Junghund „greift“ Fahrradfahrer an

  • Vergiss es. Das funktioniert so nicht

    Vor ein paar Jahren wurde das leider ständig in jedem Hundeforum so verbreitet, und wir haben das geglaubt.


    An einem Neujahrsmorgen an einer belebten Straßenkreuzung war der Hund wieder total chaotisch und mir war total schlecht - nicht von Silvester. Ich war fertig mit dem Hund und der Welt. 5 Minuten entfernt ist ein Neubauviertelchen mit Vorgärtchen ohne Zaun. Dort war es ganz ruhig und wir sind eine halbe Stunde stehen geblieben und wir haben die Grashalme und die Tautropfen daran gezählt. Von da an wurde es im Laufe der Wochen und Monate ganz langsam immer besser. Die Hausbesitzer hatten befremdet geschaut. Ich habe es ihnen erklärt und dass wir nichts ausbaldowern.

  • PS

    Unser Hund hatte die ersten zwei Jahre rote Augen. Die Amtstierärztin hat das nicht interessiert, die super nette Trainerin auch nicht. Neulich waren hier massenhaft Securityleute. Einer hat mir nachts ein Bild von seinem Aussie gezeigt. Und ich habe von meinem Hund erzählt. Er: "Rote Augen? Klar. Dauerstress!" Unter Dauerstress kann ein Hund nichts lernen. In den Foren hat man auch jahrelang den Unsinn von der "Auslastung" gelesen. Stumpfsinnig durch die Gegend zu rennen, ohne nachzudenken und ohne Ursachenanalyse, bringt gar nichts. (Wir werden etwa einmal pro Woche auf unserem (optisch) guten Hund angesprochen. Neulich hat sogar eine Reisegruppe aus Mexiko meine Frau gefragt.)

  • mit Leckerlis etwas aus dem Tunnel zu holen

    Der hat uns die Kekse vor die Füße fallen lassen. Ich wollte sie ihm rein stopfen. Ging nicht. Einmal hatte er über die Straßenkreuzung in 50m Entfernung einen anderen Hund fixiert. Völlig starr und steif, nicht ansprechbar. Ich habe ihm mit einem zusammengeklappten Schirm leicht auf den Rücken geklopft. Er wurde locker, zwei Schrittchen links, zwei rechts, umdrehen, mich anschauen: "Was ist??? Wo bin ich???" Als wäre er aus einem Albtraum erwacht. (Der billige, alte Schirm war leicht verbogen.)


    Aber wie soll man zeigen und benennen und Kekse verteilen, wenn man nachts seine, des Hundes, HInterlassenschaft aus dem Gras neben dem Gehweg klaubt, den Kram an der Hand hat, und es kommt bergab mit 25km/h von hinten auf dem Gehweg eine Radfahrende ohne Bremse, Klingel oder Licht? Man war in der Hocke und ist froh, dass man nur auf dem Boden liegt und der Hund die 75kg nicht schnell genug hinter sich her schleifen kann. Verdammte ScheiBe!

    Das geht halt nicht, weil der Hund im Tunnel (in sehr hoher Erregungslage) einfach kein Lecker nimmt.

    Da muss erst das Erregungslevel runter, damit er für so was Banales wie ein Frolichäppchen Kapazitäten hat.

  • Du hast es hier schon richtig erkannt. Sobald er Fahrradfahrer sieht, kommt er in einen Tunnel. Er richtet sich auf, fixiert die Fahrradfahrer. Man merkt richtig, wie die Anspannung steigt, je näher die Fahrradfahrer kommen. Es ist dann manchmal möglich, ihn mit Leckerlis etwas aus dem Tunnel zu holen, der Blick geht aber immer wieder zu den Fahrradfahrern.

    Wenn wir umdrehen, dreht er sich zB auch immer wieder um.

    Am Wochenende war es so schlimm wie noch nie, da hat er einfach jedes Fahrrad angesprungen und böse angebellt. Wir haben auch eine Pause auf einer Bank neben der Straße gemacht. Ich habe die Leine an der Bank befestigt, es kamen Fahrradfahrer, Smartie hat nichts gemacht. Okay, nichts stimmt nicht, er wollte losstürmen, da die Leine aber an der Bank befestigt war, ist er schon direkt am Anfang so hängengeblieben, dass er nur 10cm los konnte. Danach war er direkt aus dem Tunnel und hat mich angeschaut. Der Fahrradfahrer war plötzlich egal. Ich vermute hier, dass der feste Rückstoß ihn überrascht hat, die Bank bewegt sich im Gegensatz zu mir keinen Zentimeter weit wenn er losstürmt.

    Das Fettgedruckte hat mich angesprungen:


    Okay, was machst du, wenn dein Hund sich aufrichtet, weil er am Horizont einen Radfahrer sieht?

    Wirkst Du da auf ihn ein? Bringst du Abstand rein? Oder bist du dann nur noch Statist?


    Wie kann es sein, dass du dich mit deinem Hund nah genug an Radfahrer befindest, dass er sie anspringen und böse anbellen kann?


    Und, kannst du den Hund denn nicht halten, so dass er dich hinterherzieht? Dann hast du die falsche Technik. Lass dir das zeigen, wie man einen Hund begrenzt, so dass der nicht auf die Seite rüberspringen kann, wo die Radfahrer fahren.


    Dass sich das Problem verschlimmert hat, kann ich gut nachvollziehen, siehe Wasserdusche.

    Jetzt geht es darum, dem Hund erstens sowas wie "Pause" beizubringen, sprich, sich zusammenzunehmen. Das lernen in unserer Hundeschule die Welpen und Junghunde in der allerersten Kursstunde.

    Hund befindet sich neben dir, du sitzt zb auf einer Bank oder stehst herum, Fuß auf der Leine, so dass der Hund nicht weg kann. Hund kann sitzen, stehen, liegen (von selbst hinlegen hab ich immer bestätigt, indem ich dem Hund ab und an ein Leckerli zwischen die Vorderfüße hab fallen lassen) und dann vergeht eben Zeit, bis der Hund völlig entspannt.


    Das übt man zuerst zu Hause. Dann in einer ruhigen Ecke im Garten, allein. Dann, wenn es klappt und der Hund sich tatsächlich ruhig hinlegt ganz von selbst, dann kann man das mal auf einer ruhigen Nebenstraße probieren, oder wenn eine Nachbarin Hallo sagt. Das Signal ist dann, Fuß auf der Leine bedeutet Entspannung, Warten und Pause.

    Erst viel später kann man dann dieses Kunststück zb an einem Wanderweg einfordern, wenn man Rast macht oder unter stärkerer Ablenkung. Vielleicht kommt man dann nach einiger Zeit auch dahin, dass es funktioniert, wenn der Hund einen Radfahrer sieht (zb im Biergarten, wenn er liegt und Radfahrer kommen in den Hof gefahren).

    Das kann man dann sogar aktiv üben.


    Jetzt den Hund ohne Vorbereitung mit seinem Trigger zu konfrontieren, ohne dass er gelernt hat, wie er sich selbst reguliert, finde ich ehrlich gesagt unfair. Du bindest ihn an der Bank an, und er springt in die Leine und wird vom Ruck zwar gestoppt, aber gelernt hat er nichts, außer dass die Bank stärker ist als er. Das erinnert mich an Leute, die ihren Hund mit Leinenaggression am Laternenpfahl schnell festbinden, weil sie ihn nicht halten können. Als erste Hilfe vielleicht noch okay, aber lernen tut der Hund so nichts.


    Dein Hund muss lernen, mit seiner Umwelt zurechtzukommen und dafür Strategien entwickeln, wie er das am besten kann. Du musst ihn da durch lotsen. Er hat ja sonst niemanden, und wenn er selbst entscheidet, siehst du ja, was rauskommt.


    Wo seid ihr denn ungefähr her, dann empfiehlt euch sicher jemand gute Trainer, die euch das nötige Handwerkszeug vermitteln, um eurem Hund zu helfen.

  • Zitat

    Jetzt geht es darum, dem Hund erstens sowas wie "Pause" beizubringen, sprich, sich zusammenzunehmen. Das lernen in unserer Hundeschule die Welpen und Junghunde in der allerersten Kursstunde.

    Und das wäre dann genau das, was ich als "Notbremse" bezeichnen würde: dass der Hund lernt, von Anfang an und immer weiter aufgebaut, dass es Situationen gibt, aus denen er sich diskussionslos rausnehmen und dem Menschen die Entscheidung überlassen muß.

  • Australian Shepard

    Google --> australian shepherd schutztrieb


    Das ist angezüchtet. Muss nicht trainiert werden. Das muss beim Welpen bei der Mutter "weg geprägt" werden.


    Google --> Hund Synapsen


    Wenn wegen Reizarmut beim Welpen massenhaft Synapsen fehlen, dann wird es etwas schwierig und teuer. Und heilen kann man das nicht, nur etwas kompensieren. Für die Weide sind solche Hunde gut genug und unauffällig.


    Aber bei dem Hund hier sehe ich solche Probleme nicht. Mit Geduld und Spucke... und genügend Halterkraft und Fahrrädern mit betätigten Klingeln... Der Hund darf bloß nicht zum Erfolg kommen. Dann wird er zum Fahrradjunkie. Naja, bei dem ist es hoffentlich wohl nur eine Phase in der Entwicklung.

  • uff...ne...ich sag da jetzt nichts dazu :zipper_mouth_face: :see_no_evil_monkey:

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!