Gibt es kein Bauchgefühl mehr?
-
-
Meine Meinung dazu ist, dass man das nicht pauschal an einem fehlenden Bauchgefühl festmachen kann, sondern ganz viele unterschiedliche Faktoren mitspielen. Grade wenn man es mit Hundeerziehung von anno dazumal vergleichen möchte. Bei den Hunden von 'früher' wurde, wie ich finde, gar nicht so penibel auf eine 'perfekte' Erziehung geachtet. Zumindest nicht hier auf dem Dorf und in Kleinstädten, wo ich aufgewachsen bin. Alleine wenn ich mir mein damaliges (familiäres) Umfeld anschaue, war es einfach kein Drama, wenn der Hund am Zaun im Dorf den ganzen Tag gebellt hat, der Nachbarsrüde aus Versehen die läufige gedeckt hat, der Hund vorm Bäcker ohne Leine warten musste und vielleicht mal auf einen kurzen Spaziergang alleine losgezogen ist, das Kind mal auf die Schnauze geflogen ist, weil man es alleine mit dem Hund losgeschickt hat, der Hofhund vom Bauern warnend im Hof ohne Zaun die Schulkinder auf Abstand gehalten hat usw. Es gab keine Internet-Lehrvideos, kein Hunde-Erziehungs-TV, vielleicht einen Schäferhundverein mit Stachler und Strom im Kaff nebenan.
Das war normal, damit bin ich aufgewachsen, aber das dürfte sich heute schon alleine gesellschaftlich und durch all die Auflagen, die es nun gibt, niemand mehr erlauben. Und warum ist das zum Teil so gekommen? Der Boom an Auslandshunden, verliebt und bestellt via Foto, die Schwemme von Vermehrern, die über die Jahre ebenfalls stetig zugenommen hat. Wilde und bunte Rassemixe, Hybridrassen, überall kommt man easy an die verrücktesten Hunde. Das war früher nicht so, finde ich zumindest. Die Hundedichte (und eben nicht nur nette Hunde) hat extrem zugenommen und damit auch das Potenzial für Negativbeispiele.
Daraus resultieren Auflagen/Gesetze und das macht Neuhundehaltern u. a. Druck, ihr neues Familienmitglied muss perfekt erzogen werden. Durch Internet, zig Hundeschulen, selbsternannte Trainer, Ernährungsberater und co. hat man nun natürlich auch die Möglichkeiten dazu. Aber so extrem viele Anlaufstellen und verschiedene Meinungen, da stimme ich dir zu, können eben auch verwirrend sein und zur Überforderung mit der ganzen Situation führen, vor allem für Ersthundbesitzer. Ich zumindest hatte mit meiner ersten Hündin immer wieder das Gefühl, NICHTS richtig zu machen.
Was wir aber auch nicht vergessen dürfen ist der positive Aspekt, dass es den Hunden (und allgemein Tieren) früher sicher nicht besser ergangen ist. Allein das Beispiel Medizin. Was heute möglich ist und früher einfach hingenommen oder nicht gewusst wurde. Hat alles seine Vor- und Nachteile, aber generell finde ich den Trend zum 'viele Infoquellen + sich extrem viele Gedanken machen' besser, als wenn die Menschheit ignorant und 'dumm' ihren Haustieren gegenüber bleiben würde. Denn du hast - mal ganz doof gesagt - vielleicht auch ohne diesen Schnickschnack ein gutes Bauchgefühl, aber das haben und hatten bei weitem nicht alle. Im Gegenteil, ich würde immer noch behaupten, dass Foren, Social Media und co. NICHT den Maßstab der Hundehalter darstellt und es früher z. T. noch schlimmer war.. im realen Leben.
-
- Vor einem Moment
- Neu
-
-
Meine Kids sind Anfang der '90 geboren und würden ein komplett anderes Bild von den Hunden ihrer Kindheit erzählen ... das freut mich jetzt richtig für sie
dem kann ich mich nur anschließen.
Garantiert war früher nicht alles besser, auch wenn es damals, irgendwann mal einen Kaiser gab.
Meine Jungs, beide auch Anfang der 90 geboren, sind mit Hunden groß geworden. Sie war ihr Kumpel, ihr bester Freund, jemand der stundenlang das Gejammer über die blöden Eltern ertrug, der mit ihnen auf Schatzsuche ging, der aber nie und nimmer böse behandelt wurde. Selbst damals war für uns klar, frisst der Hund, Finger weg, schläft er, lassen wir ihn in Ruhe, macht er Blödsinn, bekommt er was auf den Deckel. Der Hund war ein Familienmitglied und wurde dementsprechend behandelt.
Es gab damals sehr viele Hunde, die wirklich grausam gehalten wurde, das möchte ich auf gar keinen Fall wiederhaben.
Aber scheinbar sind viele nicht mehr in der Lage, die erhaltene Informationsflut auf die eigene Situation umzusetzen und wirklich "aus dem Bauch " raus entscheiden zu können ob es passt.
-
Nachdem ich selbst bei Menschen festgestellt habe, wie unterschiedlich man Dinge bewerten kann, obwohl man sich ansonsten recht ähnlich ist, glaube ich nicht, dass es tatsächlich DAS Bauchgefühl gibt.
Wir treffen Entscheidungen anhand von Erfahrungen und Gelerntem, Erziehung, körperlichen Bedingungen (Erkrankungen z. b.) etc. Das kann von Mensch zu Mensch völlig unterschiedlich ausfallen.
Jemand, der mit Hunden aufgewachsen ist, geht doch ganz anders mit einem Welpen um als jemand, der Hunde nur von Fotos kennt. Und je nachdem wird dann entweder ein Experte auserkoren, viele Quellen befragt oder "einfach" gemacht.
Von daher finde ich die Empfehlung "Hör doch mal auf dein Bauchgefühl" super wage und damit lässt man viele Menschen im Regen stehen, die damit nichts anfangen können oder bereits gemerkt haben, dass ihr Bauchgefühl nicht die richtige Richtung vorgibt..
-
scheinbar sind viele nicht mehr in der Lage, die erhaltene Informationsflut auf die eigene Situation umzusetzen und wirklich "aus dem Bauch " raus entscheiden zu können ob es passt
Woran machst Du das denn fest? Klar, man hört von Leuten, die sich an irgendwelche unpassenden Informationen oder Trainingspläne klammern. Aber woran machst Du fest, dass das a) mehr sind als "früher", b) ursächlich an einem "zu viel" an Informationen liegt und c) mit mehr "Bauchgefühl" besser wäre?
-
Woran machst Du das denn fest?
Das ist einfach mein Empfinden.
In meinem Umkreis hatte bisher eigentlich jeder immer irgendwelche Hunde. Durch das regelmäßige rausgehen mit dem Hund lernt man unweigerlich auch Leute kennen. Da fällt mir halt immer öfter auf, daß es heißt, wir müssen das so und so machen, der Trainer hat es gesagt, Hundeschule hat vorgegeben etc. und sie halten sich daran, auch wenn sie damit nicht klar kommen. Wenn ich aber merke, daß der Weg nicht zu dem Hund/Mensch Gespann passt, dann muss ich doch "auf mein Bauchgefühl" hören und einen anderen Weg suchen.
-
-
Abgesehen davon dass es Zeiten vor dem Patriarchat gab, wo sich Männer um die Kindern der Frauen gekümmert haben, sprichst du Männer ihre Empathie ab.
Also, ohne jetzt irgendeine Seite in irgendwas einnehmen zu wollen, aber was genau meinst du konkret?
Also wo, wann, wer? Einfach aus Interesse.
Im Ethnologiestudium habe ich mich durchaus intensiver mit Gender Studies berschäftigt. Daher interessiert es mich doch, welche Kulturen, Gesellschaften du meinst. Aber ist Off-Topic..
-
Aber scheinbar sind viele nicht mehr in der Lage, die erhaltene Informationsflut auf die eigene Situation umzusetzen und wirklich "aus dem Bauch " raus entscheiden zu können ob es passt.
Wieso "nicht mehr"? Früher gab es die Über-Information ja nicht. Die Fähigkeit, damit umzugehen, hätten die Menschen "früher" vermutlich ebenso wenig gehabt wie heute.
Ist wie wenn man sagt "Früher hatten die Leute weniger Flugangst". Ja klar, weil "früher" gabs keine Flugzeuge.
-
Das ist einfach mein Empfinden.
Ja okay, dann ist diese Diskussion natürlich ähnlich zum Scheitern verurteilt wie Diskussionen über die Existenz Gottes.
-
Etwas ab vom Bauchgefühl sehe ich da eher das Problem, dass man heute mehr nach einer Art Perfektion strebt, alles nach irgendwelchen Normen ausrichtet und dabei so unglaublich Angst hat, dass man einen Fehler macht oder scheinbar etwas außerhalb der Norm ist.
Der Junghund ist aktiver als "normal", der Kot weicher als es das perfekte Häufchen sein sollte und schon ist alles aus dem Lot.
Vielleicht hängt das wirklich mit einer gewissen "Naturentfremdung" zusammen, denn alles, was lebt, entwickelt sich halt nicht genau nach Norm, aber im Normalfall trotzdem normal.
Das ist nicht wie bei technischen Geräten, wo man einen Knopf drückt oder einen Hebel zieht und dann weiß man genau, was passiert.
Man hält das heute schlechter aus, dass es nicht wie vorher geplant läuft, dass man flexibel sein muss und sich an das Lebewesen anpassen und sich darauf einstellen muss. Es läuft doch nie völlig geradlinig, aber wenn man weiß, wo man mit dem Hund hinwill und Geduld hat und kleine Rückschläge mit Humor nimmt und reflektiert, kommt man doch irgendwann ans Ziel. Das ist doch das Schöne und Spannende an der Arbeit und dem Zusammenleben mit dem Hund.
Dazu gehört auch Gelassenheit und ein Quäntchen Risikobereitschaft, finde ich. Es ist doch nicht gleich eine Katastrophe, wenn nicht alles perfekt läuft. Hauptsache es geht in die richtige Richtung.
-
Etwas ab vom Bauchgefühl sehe ich da eher das Problem, dass man heute mehr nach einer Art Perfektion strebt, alles nach irgendwelchen Normen ausrichtet und dabei so unglaublich Angst hat, dass man einen Fehler macht oder scheinbar etwas außerhalb der Norm ist.
Das gehört absolut zum "Menschsein" und unserem Sozialverhalten und hat nichts mit aktuellen Entwicklungen zu tun.
-
- Vor einem Moment
- Neu
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!