Haben wir uns überschätzt oder normal für Auslandshund?

  • Rein vom Bauchgefühl her klingt das für mich eher nach einem wahnsinnig unsicheren, jungen Hund mit nicht ganz leichtem Start ins Leben, der sich die ersten Wochen auf seiner Pflegstelle (und wahrscheinlich ja auch schon vorher im Tierheim) hinter ganz vielen anderen Hunden 'versteckt' hat. Und bis er dort gelandet ist, einfach auch nichts kenngelernt hat.


    Wahrscheinlich war er da immer der unauffällige Mitläufer und im Schutz der anderen, aber hat sich eben auch deshalb nicht mit dem Leben und allem, was dazugehört, auseinandersetzen müssen oder können.


    Jetzt kommt da Schlag auf Schlag die schutzlose Welt auf ihn geflogen, die ihn völlig überfordert. Dazu neue Besitzer, bei denen er noch keine Sicherheit findet. Wie denn auch, nach der kurzen Zeit. Und ihr seid auch überfordert, weil ihr so ein Problem noch nicht hattet.


    Manche Hunde neigen dazu, in ihrer Angst zu ertrinken und Wochen / Monate wie ein Schatten zu leben bzw. generell lieber die Flucht vor allem zu ergreifen, wieder andere reagieren auf für sie gruselige Situationen/Menschen/Geräusche mit Angriff. Frei nach dem Motto, wenn ich dich zuerst verscheuche, kannst du mir auch nichts mehr.


    Das kann 'harmlos' bleiben, im Sinne von nur Knurren/Bellen und dann doch den Rücktritt wählen, aber es kann auch irgendwann kippen und vor allem tut es das oft, wenn Besitzer die Intension dahinter nicht erkennen und dem Hund keine entsprechende Führung und Sicherheit bieten.


    Jedenfalls würde ich dir dringend dazu raten, einen Trainer zu suchen, der zu euch nach Hause kommen und vor Ort anleiten kann. Virtuelles Training finde ich da gar nicht sinnvoll.


    Da sind viele kleine Schritte nötig und das wird seine Zeit dauern. Mann muss die Stressanzeichen rechtzeitig erkennen und den Hund entsprechend nach Trainiggsstand sichern, ihm Sicherheit vermitteln, für ihn die Aufgabe übernehmen, gruselige Dinge zu händeln. Er muss im Haus einen festen Platz haben, an dem zur Ruhe kommen ritualisiert wird und das später auch in 'schwierigen' Situationen abgerufen werden kann. Das fällt manchmal schon schwer, da es natürlich z. T. Situationen sind, die für euch völlig gängig und normal sind.


    Dann parallel eine Sache finden, die dem Hund und dir Spaß macht, woran er wachsen und Selbstbewusstsein aufbauen kann. Und vor allem Bindung zu dir.


    Das ist jetzt einfach mal meine freie Einschätzung, ohne den Hund gesehen zu haben. Deshalb Trainer, der zu euch nach Hause kommt.


    Alles Gute!

  • Ohne es zu sehen aber von Beschreibung, kann das verharren einfrieren sein- weil er mit der Situation überfordert ist, sie für ihn bedrohlich. Da noch mehr Druck (schieben) machen ist dann eher kontraproduktiv. Entweder sie frosten noch mehr ein oder sie gehen in Angriff.


    Ich würde vom Gefühl eher sagen, versucht es locker aufzulösen. Freundlich ansprechen, ein Stück mehr Raum lassen und Alternative aufzeigen- weg gehen. Ggf mit Keks in die Richtung kullern, wo am meisten Platz ist um euch "zu entkommen". Und deswegen "Raum" lassen- Blick vom Hund, Körperspannung raus, evtl hinhocken um Keks zu kullern...


    Diese Hunde kennen Zusammenleben mit Menschen kaum, bzw eher als bedrohlich. Im Haus, wo es eng ist, meistens gar nicht. So und dann trifft man sich auf Flur zb und Mensch vielleicht grad hektisch weil... Panik kommt auf beim Hund, er erstarrt, will sich unsichtbar machen und dann wird noch mehr Druck gemacht, indem er beiseite geschoben wird. Stresspegel steigt. Wie gesagt, kann auch anders sein aber von Beschreibung und Erfahrung ist dass wahrscheinlich.


    Und diese "Kleinigkeiten" die man sehen muss, wo man adäquat reagieren muss, plus 4 Leute, davon 2 Kinder- ich sehe es auch schwierig. Wenn ihr einen sicheren Ersthund hättet, wäre es vermutlich viel, viel einfacher. So.. schwierig, ganz ehrlich. Bitte wirklich Trainer der zu euch kommt und euch da klar sagt, was auf euch zu kommt und dann muss jeder sagen, ja kann ich, will ich. Sonst tut ihr euch allen kein Gefallen.

  • Wir priorisieren die Probleme nun so:

    1. Louie muss drinnen entspannen können

    2. Besuchsproblematik

    3. (Teilweise) Verharren wenn wir versuchen, ihn beiseite zu schieben

    4. Ständiges anbellen (mittlerweile aller!) anderer Leute und Hunde draußen

    Ich würde es so ändern:

    1. Entspannung drin

    2. Entspanntes Verhältnis zur Leine und in den Zuge auch zu Außenreizen


    Wegschicken üben schadet aber sicher auch nicht. Habt ihr dafür schon ein Kommando?

  • Hallo :winken: ich habe mir gerade den kompletten Thread durchgelesen und ihr habt da wirklich eine süße Maus, ich kann verstehen dass ihr euch in diesen Hund verguckt habt. :herzen1:


    Ich habe hier auch 2 Hunde aus dem osteuropäischen Raum sitzen, die beide kein Fan von fremden Menschen sind. Als sich das bei meiner Ersthündin so langsam angebahnt hat, war ich auch erstmal ziemlich fertig mit der Welt. Wir haben das soweit in den Griff bekommen, dass sie bei Besuch erstmal im Schlafzimmer ist (Kindergitter) und der Besuch in Ruhe ankommen kann. Dabei bekommt Luna eine Schleckmatte oder ähnliches, um sie beim Entspannen zu unterstützen. Wenn der Besuch sitzt, dann darf sie einmal dazu kommen und schauen, wer da ist und je nachdem auch für kurze Zeit dabei sein. Wenn es aber eher trubeliger Besuch ist, der viel rumläuft, dann kommt sie zurück in's Schlafzimmer. Unsere Wohnung ist nämlich eher etwas enger und wenn fremde Menschen da blöd auf sie zulaufen (muss ja nichtmal Absicht sein), dann kann es passieren, dass sie als Übersprungsverhalten in die Hacken zwickt.

    Ich habe mich mittlerweile also damit abgefunden, dass sie Besuch einfach nicht dabei sein muss und es eigentlich für alle besser ist, wenn sie entspannt im Schlafzimmer schläft. (Das muss natürlich kleinschnittig aufgebaut werden, Schlafzimmer ist hier absoluter Ruheort und in dem Zimmer bleiben die Hund zB auch alleine, wenn ich mal weg muss).

    Ach so, wirklich enge Freunde und Familie sind kein Problem mehr für Luna. Aber meine engsten Freundinnen und meine Familie haben sich auch viel Mühe gegeben und sind anfangs erstmal mit auf ein paar Spaziergänge gekommen, haben ihr Leckerchen zugeworfen etc. Diese Leute können auch zu Besuch kommen ohne dass Luna in's Schlafzimmer "muss". Die können sich auch mal aus Versehen blöd auf sie zubewegen ohne dass das ein Problem ist.


    Bei Luna habe ich wirklich die Erfahrung gemacht, dass sie ein gutes Jahr gebraucht hat, bis sie wirklich wirklich angekommen war und auch bis wir uns gegenseitig so gut kannten, dass wir ein richtiges Team geworden sind. Ich kann Luna mittlerweile sehr gut lesen und merke, wenn eine Situation blöd für sie ist, aber auch Luna kann mich mittlerweile gut lesen und teilweise reicht eine Kopfbewegung und sie weiß, was ich meine.



    Fina kommt aus Bulgarien und ist massiv unsicher, wenn es um Begegnungen geht. Auch sie wurde von einer recht erfahrenen Pflegestelle als "Traumhund" inseriert (der sie natürlich trotz ihrer Macken auch ist :herzen1:) , der sogar fast an eine andere Interessentin als Therapiehund vermittelt worden wäre. Nach guten 3 Wochen bei mir fing sie auch plötzlich an auf fremde Menschen und Hunde zu reagieren, was die Pflegestelle auch erstmal nicht glauben konnte (trotzdem kamen keine Vorwürfe oder sowas).


    Wir arbeiten seit Juli ca. am Begegnungstraining und sind mittlerweile so weit, dass wir problemlos an Mensch und Hund vorbeikommen, wenn es nicht gerade ein meeegaa schmaler Weg ist. Womit Fina allerdings nach wie vor ab und zu Probleme hat, ist wenn uns jemand direkt anspricht. Wobei sie da in der Heftigkeit ihrer Reaktion auch schon deutlich nachgelassen hat und sich schnell umorientieren lässt.

    Dafür dass sie erst Dezember 2021 von der Straße gerettet wurde und erst seit 6 Monaten bei mir ist, sind das schon enorme Fortschritte.


    Man bekommt das also alles in Bahnen gelenkt, die für einen irgendwie funktionieren, selbst wenn man sich darauf einstellen muss, dass das Leben mit diesem Hund anders ist, als man sich das vllt. vorher vorgestellt hat.

    Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich keine Kinder habe und sehr flexibel bin. Für mich war es also kein großes Problem mich auf diese zwei "nicht ganz so gesellschaftskonformen" :D Hunde einzustellen. Mit Kindern und Besuch von Kindern muss man halt immer ein Auge drauf haben. Auch in der Interaktionen zwischen den eigenen Kindern und dem Hund. Ich würde da auch wirklich den Weg gehen ein Ruhezimmer zu etablieren und ggf. auch Maulkorbtraining mit dem Hund zu machen.


    Und ich lasse dir nochmal ein paar weiterführende Links da =)


    https://sprichhund.de - auf dieser Seite gibt es super viele Informationen zum Thema Körpersprache. Das würde ich euch echt an's Herz legen! In dem Shop gibt es auch ein Workbook zum Thema Hundebegegnungen, das kostet in der online Version glaube ich 3 Euro. Da lernt man echt ne Menge und kann sich neben dem Trainer*innentermin auch schon selber etwas weiterbilden.


    Ansonsten finde ich diese Webinare noch sehr empfehlenswert (nicht als Ersatz für eine*n Trainer*in, sondern zusätzlich):

    https://www.fiffiundstruppi.de…n-mit-tierschutzhund-dez/ - Webinar "Die ersten Wochen mit Tierschutzhund"

    https://www.fiffiundstruppi.de…o-klappts-mit-dem-besuch/ - Webinar "So klappt's mit dem Besuch"


    und hier kann man sich auch mal durchklicken: https://www.hey-fiffi.com/videos/



    Ach so und was mir gerade noch einfällt: Bitte nicht den Hund aus dem Weg schieben, wenn dieser dabei "einfriert". Das einfrieren ist schon ein deutliches Signal dafür, dass der Hund sich massiv unwohl fühlt mit dieser Situation.

    Hast du schon mal von den 4F's gehört? Wenn ein Hund sich in einer Konfliktsituation befindet, dann hat er 4 Möglichkeiten:

    Fight - Konflikt nach vorne lösen über Aggressionsverhalten

    Flight - Flüchten

    Fiddle - Fiddlen sieht aus wie spielen, ist aber kein Spiel, sondern ein sehr albernes Verhalten vom Hund um dem gegenüber zu zeigen "guck mal wie süß ich bin, ich tue dir nichts". Da muss man ein gutes Auge für haben um es vom Spiel zu unterscheiden. Beim fuddeln fühlt sich der Hund nicht wohl.

    Freeze - einfrieren, also erstarrt stehen bleiben


    Flight, Fiddle und Freeze sind die netten Varianten um einen sich anbahnenden Konflikt zu lösen / zu vermeiden. Wenn eine Hund aber oft die Erfahrung macht, dass er mit dem netten Weg nicht weiterkommt und seine Warnsignale übergangen werden, dann bleibt irgendwann nur noch "Fight".

    Ihr habt da einen Hund aus dem Tierschutz mit Vorgeschichte, den ihr noch nicht lange kennt. Den würde ich wirklich niemals aus dem Weg schieben, wenn er so deutlich einfriert.

    Klar soll man Konflikte nicht dauerhaft vermeiden, aber ich würde es hier auch einfach nicht unnötig provozieren. Dieser Hund kennt das Zusammenleben mit Menschen einfach nicht. Ganz ehrlich, wenn er euch im Weg steht, dann werft einfach ein Leckerchen in die Richtung, in die der Hund gehen soll.


    Oder wenn ihr irgendwann anfangt Signale mit dem Hund aufzubauen, dann übt als erstes ein "Hand-Touch", also dass er eure Hand mit der Nase berührt. Den kann man so vielfältig einsetzen und auch in solchen Situationen, wenn man den Hund aus dem Weg haben möchte. (auch als Umorientierung in Hunde- bzw. Menschenbegegnungen).


    Viel Erfolg euch, wie auch immer ihr euch entscheidet! =)

  • Das „Köpersprache“ Workbook von Sprichhund könnte man vllt. auch mal gemeinsam mit den Kindern durcharbeiten, wenn die da Interesse dran haben. 😊 das ist ganz schön gemacht mit vielen Illustrationen

  • 4. Ständiges anbellen (mittlerweile aller!) anderer Leute und Hunde draußen


    Ich hatte in meinem ersten Beitrag schon mal das Zeigen und Benennen erwähnt. Das ist Gold wert!


    Kennt Dein Hund schon einen Marker / Klicker?

    Wenn nicht, könntest Du ihn schon mal daran gewöhnen und am Montag die Trainerin mal fragen, ob sie damit arbeitet.


    Markertraining verwendet statt dem Klick ein prägnantes Wort, das vorher klassisch konditioniert wurde (mit einer Belohnung verknüpft), z.B. "zack", "yep", etc..


    Wenn der Hund erst mal an einen Marker gewöhnt ist, kann man ihn vielfältig einsetzen: Fürs Training, aber eben auch für Hundebegegnungen, fürs Zeigen und Benennen.


    Zu Letzterem kurz:

    Als Welpe wuffte unser Pudel Menschen auf der Straße an und Hunde auch.

    Dann habe ich immer gemarkert, wenn er zu einem Mensch / Hund schaute. Danach gab es die Belohnung. Irgendwann habe ich "Mensch" bzw. "Hund" dazu gesagt, damit er den Begriff lernt.


    Im nächsten Schritt sagte ich "Mensch", wenn ein Mensch zu sehen war. Sobald er hinschaute, habe ich gemarkert und belohnt. Dadurch wurde die Situation für ihn positiver und er hat das Wuffen irgendwann eingestellt.


    Es hilft also den Hund vorzuwarnen (wenn er den Reiz z.B. noch nicht gesehen hat) oder ihm bei der Einordnung eines Reizes zu helfen (z.B. Jogger im Dunklen, den ich als solchen natürlich erkenne, der Hund aber erstmal nicht).


    Ich nutze das immer wieder, wenn er in seinen Gruselphasen vor bestimmten Dingen Angst hat (kleine Kinder, Trolleys, etc.).

  • Noch eine Stimme für "Zeigen und Benennen". Das war unser Durchbruch! Ich verlinke mal den Thread:


  • Fürs Zeigen und Benennen braucht man aber richtig gutes timing in vielen Wiederholungen.

    Ich sehe hier den ganzen Umgang mit dem Hund noch nicht so gefestigt und intuitiv, dass das eine gute Idee wäre, da auf eigene Faust dran zu gehen.


    Je nach Typ Hund kann da auch ziemlich das Gegenteil passieren und es wird schlimmer. Insbesondere wenn der Hund schon gelernt hat, dass die Menschen nicht immer den längeren Atem haben.

  • Fürs Zeigen und Benennen braucht man aber richtig gutes timing in vielen Wiederholungen.

    Ich sehe hier den ganzen Umgang mit dem Hund noch nicht so gefestigt und intuitiv, dass das eine gute Idee wäre, da auf eigene Faust dran zu gehen.


    Je nach Typ Hund kann da auch ziemlich das Gegenteil passieren und es wird schlimmer. Insbesondere wenn der Hund schon gelernt hat, dass die Menschen nicht immer den längeren Atem haben.

    Das wäre ja dann Aufgabe der Trainerin, das Timing etc. zu erklären. 😊

    Was wäre sonst die Alternative?

  • Es ist ja eine Option so zu arbeiten. Allerdings klang das hier so „mach halt mal, kann ja nur klappen“.

    Daher mein Einwand, dass ich denke, dass das nicht auf eigene Faust laufen sollte sondern unter Anleitung von einem Trainer.


    Und „erklär halt mal timing“ ist es eben auch nicht. Das wir auch mit einem online Termin nicht funktionieren.

    Das braucht Begleitung vor Ort und sinnvoll finde ich auch Video-Analysen, um nach einer Situation in Ruhe die Körpersprache zu besprechen und wann der beste Zeitpunkt für xy ist.

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