Vom Galopper zum Reitpferd - eure Erfahrungen

  • Ich hab auch nur Erfahrungen mit meinem Traber von der Bahn, bin aber absoluter Blüterfan und hab es trotz aller Probleme nie bereut sie behalten zu haben. Ich denke die Reitausbildung beim Galopper ist um einiges einfacher als beim Traber ansonsten ist sowieso jedes Pferd anders. Wir hatten am Stall einen ehemaligen Galopper, der war nervenstark und wurde ein Prima Westernpferd.

    Falls du ihn kaufst würde ich aber die gesundheitlichen Probleme, die diese Pferde oft haben im Kopf haben, aber das weißt du ja sicher. Ansonsten musst du natürlich weiter berichten :bindafür:

  • Ich durfte als Teenager ab und an eine Halbblüterin reiten, und selbst ohne Rennbahnerfahrungen war die eine sehr andere Nummer als die biederen Hannoveraner - aber ein großartiges Pferd, und wenn man sich an das enorme Reaktionstempo gewöhnt hatte, auch ein traunhaftes Reitpferd.


    So, wie du dich schon in dieses Pferd verguckt hast und wie es spontan auf dich reagiert(und sowas trügt ja selten), würde ich sagen: mach es. Aber keinesfalls, neverever für andere, die dir die Arbeit im Handumdrehen wieder kaputtmachen können. Das bricht einem nur das Herz (und da weiß ich wirklich, wovon ich rede).


    Kauf das Pferd, es sollte jetzt ja ganz billig sein, für dich als Projekt. Und dann hast du entweder deinen eigenen Traumpartner gefunden, oder du könntest ihm nach entsprechender Arbeit einen viel besseren Platz verschaffen. Ansonsten ist der Weg vorgezeichnet, aber das weiß du ja selber. VIEL Glück!

  • Nur als Gedankenspiel: Du arbeitest das Pferd für die jetzigen Besitzer, es macht bei dir die Fortschritte, die sich da jetzt schon abzeichnen - dann werden die Besitzer es garantiert nicht für dich behalten. Dann ist es schneller an die nächste Wendy verkauft, als du gucken kannst, mit einem schönen Aufpreis, weil es so "schmusig" ist und so nette Kunststücke kann.


    Schon deshalb würde ich es, wenn ich die Arbeit und die Beziehung schon investiere, vorziehen, den nächsten Platz selbst auszusuchen, auch wenn ich das Pferd für ein paar Monate selbst durchfüttern würde.

  • Das Problem ist nicht die Bahn, von da kommen idR gut gearbeitete Pferde die klar im Kopf sind .... sondern dass sich da jetzt 2 Jahre lang irgendwelche Antireiter dran verwirklicht haben, die gedaht haben, so an ein billiges Pferd zu kommen

  • Wegen des Koppens, da würde ich mal schauen, ob es da ein Problem mit dem Magendarmtrackt gibt. Viele Koppende Pferde haben da wohl Probleme und es ist nicht ganz sicher was zuerst da war. Häfig wir das koppen von selber weniger, wenn im Bauch wider alles stimmt.

  • Ich hatte mal ne Reitbeteiligung auf nem ehemaligen Galopper, der aber aus gesundheitlichen Gründen nie richtig Rennen gegangen ist. Der war nur antrainiert.


    Nickel war auf dem Platz ne faule Socke, insgesamt verfressen und etwas "stumpf". Im Gelände merkte man seine Vollblutgene. Ist er einmal gerannt hat man ihn nur schwer wieder angehalten und er war sehr reizoffen.

    Mich als eher schlechte Reiterin hat das draußen überfordert, aber insgesamt war er ein gut reitbares Pferd.

  • Tucker


    Engl. Vollblüter sind Schnelldenker, sie sind super sensibel, sie sind unfassbar hart im nehmen und leider leider ganz ganz oft kaputt.


    Bevor du dich irgendwann auf dieses Pferd setzt, lass ihn nochmals röntgen.

    Unbedingt auch Halswirbelsäule von Kopf bis 1. Rippe (ja das muss jemand in einer Klinik machen der was vom röntgen versteht)


    Wenn da alles wirklich sauber sein sollte, dann so spritzen lassen, dass er garantiert schmerzfrei ist.

    Engstand in den Dornfortsätzen bedeutet im Wirbelkörper auch Veränderungen. Wenn da Nervendurchgänge eng sind (Spondylosen) dann ist es egal wie eng die Wirbel stehen weiter oben. Dann ist das Problem tiefer und grösser.


    Und dann langsam, über viele Monate auftrainieren. Ohne reiten. Das steht an hinterster Stelle.


    Das Pferd hat lange Rennmuskulatur gehabt, dann falsch trainiert, dann nicht trainiert. Der hat nurll koma null gesunde Muskulatur. Die Bewegungsmuster sind falsch abgespeichert. Freies gehen aus der Schulter mit aktiven Rumpfträgern muss der erst mal lernen.


    Gehen auf einer Volte zB ist nicht so einfach. Wirkliche Balance, Gleichgewicht auf unterschiedlichen Böden und Linien, Vertrauen in den eigenen Körper.


    Helfen dabei tun Dual Aktivierung, longieren ohne! Ausbinder (wäre fatal solange er noch kein Gleichgewicht hat und fasch bemuskelt ist), Spaziergänge in hügeligem Gebiet, klettern, Hangbahntraining, Stangentraining (lief er noch Hürden? Dann Vorsicht!)


    Alle Übungen und das Jungpferde Training von Linda Tellington sind genau das, was so einem Pferd hilft.


    Der muss wie eine Remonte lernen, Schritt für Schritt. Das dauert lange, wie bei jedem anderen "rohen" Pferd. Orientieren am Menschen. Ruhiges Kopf senken als Alternative zum Kopf hochreissen, ruhig einen Schritt über ein Cavaletti und wieder rückwärts darüber. Das braucht unglaublich Vertrauen in sich und in den Menschen. Weil er nicht sehen kann. Hilft aber beim Training enorm. Hilfen vom Boden, die Gerte als Hilfengebung zB für seitwärts weisende Hilfe kennen lernen , etc etc.




    Ob er jemas wieder reitbar sein wird, steht in den Sternen. Je nach Erfahrungen die sich abgespeichert haben.

    Pferde sind enorm kooperativ, sobald Schmerzreize weg sind, und sobald sie merken dass jemand so mit ihnen umgeht, dass sie es verstehen, hast du ihn. Seine Geschichte bleibt aber ein Thema, und sobald er Stress hat überlagern alte Muster das Neue. Immer gut aufpassen gell.



    Aber bei aller Liebe zu Pferden, sei bitte vorsichtig. Ich hab schon zu viel erlebt, um da mit Herzchen in den Augen von retten und judihui zu sprechen.


    Gerade wenn Nerven komprimiert werden kann ein Pferd vor Schmerz kopflos in Bäume und Hallenwände rennen. Oder Beine können einfach wegsacken. Alles schon miterlebt. Das ist wirklich nicht zu unterschätzen. Daher sauber abklären.


    Du hast nur 1 Körper. Sei vorsichtig damit.


    Schau was geht, aber mit gesunder Vorsicht.


    Wie du das mit den Besitzern regelst musst du wissen. Ft ist halt das Pferd weg sobald nach den ersten 3 Monaten Erfolge sichtbar sind.

  • Tucker

    auf der einen Seite ist es sicher ein Vorteil, dass das Pferd nicht direkt von der Bahn kommt, auf der anderen Seite, kamen jetzt halt noch ein paar Knacknüsse (oder andere) dazu


    Grundsätzlich haben praktisch alle Pferde die direkt aus dem Rennbetrieb kommen grosse Magenprobleme mit den entsprechenden Auswirkungen. Dort wird ja Kraftfutter in rauhen Mengen gefüttert, Rauhfutter wird dann eher eingeschränkt.


    Handlingprobleme haben wohl oft die Traber eher weniger, da mischen auch mehr Amateure im Sport mit, bei den Galoppern wird das Handling dann doch oft etwas ähm rustikaler sein...


    Ach so, und oft ist bei den Tierchen die Programmierung in Sachen Zügelführung anders, Zügel annehmen, Zug am Zügel = GAS GEBEN! Das führt dann oft zu ähm Kommunikationsproblemen, wenn der neue Besitzer im Gelände durchparieren will...


    Wenn man das Gespür und ein Händchen für diese sehr oft sehr sensiblen Pferde hat, ist der Wechsel vom Renn- zum Freizeitpferd auf jeden Fall machbar. Go for it, wenn Du der Meinung bist, das liegt Dir!


    Ach so, von wegen Dualaktivierung - das hilft ungemein. Ob Mike Geitner noch aktiv im Galoppsport ist, weiss ich nicht (bin auch grad zu faul um das zu googeln) aber den kannst Du bei Bedarf bestimmt anschreiben / ansprechen.


    Ich weiss jetzt nicht, wie ausgeprägt Dein Helfergen ist, aber ich kann Dir nur ans Herz legen, nur mit dem Pferd zu arbeiten, wenn Du es auch übernehmen kannst / willst. Nachdem die Besitzerin ja eh nicht damit kann, sollte eigentlich ein eher symbolischer Preis drin liegen.


    Alles Gute Euch! :sparkling_heart:


    Edit: hab Deinen Beitrag grad nochmals gelesen. Der ist ja schon 2.5 aus dem Rennbetrieb raus :-)

    Ich würde den tatsächlich wie eine Remonte ganz neu aufbauen. Viel Bodenarbeit, damit der sich körperlich ganz neu sortieren kann, evtl. gute Physio / Osteo beiziehen. Wie sind die Hufe?

    Für Dich in Sachen Oberkörperstabilität: Pilates soll helfen

  • ...und noch ein Tipp, den ich vor kurzem von einer Bekannten mit Vollblüter von der Rennbahn bekommen habe: inzwischen ist für Vollblüter, die Rennen gelaufen sind, extrem viel Information zugänglich. Dafür brauchst Du nur den offiziell eingetragenen Pferdenamen. Vor allem kann man zu so gut wie jedem Rennpferd Videos von Rennen finden, wo man genau sehen kann wie er auf der Bahn gelaufen ist. Da kann man viel zu allgemeiner Rittigkeit, Temperament und Gangmechanik sehen, auch wenn das Pferd aktuell vielleicht so unfit, verunsichert und steif ist, dass es sein Potential gerade nicht so zeigt/zeigen kann.


    Viel Spaß mit dem Burschen, er klingt nach einem tollen Pferd!


    Zur Oberkörperstabilität würde ich, wenn Du ein gelassenes Reitpferd zur Verfügung hast, so ein bisschen "Mounted Games-Quatsch" vorschlagen: Sachen im Vorbeireiten aufheben, mitnehmen, Platz abäppeln vom Pferd aus, alles gerne auch in höheren Gangarten, oder "seriöser" so die typischen Sitzschulungsübungen an der Longe, wo man sich an die eigenen Füße fasst, sich nach oben/vorne/hinten/seitlich dehnt und streckt, und dabei weiter im Rhythmus der Pferdebewegung bleibt.

  • Ich wollte das gar nicht schreiben, weil du schriebst, dass du an Reiten nicht mal denkst, aber was das Gelände angeht, haben Hasilein und Helfstyna natürlich recht: da könnten ganz böse Überraschungen warten, nachdem es für wechselnde Besetzungen schon schiefgegangen ist, und für das Pferd dann erst recht.


    Zu meinen grauenhaftesten Pferde-Erinnerungen gehört ein Unfall mit einem Exgalopper, den ich mal miterleben mußte : Pferd ging beim Galopp auf einen Stoppelfeld durch, raste an den anderen vorbei, sprang über einen Graben auf einen befestigen Feldweg, überschlug sich da, wobei das Kind obendrauf wie durch ein Wunder über den Weg hinweggescheudert wurde und unverletzt blieb. Das Pferd erlitt Trümmerbrüche beider Vorderbeine, und was dann folgte, könnt ihr euch ja selbst vorstellen. Das Pferd kam frisch von der Bahn und war von den Eltern einer Zwölfjährigen geschenkt worden.


    Insofern - wenn du doch an Reiten denkst, würde ich das wohl so machen wie mit einem jungen Isländer zum Anreiten: erst spazierengehen, dann als Handpferd mitnehmen, und wenn das lange gutgegangen ist, mit einem bombenfesten, gut gerittenen, notfalls jederzeit querzustellenden Führpferd vorsichtig raus.


    Mein erster Isi machte sowas in späteren Jahren so perfekt, dass wir tatsächlich mal gefragt wurden, ob wir nicht Lust auf einen Job als Führpony auf der Rennbahn hätten. Kam natürlich nicht in Frage, aber es ist schon verblüffend, wie nicht nur die Ruhe, sondern auch die "Autorität" (ich weiß kein besseres Wort) solcher unerschütterlichen Pferde abfärben. Früher kamen Isländer ja auch praktisch als Wildpferde rüber, und manche waren richtig durch - aber wenn der Chef zeigte: "Hier ist kein Grund zur Aufregung!" sah man oft richtig, wie der Adrenalinspiegel runterging und die Neuen durchschnauften und sich auf seine Führung einließen. Ebenso der zappelige 1,75-Halbblüter einer Freundin, obwohl der Isi unter dem fast hätte aufrecht durchlaufen können.


    Und ein Führpferd müsste ein Ex-Rennpferd doch sogar gewohnt sein?

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