"Welche Rolle spielt die Beziehung in der Erziehung?"

  • Freund- oder partnerschaftliche Beziehung zum Hund halte ich generell nicht für möglich.

    Freundschaft wie Partnerschaft setzen für mich Gleichberechtigung voraus und die kann mit einem Tier einfach nicht gegeben sein.


    Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem anvertrauten Lebewesen, Respekt vor seinen Bedürfnissen und seinem Charakter gehören für mich einfach zum Zusammenleben dazu, hat für mich aber wenig Einfluss auf die Frage der Erziehung und hat eben auch nichts mit Freund- oder Partnerschaft zu tun.

    Generell finde ich diese Entwicklung, dass man versucht immer mehr und stärker Beziehung in den Vordergrund zu rücken sehr bedenklich. Einfach weil da vieles auf den Hund (oder das andere Haustier) projeziert wird, was dieser nicht leisten kann.

  • Im Fall des Jagens:

    Hier setzt du wieder Beziehung mit Liebe gleich. Natürlich sollte eine Beziehung grundsätzlich von gegenseitiger Harmonie, einem Gefühl der wohligen Geborgenheit und des Respekts geprägt sein. Aber in einer funktionierenden Hund- Halter- Beziehung kommt für mich auch noch die Komponente -schwierig den passenden Begriff zu finden- Willfährigkeit des Hundes zum Tragen. Konditioniert ist m. E. nur die Verknüpfung der Handlung, also dass der Hund weiss, was er eigentlich tun soll. Wenn das alles wäre und die Sache damit durch, weil er es ja grundsätzlich verstanden hat und es auch oft genug in verschiedenen Settings geübt und damit generalisiert worden wäre, wäre diese ganze Hundeerziehungsdings ja recht einfach. Aber auch wenn der Hund weiss, welche Handlung jetzt eigentlich von ihm erwartet würde, führt er diese ja nicht robotermässig aus ( was wohl so wäre, wenn Konditionierung alles wäre), sondern hat ja auch noch sowas wie einen eigenen Willen, ein persönliches Wollen. Und hier kommt die (von mir jetzt einfach mal so bezeichnete) Willfährigkeit ins Spiel, welche ihn sein eigenes Wollen hinter dem Wollen des Halters zurückstellen lässt. Ich denke, auf diese Willfährigkeit (deckt sich ein bisschen mit dem will to please) sind Hunde selektiert, aber ob sie diese zeigen, hängt auch von der Beziehung ab.

    Kaya würde selbstverständlich immer noch jagen, wenn der Reiz sehr groß ist und ich nicht mental bei ihr bin, aber nach meiner Beobachtung blendet sie mittlerweile sehr viele Reize aus, weil ich es ihr sage und wendet sich ab. Klar ist das Verhalten Konditionierung, sowohl der Unterbrecher als auch das Abwenden zu mir, aber dass sie nicht sagt: "Scheiss drauf, ich geb Gummi!", führe ich auf die Beziehung zurück, die diese Willfährigkeit hervorbringt.


    Den zweiten Absatz verstehe ich nicht. Was hat das Recht des Stärkeren mit einer Leine zu tun? Wovon ich rede, ist Furchtkonditionierung. "Ich muss gehorchen, sonst passiert was Schlimmes". Furchtkonditionierung funktioniert auch ohne Leine (nicht dass diese mein Mittel der Wahl wäre). Das war theoretisch gemeint: Durch klassische Furchtkonditionierung bringst du viele Hunde in einen exzellenten Gehorsam, aber es leidet die Beziehung. So etwas will man normalerweise nicht.


    Zum dritten Absatz:

    Für mich wird andersherum ein Schuh draus: trotz sorgfältiger Erziehung mittels Konditionierung und der Tatsache, dass der Hund gelernt hat, was er soll, wird es nicht zuverlässig klappen, wenn die Beziehung nicht passt. Bindung würde ich rauslassen, weil das noch schwieriger ist, mit dem Bindungsbegriff zu arbeiten. Gibt es überhaupt schon Bindungsstudien zum Hund?

  • Kaya würde selbstverständlich immer noch jagen, wenn der Reiz sehr groß ist und ich nicht mental bei ihr bin, aber nach meiner Beobachtung blendet sie mittlerweile sehr viele Reize aus, weil ich es ihr sage und wendet sich ab. Klar ist das Verhalten Konditionierung, sowohl der Unterbrecher als auch das Abwenden zu mir, aber dass sie nicht sagt: "Scheiss drauf, ich geb Gummi!", führe ich auf die Beziehung zurück, die diese Willfährigkeit hervorbringt

    Du hast einfach einen weichen leichtführigen Hund, dem deine Meinung wichtig ist und der generell eher unselbstständig arbeitet. Ich habe ja mal meinen Bekannten mit den Bracken erwähnt, etwas das man generell als recht "führerhart" bezeichnet und für eine Aufgabe gemacht, alleine zu jagen und den Hundeführer auch bewusst zu ignorieren. Die haben eine tolle Beziehung zu ihrem Halter und zur Familie generell, schlafen auf dem Sofa und kuscheln usw.

    Trotzdem sind die gemäß ihres Instinktes weg, wenn sie was in der Nase haben. Und das machen die auch in Kontexten, in denen sie es nicht ausdrücklich sollen wie bei jener Drückjagd. Will Herrchen das nicht, bleibt die Leine dran. Das verschlechtert nicht die Beziehung. Die Hunde werden aber über die Beziehungsebene niemals mit ihrer Passion aufhören. Dafür sind sie gemacht und nur dafür.


    Ich habe nirgendwo etwas von "Furchtkonditionierung" gesprochen.

    Wo holst du das her? Grenzen setzen und Erziehung sind doch nicht gleich Gewalt. Furchtkonditionierung im psychologischen Sinne passiert durch Traumata und erwirkt Phobien. Beispiel: Mensch hat schweren Autounfall und hat danach Angst sich in ein Auto zu setzen. Was hat das mit Regeln zu tun?

    Wieso ist man hier im DF bei klaren Regeln setzen gleich bei solchen Begriffen wie Furcht oder Gewalt?


    Gansloßer + Kitchenham: Beziehung, Erziehung, Bindung ist so das erste Buch, was mir dazu einfällt.

  • Eigentlich könnte es ja auch eine Art Stockholm Syndrom von Seiten des Hundes aus nennen. Manche tun sich leichter damit ihre Freiheit aufzugeben und finden eine neue Vorliebe für ihr neues "gemeinsames" Leben, andere behalten ihre eigenen Wünsche bei und ganz viele Nuancen dazwischen. Unsere Hunde sind halt schlau und merken, was für ihr Überleben wichtig ist.

    Wenn ich so recht drüber nachdenke, ist es sogar ein wenig egozentrisch, dass Thema Beziehung zu diskutieren ohne daß Hund eine freie Entscheidung äußern kann. Wie nennt man eine einseitige Beziehung? Herrschaft? Ohne da jetzt ein Fass aufzumachen, aber wahrscheinlich ist es eher eine Besitzung. |) Das lässt mich meinen Hund nicht weniger wertschätzen und lieb haben.

    Wahrscheinlich gibt es echt etliche Hunde, die an einer Art Stickholmsyndtin leiden. Es gibt auch Hunde, die in der Beziehung zu ihrem Menschen resignieren.

    Beziehung ist doch nie einseitig. Auch eine schlechte, lieblose, gewaltsame Beziehung ist eine Beziehung.

    Und ja, unsere Hunde leben mit uns in einer Zwangsbeziehung, die sie nicht beenden können. Das bedeutet umso mehr Verantwortung für uns als Menschen, die Beziehung so zu gestalten, dass sich der Hund in ihr wohl und geborgen fühlen kann.

    Aber da wäre ja wieder die Masterfrage: wie geht das und wie merke ich, dass sich mein Hund in der Beziehung mit mir gut aufgehoben fühlt?

  • Freund- oder partnerschaftliche Beziehung zum Hund halte ich generell nicht für möglich.

    Freundschaft wie Partnerschaft setzen für mich Gleichberechtigung voraus und die kann mit einem Tier einfach nicht gegeben sein.


    Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem anvertrauten Lebewesen, Respekt vor seinen Bedürfnissen und seinem Charakter gehören für mich einfach zum Zusammenleben dazu, hat für mich aber wenig Einfluss auf die Frage der Erziehung und hat eben auch nichts mit Freund- oder Partnerschaft zu tun.

    Generell finde ich diese Entwicklung, dass man versucht immer mehr und stärker Beziehung in den Vordergrund zu rücken sehr bedenklich. Einfach weil da vieles auf den Hund (oder das andere Haustier) projeziert wird, was dieser nicht leisten kann.

    Naja, aber es ist doch eine Beziehung oder nicht?

    Was ist jetzt besser, wenn man diesen Aspekt des Umgangs ausblendet?

    Ich finde eher, dass in vielen Hilfe- Threads der Beziehingsaspekt ausgeblendet wird und sich endlos an irgendwelchen Symptomen abgearbeitet wird. Meist fehlt es an Führung und für mich ist Führung ganz eng mit dem Beziehungsaspekt verknüpft.

  • Ich betrachte Erziehung als ein "an die Hand nehmen" und das Individuum Hund so in unserer Welt anzuleiten, daß er dann gut darin leben kann. Man spricht ja in der Hundehaltung auch gerne von Bindung, weil der Mensch eben möchte, daß sich der Hund dem Menschen anschließt.

    Ich finde das schon sehr faszinierend, daß es ein Tier gibt, daß draußen mit einem einfach so mitläuft und Freude dran hat. Mit dem man kommunizieren kann, und je länger man zusammenlebt, umso weniger Worte braucht es.

    Somit denke ich auch, wenn mit der Zeit das gegenseitige Vertrauen wächst und sich die Beziehung zueinander verändert, von "sich kennenlernen - vorsichtig sein" zu "sich kennen, sich vertrauen, sich nahe sein wollen" umso mehr achtet man aufeinander.

    Für mich ist der Hund kein trainierbares Objekt, mich nervt das immer sehr in den ganzen Erziehungsvideos, 'mache dieses, stopf dann ein Leckerli rein etc.'

    Hier ist es immer so gewesen, daß sich die Hunde letztendlich so entwickelt haben, daß alles "von selbst" super läuft, ohne viel zu reden, zu trainieren.

  • Naja, aber es ist doch eine Beziehung oder nicht?

    Natürlich ist es eine Beziehung. Irgendeine Form von Beziehung hat man zu jedem Lebewesen mit dem man regelmäßig interagiert.

    Aber wie gesagt, in der modernen Hundehaltung ist ständig von Freund- und Partnerschaft die Rede und das ist mit Tier einfach nicht möglich.


    War es lange Zeit zu technisch distanziert, mit Erziehungspunkten und Ziele abarbeiten, so schlägt für mein Empfinden das Pendel jetzt mal wieder zu extrem in die andere Richtung aus und es wird zu sehr über Emotion definiert.

  • Spannendes Thema


    Beziehung zum Hund ist für mich ein Kennen des Hundes und ein Akzeptieren und Respektieren seiner Persönlichkeit. Ich weiß, wie mein Hund warum gerade tickt und keine seine Stärken wie auch seine Schwächen.


    Was auch bedeutet, ich kann mein vorderes Ende der Leine einschätzen und dementsprechend agiere ich mit ihm.


    Für mich persönlich hat sich im Umgang mit Jette als auch ihrem Vorgänger Berechenbarkeit und Authentizität meiner Person als wichtiger Baustein erwiesen.


    Ich muss für meinen Hund berechenbar sein und eben authentisch in meinen Handlungen sein. Ebenso sollte mir bewusst sein, dass Hunde gut spiegeln was in mir als Halter grad so vor sich geht.

  • Hier ist es immer so gewesen, daß sich die Hunde letztendlich so entwickelt haben, daß alles "von selbst" super läuft, ohne viel zu reden, zu trainieren.

    Kannst du das näher erklären? Ich kann es mir im Moment schlecht vorstellen. Wie weiß der Hund, was von ihm erwartet wird?

  • Ich habe nirgendwo etwas von "Furchtkonditionierung" gesprochen.

    Wo holst du das her? Grenzen setzen und Erziehung sind doch nicht gleich Gewalt. Furchtkonditionierung im psychologischen Sinne passiert durch Traumata und erwirkt Phobien. Beispiel: Mensch hat schweren Autounfall und hat danach Angst sich in ein Auto zu setzen. Was hat das mit Regeln zu tun?

    Wieso ist man hier im DF bei klaren Regeln setzen gleich bei solchen Begriffen wie Furcht oder Gewalt?


    Gansloßer + Kitchenham: Beziehung, Erziehung, Bindung ist so das erste Buch, was mir dazu einfällt.

    Nein, hast du nicht.

    Den Begriff hab ich ins Spiel gebracht.

    Gehorsam über Furchtkonditionierung habe ich selbst oft erlebt früher und teilweise sichert man heute noch Gehorsam über "Furchtkonditionierung" ab (aversiv absichern). Ich verstehe den Begriff nicht so, dass er gleich ein Trauma beinhaltet. Ich meine es eher wertneutral, der Hund gehorcht, weil er die Konsequenzen bei Ungehorsam fürchtet.

    Aber wir müssen das Thema nicht vertiefen.

    Ich setze klare Regeln nicht mit Gewalt gleich. Trotzdem gibt es nunmal verschiedene Möglichkeiten Regeln durchzusetzen und "Gewalt" ist eine davon. Auch ganz wertfrei.

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