Ruhe beim Hund - ein bedenklicher Trend?

  • Ich habe auch keine Ahnung wie viel meine Welpen schlafen. Solange sie wieder runter fahren können, grundsätzlich entspannt sind und eben allgemein einen gesunden, guten Eindruck machen passt das schon.


    Ich persönlich finde es bedenklich wenn der Welpe in einem so unpassenden Umfeld ist, oder eben einen so schlechten Start ins Leben hatte, dass er auf den Menschen angewiesen ist ihm beim schlafen zu helfen. Und ich meine damit nicht mal kurz runterfahren o.ä., sondern wirklich dieser überstrukturierte Alltag, zig Hilfsmittel usw., alles nur um den jungen, aktiven Hund ruhig zu stellen.

    Ebenso bedenklich ist es, wenn sich jemand ein Tier holt der dafür so absolut überhaupt kein Gefühl hat (und das auch nicht lernen will), sondern meint, dass man sich da einfach nur brav an die Bedienungsanleitung halten muss... und das Tier sich auch.

    Außerdem habe ich Sorge, dass es beim Thema Arbeitsrasse in Privathand jetzt wieder, und ggf sogar noch stärker, ins Gegenteil umschlägt. Es ging ja damit los, dass Arbeitsrassen ohne nachzudenken in Privathand als Begleithunde geholt wurden, weil hübsch. Dann, oh Überraschung, der Hund will beschäftigt werden. Dann hat man den Hund einfach nach dem Motto viel hilft viel 24/7 mit unnnützen Kleinigkeiten belästigt ausgelastet, während sie nebenbei den Begleithundealltag, für den sie absolut ungeeignet sind, stämmen sollten. Und daher kam ja dann der Rat, dass Hunde eben Ruhe brauchen. So, jetzt haben wir die Situation, dass aktive, junge Hunde den ganzen Tag still halten sollen. Super... Passt gut zu der Einstellung, dass ein gut erzogener Hund immer nur apathisch rumsteht und, dass Hunde eigentlich eh nur Sofadekos mit eingebauter Wärmflasche sind.

    Ja, genau das mein ich. Hast es besser ausgedrückt als ich :smiling_face:

  • Hmmm....


    ich bin ja auch eher in der Fraktion "nach müd kommt blöd".


    Will sagen: mein Gosso Sam hat mir nachhaltig beigebracht, dass es sehr leicht ist einen Welpen/Junghund zu überdrehen und sehr schwer, ihn wieder runter zu bringen.


    Da hab ichs am Anfang auch über "Auslastung,Auslastung,Auslastung" und "Beschäftigung, Beschäftigung,Beschäftigung" probiert - und das ging in die Hose.


    Hat gedauert, bis ich wieder zurück rudern konnte und hat alle Beteiligten viele Nerven gekostet...


    Ich mach allerdings daraus keine Wissenschaft - ich guck nicht nach Schema F auf die Uhr oder Meter meine Gassigänge aus oder spiel mit der Stoppuhr in der Hand.


    Da hat meine Vorschreiberin Caissa schon recht, die richtige Mischung muss es sein. Und die ist bei jedem Welpen/Junghund verschieden.


    Der Gosso hat lange gebraucht, einfach mal runter zu kommen und nicht ständig auf "Empfang" und unter Strom zu stehen. Der musste Ruhe lernen, hat lange gedauert. Eben typisch "Hüti"


    Joey konnte als Welpe/Junghund eine ganze Menge mehr "Aufregung" vertragen - der war von vorneherein immer viel mehr in sich ruhend und sehr schwer "drüber" zu bringen. Der war einfach so - lieber das Geschehen von einem ruhigen Fleck aus beobachten als mittendrin zu sein...da war das natürlich überhaupt kein Thema. Allerdings war er auch schwerer für irgendwas zu "begeistern". Viel mehr typisch Herdi.


    Ben ist irgendwo in der Mitte - er braucht schon noch seine "Routinen" und manchmal muss man ihn auch tatsächlich mit einem ernsten Mitarbeitergespräch davon überzeugen, dass jetzt mal Ruhe ist - aber dafür hält er auch mal ein turbolenteres Wochenende gut aus mittlerweile, ohne dass er komplett überdreht.


    Ich bin allerdings nicht der große Künstler was Deckentraining oder Boxentraining betrifft - ist einfach nicht so meines, mir isses wurscht, wo sich meine Hunde hinlegen.Mir ist es auch egal, ob z.b. der Ben mir dann aus irgend einer Ecke zuguckt, oder ob er sich mit irgendwas beschäftigt oder ob er tiefentspannt schläft - er kann den Platz wechseln, er kann was trinken gehen, er kann auf seinem Spieli rumkauen, er kann meinetwegen auch versuchen, meinen Göga zu animieren, er kann in den Garten, er kann bei mir im Homeoffice sein oder allein oben im Flur oder auf der Couch, er kann mir meintewegen auch durchs Haus folgen, wenns ihm nicht zu langweilig ist - nur "rumflippen" und rumnörgeln, oder rumnölen oder zu viel Blödsinnmachen ist nicht.


    Aber wie gesagt: ich mach das nicht nach einem irgendwie gearteten Plan oder mit Decken/Boxentraining. Eher über Alltagsroutinen, die sich eben so ergeben haben. Nach Gefühl und frei Schnauze - aber nach viel Aufregung und Stress kommt immer wieder ein ruhigerer Tag.


    Und mit ruhigerem Tag mein ich nicht den ganzen Tag im Koma rumliegen, sondern eben wieder die ganz normale Alltagsroutine. Würd der Ben den ganzen Tag nur hier aufm Sofa liegen, wär ich wohl sofort beim TA...Und bekäm er nicht immer die richtige "Dosis" an "Auslastung" und Abwechslung und Spiel und Bewegung und manchmal auch "Arbeit" dann würd er mir andereseits wahrscheinlich das Haus zerlegen. Je älter er wird, desto leichter fällt es aber auch, das in die richtige Balance zu bringen. :nicken:

  • i Arbeitsrassen wie Border Collie, Schäferhund usw. ist das umso wichtiger, da ne angemessene Balance zu finden. Bringt man denen schon von Welpe an bei, dass jeden Tag Halligalli ist, dann hat man früher oder später ein absolutes Nervenbündel, das immer mehr mehr mehr fordert und absolut unausstehlich ist, auf jeden möglichen Reiz anspringt und und und.

    Packt man den Hund dagegen in Watte und zwingt ihn zu 23 h Ruhe am Tag - ja nee, da muss man sich nicht wundern, wenn der Hund einem vor Langeweile die Einrichtung zerlegt.

    Absolut auf den Punkt gebracht!👍

  • Mir war schon wichtig, dass Jette Ruhe lernt. Sie ist ein Irish Terrier und wie alle Terrier gut im Hochdrehen aber als Welpe ganz schlecht im Runterfahren.


    Sie lernte also erstmal jede Menge Alltag mit immer wiederkehrenden Rhythmen und Riten und sehr viel Gelassenheit und Ruhe von mir kennen.


    Ich trainierte mit ihr keine Kommandos, ich trainierte keine Box oder Decke. Ich sah nur zu, das Madame nicht endlos hochdrehen konnte und immer wieder Ruhepausen mit schnödem Alltag da waren.


    Wenn ich merkte, sie wurde müde, dann war Ruhe angesagt und wenn sie ihre Welpen Minuten hatte, ja mein Gott, dann wartete ich in Ruhe ab bis sie sich abreagiert hatte,

  • Für mich war für den jungen Hund schon die Grundregel sinnvoll, dass im Haus Ruhe herrscht und die Action draußen stattfindet. Der Sinn hinter dieser Regel war für mich, dass ich im Haus auch Ruhe haben will und der Hund das Haus auch gar nicht als Action- und Tobeareal verknüpfen sollte. Das hiess jetzt aber nicht, dass der Hund da nur scheintot rumliegen durfte, sondern dass ich im Haus nie zum Toben animiert und allzu wildes Gebaren auch sanktioniert habe. Deshalb durfte schon auch die Robbe rumgeschleift werden oder Pappe geschreddert oder mal nachgedackelt.

    Dafür gab es aber auch ausreichend Draussenzeit, einfach weil ich im Sommer auch gerne draußen bin und der Hund dann eben auch.

    Bei mir soll der kleine Hund möglichst im Alltag mitlaufen. Das bedeutet, dass er eben auch schon als Welpe bzw. Junghund da dabei ist, wo er später auch mitsoll. Je Kleiner desto mehr muss man halt noch managen, aber der wächst da schon rein.

    Junghunde sind einfach nach einem aufregenden Tag auch mal drüber. Dann schraubt man am nächsten Tag die Anforderungen zurück.

    Für mich ist wichtig, dass man den Zwerg auch einfach mal nicht beachtet und so deutlich macht, dass er abgemeldet ist. Wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind, findet er dann auch zur Ruhe. Zur Not im Welpengitter oder an seinem Ruheplatz angebunden. Das Abgemeldetsein muss der Hund lernen und es tut ihm gut.

  • Ich denke auch, dass man diese Frage nicht zu Verkopft angehen sollte. Meiner Meinung nach findet man das richtige Maß zwischen An- und Entspannung für den eigenen Welpen am Besten wenn man diesbezüglich auf sein Bauchgefühl vertraut.

    Mir war auch wichtig, dass Till gut zur Ruhe kommt und nicht ständig unter Strom steht. Vor allem wollte ich ihn nie überfordern. Aber ich habe nie feste Pläne gemacht und nach der Uhr trainiert. (Nach dem Motto: "Jetzt sind genau 10 Minuten Training dran") Bei Allem habe ich geschaut, wie es Till damit geht. Trainiert wurde solange er gut mit dabei war. Abenteuer draußen gab es soviel wie er gut verarbeiten konnte. Irgendwie, finde ich, hat man das immer sehr gut gespürt.

    Das Haus ist bei uns keine generelle Ruhezone. Da darf auch getobt und gespielt werden. Klar hatte er als Welpe ab und an seine 5 Minuten. Die durfte er auch gerne haben. Aber die waren nach 5 Minuten dann auch wirklich von selbst vorbei und er kam von sich aus zur Ruhe. In meinen Augen ein Indiz dafür, dass das Verhältnis gestimmt hat.

    Wenn ich wirklich mal Ruhe im Haus haben möchte oder brauche, gibt es das Kommando "Körbchen" oder "Platz"
    Ich halte es auch nicht für nötig einen Hund während eines Besuches konsequent im "Platz" oder auf der Decke zu halten, wenn es keinen besonderen Grund dafür gibt. Warum sollte ein Hund nicht selbst entscheiden wo er gerne liegen möchte, und ob und wann er gerne einmal in die Runde schauen möchte? Es gibt natürlich immer wieder Situationen die das erfordern. Aber rein prinzipiell sehe ich darin keinen Sinn.


    LG


    Franziska mit Till

  • Bei Arbeitsrassen wie Border Collie, Schäferhund usw. ist das umso wichtiger, da ne angemessene Balance zu finden. Bringt man denen schon von Welpe an bei, dass jeden Tag Halligalli ist, dann hat man früher oder später ein absolutes Nervenbündel, das immer mehr mehr mehr fordert und absolut unausstehlich ist, auf jeden möglichen Reiz anspringt und und und.


    Allerdings geht auch ein großer Trend zu Border Collies, Australien Shepherds u.ä. oder deren Mixen hin. Hier bei uns laufen davon endlos viele rum. Und was bei denen ja immer und überall gepredigt wird: erstmal Ruhe lernen, dann alles andere. Vielleicht ist das Teil des Trends :thinking_face:


    Ich denke, dass so mancher, der sich (ohne zwingenden Grund, also wirklich nur als Haustier) einen solchen Arbeitshund holt, diesen auch auslasten muß - oder denkt, es von Anfang an zu müssen. Daraus resultieren dann Hunde, die von sich aus teilweise tatsächlich nicht mehr zur Ruhe kommen. Aber ich habe bei meinen Hunden auch definitiv nicht auf die Stoppuhr geschaut, ob die Ruhezeiten lang genug sind. Ich hab auch einen kleinen Wildfang, der tatsächlich auch durch toben / rennen besser ausgelastet wird, als durch schnüffeln. War mit ihm schon in der Gruppe im Wildgehege spazieren mit anderen Hundebesitzern, alle anderen berichteten hinterher, ihre Hunde wären platt direkt beim ins Auto einsteigen quasi eingepennt - meiner saß im Auto mit einem Blick, der sagte, und was machen wir jetzt?


    Ich denke auch, man muß sich den Hund anschauen, muß schauen, was er braucht, und wie er zurecht kommt. So wild und albern mein Hund draußen beim Toben sein kann, kann er durchaus beim Arbeiten am Schreibtisch unter selbigem in seiner Box liegen, pennen, und stundenlang keinen Ton von sich geben *g*

  • Ich sehe es auf Instagram extrem.

    Anfangs hab ich es total begrüßt, dass endlich dieser Mythos der immerwährenden Auslastung in Form von stundenlang herumtoben beigelegt wurde aber je öfter ich mir Storys von Leuten v.a. mit Hütis anschaue desto trauriger macht es mich. Wenn diese Leute (überspitzt) gefragt werden brüsten sie sich ernsthaft damit, dass es am Tag insgesamt ne halbe Stunde rausgeht und der Hund problemlos 20 Stunden schläft bzw auf seiner Decke ruht. Wie stolz sie darauf sind. Puh... Dann fragt man warum es denn bspw ein Aussi wurde, was man an der Rasse mag oder was man an rassegerechter Auslastung betreibt. Als Antwort schreiben diese Leute, dass das mit der Auslastung ein großer Mythos ist, Gas geben können alle nur Bremse muss man erstmal üben und allein der 20 minütige Gassigang durchs Dorf ist für einen reizempfindlichen Hund wie den Aussi schon genug Auslastung usw usf.


    Ich verstehe absolut worauf sie hinaus möchten mit solchen Aussagen, also den Punkt worum es ihnen geht kann ich total nachvollziehen und ich kann mir auch die Blogbeiträge dazu vorstellen von denen sie solche Weisheiten haben.


    Nur... Irgendwie... Wird das völlig falsch umgesetzt bzw interpretiert. Wie ich in dem Welpenthread schon geschrieben habe geht es einfach so sehr ins Extreme. Und das sind v.a. alles keine Welpen! Wir reden von 3 jährigen Aussies die mit Saft und Kraft im Leben stehen und da gibt's nix außer im Wohngebiet an der kurzen Leine, wenn der Hund Glück hat und *orientiert ist* wird die Leine ans Geschirr gemacht und er ist im *Freizeit modus*. Gruselig. Allein diese Begrifflichkeiten immer...


    Und nein ich nehme das nicht von 3 Minuten Story gucken, diese Leute sagen selbst, dass es 6 Tage die Woche NUR dieses Programm gibt. Wie gesagt, die sind stolz drauf dass das so ist 😮‍💨🫣


    Von denen hat auch noch nie jemand was von einer Schleppleine oder Rückruftraining gehört... Wozu auch. Der Hund soll schlafen und die Gosch halten. Urgh.

  • Als Anfänger ist es fst unmöglich, mit den 1000 verschiedenen Empfehlungen klarzukommen und das Richtige zu finden. Das liegt insbesondere daran, dass jeder Trainer seine Ansichten als ultimative Wahrheit verkauft.


    Die Tierschutztöle hier ist nie so richtig zur Ruhe gekommen. Alle haben erzählt, dass 18 Stunden Ruhe ja so wichtig wären und man den Welpen ja bloß nicht zu weit laufen lassen soll. Beschränkung, Deckentraining, nix unternehmen usw. haben nix gebracht. Dann kam als nächster Tipp, auf Sport und lange Spaziergänge zu verzichten. Im Ergebnis war das Tier noch weniger ausgelastet.


    Geholfen hat am Ende etwas anderes: Wir lasten das Tier ordentlich geistig und körperlich aus (mindestens 2 Stunden lang) aber - und das war der Schlüssel - gehen nicht mehr 4x am Tag nach draußen, sondern nur noch dreimal. Jetzt schafft es das Tier endlich, in der Zeit dazwischen so richtig zur Ruhe zu kommen.

  • Ich mag den Ausdruck "Ruhe lernen" ja überhaupt nicht.

    Wenn Welpen etwas können, wenn sie auf die Welt kommen, dann ist das Schlafen und Ruhen. In ihren ersten Lebenswochen besteht ihr Tagesrhythmus aus Trinken und Schlafen, nach und nach kommt dann immer mehr Erkunden der Umwelt und Spielen mit Artgenossen dazu.


    Unsere Aufgabe, wenn wir einen Welpen ins Haus holen, ist ja nicht ihm Ruhe beizubringen, sondern ihm ruhige Zeiten geben, ihn nicht dauerhaft mit Reizen zu überfluten, wenn er diese (noch) nicht filtern kann.


    Der Hund muss also nicht "Ruhe lernen", sondern er muss lernen mit dem neuen Alltag klarzukommen.


    Ich habe auch das Gefühl, dass es in mancherlei Hinsicht in die Extreme geht. Aber dieses Phänomen gibt es ja fast überall.

    Ich bin auch Verfechterin der gesunden Mitte.

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