Artgenossenaggression: Wie schätzt man ein, ob ein Hund wirklich "Ernst" machen würde?

  • Viele von uns haben ja Hunde, die nicht so sehr auf fremde Artgenossen stehen. Das kann ja durchaus unterschiedlich aussehen und unterschiedliche Beweggründe haben.


    Aber woran erkennt ihr, ob euer Hund seine Artgenossenaggression "ernst meint", also tatsächlich mehr als abschnappen in die Luft zeigen würde?

    Ob er "tackern" würde oder ob er massiv beschädigend zulangen würde?

    Woran erkennt ihr, ob euer Hund sich mal kurz "Luft machen" würde und danach wäre gut oder ob er sich nicht binnen Sekunden wieder selbst einnorden würde?

    Woran erkennt ihr, ob euer Hund das Verhalten selbstständig beenden kann, wenn ihr nicht dabei seid?


    Sind das bei euch mehr als private Einschätzungen? Werden solche Einschätzungen auch von Trainer*innen vorgenommen und wie machen die das?

    Wie erkennt man, ob die das gut und aussagefähig testen?


    Ich bin mir sicher, es entstehen noch mehr Fragen im Gesprächsverlauf, aber das vielleicht mal als Einstieg...

  • Weil ich ja so einen Hund habe :


    Ich merke es an der ganzen Grundspannung im Hund. Das Gegenüber wird drohfixiert, es brodelt richtig im Hund, und man merkt auch bei Hasshunden wie die Spannung schon hoch geht wenn dieser sog Hasshund nur gerochen wird.


    Und wenn das Gegenüber genauso drauf ist, dann is wirklich tiefdunkelrot.


    Wenn es nur maulen ist, ist der Hund nicht ganz so extrem fixiert, regt sich schneller ab und reagiert später. Man merkt dass da nicht so viel "Dampf" dahinter ist.

    Wenn es nur Fronten klären ist, kann das mitunter auch recht souverän wirken. Man sieht mehr Körpersprache, weniger Spannung.


    Lautstärke würde ich weniger Werten, wenn der Hund an der Leine ist. Denn die zeugt dann häufig von Frust. Aber auch die Art unterscheidet sich. Wenn es ernst ist, dann hört man auch den Frust darüber dass die Hunde von der Leine so eingeschränkt sind raus.


    Und ich hab natürlich auch schon gesehen wie das bei ihr aussehen kann. Damals, als sie sich mit Susi verkracht hatte.


    Insgesamt ist es dann weniger Theater, mehr das innere Brodeln, das den Unterschied zwischen "weniger Ernst" und "Ernst" aus macht.

    Der ganze Hund strahlt dann weniger ein ,, Komm her wenn du auf die Fresse willst! " sondern mehr ein,, Ich bring dich um!" aus.

    Bei Menschen kennt man bestimmt auch diesen starren, aggressiven Blick, oder? Genau das meine ich. Da geht's dann gleich in die Vollen, so ein Theater hats dann nicht nötig (wenn auch sich Theater ins Unermessliche hoch schaukeln kann, natürlich).

  • Ich habe diesbezüglich einen ziemlich einfachen Vertreter. Da gibt es die Option "Is mir egal" und die Option "Zeit für einen chirurgischen Eingriff ohne Narkose". Und er ist noch nie von sich aus auf einen Hund los, bei den paar Feinden gab es jeweils eine Vorgeschichte. Heißt wenn er versucht vor zu gehen, dann würde es auch knallen.


    Ansonsten, die paar Male wo einer meiner Hunde ernsthaft gebissen wurde: Gar nicht. Also zumindest nicht ich als fremder Passant der nicht wusste was gleich kommt und entsprechend nicht zu 100% aufmerksam war. Wenn dann erkenne ich Pöbler, die es eben nicht Ernst meinen. Also dieser Typ hier: https://die-besten-100.de/bilder/images/533.jpg

  • Mein alter Rüde mochte keinen Kontakt zu anderen Hunden. Er war sehr laut bei der Abwehr, hat geschnappt, aber nie ernst gemacht. Das weiß ich wegen der ganzen Tutnixe, die immer wieder in seinem Gesicht klebten.


    Mit meiner Hündin jetzt gehe ja recht regelmäßig zur Hundewiese.

    Sie ist sehr sozial und mit einer der freundlichsten Hunde dort.

    Es gibt aber z.B. eine Hündin, da merkt man, wenn es halt kippt und dann auch ernst wird.

    Wie weit die Hunde nach dem Kippen gehen würden, weiß ich nicht, weil ich es so weit nicht kommen lasse.

    Man sieht vorher deutlich, dass die Hunde und ihre Bewegungen steif werden, die Gesichter und saugen irgendwie fest. Auch der Ton wird dann ernster.


    Wir hatten auch letztens eine Beißerei zweier Rüden, bei der der eine definitiv beschädigend zugebissen hat.

    Auch dort hat man vorher sehr deutlich gesehen, wie steif die Hunde wurden, es gab kaum einen Ton und eine Bewegung vorher, bis es dann eskalierte und sich alles überschlug.


    Ich bin ehrlich, ich erkenne inzwischen, ob das Spiel meines Hundes zu kippen droht und ob ich aufpassen muss, aber ob es dann daraus so ernst wird, dass sich die Hunde wirklich beschädigen wollen würden oder ob es dann nur eine Stänkerei wäre, kann ich nicht einschätzen.


    Ich denke, sowas kann man am besten unter kontrollierten Bedingungen mit Menschen testen, die wirklich wissen, was sie tun und mit dann entsprechend gesicherten Hunden.

  • Bei meinem grundsätzlich sehr netten! xD Hund gibt es drei Aggressionszustände:

    1. Imponiergehabe + Kommentkämpfe, also anderen Hunden gegenüber: Ich weiß, dass mein Hund nicht ernst macht, weil er ein klares und sehr routiniertes Verhaltens- und Deeskalationsrepertoire hat und weil ich schon einige Gelegenheit hatte, das in Gänze zu beobachten (einmal mit Ute Heberer beim Workshop und mit drei Trainerinnen, mit denen ich hier so zu tun habe).
    Ich weiß also, wie die "Streiteren" ablaufen und ich weiß auch, dass mein Hund sich aus Kneipenschlägereien lieber raushält - auch wenn er sich durchaus Kommentkämpfe liefert - weil ich genau dazu gezielt Workshops besucht habe.
    Das Problem ist eher, dass man das Gegenüber richtig einschätzen muss. Also ich weiß, wie mein Hund tickt, kenne aber den anderen nicht und habe da eher Probleme, es richtig zu sehen. Ich vermute aber, dass ich es an meinem Hund erkennen würde. Wenn mit dem anderen wirklich nicht zu spaßen ist, dann verhält er sich eher deekalierend.
    Auf dem Workshop mit Ute Heberer sagte eine Trainerin zu mir, sie habe noch nie einen Hund gesehen, der so klar und routiniert kommuniziert, um eben Ernstkämpfe zu vermeiden (und trotzdem der Gewinner zu sein).
    Daher weiß ich nicht, wie es aussieht, wenn er es anderen Hunden gegenüber ernst meint - das gab es einfach noch nicht.

    2. Aggression Menschen gegenüber (statusbedingt, vielleicht auch Ressourcenverteidigung): Ernst kann es mein Hund allerdings auch meinen, aber nicht Hunden gegenüber, sondern Menschen. Da zeigt er zum einen eine andere Körperspannung, der Blick ist anders (ich weiß nicht, ob das schon das Walauge ist), er hält die "Ressource" (falls es um die geht) nicht fest, sondern den Kopf leicht darüber - und das Knurren ist kehliger, rasselnder.
    Im Konflikt mit jemandem, von dem er sich bedroht (bzw. reglementiert) fühlt, ist er aber bisher immer derjenige, der nachgibt. Vorausgesetzt, derjenige hält ihm stand, ohne ihn weiter zu bedrängen.
    Bisschen Unsicherheit ist wohl auch dabei, wenn er denjenigen kennt und gut einschätzen kann, ist es weniger schlimm.

    Ich muss aber dazu sagen, dass es zu diesen Situationen im Alltag nicht kommt, also er stellt keine Gefahr dar, hat Fremden gegenüber Respekt und kein Thema mit denen. Also er ist kein aggressiver Hund, das Verhalten zeigt er nur in ganz bestimmten Situationen mit bestimmten Menschen.

    3. Und dann gibt es noch eine Form von Aggressivität, die ich eher als emotional bezeichnen würde. Da flippt er total aus (in der Regel an der Leine), z. B. wenn er einen bestimmten Typ Hund sieht (Husky). Die findet er leider unmöglich! Er bekommt dann einen regelrechten Wutausbruch und kann einem da auch schon mal in den Arm hacken (das ist dann aber eher Typ blauer Fleck als Typ Bisswunde). Da lässt er sich auch ganz schlecht wieder rausholen, es dauert lange, bis er sich beruhigt hat.
    Steht übrigens in seiner Rassebeschreibung, dass sie zu Wutausbrüchen neigen. Er kann da also nichts für. :sweet:

  • Bei Nomi kann ichs gar nicht sagen. Ich erlebe keine Agression gegenüber anderen Hunden bei ihr. Entweder sie mag sie, oder sie ignoriert sie, was anderes kenn ich gar nicht.


    Bei unserer Omi gab's zwei Stufen: Wild Bellen, laut und unkoordiniert, hysterisch in die Leine springen, nicht mehr ansprechbar sein, riesiger Radau, ein schnell wedelnder Schwanz, war die erste. Wenn ich sie so zum anderen Hund gelassen hätte, wäre nicht viel passiert, außer, dass ihr der andere Hund vielleicht die Meinung gegeigt hätte, evtl. ein kleiner, kurzer Schaukampf, schnüffeln, abchecken, fertig. Eine mega Show um nichts.


    Stufe zwei war anders. Das hab ich nur wenige Male in voller Ausprägung erlebt bei ihr, aber ich wusste sofort, jetzt ist es toternst. Bei mir haben sich die Haare aufgestellt, nicht nur sprichwörtlich, sondern tatsächlich. Der ganze Hund ist stocksteif geworden, sie hat den anderen Hund von unten mit 100% festem Blick fixiert. Wenn sie sich bewegt hat, dann im Zeitlupentempo. Der Schwanz stand pfeilgerade nach oben aber ohne Wedeln, die Lefzen waren komplett übers Zahnfleisch hoch gezogen, das Maul war leicht geöffnet, die Fangzähne sah man komplett. Ein tiefes, langgezogenes Knurren war zu hören, in der Phase gabs kein Bellen. Blitzschnell, von einem Moment auf den anderen reagierte sie auf die kleinste Bewegung des Gegenübers mit einem Sprung nach vorne und ich bin mir sicher, sie wäre ihm auch an die Gurgel gegangen. In dieser Phase war sie viel klarer im Kopf als in der ersten. Die Selbstregulation war aber wegen der Ernsthaftgkeit ihrer Absichten überhaupt nicht möglich, dazu hätte sie wie ein Mensch Selbstreflexion betreiben müssen. Ich hab sie in der Situation beinhart blockieren müssen und zusehen müssen, dass der andere Hundehalter Meter gewinnt.


    Die erste Stufe wirkte ausnahmslos für alle wesentlich bedrohlicher. Das leise, statische hat sogar mal jemandem verleitet, mit seinem Hund (der grade Omis Endgegner war) auf uns zuzugehen und sie streicheln zu wollen, mit den Worten: "Du bist aber eine Brave!"

  • Ich dank euch sehr.

    Fusselnase - was denkst du, was passieren würde, wenn er einem Husky begegnen würde und unangeleint wäre?

    Und was würde passieren, wenn er schon im Wutanfall wäre und dann würde z.B. einfach der Karabiner bersten oder so?


    Ich frag mich echt: wie findet man das sicher heraus, was die Motivation ist und was passieren würde.

    Werden solche Sachen beim Wesenstest getestet? Wie würde das wohl ausgewertet?


    Manchen Leuten scheint die Eischätzung ja leicht zu fallen (ich hab übrigens das Gefühl, es bei Fremdhunden besser einschätzen zu können als oft bei meinen eigenen), z.B. hier, ich will nicht über den Hundetrainer reden, der gehört so ein bisschen zu meinen Lieblingsfeinden, aber in dieser Sequenz hier kann seine Sendung eigentlich gut zur Illustration dienen:

    Lena trifft andern Hund an der Leine und brüllt den schon sehr vehement an.

    Und der Trainer sagt, dass sie in dem Moment ungesichert sicher verletzt hätte.

    Ist diese Einschätzung auch mit davon geprägt, dass das eben ein DJT ist?

    Oder ist es wirklich so absolut klar, dass Lena hier beschädigen würde?

    Klar, die will nicht spielen. Aber woran genau sieht man, dass sie wirklich ernst machen würde?

    Fahrradanhänger für Hund: So fahren selbst sture Hunde mit | Hunde verstehen | S06/E02 | WDR
    Jagdterrierhündin Lena steht ständig unter Strom, hat immer alles im Blick und an der Leine will sie jeden Hund angreifen. Doch im gleichen Haushalt lebt inz...
    youtu.be
  • Fusselnase - was denkst du, was passieren würde, wenn er einem Husky begegnen würde und unangeleint wäre?

    Und was würde passieren, wenn er schon im Wutanfall wäre und dann würde z.B. einfach der Karabiner bersten ode

    Oh, das weiß ich, das kam schon mal vor! Sowohl mit Huskys als auch mit dem Akita von nebenan.
    Das Ausflippen passiert nur an der Leine, das Phänomen kennt man ja - Leinenpöbelei eben. Ohne Leine rennt er hin und provoziert. Imponiergehabe hoch zehn, markiert wie ein Weltmeister, scharrt, schneidet dem anderen den Weg ab. Aber er geht nicht auf ihn drauf.
    Ich glaube, er möchte, dass der Husky ihm huldigt oder so, aber er will ihn nicht verprügeln. Wenn der Husky dann berechtigterweise sagt: "SO nicht, mein Freund", dann könnte es natürlich zur Prügelei kommen.
    Aber glücklicherweise habe ich durch sein routiniertes Verhalten Zeit genug, ihn einzusammeln*. Ich habe also einen klassischen Tutnix (verdammt :hust: ).

    *worauf er allerdings wütend reagiert, also in dem Fall könnte er das dann an mir auslassen - aber das geht schon. Er brüllt mich dann halt an.

  • ich bin ja immer wieder völlig verwirrt nach solchen Videos:


    Two dogs can't figure out if they love each other or hate each other
    This is the hilarious moment two dogs barked ferociously at each from either side of a gate – but whimpered softly when it was opened.The two-year-old pooche...
    www.youtube.com


    Dog barking throught the gate PART II
    *** PART I (original): https://www.youtube.com/watch?v=tJ8eTb6xr_k ***https://www.jukinmedia.com/licensing/view/951123Otro video de los perros ladrando en el...
    www.youtube.com


    ^^

  • Ja, genau - Pöbeln macht Spaß, Provozieren auch (und Eindruck schinden), aber ernst muss es nicht werden. xD


    Ist diese Einschätzung auch mit davon geprägt, dass das eben ein DJT ist?

    Das ist gut möglich! (ungünstiger Maulkorb übrigens) Bei Lucumon sieht das übrigens schon ähnlich aus (aber nur beim Feindhund oder wenn ich das durch meine Unentspanntheit heraufbeschwöre), aber ich bin eben ziemlich sicher, dass er nicht mit Beschädigungsabsicht drauf gehen würde. Insofern finde ich das auch echt schwierig zu beurteilen - und Jagdterrier machen ja schon eher kurzen Prozess als Griffons, vom Zuchtziel her.

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