trotz nicht ganz schlechtem Abitur, teilweise noch TMS und abgeschlossener Ausbildung in der Tiermedizin. Das Studium ist nur an 5 Standorten in Deutschland möglich. An 5! Das muss man sich mal vorstellen…


    Was wir als Tierbesitzer tun können? Uns in Geduld und Verständnis üben. Ich möchte hier nicht generell sprechen aber es ist wirklich eine Unverschämtheit, wie man von manchen Besitzern behandelt und hingestellt wird. Wir tun unser Bestes und es geht manchmal eben einfach nicht noch schneller. Wenn ich zum Arzt gehe, ist es für mich ganz normal, dass ich dort bis zu 2 Stunden und auch mal länger warten muss, wenn viel los ist. Wenn Frau Müller mit ihrem Fiffi an einem Freitag plötzlich unangemeldet vor mir steht, weil Fiffi ja seit 3 Wochen furchtbaren Durchfall hat und jetzt ja das Wochenende kommt, versuche ich mein Bestes um sie noch irgendwie in den sowieso schon total überfüllten Terminkalender reinzuquetschen, nur um dann letztendlich noch blöd angepampt zu werden, weil sie ja jetzt schon eine Stunde warten muss. In der Behandlung fällt der Guten dann noch ein, dass sie ja noch bitte die Krallen geschnitten haben möchte und ein Blutbild könnte man ja auch mal wieder machen. Hallo? Gehts noch?


    Ein paar nette, verständnisvolle Worte sind da so viel wert. Natürlich ist es auch schön, wenn ein Tierbesitzer mal ein kleines Dankeschön vorbeibringt aber ein einfaches „Danke, dass ich noch kommen durfte.“ oder „Es ist kein Problem, dass es etwas länger gedauert hat. Wenn wir einen Notfall haben, möchten wir ja auch, dass uns geholfen wird.“ kosten niemanden etwas.


    Alle versuchen nur ihr Bestes, viele sind aktuell am absoluten Limit und ich finde Vorwürfe und Schuldzuweisungen sind da einfach unangebracht und Treiber der Abwärtsspirale. Ich weiß es ist manchmal schwierig, gerade wenn es um das geliebte Tier geht aber bitte einfach immer bedenken: Niemand möchte euch oder eurem Tier etwas Schlechtes, sonst wäre er sicher nicht in diesem Berufsfeld.

  • Spannend. Ich empfinde das genau anders herum: habe MFA gelernt und arbeite jetzt in der Tiermedizin. Das sind WELTEN - ich hab jetzt sooo viel coolere und spannendere Aufgaben, darf praktisch gesehen viel mehr machen und oft ziemlich selbstständig arbeiten.


    In unserer Praxis werden die Stärken der einzelnen Mitarbeiter wirklich gut genutzt, um den Patienten bestmögliche Versorgung zu gewährleisten und die tierärztliche Arbeit zu unterstützen und ergänzen.

  • Ja, ich denke das ist echt auch nochmal stark davon abhängig in welcher Praxis man ist. Super, dass es bei euch so läuft :smile: Ich hätte sehr gerne mehr gemacht und hab auch oft danach gefragt aber leider standen meistens andere Dinge im Vordergrund. Es reizt mich ja schon auch nochmal in eine andere Praxis reinzuschauen aber das wird jetzt OT.

  • Ich habe einen langen, sehr emotionalen Text geschrieben und mich jetzt dazu entschieden, ihn nicht zu posten.


    Aber ...


    Wer sich für das Thema interessiert, kann auch mal dieser Kollegin zuhören. Ja, es ist lang. Aber es gibt einen wirklich guten Einblick in den Beruf, wie wir ihn jeden Tag erleben. Ich kann ihren gesamten Beitrag einfach nur zu 1000% beipflichten! Ist wirklich sehenswert, weil es alles zusammenfasst.


  • Zitat von Lara004

    Da Sterbehilfe in der Humanmedizin nicht erlaubt ist, ist dort der Zugang zu Mitteln, die garantiert tödlich sind auch kleiner.

    in der Schweiz, wo der Bericht her ist, schon.


    Ich glaube, viele Vet-Studis studieren Tiermedizin, weilnsie Tiere lieben...

    Und landen dann in der industriellen Tierproduktion.

    Das ist bestimmt für viele ernüchternd, TÄ für Haustiere sind psychisch wohl besser dran.

  • nein.

  • Und selbst die Tierklinik der Uni Göttingen bietet keinen 24h Not Dienst mehr an. Für wirkliche Notfälle sieht es je nach Region leider echt mau aus. Und damit meine ich auch nicht sowas wie seit nem halben Tag leicht Durchfall, ne Zecke die ich nicht entfernen kann, sondern böse Verletzungen, Magendrehung usw.

  • Ich habe einen langen, sehr emotionalen Text geschrieben und mich jetzt dazu entschieden, ihn nicht zu posten.

    Schade ... ich hätte es gerne gelesen

    Zitat von Lara004

    Da Sterbehilfe in der Humanmedizin nicht erlaubt ist, ist dort der Zugang zu Mitteln, die garantiert tödlich sind auch kleiner.

    in der Schweiz, wo der Bericht her ist, schon.

    da braucht es nicht die Schweiz für .... Propofol

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