"Welpenblues" oder sollte ich einfach keinen Hund halten?

  • In so einer Situation finde ich es wichtig, zuerst auf den Menschen zu sehen und sich dann die Frage zu stellen, ob es für den Menschen eine Chance gibt, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Wenn das nach einer Woche nicht positiv beantwortet werden kann,

    Ein wertvoller Gedanke, zuerst mal an die eigenen Kapazitäten zu denken! Aber auch der Mensch hat es verdient, mehr als eine Woche Zeit zu haben, sowas auszutesten, sich dran zu gewöhnen und DANN zu entscheiden -meinst Du nicht? Zum Hund schreibt jeder "gib ihm Zeit", und der Mensch soll sowas innerhalb einer Woche entscheiden, nachdem grad das ganze Leben aufm Kopf steht..... Find ich bissel viel verlangt.

  • Was mich aber wirklich viel härter getroffen hat als erwartet, ist, dass so gut wie nichts in meinem Leben noch so funktioniert wie vorher. Ich kann mich nur noch in einem Mini Radius um mein Haus bewegen (und da ist nichts), alles andere findet mein Hund gruselig.

    Mit der Zeit wird er nicht den Miniradius um das Haus als Sicherheit empfinden, sondern DICH. Und dann wird er überall hin mitkommen können, und sei es nur in einer Tasche - da sich dann aber sicher fühlen, weil er bei DIR ist. Aber dazu brauchts natürlich erstmal bissel Bindung und Zeit, damit das Vertrauen kommt.


    Und wenn er in ner Tasche mitkommen kann, dann kann man auch mal auf ner Bank sitzen und die Tasche auf den Boden stellen. Oder nen Meter weit weg von sich auf der Bank. Und er kann sich aus der Sicherheit der Tasche heraus alles angucken. Und den Abstand von Dir ertragen. Eins nach dem Andren :-)

  • 2. Ja, also hier habe ich gute Neuigkeiten, wir haben schon gelernt, dass wenn er draußen irgendetwas gruselig findet (und sei es ein Ast), er sich hinter mich setzt. Ich stelle mich dann zwischen ihn und die "Gefahr". Wir warten geduldig, bis die "Gefahr" vorbei ist, und laufen dann ruhig weiter. Er nimmt auch fast immer Leckerlis an. Er orientiert sich draußen ganz toll an mir. Das sind jetzt aber nur die "oh wie gruselig" Momente, es gibt ja auch die Panik-Momente, er zieht und rennt in alle Richtungen und ist nicht mehr ansprechbar. Die gibt es auch. Da hilft nur, ganz eng an mich nehmen und so ruhig es geht zusammen weggehen und danach loben, dass wir es "geschafft" haben.

    Das ist doch meeega geil!! Nach einer Woche schon!!

    Der Rest kommt noch, alles auf einmal geht net. Aber das ist ein supergeiler Anfang! Er zeigt, daß es ihn gruselt, Du bemerkst es, verstehst ihn und beschützt ihn, und er ist safe. SO geht Kommunikation! Klasse!

  • Für genau sowas sind Trainer*innen da. Die können sich das vor Ort anschauen und euch Feedback, mögliche Erklärungen und Trainingsansätze an die Hand geben.

    Die Empfehlung der Hundeschule GREH von Fliedervogel in einem vorherigen Beitrag möchte ich bestärken. Aktuell ist eine Hundeschule aber sicher noch etwas viel.


    Empfehlen kann ich hier in Berlin ganz besonders Barbara Mund von Brainy Dogs https://www.brainydogs.berlin Eine sehr sensible, freundliche und emphatische Trainerin, die einem wirklich zur Seite steht und auch sehr genau auf den Hund schaut.

    Man bekommt auch ein Skript zum Training, so dass man alles noch einmal in Ruhe nachlesen und vertiefen kann.


    Barbara selbst hat bewusst auch immer "Problemhunde", sie weiß also, wie es sich anfühlt, wenn das Leben mit Hund nicht ganz einfach ist - und sucht genau deshalb immer nach guten, konstruktiven Lösungen für Mensch & Hund.

  • Ich finde ehrlicch gesagt, dass sich deine Schulderungen sehr gut anhören. Ihr macht bereits Fortschritte.


    Oh Mann... der arme kleine Schatz. Wir waren nur 15 Minuten draußen, nur um den Block, er kannte die Orte auch alle. Wir haben zwei andere Hunde gesehen, ein paar Radfahrer und zwei Kinder. Und dann wurde es einmal plötzlich windig.

    Viel zu viel, weißt du jetzt ja selbst. Versuche ihn zum nächsten ruhigen Grün zu tragen, bleibt da 5 Minuten maximal stehen, trag ihn wieder heim. Keine Runden laufen.


    Ich möchte nochmal betonen, dass ich diesen Hund jetzt ganz behutsam an eine bequeme Tragetasche gewöhnen würde. Für Öffis, fürs Büro, um Wege zu einem schönen Gassifleckchen hzurückzulegen, das wird viel helfen.


    Und ich kapiere nicht ganz, warum du nicht zum Schlafen kommst. Ich dachte WENN jemand bei ihm liegt, wäre das die einzige Zeit, wo er ruhig ist? Ich steh da auf dem Schlauch. Wacht der trotzdem dauernd auf?

  • Ich möchte nochmals auf eine Deiner Eingangsfragen zurückkommen - ob Du ÜBERHAUPT einen Hund haben möchtest. Wenn Du diese Frage uneingeschränkt mit JA beantworten kannst, dann ist es Deine Aufgabe Zeit und Geduld in diesen Hund zu investieren.

    Es auch sein, dass bei aller Liebe und Geduld mehr oder weniger massive Einschränkungen im Verhalten des Hundes bleiben. Es gibt vieles, was nicht trainiert oder abtrainiert werden kann. Wo auch souveräne Zweit- oder Dritthunde nicht helfen. Wir hatten einige davon und einer lebt noch aktuell bei uns. Sobald etwas anders als gewohnt ist wie z.B. nicht an der linken Seite sondern an der rechten Seite gehen sollen, reagiert dieser Hund panisch.


    OT: Eine Pflegestelle vorstellen ist für mich nicht wirklich zielführend. Das Leben bei uns ist für einen Hund anders als bei Adoptanten und auch mein Verständnis von "normalem" Verhalten ist recht weit gefächert. Dann lieber enge Begleitung durch erfahrene Leute.

  • Was mich aber wirklich viel härter getroffen hat als erwartet, ist, dass so gut wie nichts in meinem Leben noch so funktioniert wie vorher. Ich kann mich nur noch in einem Mini Radius um mein Haus bewegen (und da ist nichts), alles andere findet mein Hund gruselig. Ich kann nicht mal durchs Haus laufen, ohne meinen Hund massiv zu stressen und zu beunruhigen, bis er zittert und weint. Ich muss scheinbar nicht die nächsten Woche, sondern vielleicht Monate immer mit jemandem absprechen, wenn ich eine Stunde das Haus verlassen möchte

    Naja, aber gerade in puncto Alleinebleiben und Umweltsicherheit kann man ja nie mit Gewissheit planen, wenn ein Hund ins Haus kommt - ob als Welpe oder aus dem Tierschutz. Man weiß vorher einfach nicht, ob der Hund vielleicht anfangs sehr ängstlich ist, ob er gut alleine bleiben kann etc. Zum Vergleich: Mein Pudel konnte mit 1 Jahr erst wirklich okay alleine bleiben, also da hatten wir auch monatelanges Training hinter uns und mussten bis dahin managen, dass immer einer bei ihm bleibt.


    Insofern: Ja, ein Hund stellt das bisherige Leben gehörig auf den Kopf. :upside_down_face: Nicht nur dieser spezielle, sondern generell jeder Hund. Also solltest du dir überlegen, ob du wirklich dazu bereit bist, deine eigenen Interessen - zumindest in der Anfangszeit - ein Stück weit hinten anzustellen oder nicht. Eine Menge Zeit, Energie und Geld in den Hund zu investieren und bei anderen Sachen dafür zurückstecken zu müssen. Der Hund kann auch krank werden und noch mehr Fürsorge brauchen. Man weiß es vorher einfach nicht.


    Wenn du den Weg mit Hund weitergehen möchtest, findest du hier immer Ansprechpartner:innen für sämtliche Fragen und Sorgen. Und mithilfe guter Trainer:innen kann man vieles erreichen. :flexed_biceps:

    Wenn du nicht dazu bereit bist: auch okay. Es ist nicht jede:r für ein Hundeleben gemacht und das ist in Ordnung. Ganz ehrlich, ich fand das Leben ohne Hund in mancherlei Hinsicht leichter, auch wenn es mich sehr erfüllt und ich den kleinen Kerl nicht mehr missen möchte. Aber es gibt nun mal Herausforderungen, die man bei einem Lebewesen nicht planen kann, und manche lassen einen doch hin und wieder verzweifeln. Das sollte man sich einfach sehr gut überlegen.

  • Und ich kapiere nicht ganz, warum du nicht zum Schlafen kommst. Ich dachte WENN jemand bei ihm liegt, wäre das die einzige Zeit, wo er ruhig ist? Ich steh da auf dem Schlauch. Wacht der trotzdem dauernd auf?

    weil er nicht im Bett schlafen soll.

  • Hallo!

    Ich habe hier seit 3 Jahren auch eine ziemlich ängstliche Tierschutzhündin.

    Anfangs ist gar nichts gegangen, sie ist draußen nur ein paar Meter gegangen und wollte wieder zurück.

    Sie hat bis jetzt große Angst davor zwischen mehreren Menschen durch zu gehen, hat Angst vor großen Straßen und Autos. Für sie wäre es schrecklich, wenn sie jeden Tag mit den Öffis unterwegs sein müsste. Muss sie aber auch nicht, sie bleibt sehr gerne und ohne Probleme jeden VM alleine Zuhause.

    Wir wohnen in Wien, zum Glück eher am Rand, wir können zu Fuß einige schöne Gebiete erreichen. Ich weiß sehr gut, wie es ist, wenn man gefühlt nur noch einen Radius von 200m rund um die Wohnung hat, aber es wird besser!

    Ich würde es mit einem Tragetuch oder einem Beutel probieren, er scheint Körperkontakt ja gut zu finden.

    Das könntest du auch Zuhause probieren, wenn du kochst z.B.

    Sobald er sich im Beutel oder Tragetuch wohl fühlt, würdest du auch weiter weg von der Wohnung kommen.

    Eventuell könntest du einen Sessel neben dein Bett stellen, wo er in der Nacht schlafen kann, dann würdest ihr beide bestimmt besser zur Ruhe kommen.

  • Vielleicht interessieren dich ja Entwicklungsgeschichten. :sweet: Mal zu den Themen, die dich bewegen:


    Meine Rumänin ist Bürohund. Das funktioniert aber nur, in einem "ruhigen" Büro. Sie hasst Eindringlinge, also ein Büro mit ständigem Kundenbesuch würde rausfallen. Aber sonst klappt es super (wir haben selten Kunden und mein Hund liegt extra in einer sichtgeschützten Ecke - natürlich gabs viel Training, dass sie den fremden Besuch aushält. Aber täglich wäre das zu viel Stress.).


    Öffis fahren haben wir anfangs etwas geübt. 2 Endstationen vom Bus. Ich wohnte ebenfalls in Berlin - meine S-Bahn Station war Baumschulenweg (sagt dir bestimmt was?) ich wohnte Richtung Wald am Kanal (Köpenicker Landstraße). Hier endete der Bus und wir konnten die 2 Stationen in 5 Minuten zurücklaufen, entlang am Wald. Das habe ich 2x geübt. Danach noch S-Bahn. 2 Stationen, ausgestiegen und wieder 2 zurück. Bei jedem lauten Geräutsch gabs Leckerliregen. Bustür, S-Bahn-Tür, einsteigende Leute, S-Bahn Tüdeldü, einfahrender Zug, abfahrender Zug - LECKERLIS. Sie war da echt sehr schnell cool, wenn man sie entspannt unter die Beine geklemmt hat (auf dem Schoß sitzen ist nicht so ihrs). Ich bin später mit Zug in den Urlaub gefahren, da war alles pumpvoll und sie schlief im ICE Abteil mittig am Boden, umringt von 12 Füßen. Öffis war ihre Meisterdisziplin. :bindafür: Wer hätte das gedacht?


    Aber weißt du was nie ging. Also wirklich nie, nach 2 Jahren nicht. Die 2 Minuten Fußweg von der Wohnung zur S-Bahn. Autokreuzung, Menschen, fahrende Autos - diese große Mischung. Sie zog wie eine Irre nach vorn :flucht: , hechelte. Kaum auf dem Bahnhof angekommen, unter die Beine geklemmt ... alles easy. Aber dieser Laufweg. Also sie sitzt oder liegt und alles andere bewegt sich: Perfekt. ABER: Sie selbst muss laufen, während sich alles bewegt: Ohoh! Also ich bin ehrlich, die 2 Minuten musste sie durch, alle 2 Wochen gings zu meinen Eltern nach Brandenburg. Ich fing dann an, dass sie an der Hauswand klebend hinter mir laufen musste. Das nahm die Dynamik raus und es ging etwas besser. Aber bis heute kann dieser Hund nicht durch eine Stadt laufen, ganz egal ob Berlin oder eine Altstadt mit etwas weniger los. Keine Chance, die erhängt sich vor Stress. Das lies sich auch nicht wegtrainieren. Du siehst ja, 2 Jahre immer die selbe 2 Minutenstrecke ums Eck. Keine Verbesserung. Mittlerweile wohne ich übrigens in Österreich im Dorf. Aber nicht wegen dem Hund, das klappte auch in Berlin dank Wald vor der Tür.


    Achja, sie ist übrigens der absolute Einzelhund. :nicken: Sie lebte auf Pflegestelle mit einem anderen Hund und ich hatte auch kurz einen Pflegehund. Das schmeckt ihr nicht wirklich. Es würde gehen, wenn ich jetzt unbedingt einen wollen würde. Aber sie genießt ihr Prinzessinnendasein schon sehr. Futterneid ist hier auch ein großes Thema. Andere Hunde, die in die Nähe von Essen kommen, will sie einfach nur vermöbeln. Das müsste man immer managen.


    Ansonsten bekam ich sie stubenrein "geliefert" (war ja schon 2 Monate auf Pflegestelle) und sie ist in der Wohnung der Schattentyp. =) Ruhig, aber gern mittendrin. 22 Uhr geht sie von allein schlafen, 10 Uhr früh steht sie am liebsten auf. Sie hat tatsächlich ihre eigenen festen Zeiten. Aber wenn wir mal eher aufstehen (was unter der Woche ja nunmal so ist), "quält" sie sich mit raus (also 5 Minuten bevor wir gehen, bequemt die Madam sich dann auch mal hoch).


    Achja und das Alleinsein. Hier anfangs ein starkes Thema, ging nämlich nicht. Habe sehr viel probiert, gefilmt und Rituale aufgebaut (Musik, Kong, getragenes Kleidungsstück auf ihren Schlafplatz, "Bis später" sagen beim Gehen, Alleinbleiben in einem abgesperrten Raum - also nicht die ganze Wohnung verfügbar). Sie kann nun allein bleiben, aber die ersten 5-15 Minuten wird trotzdem gemotzt (sie heult wie ein Wolf in die Luft). Danach hält sie für Stunden die Klappe und schläft. Und mit Stunden meine ich Stunden. Ich kam mal durch ne Vollsperrung nicht heim. Sie war 10 Stunden allein. Durch die Kamera sehe ich ja alles. Sie schlief wie ein Stein.


    Ihre größten Schwachstellen: Fremde Menschen, fremde (große) Hunde. Sie hasst Fremde. Kein Training der Welt konnte das komplett ändern. Bei Handwerkerbesuch gehe ich Gassi in der Zeit und mein Partner übernimmt den Handwerker. Als wir letztens umgezogen sind, bin ich zu jeder Wohnungsbesichtigung rausgegangen und er war bei der Führung durchs alte Haus dabei. Das geht mit ihr einfach nicht, ein NoGo, sie rastet komplett aus, wenn da wer reinkommt, den sie nicht kennt. Fremde Hunde genauso, da ist sie sehr übergriffig, wenn der andere Hund sich nicht benimmt. Und glaub mir, so ein Straßenhund ist knallhart aufgewachsen. Mein 30 cm Zwerg hat schon so manchen wohlbehüteten Körperklaus-Hund in den Boden gerammt, der meinte, er müsse ihr blöd kommen. :stock1: Da musste ich auch meine Sinne schärfen, um das immer zu merken. Schließlich wird sich nicht geprügelt, wir sind hier ja zivilisiert! Sie kann aber auch umgekehrt, wenn der große schwarze Hund mit Präsenz ihr zu nahe kommt, fängt sie auch mal an laut vor Angst zu schreien. Wer weiß was da mal los war in ihrer Kindheit. Aus diesem Grund weichen wir JEDEM Fremdhund aus, spontane Upsala Kontakte gibt es nicht, die will sie nicht. Da macht man sich eben auch manchmal unbeliebt oder wird isoliert. :( : Da hilft nur Kontakte gezielt knüpfen. Da entstehen total tolle Freundschaften kann ich dir sagen! Eine davon wird bald meine Trauzeugin. :nicken:


    So Roman Ende. Fakt ist, mit Hund wurde die Welt neu sortiert.

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