Hund(e) und Kind - Plauderthread - Nr.2

  • Davon ab bin ich mir sicher, dass zu damaliger Zeit diesbezüglich kein Unrechtsempfinden vorhanden war. Das gehörte halt zur Erziehung im Umkreis.

    Darum geht es gerade nicht. Es geht auch nicht um systematische Gewalt zu Erziehungszwecken. Es geht um deine Aussagen dazu, dass "auch eine Ohrfeige im Affekt nicht passieren darf". Nein, darf nicht. Aber die Aussagen "ein erwachsener muss sich unter Kontrolle haben" ist eben zu kurz gedacht.


    Und nein, "verurteilen" ist kein Gefühl. Das ist ein Denkprozess, eine Entscheidung, ein Ergebnis von Sozialisation und Werten. Verurteilen und nicht-verurteilen ist steuerbar. Im Gegensatz zu zB Wut.


    Unsere Generation ist wahnsinnig schlecht im Umgang mit Wut. Weil wir es nicht anständig gelernt haben. Weil Wut zu unserer Zeit verboten wurde und ggf. sogar bestraft. Wir haben nicht gelernt, damit umzugehen. Was mit ein Grund dafür ist, warum wir im Affekt unangemessen und unkontrolliert reagieren können.

  • Ich finde diesen Satz echt heftig. Nie nie im Leben würde ich einen Gedanken daran verschwenden, dass mein Mann unser Kind schlagen könnte. Da lege ich meine Hand für ins Feuer. Nie im Leben würde er das tun oder sogar nur in Erwägung ziehen.

    Die Konsequenz find ich richtig, aber allein der Gedanke, dass das passieren kann... Uff.

    Vielleicht habe ich das auch nur falsch verstanden jetzt und du meinst das als "unwahrscheinliches Beispiel"...

    Deine Denkensweise ist löblich, aus meiner Sicht aber auch gefährlich. Das Folgende ist jetzt explizit nicht auf dich bezogen (!!!):


    In meinen Augen ist "Mein Partner würde xy nie tun, deswegen verschwende ich keinen Gedanken daran" mit einer der Gründe, warum viele Missbrauchsfälle erst spät oder sogar nie entdeckt werden. Weil der andere Partner nicht hinguckt, unbewusst Erklärungen strickt etc. Ala "Was nicht sein darf, kann nicht sein"


    Mir ist es wichtig, dass ich mich mit dem "was wäre wenn" auseinandersetze. Auch wenn ich nicht ernsthaft davon ausgehe, will ich die Möglichkeit in Betracht ziehen, um nicht blind zu werden.


    Bei der Serie "Broadchurch" kam mir vor allem dieser Gedanke. Ein Junge wird ermordet, der Vater wird verdächtig, und die Eltern geraten in Streit, weil die Mutter den Vater nicht komplett in Schutz nimmt. Aber genau in so einer Situation würde ich das wollen. Mein Partner soll mich verdächtigen, ich werde ihn verdächtigen, um alle Möglichkeiten und Eventualitäten auszuschließen und der Sache komplett auf dem Grund zu gehen. Der Gedanke ist nicht schön, und ich will ihn so auch nicht denken, aber das Wohl meines Kind steht definitiv über den Befindlichkeiten meines Partners, und wenn es Misstrauen braucht, um eine Tat aufzudecken/aufzuklären, dann muss man dieses Misstrauen in dem Moment aushalten.

  • Also an die erste Ohrfeige habe ich null Erinnerung. Auch die Situation erinnere ich nicht mehr. Das hatte meine Mama irgendwann mal erzählt. Aber ich habe an sich auch nur sehr wenig Erinnerungen an Kindheit, Jugend, Studium etc.

    Ohrfeige zwei war aus meiner Sicht verdient. Würde man heute wohl auch nicht mehr machen und ist auch richtig so. Aber aus damaliger Sicht war das ne logische Reaktionskette.

    Ohrfeige 3 war unverdient, meine Mama hat das exakt in dem Augenblick gemerkt, wollte die Hand zurück nehmen und ich hab mich in dem Augenblick auch noch in ihre Richtung gedreht und da hat sie mich noch am Ohr erwischt mit den Fingerspitzen und sich sofort entschuldigt, mich in den Arm genommen und getröstet.

    Ich lasse auch auf meine Eltern nix kommen. Sind waren und sind die allerallerbesten Eltern, die man sich vorstellen kann. Ich liebe beide unendlich und bin froh, dass ich beide auch noch habe. Und in meinem Augen haben sie in der Erziehung alles richtig gemacht, sonst wären aus mir und meiner Schwester ja nicht so beinahe perfekte Menschen geworden. :grinning_squinting_face:

    Meine Schwester hat übrigens nie eine Ohrfeige kassiert. Sie ist zwei Jahre jünger. Sie meinte irgendwann man zu mir: warum bist du eigentlich so dumm? Wenn Mutti schimpft muss man nur ein ängstliche Gesicht machen und sie hört sofort auf. Du guckst immer so böse und herausfordernd. Kein Wunder, dass sie dann immer sauer wird.

  • Mein Mann weiß genau, wenn er unsere Tochter nur ein einziges Mal schlägt, bin ich weg. Mit ihr.

    Ich finde diesen Satz echt heftig. Nie nie im Leben würde ich einen Gedanken daran verschwenden, dass mein Mann unser Kind schlagen könnte. Da lege ich meine Hand für ins Feuer. Nie im Leben würde er das tun oder sogar nur in Erwägung ziehen.

    Die Konsequenz find ich richtig, aber allein der Gedanke, dass das passieren kann... Uff.

    ...

    Ich persönlich finde den Gedankengang hingegen wichtig und gut. Auch wenn ich ebenso sicher bin, dass mein Mann unsrem Kind nie etwas antun würde. Oder sonstige Personen, welche Luis regelmäßig ohne uns betreuen.

    Trotzdem kann man nie in einen anderen Menschen hinein schauen. Ich hab mich vor 1-2 Jahren etwas mit sexuellem Missbrauch von Kindern beschäftigt. Die allermeisten Übergriffe passieren im familiären Umkreis - mit verdammt hoher Dunkelziffer. Statistische gesehen ist in jeder Schulklasse ein Kind von sexuellem Missbrauch betroffen. Von daher finde ich es wichtig, dass man sich prinzipiell bewusst macht, dass man nicht in andere Menschen hinein schauen kann und theoretisch „jeder“ zu einem Übergiff fähig - vielleicht hilft das, kleine Anzeichen eher zu sehen und Kinder häufiger zu schützen…


    Ich bin jedenfalls erschrocken, wie viele meiner Freunde/Innen mir im Erwachsenenalter von Gewalt und auch sexueller Gewalt durch ihre Eltern/nahe Verwandte erzählt haben, während ich mich aus meiner Kindheit und Jugend an keine einzige Situation erinnern kann. (Wobei ich keinen, der mir was anvertraut hat in meiner Kindheit/ Jugend kannte)


    LG Anna

  • Ich bin der Meinung, Ohrfeigen dürfen auch nicht aus dem Affekt heraus geschehen. Als erwachsener Mensch muss man sich unter Kontrolle haben. Und wer Gewalt benutzt, hat keine Argumente. Also nein, ich entschuldige die Ohrfeigen, die ich als Kind kassiert habe, nicht.

    Mein Mann wurde noch präpubertär mit herunter gelassener Hose übers Knie gelegt. Demütigend.

    Gibt es hier nicht. So viele andere schaffen es auch, selbst im Affekt countenance zu bewahren.

    Eltern sind auch nur Menschen. Und ich denke schon, dass das im Affekt und/oder Hilflosigkeit passieren kann.

    Mein Sohn hat Tatsächlich genau 5 Mal in seinem Leben meine Hand abbekommen. Zweimal ist mir leider die Sicherung durchgebrannt. Sollte nicht passieren , das geht mir heute noch nahe, aber ich kann es nicht rückgängig machen. Wir haben jedes Mal etwas später darüber geredet.

    Die anderen dreimal war die Situation gefährlich für andere Kinder. Es gab eine Zeit, da hat er regelrecht rot gesehen, wenn er wütend war. War nicht ansprechbar. Einmal hat er z.B fast seine Schwester vom Hochbett gedrängt. Er ließ nicht los, ich kam nicht richtig ans Mädchen dran, bzw. hätte ich sie runtergeholt, hätte ich ihn wahrscheinlich mit runtergezogen. Es musste schnell gehen. Ja, da habe ich geschlagen, einmal, und nicht brutal... aber ich musste beide schützen.


    Ich selber "durfte" mich, wenn ich was angestellt hatte... und ich war eigentlich ein braves Kind... mich mit runtergelassener Hose vor die Badewanne stellen, damit meine Mutter den Plastikholzlöffel auf meinem Hintern kaputt schlagen und ihren Frust an mir abarbeiten konnte... Ich wollte meine Kinder niemals schlagen... trotzdem ist es fünf mal passiert.

  • Ich lasse auch auf meine Eltern nix kommen. Sind waren und sind die allerallerbesten Eltern, die man sich vorstellen kann. Ich liebe beide unendlich und bin froh, dass ich beide auch noch habe. Und in meinem Augen haben sie in der Erziehung alles richtig gemacht, sonst wären aus mir und meiner Schwester ja nicht so beinahe perfekte Menschen geworden.

    Dass man manche Dinge aus der eigenen Kindheit hinterfragt oder kritisch sieht, bedeutet ja nicht dass man die eigenen Eltern hassen sollte oder sie alles falsch gemacht haben.


    Mein Bruder und ich sind auch sehr „gute“ Erwachsene, wir lieben unsere Eltern auch sehr und hatten eine tolle Kindheit. Aber einiges ist trotzdem nicht so gelaufen wie es hätte laufen können und mit vielen Dingen wurde ganz klar falsch umgegangen (Gefühle z.B.), alles richtig gemacht haben sie nicht, aber irgendwie im Großen und Ganzen ja schon, das ist eben nicht so einfach runterzubrechen. Aber ich denke man darf und sollte schon kritisch mit der eignen Erziehung durch die Eltern sein, heißt ja nicht dass man seine Eltern hassen oder ihnen jetzt auf ewig Vorwürfe machen muss.

    Sie haben damals (unterstelle ich ihnen jetzt einfach mal) auch aus bestem Wissen und Gewissen gehandelt, wussten es manchmal nicht besser oder es war generell noch der „Stand der Dinge“. Den einzigen Vorwurf den ich meinen Eltern machen würde/mache, ist, dass sie oft in dieses „das hätte es früher nicht gegeben“ verfallen und sich manchmal nicht darauf einlassen können wie ich das mit Babymädchen mache/machen möchte. Ansonsten waren meine Eltern sehr gute Eltern, auch jetzt im Erwachsenenalter verbringen wir gerne Zeit mit ihnen und selbst unsere Freunde nennen die beiden Mutter und Vatter.

  • Die Argumentation „Eltern sind auch nur Menschen / mir sind die Sicherungen durchgebrannt“ ist irgendwie ganz unangenehm für mich.

    Nicht, weil ich denke, dass Eltern perfekt sein müssen. Aber in meinem Kopf spukt schon irgendwie rum, dass es gewisse Grenzen gibt.


    Ich verstehe total, dass es Situationen gibt, wo man einfach nur flippen möchte. Trotzdem verteile ich keine Schellen an meine Kollegen, Freunde oder irgendwelche Leute im Straßenverkehr. Und somit natürlich auch nicht an Kind und Partner. Bei letzteren folgt nur leider selten ne ernsthafte Konsequenz, wenn Gewalt stattfindet.


    Ja, sowas passiert trotzdem & das kann man nicht immer verhindern. Und gleichzeitig finde ich, dass „Bin auch nur ein Mensch“ irgendwie sehr relativierend rüberkommt.

  • Ja, sowas passiert trotzdem & das kann man nicht immer verhindern. Und gleichzeitig finde ich, dass „Bin auch nur ein Mensch“ irgendwie sehr relativierend rüberkommt.

    Es ist relativierend. Natürlich. Weil man es eben im Kontext sehen muss. Gewalt =\= Gewalt. Gewalt per se ist Scheiße und sollte nicht passieren. Aber einen Klaps auf den Po sollte man halt auch nicht mit täglicher Prügel gleichsetzen.

  • Ehrlicherweise verstehe ich immer nicht, wie dieser "Klaps auf den Po", der genau so wenig okay ist, wie eine ausgewachsene Tracht Prügel, eigentlich passieren kann. Der Po ist doch dermaßen weit weg, dass ich mir wirklich nicht vorstellen kann, wie das im Affekt passieren soll. Eine Ohrfeige, ein bißchen zu fest am Arm anpacken, versteh ich alles (keine Relativierung!!), aber auf den Po? Das muss doch ne bewusste Verhaltenskette auslösen, damit das überhaupt zustande kommt.


    Ich denke nicht, dass diejenigen, die das geschrieben haben, das relativierend meinen. Ich denke, es ist einfach so, dass Fehler passieren. Im Affekt. Menschen machen Sachen, die sie später bereuen. Der eigene nicht erlernte Umgang mit Wut führt leider genau zu solchen Dingen. Gerade Menschen, die früher selbst körperliche Gewalt erleben mussten, adaptieren unbewusst diese Verhaltensketten. Es setzt schon sehr viel Selbstreflektion und Impulskontrolle voraus, diese unbewussten Verhaltensketten zu durchbrechen. Und manchmal versteht man selbst erst, dass man ein Problem hat, wenn es passiert ist.


    Für das Kind kann auch eine einzige Ohrfeige traumatisierend sein. Deswegen ist es unbedingt nötig, sich mit sich selbst und seiner Emotionsregulation auseinander zu setzen. Dabei hilft aber ganz sicher nicht, wenn jemand von außen kommt und verurteilend und stigmatisierend einwirkt. So bleiben derartige Vorkommnisse weiterhin hinter den Wohnungstüren und die Menschen, die Probleme mit der Impulskontrolle und der Regulation der eigenen Emotionen haben, suchen sich weiterhin keine Hilfe.

  • Ich verstehe total, dass es Situationen gibt, wo man einfach nur flippen möchte. Trotzdem verteile ich keine Schellen an meine Kollegen, Freunde oder irgendwelche Leute im Straßenverkehr.

    Mmhh würde ich so nicht unterschreiben. In dem Moment, wo ein Menscheinen anderen gefährdet und nicht mit sich reden lässt, würde ich notfalls auch mit Gewalt einschreiten. Der Vergleich bezieht sich natürlich auf meine Situation mit meinem Kind.

    Gewalt ist sch*** gar keine Frage, trotzdem ist Leben nicht nur schwarz weiß.

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