Brauchen Hüte/Treibhunde wirklich die Arbeit am Vieh, oder kann man dies ersetzen?

  • Eigentlich ist es doch ganz einfach: der Hund ist ein menschgemachtes Produkt. Kein anderes Tier wurde so stark vom Mensch verändert und nach seinen Bedürfnissen geformt wie der Hund.

    Hunde wurden und werden genau für diejenigen Zwecke gezüchtet, für die der Mensch sie einsetzt. Nun neigen Menschen aber zu Nostalgie: wie vielen Menschen fällt es nach wie vor ungeheuer schwer zu akzeptieren, dass der heutige Rassehund nicht seit menschengedenken, sondern seit noch nicht einmal 200 Jahren existiert? Wie viele können sich nicht mit dem Gedanken abfinden, dass nicht jeder Hund ursprünglich rassenreine Nachkommen hat, sondern ein "Mischling" ist (wobei nichts besser als das Wort selbst diesen völligen Irrglauben entlarven könnte)? Wer hätte denn nicht gern selbst einen aus adliger (und sonst wenigstens arbeitserprobter) Linie stammender Löwentöter, Tempelbewacher, Wolfsschreck, Schurkenjäger oder Schafflüsterer an seiner Seite, der mindestens 10 gestandene Männer ersetzt und dazu noch loyaler (und billiger...) als jedes menschliche Wesen ist?

    Was die Leute sich mit einem Hund holen und holen wollen ist ein Lebensgefühl, ein Image: der naturnahe Husky, der treue und clevere Border Collie, der freundliche und lustige Retriever. Das müssen wir bei dieser Diskussion bedenken und auch, wie wir - hier im Forum oder draussen in der 'realen Welt' darüber reden. Natürlich kann man Showlinien, Familien- und Begleithunde, Designermixe, etc. lächerlich und sich überheblich darüber stellen. Dann darf man sich aber nicht wundern, wenn sich die Leute dann eben plötzlich 'das Original' holen wollen.

    Da der Hund sowieso ein durch und durch menschgemachtes Produkt ist - besonders in der westlichen Welt - sehe ich nicht ein, wie gewisse für sich das Recht pachten möchten, als einzige einen Hund dieser oder jener Art halten zu dürfen und gleichzeitig aber gegen alle jene zu schiessen, die an ihrem willkürlich und selbst auserkorenen heiligen Gral irgendetwas züchterisch verändern wollen. Zum Beispiel, um Mensch und Tier das Zusammenleben unter den gegebenen Umständen zu erleichtern. Und nein, ich rede selbstverständlich hier nicht von Qualzuchten, Massenvermehrern und anderen Profiteuren, die sich nur an den Hunden (bzw. den Menschen, die diese dann kaufen...) bereichern wollen.


    Das Argument der Genetik zieht hier nicht: auch - bzw. gerade - diese ist im Fall des Haushundes nicht gottgegeben, sondern menschgemacht. Auch wenn manche das nicht hören wollen: Genetik lässt sich verändern. Mittels eines durchdachten Zuchtprogramms sogar rasend schnell und innerhalb weniger Generationen.

    Mehr nicht wertende, freundliche Aufklärung, die auf Augenhöhe stattfindet und weniger herablassende Verachtung würden da schon sehr viel bewirken. Man wird keinen gemeinsamen, tatsächlich auf das Wohl des Hundes fokussierten Weg finden, wenn Schäfer sich als die einzig legitimen und fähigen Halter von Border Collies wahrnehmen und auf Hundesportler herabschauen, die sich ihrerseits wieder verächtlich über Halter von Border Collies für den Showring oder in der Familie äussern.

  • Genetik lässt sich verändern , rasant und ohne negative Effekte? Spannend.


    Nur weil etwas Menschen gemacht ist muss es nicht überall für jeden verfügbar gemacht werden und "modifiziert" werden.

    Es gibt Dinge die tun einfach nicht Not und Spezialisten/Extremisten wo es irgendwann auch einfach gefährlich wird .

  • Der Border Collie als Rasse wird ohnehin modifiziert werden.

    Epilepsie gibts in allen Zuchtlinien, von Arbeitslinien bis Showlinie.

    Daher wird man sehen wie sich die Rasse ändert, wenn sich hier ein Test ergeben sollte um das Auszumerzen. Das wird eventuell auch Folgen für den Charakter mit sich bringen.


    Ich seh es entspannt. Nur der Wandel ist beständig. Ich weiß nicht was alles kommen wird, die Forscher stehen in vielen Problemen noch in der Findungsphase der Lösung.


    Schäfer von heute sind mit Schäfern von vor 200 Jahren in ihrer Arbeit doch nicht mehr zu 100% vergleichbar.

    Auch die Lebensumstände ändern sich. Es wird dichter, es wird lauter, es wird enger. Der Hund kommt ins Haus. Der Hund hat besseres Futter und medizinische Versorgung. Der Hund hat viel mehr Radfahrer, Drohnen, ... bei der Arbeit zu ignorieren. Er arbeitet enger mit einem Menschen zusammen, statt wie früher vermutlich mit mehreren. Auf Höfen lebten ja immer mehr Generationen unter einem Dach.


    Jeder Hund, sowie jeder Mensch ist davon wenigstens in Teilen betroffen. Stadtmenschen mehr als auf dem Dorf, aber auch Dörfer sind in den letzten 200 Jahren verändert worden. ;)

    Von dem her. Bin ich offen für Veränderung, aber realistisch. Einen schwarz-weißen ruhigen Hund, der mal beschäftigt wird wenn einem danach ist ... das ist kein Border Collie und vermutlich wird es nie so einen geben. Aber das ist auch nicht das Ziel, denke ich wenigstens.


    Ich finde das manche Border instinktiv ganz schön in die Tiefe gehen beim Hüten, andere hingegen nicht so extrem. Ich bilde mir ein, das es eventuell schon in der Ahnenreihe festgelegt ist und frage mich wie tief der Border noch vor 200 Jahren ging.


    Früher waren die Zuchtbücher noch offen, jetzt sind sie das nicht mehr. Wird das gutes oder schlechtes hervorbringen, man muss es wohl abwarten. Die Zucht wird sich dadurch aber verändern. Aber durch die Öffnung gab es auch immer wieder anderes Blut das kam oder nicht? Da war die Veränderung bei den Nachkommen auch nicht vorhersehbar. Aber ja die Hüteleistung hatten die natürlich, waren aber eventuell anders im Arbeiten. Selbstständiger, ... oder dergleichen.

  • Das Argument der Genetik zieht hier nicht: auch - bzw. gerade - diese ist im Fall des Haushundes nicht gottgegeben, sondern menschgemacht. Auch wenn manche das nicht hören wollen: Genetik lässt sich verändern. Mittels eines durchdachten Zuchtprogramms sogar rasend schnell und innerhalb weniger Generationen.

    Wenn rasend schnell fuer dich 'innerhalb weniger Generationen' bedeutet.. Ich definiere das anders, aber das ist nur ne Definition.


    Ich hatte es weiter vorne geschrieben: Man braucht genug Kaeufer fuer die 'Zwischenprodukte'. Und die muessen die Hunde, wenn sie passen, auch zwingend in die Zucht bringen.

    Dazu dann halt u.U. eine deutlich haerte Auswahl.

    Ja..dann koennte das klappen. Ich frag mich wieso das bisher kaum gemacht wurde/nicht geklappt hat. Da scheint es ja irgendwo zu haengen...

  • Hier mal ein paar teils ganz aktuelle Bilder von arbeitenden Collies (sind alle öffentlich sichtbar, müsste daher auch ohne FB-Account gehen):


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    In Südamerika mit Kühen:

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    Ein KHC an Kühen auf einem Hof in der Schweiz:

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    Hier ist der Hund in der KHC-Datenbank:

    Astrellita Blue Macho :: Smooth Collie Database


    Natürlich kann kein Gymnastikballschieben, kein Longierkreis, kein Agility-Platz etc. die Arbeit von (ehemaligen) Arbeitshunden genau gleichwertig ersetzen. Die Frage ist ja, ob das zwingend nötig ist. Ich denke, bei vielen Rassen nicht. Auch ohne ihren Ursprungsjob können Hunde sehr glücklich und ausgeglichen sein (wenn man sich auf sie einlässt und nicht nur zur Sofa-Zierde hält). Zum Glück.

    Ansonsten müsste man streng genommen so konsequent sein und alle Rassen bis auf die paar wenigen Begleithundrassen aussterben lassen. Und das ist eh utopisch.

  • Panini ich finde solche Bilder immer schwierig einzuschätzen. Gut gemachte Bilder können auch einfach nur cool aussehen. Wie die Arbeit wirklich aussieht und wirklich brauchbar ist, weiß man dann doch nicht. Hier geben die Schäfer öfter Altdeutsche für nen Appel und nen Ei weg, weil die Hunde nicht taugen. Und das sind Spezialisten. Die Leute behalten, was arbeiten kann, der Rest wird aussortiert. Ein "toller" Nebeneffekt ist, dass man hier in der Gegend recht viele Altdeutsche hat, die nicht brauchbar für ihren Job sind, aber in mehr oder minder fähigen privaten Händen sind. Ich zumindest ergreife da meistens die Flucht, wenn ich einen Strobel oder Fuchs hier sehe.


    Im Internet auf Facebook gibt's irgendwo sogar ein ziemlich von der Szene gefeiertes Video von einem Großpudel an den Schafen. Weil die können ja alles sind einfach nur toll und vielseitig... Was ich da sehe (ich hab jetzt nicht so die Ahnung), ist ein Hund, der hektisch um die Schafe rennt und gestresste Schafe mit sehr viel Bewegung. Aber ok, auch da gäbe es ein tolles Foto im passenden Moment zu schießen. Ist genauso mit Schutzdienst, da gibt es auch einige Kandidaten, die extrem geile Fotos haben, trotzdem ist die Arbeit im Mindesten nicht an Qualität vergleichbar wie bei einem gut ausgebildeten Schäferhund. Und das sind schon die absoluten Exoten.

    Ich stand gerade letztens mit einer Hundehalterin auf dem Hundeplatz, die so begeistert war von meinen Püdelchen und sie kenne ja einen, der hat die IGP3 und überhaupt, da sind so tolle Bilder vom Schutzdienst. Da standen wir dann und haben diskutiert, ob der Hund je eine IGP1 geschweige denn eine 3 hat. Weil auf dem Bildern ist das doch astrein. Ja, aber auch dieser Hund hat darin nie eine Prüfung im Leben gelaufen und der Hund hat "nur" die IBGH3. Was auch schon toll und bei dieser Rasse nicht Standard ist, aber eben nicht wirklich vergleichbar mit den 3 Sparten, die man auch parallel trainieren muss.


    Das heißt nicht, dass der Hund nicht Spaß an den Elementen der Ausbildung hat, das ist aber ganz weit entfernt von 1. Wirklich guter Arbeit und 2. Braucht die Arbeit, um glücklich zu sein.

  • Braucht die Arbeit, um glücklich zu sein.

    Das wollte ich auch nicht aussagen. Kam vielleicht nicht so rüber :tropf:

    Mir ging es eigentlich um 2 Dinge:

    1. Sind auch „gemäßigte“ Hütehunde ursprünglich Arbeitshunde und haben immer noch die Anlagen dazu.

    2. (Meiner Meinung nach) Brauchen viele ihre ursprüngliche Arbeit aber nicht zwingend zum Glücklichsein.


    Das wird von Hütehunden allerdings häufiger behauptet als bspw. von Retrievern. Obwohl auch Dummys ja keine Enten sind.

  • Naja, es kommt ja immer drauf an welche Jagdhunde und welche Herdengebrauchshunderassen genau man meint, ein KHC ist nunmal was anderes als ein BC und ein Labrador keine Bracke usw. Dass es sehr viele Hunde gibt, die mit entsprechender Ersatzbeschäftigung ganz glücklich sind, dürfte hier keiner abstreiten. Aber je nach Rasse gehört da deutlich mehr Glück dazu, dass man einen Hund erwischt, der damit dann auch zufrieden ist.

  • Ich denke den Arbeitshunden geht nix ueber ihren eigentlichen Job.

    Aber..je nach Rasse und Zuchtziel kann man mit Ersatz schon sehr nah an den eigentlichen Job kommen.

    Dummyarbeit kommt mAn dem eigentlichen Job schon so sehr nahe. Deswegen geht das mAn eben so gut bei Retrievern. Einen typischen DJT wird man damit eher nicht zufrieden stellen.

    Jagdhund ist nicht gleich Jagdhund und 'Hund fuer Arbeit am Vieh' ist nicht gleich 'Hund fuer Arbeit am Vieh'.

    BC stehen z.B. mit Belgiern, Shelties und Saarloos in der selben Gruppe und Sektion der FCI. Die muessten theoretisch sehr aehnlich sein...sind sie aber nicht. Im Gegenteil.

  • Mein Sheltie neigt auch zum Hüten, wenn ihm irgendwo zu viel Dynamik entsteht. Allerdings denke ich nicht, dass er mit einem Schaf so wahnsinnig viel anfangen könnte. Aber wer weiß. Ich kenne schon auch Shelties, die Schafe hüten. Meine LHC zeigen da gar keine Neigung zu. Also Lucifer hält sich für nen großartigen Jäger, man soll ihn doch endlich mal lassen. Seine Nase ist auch wirklich hervorragend, merkt man auch im Alltag. Aber das ist ja jetzt für mich eher kein typisches Hütiphänomen.

    Ich denke schon, dass meine gemäßigten Hütis ganz gut ohne Schafe auskommen. Fiete als Showlinie ist ja an sich eher ein Begleithund. Der kann überall mit hin, läßt sich bewundern und gut ist das. Emil und Lucifer finde ich jetzt deutlich anspruchsvoller, gerade was den Umgang mit Umweltreizen angeht. Also auch innerhalb von Rassen gibt es ja riesen Unterschiede. Es können zwei Hunde kaum so verschieden sein wie Lucifer und Fiete, dennoch beides LHC.

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