"Rassezucht gone wrong" - sind sie noch zu retten?

  • Ich mag ja das dogforum vor allem deswegen, weil man hier so viel geballtes Hundewissen über Rassen und Hundetypen findet, von denen ich keine bzw. nicht viel Ahnung habe.


    Den letzten Thread, den ich mit großem Interesse gelesen habe, war der zu Schwarzwildbracken. Absolut nicht mein Beritt, aber hochinteressant.


    Nachdem der Thread zur Suche nach einem Berner-Sennen-Züchter leider geschlossen wurde, hatte ich keine Gelegenheit mehr, mich an Lysaya und Semmi mit der Frage zu wenden, wie groß der Genpool bei den Bernern eigentlich ist und ob man mit entsprechender Zuchthygiene tatsächlich die Lebenserwartung heraufsetzen kann oder ob man nicht Gefahr läuft, die Genetik so sehr zu verengen, dass neues Unheil zu befürchten ist.


    [Ähnliches könnte man sich z. B. auch bezüglich DCM bei Dobermännern fragen; auch da fehlt mir die Ahnung, inwieweit der plötzliche Herztod durch züchterische Maßnahmen ausgemerzt oder zumindest eingedämmt werden kann - Rassekenner bitte melden JJ]


    Ich meine, mal irgendwo gelesen zu haben, dass alle in Deutschland lebenden Berner miteinander verwandt seien, der Genpool also sehr klein ist, aber ich will nicht die Hand dafür ins Feuer legen.


    Ich kenne einige Rassen, darunter Berner oder Boxer, aus meiner Kindheit noch als deutlich fitter und langlebiger, als man sie heute sieht.


    Um bei den Bernern zu bleiben: Lysaya und Semmi, Ihr unterstelltet ja den meisten, keine Ahnung zu haben. Ich für meinen Teil habe zumindest keine Ahnung von der Stärke der Population und, wie gesagt, der Größe des Genpools.


    Nichtsdestotrotz kenne ich genügend Leute, die nach vielen Jahren Berner-Enthusiasmus und entsprechend vielen zu früh verstorbenen Hunden von der Rasse abgekommen sind. Und das waren keinesfalls papierlose Vermehrerhunde.


    Allein hier in der Nachbarschaft ist jemand nach mindestens 3 Hündinnen in knapp 10 Jahren mittlerweile mit einem stattlichen Golden-Retriever-Rüden unterwegs; Berner hat er keine mehr.


    Und all diese Hunde waren aus VDH-Zucht.


    Und waren meist schon als Junghunde das, was man gemeinhin als "gemütlich" bezeichnet. Deswegen hatte z. B. der Fußpfleger meiner Mutter immer Berner - weil sie als "gemütliche " Hunde so gut mit seinem Beruf vereinbar waren ...


    Für die letzte Berner-Hündin fuhr er sogar bis nach Holland, um "dieses Mal" einen Welpen zu erwischen, der über das mittlere Lebensalter hinauskommt.


    Da meine Mutter inzwischen verstorben ist, habe ich keinen Kontakt mehr zu dem Mann, weiß also nicht, ob diese Hündin noch lebt.


    Interessanterweise habe ich nun schon mehrere Male "Berner" mit deutlicher Sprenkelung im Weiß gesehen, und die waren kleiner und leichter - und erheblich agiler.


    An meinem früheren Wohnort hieß es, die Züchterin sei aus dem VDH ausgetreten. Ich vermute, sie hatte Australian Shepherds eingekreuzt.


    Ich würde mich über mehr Infos Eurerseits freuen, auch über Eure Meinung zu solchen Auskreuzungen, weil für mich Berner und Aussie von den Eigenschaften her nicht ganz so weit entfernt sind.


    Ich finde z. B. auch den Schritt einiger Großspitzzüchter gut, außerhalb des VDH Großspitze und große Mittelspitze zu verpaaren.

  • Ich kenne auch keinen einzigen Berner der über 6 Jahre wurde. Und auch Besitzer die deshalb dann die Rasse wechselten.

    Aber das ist doch bei anderen Riesenrassen nicht anders. Ich bin mit Bernhardinern aufgewachsen. Die letzten Beiden wurden 3 und 5

  • Kennst du das Buch "Rassehund wohin?" von Dr. Hellmuth Wachtel? Der Genetiker beschreibt ausfühlich den Ist-Zustand und seine vielfältigen Ursachen. Sehr zu empfehlen, wenn man sich für das Thema interessiert!


    Grundsätzlich definiert es eine Hunderasse, daß die Individuen miteinander verwandt sind. Die Ähnlichkeit in Typ, Größe, Wesen kommen ja nicht zufällig zustande.

    Aber das Spektrum reicht von "sehr weitläufig" bis zu "viel zu eng". Noch einige andere Faktoren kommen dazu, vor allem die Schauzucht fast aller Rassen mit dem Ausstellungssieg als maßgeblichem Auslesekriterium und das Bestreben, die Rasse optisch immer einheitlicher zu züchten.

  • Ähnliches könnte man sich z. B. auch bezüglich DCM bei Dobermännern fragen; auch da fehlt mir die Ahnung, inwieweit der plötzliche Herztod durch züchterische Maßnahmen ausgemerzt oder zumindest eingedämmt werden kann

    Das Problem bei DCM ist, dass bis heute nicht bekannt ist, was da genetich wirklich vorgeht.

    Die Forschung läuft seit Jahren, man grenzt es immer weiter ein. Es ist jedoch nach wie vor ein Rätsel, welche Faktoren zusammen kommen müssen, damit ein Hund DCM entwickelt.

    Aktuell geht man davon aus, dass entweder ein Schwellenwert an Schadgenen überschritten werden muss oder, dass zu den Schadgenen eine Art Aktivator hinzukommen muss. Wie gesagt, die Forschungen laufen da noch und da es leider kein simpler rezessiv-dominanter Erbgang mit einem oder zwei Genen ist, zieht sich das.


    Auch wenn es gern auf die Inzucht geschoben wird, es zeigt sich immer wieder, dass genetische Diversität im Individuum keinen wirklichen Schutz bietet. So gibt es auch immer wieder Dobermannmischlinge, die an DCM erkranken und sterben - valide Zahlen gibt es da leider nicht, weil da bei den Besitzern leider wenig Bewusstsein für die Erkrankung und das Risiko bestehen und somit selten untersucht wird.

    Sehr aussagekräftig fand ich in der Hinsicht allerdings das Ergebnis einer damals recht namhaften Zuchtstätte, die bereits früher auf geringe Inzuchtquoten wertgelegt hatte und die letzten Würfe mit Hilfe der Auswertungen des Diversity Projects geplant hatte, um eine überdurchschnittliche Diversität zu erreichen. Der Wurf war Hinsicht auf DCM ein Disaster, die Hälfte der Hunde ist im Alter von fünf bis sieben Jahren verstorben, zwei weitere sind erkrankt und zum Rest sind keine Untersuchungsergebnisse eingetragen. Also nicht bekannt, ob sie gesund sind.

    Die vielgelobte genetische Vielfalt ist also nicht das alleinige Heilmittel im Fall von DCM.


    Ist die Rasse noch zu retten?

    Es gibt immer noch eine Menge Hunde, die DCM frei alt werden und wenn es den Forschern in München und Bern gelingt, herauszufinden, was bei diesen 50% anders ist, als bei denen, die erkranken, denke ich ja, die Rasse hat eine Chance.

  • Ich sehe das Problem nicht bei der Zucht als solches sondern an der Verbohrtheit der Leute.

    Ich weiß noch wie heute als wir damals beim Bernhardinerzüchter standen und er uns solz erzählte er hätte schon Hunde mit 10 und 11 Jahren gehabt. Was eine Leistung....Aber solange sowas als normal angesehen wird.

    Oder anderes Beispiel die Grossspitze. Jetzt werden sie langsam wach. Jetzt. Wo die Jahrzehntelange Farbreinzucht die Rasse fast zerstört hätte. Toll.

  • Also mal weg vom Berner - hoffe, das ist okay - denke ich da auch oft drauf herum.


    An und für sich finde ich die Rasse-Hundezucht in Verbänden ne gute weil für mich als Hundehalterin recht bequeme Sache. Es gibt relativ gefestigte Hundetypen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf bestimmt Verhaltensweisen und Mindeststandards bezüglich Gesundheit etc, die auch kontrolliert werden. Das ist eigentlich ein duftes Konzept.


    Ich würde mir allerdings wünschen, dass Einkreuzungen möglich bzw auch üblicher wären. Bspw glaube ich, dass es den Lapphunden (zumindest hierzulande) total gut täte, wenn da ab und an ein anderer Hüte-/Treibhund eingekreuzt würde, um Arbeitseigenschaften wieder zu verbessern. Und auch für die genetische Vielfalt. Und ich denke auch, dass es bei den meisten Rassen zumindest 2-3 andere Rassen gibt, die man zur Einkreuzung heranziehen könnte, sooooo einzigartig sind die meisten ja doch nicht. Den Nachwuchs könnte man dann je nach Verhalten und Phänotyp in die Elternrassen einteilen und damit weiterzüchten.


    Aber das wird wohl Fantasie bleiben, leider.

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