Gibt es kein Bauchgefühl mehr?

  • Für mich ist das unterkomplex.

    Weil wenn der Hund rüpelig ist und distanzlos und dir dein Bauchgefühl genau das sagt: der ist mir gegenüber frech und respektlos, dann darf man auch intuitiv reagieren und das Tier einordnen. Weil es das versteht, wenn die Reaktion authentisch aus dir kommt. Warum muss man da dann alles zerdenken?

    Das heisst nicht, dass man auf alle Handlungen, des Hundes so reagieren soll und vor allem nicht aus Ärger oder Wut, aber ich seh hier doch viel mehr das Gegenteil, man traut sich da gar nicht mehr handeln, was ich auch schlimm finde.

    Du bedienst damit das Narrativ des Bauchgefühls als "einfach Mal ne Ansage machen", "einfach Mal dem Hund klar sagen, dass man das nicht will", usw. Letztendlich sind es lerntheoretisch aversive Konsequenzen, die natürlich erfolgreich sein können. Also Betonung liegt auf "können". Und wenn's nicht klappt hat man dann kein gutes Bauchgefühl für die Situation und überhaupt gehabt, können ja auch nicht alle haben blablub. Ich drücke Leuten mit dieser Einstellung liebend gern meinen Jungspund in die Hand, um die Erfolgsquote des "Bauchgefühls" zu senken :zany_face:

    Das weiß ich auch.

    Für mich ist es aber tatsächlich so, dass sich Lerntheorie, die ja nix anderes ist, als die wissenschaftliche Erklärung, für jahrtausendealte beobachtbare Vorgänge im Zusammenhang mit Lernen, die es ja nicht erst seit der dazugehörigen Theorie gibt, mit intuitiven Handeln deckt. Bei manchen ungewollten Handlungen des Gegenübers sind für mich aversive Konsequenzen das einfachste, am besten verständliche und effektivste Mittel, das es gibt.

  • Nö. Das Verhalten des Hundes ist ja nicht frech und respektlos.

    Aber es gibt Verhalten, das sowohl aus menschlicher als auch aus hündischer Sicht unangemessen - vermenschlicht "frech und respektlos" ist- und darauf kann man reagieren. Mein Bauchgefühl sagt mir doch, wenn jemand -egal ob Mensch oder Hund- eine persönliche Grenze überschreitet. Dann fühl ich mich bedrängt, missachtet, bedroht...und dann reagiere ich entsprechend.

  • Aber es gibt Verhalten, das sowohl aus menschlicher als auch aus hündischer Sicht unangemessen - vermenschlicht "frech und respektlos" ist- und darauf kann man reagieren. Mein Bauchgefühl sagt mir doch, wenn jemand -egal ob Mensch oder Hund- eine persönliche Grenze überschreitet. Dann fühl ich mich bedrängt, missachtet, bedroht...und dann reagiere ich entsprechend.

    Das ist allerdings ein bisschen tricky.


    Tochter konnte heute beobachten, wie ein Mensch seinen aufgeregten Hund, den er bewusst in diese für ihn aufregende Situation gebracht hat, auf den Boden gedrückt und sich mit dem Fuß auf dessen Kopf (!) gestellt hat, weil der Hund kaum noch zu bändigen war.


    Der Mensch, hätte sie ihn gefragt und nicht schnell das Weite gesucht, fand dann das Verhalten vom Hund...ja, wie eigentlich? Respektlos? Frech?



    Ist immer auch ne Frage, wie laid-back ich bin, wie lang mein Geduldsfaden ist, ob ich die Verantwortung bei mir sehe oder beim Hund oder auch wie schnell ich mich persönlich angegriffen fühle, oder anders ausgedrückt, ob ich wie der auf dem Kopf seines Hundes Stehende ein unsicheres kleines Licht bin, dass sich auf Kosten des "frechen" Hundes profiliert und dem mal so richtig zeigt, wo der Hammer hängt, oder ob ich halt doch auch offen bin dazuzulernen und mich vor allem selbst zu hinterfragen. Wir sind ja alle nicht unfehlbar.


    Bei dem Hund stand ne ganze Gruppe Leute dabei, keiner fand das irgendwie verkehrt oder so (Waren die "Eyyyy" Schreier ausm Nervfaden). Ich hab es nicht gesehen, sonst wär ich dazwischen gegangen.

    Offensichtlich hatten wir unterschiedliche Bauchgefühle, oder mehr bzw weniger Zugang dazu.

  • Ratlos vorm eigenen Hund zu stehen und komplett passiv zu bleiben, weil man schlicht nicht weiß, wie man das Verhalten einschätzen und was man tun soll, ist tatsächlich nicht der Weg zur erfolgreichen Arbeit mit dem Hund. Nun kann aber jemand, der weder Hund noch Mensch sieht und nicht sehen kann, wie der Hund auf Aktionen seines Menschen reagiert, guten Gewissens einen fixen Handlungsleitfaden für eine Situation geben.


    Das ist das Problem in entsprechenden Threads: Man kann Tipps geben, kann schildern, was in vergleichbaren Situationen für den eigenen Hund funktioniert hat. Am Ende des Tags hat aber nur der betroffene Mensch seinen Hund vor sich, kann ihn beobachten und seine Handlungen dem anpassen, was der Hund tut. Deshalb kommt mMn der Tipp mit dem „Bauchgefühl.“ Wo auch immer dieses Bauchgefühl herkommen sollte. Um den Menschen zu ermutigen, aus der passiven Ecke rauszukommen, zu handeln, aber eben an die Situation angepasst zu handeln.


    Für mich ganz persönlich heißt das, die Reaktionen des Hunds auf kein Handeln wahrzunehmen (vor dem Hintergrund dessen, was ich über Hunde im Allgemeinen und meinen Hund im Speziellen weiß) und anhand dessen zu entscheiden, was ich weiter tue (vor dem Hintergrund dessen, was ich über mich weiß).


    Ich bin mir nicht ganz sicher, glaube aber nicht, dass ich da üblicherweise das Wort Bauchgefühl nutzen würde. Zur Wahrnehmung gehören natürlich auch Informationen, die nicht auf der bewussten Ebene verarbeitet werden, vielleicht wirkt deshalb dieser an sich sehr unscharfe Begriff passend.

  • ch hab aufgehört, diesen Thread hier intensiv zu verfolgen, denn genau dieses totdiskutieren und analysieren bis ins kleinste Detail ist eben das, was ich, wenn ich zu Bauchgefühl (und ich tu das ja oft) rate, ablehne.

    ...für ein Forum wäre das aber ganz schön langweilig :woozy_face:

  • LUKE13 -Ann-


    Nein, meine Feststellung hat absolut nichts mit der Definition des Begriffes "Bauchgefühl" zu tun. Meine Bemerkung hat absolut keinen Bezug zur Definition des Begriffes.

    Ich stelle lediglich fest, dass der Begriff, der Ausdruck, das Wort wirklich sehr oft verwendet wird. Immer wieder kannst Du hier (im gesamten Forum) den Begriff lesen.


    Und jeder hat - ganz nach Bauchgefühl natürlich - seine Vorstellung, was hinter dem Begriff steckt. Als die Startfrage zum Thread hier gestellt wurde, war das ja noch gar kein Thema. Bis wir dann feststellten, dass wir nicht automatisch das gleiche darunter verstehen. Aktuell wird grad versucht, den Begriff aufzudröseln und zu definieren.

  • Das ist aber überhaupt nicht das, wovon ich rede.

    Ich finde es frustrierend, wenn man immer von so groben, unempathischen, sinnlos gewaltanwendenden Leuten spricht, wenn jemand sagt, ich handle intuitiv und da ggf. auch aversiv in manchen Situationen aus dem Bauch raus.

    Es ist kein Konzept für jeden und individuell. Für mich funktioniert es meistens. Klar, liege ich auch mal falsch und baue dann Mist, was ich merke, wenn ich danach drüber nachdenke.

    Na und. Ich habe nicht den unrealistischen Anspruch an mich, immer alles richtig zu machen.

    Manchmal tue ich damit meinem Hund Unrecht. Ja, muss sie damit leben, macht sie nicht kaputt. Unterm Strich wirkt sie auf mich gelassen, lebensfroh und recht zufrieden und ich habe nicht das (Bauch-) Gefühl, wir hätten ein Beziehungsthema.

  • dass sich Lerntheorie ... mit intuitiven Handeln deckt

    Das ist schlicht und ergreifend in unfassbar vielen Fällen falsch.

    In ebenso vielen Fällen auch nicht.

    Und nu?

    Plakatives und provokantes Beispiel:

    Junghund springt mich das erste Mal aus vollem Karacho übermütig an und tut mir dabei sehr weh. Intuitiv lass ich einen Urschrei los, kriege den Hund zu packen und stoße ihn so heftig zu Boden, dass er sich überkugelt. Hund ist heftig erschrocken und jault laut.

    Lerntheorie sagt, Verhalten tritt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr auf, wenn es beim ersten Auftreten eine zeitlich zusammenhängende Konsequenz in so hoher Intensität erfährt, dass der Handelnde nachhaltig beeindruckt ist.

    Würde darauf wetten, das mich dieser Junghund nie mehr anspringt.

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