Ein Leben mit dementem Hund

  • Hallo zusammen,

    nach dem Tod unseres blinden Parson Russel haben wir uns nach einem Jahr wieder einen neuen "gebrauchten" Hundesenior zugelegt (März 2022). Es ist ein Jack Russel, der aus schlechter Haltung kommt und 14 Jahre alt ist. Er hatte 2 Vorbesitzer und bei der letzten Dame hatte er wohl immer ein Geschirr an, damit sie ihn zum Gassi gehen besser "packen" konnte. Er war angeblich auch aggressiv ihr gegenüber (hat gebissen). Das Tierheim hatte viel Arbeit, das Geschirr anziehen mit ihm zu üben. Anfangs hatten wir damit auch Probleme. Ich habe dann ein Geschirr das nicht über den Kopf angezogen werden muss (Curli vest) gekauft und mit viel Leckerli und Geduld geübt. Prinzipiell mag er es nicht, wenn man ihn an verschiedenen Stellen am Kopf und Maul anfasst. Meine Vermutung war, dass er wahrscheinlich geschlagen wurde. Das Gassi gehen musste er auch erst "erlernen". Aber alles in allem würde ich behaupten, dass es ganz gut lief: Gassi gehen, Spielen, Streicheleinheiten etc. Dann kam es aber zu einem gefühlten schnellen Abbau seines Wesens. Es fing damit an, dass mein Mann ihn zur letzten Gassirunde anleinen wollte. Da zeigte er dermaßen die Zähne, dass mein Mann ihn nicht anfassen wollte. Auch als ich zu ihm ging war es das gleiche Schauspiel. Ich wartete einen Moment und dann mit Leckerli und gut zureden war ließ er sich anziehen (Geschirr+Leine). Seitdem hat er dieses Verhalten in bestimmten Situationen immer wieder meinem Mann gegenüber gezeigt. Er hat ihn auch schon gebissen. Bei meiner Tochter ist das Verhalten nicht ganz so schlimm, sie kann ihn schon anfassen. Einige Zeit später wollte der Hund nicht mehr Treppen steigen (wir wohnen im 2 OG ohne Aufzug). Erst dachten wir, er hat keine Lust. Wir haben dann verschiedene Dinge ausprobiert: div. Leckerlis, gut zureden etc. Er war nicht dazu zu bewegen die Treppe hoch zu laufen, teilweise runter auch nicht. Wir haben ihn mal stehen lassen und dachten, dann kommt er schon, nein, auch das half nicht. Schlussendlich haben wir ihn getragen. Irgendwann legte er ein etwas unruhiges Verhalten an den Tag und wanderte in der Wohnung herum. Da dachte ich mir auch noch nichts dabei. Bis ich ihn dann manchmal gesucht habe und er dann teilweise zwischen oder hinter Möbeln stand und nicht mehr rückwärts raus lief oder sich ins (geschlossene) Katzenklo legte. Die Tierärztin tippte nach meinen Erzählungen auf Demenz. Seit dem Sommer bekommt er Vitofyllin, aber eine Besserung konnte ich nicht feststellen. Ich habe das Gefühl, dass es immer mehr zunimmt. Ich versuche ihn zwar immer wieder geistig zu fordern, aber mittlerweile bringt er mir den Ball nicht mehr wenn ich ihn werfe. Er läuft hinterher, nimmt ihn und schaut irgendwo hin. Danach dreht er sich zu mir um und ich rufe ihn und mache eine freudige Animation zum Herkommen, aber er sieht mich an, lässt den Ball fallen und kommt (wenn ich Glück habe) zu mir. Auch vor das Fressen muss ich ihn öfters setzen, ansonsten läuft er mir viel lieber hinterher. An manchen Tagen frisst er dann wieder von sich aus. Das Gassi gehen ist auch eher nicht sein Ding, einfach nur raus an die Ecke und das wars. Dann wieder hat er für kurze Zeit so viel Energie, dass er laufen will. Das hält aber nicht lange an und dann will er nicht mehr weiter laufen. Er lässt sich dann regelrecht ziehen. Als ich letzte Woche der Tierärztin mein "Leid" geklagt habe, sagte die nur zu mir das alte Hunde eben schrullig werden. Ich möchte dem Hund ja ein gutes, artgerechtes Leben bieten und wirklich sehr geduldig. Aber manchmal bin ich echt ratlos, ob das bei einem dementen Hund "normal" ist. Daher würde ich mich freuen, wenn es hier Menschen gibt, die Ihre Erfahrung im Umgang mit einem solchen Hund Rat geben könnten. Ich danke euch fürs Lesen.:smiling_face:

  • Hi, wir haben das so ähnlich hier mit unserem 14jährigen Senior, einem Westiemix.

    Das wichtigste ist mir, dass er schmerzfrei ist. Am besten du lässt dich bei eurem TA beraten.


    Ansonsten ist auch unser Senior empfindlicher, was anfassen angeht. Er hört und sieht nicht mehr gut und ist schnell überfordert. Man muss ihn vorsichtig händeln, weil er nicht hört, wenn man ihn anspricht, bevor man ihn zb hochheben will. Er schnappt dann auch ab, weil er nicht begreift, was man von ihm will. Alles muss langsam und bedächtig geschehen.


    Das ist halt der Lauf der Dinge, der Horizont schrumpft und Laufen oder Neues entdecken wird unwichtig. Dafür liegt unser Senior jetzt gern in der Sonne oder vor dem Kaminfeuer, frisst für sein Leben gern und wird auf seine alten Tage zum Couchkuschler, früher undenkbar.

    Jetzt ist die Zeit, wo man jede Minute genießen sollte, weil man nicht weiss, wie lange dem alten Tier noch bleibt.


    Alles Gute für euch!

  • Unabhängig von allem anderen: Habt ihr mal ein breites Halsband versucht? Meine beiden Russells verabscheuten Geschirre total, und die hatten/haben keine schlechten Erfahrungen damit. Sie mögen einfach kein Riemenzeug am Körper, und das scheint bei kleinen Hunden nicht selten zu sein.

  • Also normal ist bei Demenz relativ. Demenz zeigt sich bei den Hunden auch je nach Persönlichkeit anders.

    Unsere alte Affenpinscher-Hündin war fast blind, deutlich schwerhörig und dement. Sie stand manchmal einfach so im Raum, völlig abwesend. Dann wieder war sie völlig aufgedreht und sprang rum, wie ein Junghund. Draußen hat sie sich über einen wackelnden Grashalm aufgeregt, konnte sie nicht mehr zuordnen. Oft hat sie sich hingehockt und dann vergessen, was sie wollte...also pullern war ein Glücksspiel.

    Zuhause hat sie sich dann teilweise einfach so ins Wohnzimmer gehockt und hat ihr Geschäft erledigt....obwohl sie vorher jahrelang zuverlässig stubenrein war.

    Angegangen ist sie uns aber nie, maximal erschrocken, weil sie uns nicht gehört oder gesehen hat.

    Wir haben es immer so gehalten, dass wir unsere Hündin an guten Tagen "gefördert" haben, also größere Runden gegangen sind, und an schlechten Tagen haben wir sie einfach in Ruhe gelassen.

    Beim Lesen waren jetzt auch meine ersten Gedanken, dass euer Hund eventuell schlecht sieht und vielleicht Schmerzen hat. Habt ihr ihn mal gründlich durchchecken lassen?

  • Was wirklich wichtig ist-meiner Auffassung nach-, dass der Hund keine Schmerzen hat, gut verdaubare oder auf Schwächen (Herz, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse, Zähne) abgestimmte Nahrung erhält, die Vitamin-insbesondere B12-Versorgung passt und Freude durch moderate Bewegung nicht zu kurz kommt.

  • Hallo ihr Lieben :smiling_face:

    Danke erstmal für eure Antworten.

    Unser Jackie ist mehrfach untersucht worden. Er wurde auch auf Cushing getestet und die letzte Blut- und Urinuntersuchung liegt erst 2 Wochen zurück. Somit kann ich sagen, dass alle Werte soweit ok sind. Das er Schmerzen hat kann ich auch ausschließen.

    wildsurf: 100%ig hören kann er glaube ich nicht. Manchmal kann er die Richtung nicht zuordnen, also in welcher Richtung ich stehe wenn ich ihn rufe. Sehen kann er. Er läuft z.B. nicht gerne über Gullideckel und weicht ihnen aus und dem Ball läuft er auch hinterher. Wenn er mich im Spiegel sieht, dann läuft er auf den Spiegel zu und weiß nicht, dass ich hinter ihm stehe. Unsere Küchentür hat eine Scheibe und da schaut er auch immer durch und versteht nicht, dass er nicht rein kommt.

    Das Curli-Geschirr finde ich eigentlich ganz prima, da nur die Vorderbeine rein müssen. Da er ab und an kaum vorwärts zu bewegen ist, kann ich ihn daran auch besser an der Leine nehmen. Ein Halsband hätte ich ihm schon längst über den Kopf gezogen, wenn er nicht mehr weiter will und einfach plötzlich stehen bleibt.

    Ist das bei euren Senioren auch so, dass sie erst freudig mit euch raus gehen (fast schon rennen) und dann nach einiger Zeit einfach nicht dazu zu bewegen sind weiter zu laufen? Wenn ich dann stehen bleibe und versuche ihn zum Weitergehen zu animieren (z.B. Leckerli, Ball zeigen), dann hat das keine Wirkung auf ihn. Er legt sich einfach hin und es sieht so aus, als wäre er müde und will nun an Ort und Stelle schlafen.

    Ich nehme ihn mit auf die Arbeit, da er manchmal alle 2-3 Std. Pippi machen muss und ich dann individuell mit ihm raus gehen kann. Wenn ich auf der Arbeit ankomme und ihn dann aus dem Auto lasse, dann ist er regelrecht "aufgedreht" , total wild und will rennen. Im Moment hat er das sehr oft nach dem Auto fahren und ich fahre keine weiten Strecken (ca. 15-20 Min.).

    Zu Hause will er immer nur hinter mir her laufen, selbst wenn ich ihm nach dem Gassi gehen das Futter hin stelle. Ich muss ihn mehrfach davor stellen und dabei bleiben. Ab und an stelle ich ihn auch vor das Futter und mache die Tür zu, damit er zur Ruhe kommen kann und das Futter auffrisst. Das ständige hinter mir herlaufen macht mich manchmal recht kirre. Daher bin ich schon froh, wenn meine Tochter oder mein Mann ihn auch mal "übernehmen" (auf ihn aufpassen oder Gassi gehen). Mein Mann versucht zwar immer mal wieder sich ihm vorsichtig anzunähern, aber unser Hund scheint ihn nicht akzeptieren zu wollen. Das macht es nicht einfach. Gestern erst hat mein Mann sich nur neben ihn gesetzt, da hat er ihm schon die Zähne gezeigt. :person_shrugging:

  • Oh man da habt ihr ja gut was an Arbeit. Aber ich finde es klasse von euch, so einen Hund aufzunehmen! Meinen größten Respekt dafür!


    Also unsere Senioren (allerdings schon seit Welpenalter bei uns) wird langsam auch senil... zusätzlich ist sie auch noch auf dem einen Auge blind. Treppen steigen geht nur (aber körperlich) bei ganz ganz guter Laune. Grds wenn ich sie hochnehme zeige ich ihr erst mit meiner Hand vor der Nase, dass ich da bin (selbst davor erschreckt sie sich oft :( ) dann streichle ich sie sanft über den Rücken, wander unter den Bauch und hebe sie dann hoch ganz vorsichtig hoch.


    Sie kennt das Büro hier seid sie etwa 8 ist und schafft es dennoch sehr oft fast gegen die folierte Glastür zu laufen (also nicht mal annährend durchsichtig) sie ist schon öfter dagegen gelaufen und sollte eig. ganz genau wissen, dass da eine ist... In diesem Bereich passe ich immer besonders gut auf sie auf und muss sie auch manchmal umlenken. Manchmal hält sie auch Stühle für uns und bellt diese an.


    Das sind leider so Sachen, gegen die man nicht viel tun kann außer ganz viel "umlenken" zeigen, dass man da ist.



    Wenn wir richtig spazieren gehen hüpft sie so die ersten 3 Min aber dann möchte sie auch wieder zurück. Das mit dem hinterherlaufen hat sie bei meiner Mama Zuhause sehr viel. Hier im Büro wechselt sie oft zwischen den Körbchen in meinem Büro und das meines Vaters einer von uns ist immer da. Zuhause allerdings darf meine Mama keinen Schritt ohne sie machen. Hier können mein Papa und ich weggehen ohne Probleme.


    Der erste Hund meiner Eltern, ein Collie, wurde mit ca. 3 Jahren von einem Bauernhof gerettet, wo die arme Maus von dem Mann immer getreten wurde. Es hat lt. meinem Papa ewig gebraucht, bis sie ihn akzeptiert hat. Sie hat bis zum Schluss Männer gehasst außer meinen Papa und meinen Opa. Vermutlich ist die Misshandlung durch einen Mann so verstrickt im Kopf, dass das noch länger bei euch dauern könnte.

  • Es kommt mir manchmal komisch vor, nur 5 Meter mit ihm zu laufen. Das dann zwar alle 3 Std. aber man wird halt schon schräg von den Nachbarn angeschaut "...na, schon wieder zurück...".

    Natürlich weiß ich am besten was gut für das Tier ist, aber die Blicke/Worte meiner Umgebung nehmen mich schon mit. :frowning_face: Meistens kommen diese Kommentare von Nicht-Tierhaltern.....

    Dachte, dass nach meinem letzten Hund über so etwas stehe, aber es fällt schwer. Mein letzter Hund war blind. Zum Schluss hatte er epileptische Anfälle und war manchmal nicht in der Lage danach zu laufen. Daher habe ich einen Buggy gekauft und wurde schräg angesehen wenn ich mit ihm spazieren ging. Später haben viele gesagt, dass sie es toll fanden, was ich alles für meinen Hund getan habe. Auch unsere Katze war später dement, sie wurde 20, war am Ende ein "Pflegefall". Aber wir waren bis zum Schluss für sie da (Frühjahr dieses Jahr).

    Meine Tiere haben hier wirklich den Himmel auf Erden und ich versuche alles, um ihnen das Leben zu erleichtern/verschönern - auch wenn es Kraft kostet. Sie geben mir viel.

  • Aber gerade dann kannst du doch denken ach piep doch auf die. Bei solchen Dingen sind die Meinungen von so welchen latte. Du machst alles richtig, so lange du an deinen Hund denkst! Ich verstehe dich aber sag dir das immer wieder, dass du hier im recht bist (was ja auch so ist), du alles richtig machst und die anderen einfach keinen Plan haben.


    Ich finde das wirklich klasse von dir!

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