Angsthund zuhause lassen?

  • Für mich ist leider das hier der Knackpunkt:

    Ich schaffe das auch wirklich zeitlich nicht, dem einen Hund genug Auslauf zu geben und mit dem anderen ein aufwendiges Indoor-Ersatzprogramm zu fahren.

    Wenn Spaziergänge für Deinen Hund eine starke Belastung sind, würde ich ihn da nicht durchzwingen.

    Aber wenn Du den Bedürfnissen des Hundes nicht gerecht werden kannst, kann und wird das die Situation noch befeuern.

    Willst Du denn daran arbeiten und Dir die Zeit nehmen?


    Einfach mit dem Hund in gefühlt sicherer Umgebung (z.B. ruhige Parkbank oder nahe des Hauses) zu sitzen, ihn mit Körperkontakt die Umgebung beobachten zu lassen und immer mal wieder einen Keks zur Bestätigung zu geben kann Sicherheit geben und den Stress beim Start der Runde stark verringern.

    Gezielte Übungen zum Muskelerhalt finde ich wichtig, zumal das Angsthunden ein besseres Körpergefühl gibt, von dem sie profitieren.

    Gemeinsames Training (Indoor) ist ebenfalls enorm hilfreich. Nicht nur, um den Stresspegel durch fehlende Auslastung nicht noch weiter steigen zu lassen, sondern weil der Hund dadurch die Chance bekommt, etwas richtig toll zu machen und sicherer zu werden.

    Und Spiel, weil das einfach glücklich macht und die Bindung stärkt.


    Durch die Beschäftigung mit dem Hund kannst Du die Problematik ja gezielt positiv beeinflussen.

    Wenn dazu komplett die Zeit fehlt und der Hund dauerhaft wirklich nur noch kurz zum Lösen vor die Tür kommt, sehe ich das allerdings kritisch.

  • Könnte er evt in einen Hundebuggy bis zum Park?

    Also damit er auf dem Weg zum Park geschützt im Buggy sitzt und sich da nicht schon mit zu vielen Reizen auseinandersetzen muss?

    Also quasi nicht als Lösung des Problems.

    Sondern als schnell umsetzbare Management Maßnahme.

    Als theo seine angstphase hatte und abends nicht mehr vom Haus weggehen wollte, haben wir das auch gemacht. In den Buggy gesetzt, und dann zur nächsten Wiese geschoben. Mehrere Wochen mussten wir das machen, dann wurde es weniger und jetzt läuft er wieder. Also als Maßnahme find ichs auf jeden Fall eine gute Option. Das aussteigen und pieseln war dann kein Problem, zurück ist er dann auch gelaufen.

    Er ist auch ohne Probleme eingestiegen, obwohl er dann nach ein paar Tagen ja wusste, dass ich ihn wegfahre. Das war aber kein Problem. Er schien es gut u finden. Ist dann manchmal sogar schon alleine Richtung Buggy, wenn ich gefragt hab, ob wir gehen können.

  • Woran ich mich gerade aus deinen anderen Threads erinnere, dass beim Joggen der Hund entspannter war, oder? Kann es sein, dass beim Rausgehen auch die Dynamik fehlt oder die Treppen/der Aufzug ein erstes mentales Stopp darstellen?


    Das Training mit einem Angsthund ist super Zeitaufwändig. Allein die Zeiten, die man irgendwo verbringt, um zu beobachten oder den Hund durch Suchspiele aus der Angstspirale löst. Viel Training ist einfach nur aushalten bzw den Hund an einem Ort zu bringen, den er erträgt. Es gibt manche Straßen in der Stadt, die liebt Betti einfach. Da kommen selten Leute aus der Tür und die Autos parken wie Schutzschilde. Andere Wege bedeuten einfach nur Stress. Also gehe ich da entlang. Immer wieder. :sleep:


    Auch ist die Frage welche Auslöser bei euch die Unsicherheit noch verstärken kann eine Rolle spielen. Beispiel Wetter. Nass und windig geht einerseits in die Knochen, andererseits gibt es dadurch mehr Gerüche. Das ist hier schlimm. Bei anfassbaren Triggern kann man mit Click für Blick gegenarbeiten. Meist ist es passives Training und an Orte fahren. Fels in der Brandung spielen und dabei gleichzeitig innerlich freudig gelaunt sein quasi. Also in der eigenen menschlichen Entwicklung hilft das einen schon weiter, aber gibt auch graue Haare.


    PS dass der Hund gerade gut Alleinebleiben kann in der Wohnung würde ich feiern und darauf das Alleinbleibtraining aufbauen. Das gibt euch die Möglichkeit noch ein Leben zu haben.

  • Alles weitere ausser Acht lassend, würde ich mich zuerst damit beschäftigen, was denn überhaupt das Ziel sein soll und wie die Zukunft aussieht: wie alt ist der Hund? Wenn es absehbar ist, dass dieser Hund die äusserst moderne (vor dem späten 19. Jahrhundert ging keiner im heutigen Sinn mit einem Hund 'spazieren') Idee des Spazierengehens eigentlich gar nicht mehr erlernen muss, würde ich dafür sorgen, dass er sich in seinem gewohnten Umfeld angstfrei aufhalten und da leben kann, ihm ab und zu Beschäftigung bieten und ihn wirklich zur Ruhe kommen lassen. Ja, das ist ganz bestimmt nicht Forumskonform und würde wohl auch nicht den hiesigen Gepflogenheiten (und Gesetzen) entsprechen. Eurem Hund sind diese aber wahrscheinlich herzlich egal.


    Ängste lassen sich auch bei Hunden nicht durch aussen aufgedrängte Hau-Ruck Therapien lösen. In vielen Fällen lernen die Hunde einfach, dass sie sich nicht wehren können und ergeben sich. Die menschlichen Betreuer haben dann oft das Gefühl, sie hätten dem Hund gezeigt, dass er keine Angst haben braucht. Dabei hat das Tier nur gelernt, dass er dem Menschen ausgeliefert und Widerstand zwecklos ist. Eine echte Auseinandersetzung mit der für den Hund schwierigen Situation findet aber nicht statt. Natürlich kann man so trainieren. Es ist ethisch aber ziemlich verwerflich und schadet dem Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Hund enorm. Deshalb würde ich Euch sehr davon abraten, den Hund ein- oder auch mehrmals täglich nach draussen zu schleppen und mit ihm 'spazieren zu gehen'. Ich kenne Euren Hund nicht: möglicherweise gibt er sich irgendwann einfach auf und lässt es mit sich geschehen. So, wie Du die Situation mit den bereits vorhandenen Panikattacken allerdings schilderst, würde ich in diesem Fall eher nicht davon ausgehen. Die Methode der 'Zwangsspaziergänge' versucht ihr ja schon länger: gefruchtet hat es nicht.


    Genau deshalb würde ich ein anderes Vorgehen vorschlagen und weniger darauf achten, was ihr für den Hund gut findet, sondern darauf eingehen, was er denn zeigt, dass ihm (in dieser Hinsicht) gut tut. Hört ihm zu, beobachtet ihn: in welchen Situationen ist er entspannt? Bis wohin wagt er sich? Stellt ihm ehrliche Fragen, wenn ihr etwas Neues ausprobiert: 'Kannst Du schon...?' und achtet auf seine Antwort und nehmt ihn ernst, wenn er 'nein' sagt. Gebt ihm 20 Möglichkeiten, dass er auf Euer 'Kannst Du...?' mit 'Ja' antworten kann und probiert erst dann vielleicht etwas Schwierigeres. Ist die Antwort 'nein', geht ihr eben einen Schritt zurück, bis ihr ein 'Ja' erhält. Ein guter Indikator ist immer, ob der Hund noch fressen annimmt. Man kann Hunde übrigens auch wunderbar dahingehend trainieren. Nimmt er in einer bestimmten Situation eine Futterbelohnung nicht mehr an, müsst ihr so weit zurück bis der Hund wieder frisst.


    Training und Beschäftigung sollten übrigens nicht stundenlang dauern. 3 x 3 Minuten pro Tag reichen vollkommen. Bei sinnvollem Training geht es um Qualität, nicht Quantität. Halte Dich strikt an diese drei Minuten und setze einen Timer. Dann 'darfst' Du auch 5 oder 10 Mal an einem Tag üben, wenn Dir der Sinn danach steht und Du die Musse dafür hast. Verschwende keine Zeit darauf, den Hund minuten- oder gar stundenlang in irgendwelche Situationen zu zwingen, die ihn nur weiter traumatisieren und Dich frustrieren, sondern nutze die wenige Zeit, die Du hast, mit ihm zusammen ein Stück (Angst-)Freiheit zu erarbeiten. Versetz Dich in Deinen Hund und überlege Dir, wie Du selbst geführt werden möchtest. Sei zuverlässig, berechenbar, rücksichtsvoll, grosszügig, transparent, klar und gütig.


    Ganz ehrlich - und das zu hören ist bestimmt nicht so schön: dieser Hund ist für Euer jetziges Leben eigentlich nicht geschaffen. Ihr erlebt, was manche Menschen in Deutschland mit ihren Importhunden auch durchmachen. Wer noch nie mit einem wirklich panischen und für die Umwelt, in der er sich bewegen muss, absolut unsozialisierten Hund zu tun hatte, kann sich nicht vorstellen, was das bedeutet. Auch nicht, was das mit der Seele so eines Hundes anstellen kann, wenn man ihn 'zu seinem Glück zwingt.' Macht für den Hund und Euch das Beste daraus.

  • Bevor ihr eine neue Wohnung sucht für noch mehr Geld, würde ich eher überlegen, ein Auto anzuschaffen.

    Wenn ihr vorankommen wollt mit dem Hund in Sachen Sicherheit und Spaziergänge, müsst ihr fast die erste Zeit mit ihm ins Outback fahren. Raus aus dem Stadttrubel und den Parkanlagen mit viel Menschen- und Hundeverkehr.


    Des weiteren würde ich den Hund bei einem Tierarzt auf den Kopf stellen lassen, wenn nicht schon passiert. Stichwort Schilddrüse etc. Selbst wenn da alles paletti ist, gibt es auch für Hunde geeignete Medikamente, die unterstützend zum Training gegeben werden können.


    Arbeitet ihr mit einem Trainer-/in zusammen, oder in der Vergangenheit?

    Auch da würde ich mir jemanden suchen, der in dem Bereich viel Ahnung hat und euch Zuhause anleiten kann.

  • Wandelroeschen

    Es gibt auch beim Training mit Angsthunden und/oder Deprivation unterschiedliche Trainingsansätze. Man weiß ja auch aus der Forschung, dass das Gehirn sich stetig verändert und darauf aufbauen kann ein Hund auch neue Werkzeuge erlernen, die ihm die Möglichkeit geben ein neues Leben zu leben. Dafür darf man natürlich nicht den Hund zu einem "Folg mir einfach" transformieren, sondern ihm viele Freiheiten und ausreichend Kapazitäten im eigenen Lernprozess ermöglichen. Da kann eine neue Persönlichkeit entstehen. Aber das nur am Rande. Deine Ansatzpunkte finde ich trotzdem nachvollziehbar und vielleicht auch ein gutes Thema, um in einem anderen Thread darüber zu diskutieren.

    Ja, eine Abgabe sollte man nie komplett ausschließen und regelmäßig darüber nachdenken. Und das "Forumsideal" kann und sollte man mit einem solchen Hund nicht versuchen zu leben.

  • Danke erstmal euch allen!

    Das mit dem Hundebuggy ist eine gute Idee! Anirac was hast du denn da für einen? Theo ist ja auch nicht so super klein.

    Er hat quasi gute und schlechte Tage. An manchen Tage ist er "nur" gestresst, aber auch das akkumuliert sich, und dann wil er nicht mehr raus. Er bekommt allerdings auch so richtige Panikattacken und versucht panisch loszurennen, dann muss ich ihn mit aller Kraft halten. Spätestens dann ist es eben vorbei. Ich kann ihn dann tatsächlich noch tragen, aber dann müssen wir zurück. Von meinem Partner lässt er sich dann nicht tragen. Wär jetzt auch mit dem Buggy etwas meine Befürchtung dass er dann darin Panik hat, aber vielleicht kann ich das mal irgendwie testen.

    Das mit dem Tierarzt - ja, ich hab allmählich das Gefühl es ist etwas wie zum Hausarzt zu gehen und zu sagen man ist oft müde. Die meisten machen nichts. Ich war jetzt bei mehreren, auch in Deutschland bei einem. Ein ausführliches Blutbild haben wir jetzt machen lassen, da warten wir noch auf das Ergebnis.


    Falco Medikamente hatte ich vor unserem Umzug in Betracht gezogen, jetzt hatten wir eigentlich eine gute Zeit. Ich werde aber in Betracht ziehen, muss nur eben erstmal einen guten Tierarzt finden. Wir sind erst seit knapp über einem Monat hier, und unserer anderer Hund hatte erstmal Vorrang bei der Arztsuche, der hat einen Herzfehler. Wir würden ein Auto kaufen, ja, aber das macht im Grunde auch nur fürs Wochenende Sinn. Unter Woche tatsächlich raus aus der Stadt zu fahren ist utopisch, da brauchen wir einfach zu lange. Da er Parks (zumindest gerade noch) mag, seh ich die Lösung eher im Umzug.


    CheshireDogs ich hatte euch tatsächlich beim Nicht-Rausgehen im Kopf! Ich hätte sonst es wahrscheinlich noch vehementer versucht. Nur wie du sagst, mit einer Wohnung ist es leider noch etwas komplizierter in der Hinsicht.


    BettiFromDaBlock Potato setzt leider so ein paar Angsthund-Regeln außer Kraft, zB das mit den vertrauten Orten vs neuen Orten. Für Potato ist alles neue toll, weil da noch nie was doofes passiert ist. Und zwar wirklich toll toll. Wir dachten die erste Zeit wir haben nen neuen Hund. Er hatte fast durchgehend super gute Laune. Und jetzt stehen wir eben wieder vor dem Problem, dass sich die Wege verengen. Er fühlt sich mit dem Zeithund sicherer, aber der Hauptanhaltspunkt bin da tatsächlich schon ich. Also er sucht bei mir Schutz, lässt sich auch bei leichter Panik von mir da manchmal wieder "rausreden", und tragen darf ich ihn wie gesagt selbst in schlimmster Panik. Geht aber auch nicht lange, isn ganz schöner Klops. Und dann müssen wir heim. WIr sitzen oft im Park und kucken, ich hab auch das Gefühl das tut ihm gut. Ich hab das kucken eh auch von deinen Tips übernommen, danke dir! :) Es muss nur eben ein ruhiger Ort sein, in einer hektischen Straße probieren wir das auch manchmal, aber das klappt weniger.

  • Potato setzt leider so ein paar Angsthund-Regeln außer Kraft, zB das mit den vertrauten Orten vs neuen Orten. Für Potato ist alles neue toll, weil da noch nie was doofes passiert ist. Und zwar wirklich toll toll.

    Ist das wirklich Freude oder starke Aufregung, die zum Kaspern führt? Betti rennt ja auch volle Kanne in jeden neuen Ort, aber nicht, weil sie Bock drauf hat. Sie gerät einfach in Bewegung bei Stress. Kann er sich an dem neuen Ort schnell beruhigen und ablegen, wälzen, bleiben? Wenn nicht, würde ich das hinterfragen, dann wäre das schon ein Zeichen von jetzt wird es zu viel und er will die Anspannung irgendwie loswerden.

  • @Juno2013 Natürlich willl ich mir für Potato Zeit nhemen, nur ist meine Zeit eben auch begrenzt... Wir haben ja noch einen zweiten Hund, mit diametralen Interessen. Der braucht sehr viel Bewegung, und ist mit Pipi-Runden ungefähr 3 Stunden täglich draußen. Wir spielen drinnen, er spielt auch mit dem Zweithund viel, ich freu mich auch über mehr Tips dazu, was man da drinnen noch machen kann, da gehen mir auch allmählich die Ideen aus. Nur wie gesagt, ihn jetzt ausschließlich alleine in einer kleinen Wohnung zu bschäftigen, da stoße ich an meine Grenzen.


    BettiFromDaBlock nochmal, ja joggen hat ihm geholfen. Wir waren jetzt in der Stadt tatsächlich aber noch nicht zusammen, das hab ich mich noch nicht getraut mit ihm. Auch weil wir da alleine ohne Zweithund gehen würden. Potato kann erstaunlicherweise tatsächlich gut alleine bleiben, mit Zweithund sowieso super, ohne ist er gestresst aber es geht.

    Wetter spielt eine große Rolle, ja! Zu heiß mag er nicht, zu windig, gewitter natürlich auch nicht... Abgabe, ja wohin? Ein großes Haus mit großem Garten hatten wir, für ihn das absolute Grauen. Es dauert Wochen bis Monate, bis er sich von Menschen die er nicht kennt anfassen lässt, vorher beißt er auch. Über die Trennung vom Zweithund würde er meiner Meinung nach sehr lange bis nie drüber weg kommen.


    Wandelroeschen danke für den langen text, ich muss jetzt erst einmal los, aber schreibe nachher nochmal.

  • Potato
    Ich kann das gut nachvollziehen, weil ich eine ähnliche Konstellation habe.

    Ich denke, ich würde beim aktiven Hund die Zeit kürzen (von 3 auf 2, 5 oder 2 Stunden finde ich grundsätzlich vertretbar) und die Zeit nutzen, um mit dem anderen Hund zu arbeiten.

    Eben nicht nur mit dem Ziel, dass der Angsthund ausgelastet ist, sondern mehr Sicherheit gewinnt, um perspektivisch wieder mit vor die Tür zu können.

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