Leinenpöbler - wie finden wir die Ursache?

  • Bei dieser Vorgeschichte wäre es nicht ungewöhnlich, wenn er einen Deprivationsschaden hat.

    Ein richtiger Deprivationsschaden würde sich wohl mehr äußern als in Leinenpöbelei, dann würde er wahrscheinlich auch nicht Schulhund sein können etc.


    Ich würde auch mit einem Trainer arbeiten - denn Pöbeln kann echt ein hartnäckiges Problem sein - und die Ursache ist auch oft mehrschichtig und verändert sich: Unsicherheit (und die Unfähigkeit an der Leine Distanz zu schaffen), Unverträglichkeit (ich würde da aufs Geschlecht gucken und nicht auf Größe und Farbei o.ä.), manchmal ritualisiert sich das auch richtig, der Hund lässt so Dampf ab - ggf. ist er auch sonst gestresst...


    Hundepensionen sind nach Abgabe des Hundes eine Blackbox. Du weißt nicht, wie die Hunde da miteinander umgehen. Sehe ich in Kombination mit der Leinenpöbelei eher kritisch.


    UND: Ich würde wirklich früher als nach den Sommerferien regelmäßige Sozialkontakte schaffen. Keine Hundewiese, nicht zwölf verschiedene Hunde... aber zu zwei, drei Hunden sollte er schon Kontakt haben. Das brauchen die meisten Hunde.

  • Ich würde auch erstmal schauen, wo die "magische Grenze" ist, wo der Hund auslöst.

    Oft merkt man, beispielsweise, dass der Hund ab 10m Abstand steif wird und fixiert, ab 5 Meter dann bellt.

    Vergrößert man den Abstand, bleibt der Hund ansprechbar und man kann Alternativverhalten aufbauen, zb Schau.

    Allgemein ist es sinnvoll, bei einem solchen Hund den Fokus vom "Außen" auf den Menschen zu lenken.

    Im Welpenkniggethread gibt's ein sehr schönes Beispiel von BieBoss wo sie erklärt, wie man das man das machen kann:

    Beitrag No.18


  • - ich habe versucht, Hundebegegnungen mit Handlungsabläufen zu belegen (zB Sitz machen und Leckerli abgreifen) - das führt aber dazu, dass er das angebotene Leckerli gerne nimmt, aber noch während er kaut, wieder in die Leine ballert und den anderen volltöffert

    So haben wir das in den Griff bekommen. Einen Bogen laufen - wenn das nicht möglich ist Richtung wechseln, Hauptsache man hat ausreichend Distanz zum anderen Hund. Leckerli geben, aber genau dann, wenn er zu pöbeln beginnen will und das Leckerli nicht auslassen, solang der andere Hund noch vorbeigeht.
    Mein Mann hatte das Problem, dass er das Leckerli immer zu früh ausgelassen hat und unser Hund sich dann mit Leckerli umgedreht hat und den anderen noch im weggehen verbellt hat. Versuch doch mal, ob du das zeitlich besser hinkriegst.
    Ich habe zusätzlich ein Aufmerksamkeitssignal trainiert - simples mit der Zunge schnalzen, dann guckt der Hund mich an. Das hat dann bald das Leckerli ersetzen können.
    Ich habe aber durchaus auch beides angewandt, wenn es besonders kritisch war. Zum Beispiel - Leckerli, Aufmerksamkeitssignal, noch ein Leckerli. Hauptsache der Hund bekommt keine Zeit sich auf den anderen zu konzentrieren.
    Was bei uns auch sehr wichtig war - schon im Vorfeld gucken wie dein Hund reagiert. Ich lenke sofort ab, wenn ich sehe, dass meine zu fixieren beginnt. Und da sind wir noch weit vom andren Hund weg. Das hat sie dann auch zügig gelernt: Fixiert wird nicht.

    Also: Fixieren frühzeitig unterbinden, ausreichend Distanz halten (muss man testen wie weit), Leckerli zum richtigen Zeitpunkt anbieten und nicht einfach nur geben, Aufmerksamkeitssignal trainieren.

    Viel Erfolg!

  • Mein Schäferhund hatte eine sehr schlimme Leinenaggression. Ich berichte hier nur aus eigener Erfahrung.


    Vom lesen her ist es für mich keine Verteidigung oder ernstgemeinte Aggression. Du schreibst allerdings auch zu wenig Details.


    Wenn er die Möglichkeit hätte, würde er ohne Leine zum Hund hin? Da dein Trainer von Kontrolle sprach, denke ich nicht, dass dein Hund sich versucht den anderen vom Leib zu halten. Eher nach: Ausweiskontrolle bitte. Also kontrollieren wollen, meistens aus Unsicherheit, weil er sonst keine Verhaltensweisen im Repertoire hat. Kann auch die Folge von einer "falschen" Sozialisierung sein, muss nicht.


    Meistens ist es so, dass der Hund ein Problem mit anderen Hund hat und nicht der Besitzer. Deswegen schiesst sich der Zustand vom Hund trotzdem ins unendliche wenn man Hunde begegnet, obwohl man selber ziemlich gelassen dabei ist. Daher muss man einen Weg finden, das Erregungslevel des Hundes beim Anblick von seinen Todfeinden low zu halten und seinen Fokus auf den HF zu lenken. Stichwort Impulskontrolle, Frusttoleranz, Umorientierung (auch die Leinenführigkeit gehört hier dazu.)

  • es würde ja schon ganz viel geschrieben.

    Wichtig ist, zu reagieren, bevor der Hund Stress bekommt.

    ZB mit Umdrehen, wenn der andere Hund kommt, oder Bogen laufen.


    Meine Hündin hat früher sehr viel gepöbelt an der Leine.

    Inzwischen nicht mehr.

    Ihr hilft, dass es an der Leine gar keinen Hundekontakt gibt.

    Im Park wird sie bei wilden großen Hunden kurz angeleint (die sind ihr größter Trigger). Diese Hunde blocke ich auch ab für sie, damit sie nichts machen muss.


    Wenn eine Situation so plötzlich ist, dass ich nicht mehr schnell genug reagieren kann, bevor sie sich aufregt, nehm ich sie hoch auf den Arm.

    ZB wenn ein Hund bei einer engen Stelle ohne Ausweichmöglichkeiten plötzlich um die Ecke kommt.

    Auf dem Arm ist sie ruhig

  • Ich denke Distanz ist auch das Zauberwort, siehe den Beitrag von DerFrechdax.

    Ansonsten klingt euer Versuch mit den Leckerlis so, als ob er welche nehmen könnte, aber nach dem kauen sofort wieder weiter pöbelt. Da hättet ihr ja einen Ansatzpunkt.

    Als Management könnt ihr z. b. versuchen, bevor er ins pöbeln kommt, ihm eine Tube mit Leberwurst, Lachscreme etc. vors Maul zu halten und ihn so vorbei zu lotsen. Damit ihr dort, wo ihr nicht ausweichen oder umdrehen könnt, heil aus der Situation kommt, ohne euch Trainingsfortschritte kaputt zu machen.

  • Die Ursache ist komplett egal. Wichtig ist dass ihr das in den Griff bekommt. Nicht nur der Umwelt zu Liebe sondern vor allem für den Hund. Ich habe ja im Sommer hier so eine 10 jährige Pöbelzwergin übernommen. Ähm ja ... Abstand halten, Bogen laufen, Und immer dolle Loben wenn es funktioniert hat( vor allem sich selbst weil der Abstand groß genug gewählt wurde) Inzwischen reichen bei uns ca 8m und einige Strenge Worte dass sie auf der Seite bleiben soll wo der andere Hund nicht ist (Ich bin immer dazwischen)


    Sie kann sich bei mir immer 100% darauf verlassen dass sie keine anderen Hunde kontaktieren muss. Wenn andere mal angebollert kommen nehm ich sie einfach auf den Arm und verscheuche den anderen und an der Leine schon mal gar nicht. Sie hat gemerkt dass ich da wirklich aufpasse und ich denke dass ist für sie wirklich der Punkt der es ihr leichter macht

  • Ich kann Distanz nur unterschreiben.


    Mein Hund wurde mehrfach gebissen und ist seitdem nicht gut auf andere Hunde zu sprechen.

    Vorher konnte er problemlos in der Nähe anderer Hunde sein, Leinenspaziergänge, Freilauf war alles möglich in der Gruppe.

    Direkt nach dem letzten Biss ist er eskaliert, als er durch die Scheibe beim TA einen anderen Hund gesehen hat. Also sehr massiv.


    Viel Training später (und hier bedanke ich mich herzlich bei meinem Trainer und meinen Teamkollegen, die sich immer wieder mal für gesittete Social Walks zur Verfügung stellen und mir helfen, meinen Hund wieder zu desensibilisieren) ist es besser. Wir können an den meisten Hunden gesittet vorbei gehen. Ich manage zwar sehr viel, damit das möglichst selten geschieht, aber es ist möglich.


    Mailos Individualdistanz ist abhängig von den örtlichen Gegebenheiten und der Situation:

    Draußen beim Gassi ist andere Straßenseite ideal, da schaut er nur, fixiert aber nicht. Selbe Straßenseite geht, aber er ist steif.

    In geschlossenen Räumen (Bahn, Bus, Tierarzt) ist die Distanz größer als draußen, das geht immer noch nicht wirklich gut.

    Fremdes eingezäuntes Gelände mit bekannten, sozialen Hunden hat er keine Individualdistanz, da stört es ihn nicht, wenn der ein oder andere ihn berührt, beschnuppert, umrennt. Er selbst hat aber kein Interesse an Kontakt, sucht den eher beim Menschen.

    Recht aufdringliche Welpen kann er ignorieren.


    Ich habe da einige Fachmenschen drauf schauen lassen und Situationen bewerten lassen, damit ich weiß, woran ich bin:

    Mailo ist sehr unsicher nach dem Biss. Wenn er pöbelt sieht das grausig-gruselig aus, ist im Grunde aber nur sauberes „Verpiss dich“. Dreht der andere Hund ab, beruhigt er sich umgehend wieder. Er hat keine Beschädigungsabsicht, beißt nicht, wenn der andere Hund doch näher kommt. Er wird dann stocksteif und blickt sich hilfesuchend um, selbst reagiert er gar nicht.

    Mischt ein Mensch sich in die Situation ein, gibt er die Aufgabe dankend ab. Diverse dämliche TutDochWas-Treffen später kann ich das mit Sicherheit sagen. Wenn ich ausflippe ist mein Hund ruhig und lässt mich machen. Vielleicht hat er auch nur Angst vor mir, weil er mich so eigentlich gar nicht kennt.

  • Rein vom Lesen her würde ich meinen, dein Hund agiert nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" wenn ihm der Abstand nicht ausreichend groß genug zum anderen Hund ist.

    Ich würde daher so weit wie möglich ausweichen wenn ich einen anderen Hund treffe und ruhiges Verhalten belohnen, damit er irgendwann versteht, dass ihm nichts passiert und er sich auf die verlassen kann.

    Meiner Sina hat das damals ungemein geholfen.

  • Bei dieser Vorgeschichte wäre es nicht ungewöhnlich, wenn er einen Deprivationsschaden hat. Am besten nicht mehr experimentieren, nicht mehr einfach mit anderen Zusammen lassen. Sucht euch einen Trainer für Einzelstunden, welcher euch Zuhause in euren normalen Umgebung begleitet und Tipps für den Umgang gibt.


    Viel Erfolg!

    Danke für die Antwort, ich habe mich da mal reingelesen und schließe beinahe aus, dass es da ernsthaft einen Schaden gibt. Sonst hätte er den Wesenstest für den Schulhund auch wahrscheinlich nicht bestanden, denke ich.
    Trotzdem behalte ich das im Hinterkopf und werde das mit unserem Trainer besprechen. Wir sind zwar momentan nicht in einem Kurs, aber haben trotzdem viel Kontakt.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!