"Rassezucht gone wrong" - sind sie noch zu retten?

  • Vielleicht müsste man im Hinblick auf die Zucht als Ganzes überlegen, was man eigentlich retten will.


    Die Rassen, so wie sie mal gedacht waren?

    Halte ich angesichts der veränderten Bedingung von Hundehaltung (Berufstätigkeit, Hundedichte, Freizeitgestaltung, …) für sehr problematisch. Die spezifischen Eigenschaften vieler Arbeitshunde, die sie für den Arbeitsgebrauch wertvoll machen, sind heute vielfach unerwünscht und werden bestenfalls alternativ erfüllt oder gemanagt.


    Bleibt nur die Optik, und ich denke, wenn man es gut macht, ist das, also bei gleichzeitiger charakterlicher Anpassung an die moderne Alltagswelt für viele Rassen wohl das zukunftstauglichste Modell.


    Das, oder die Käufer nehmen aus den bestehenden Rassen nur noch die, die sich wirklich eignen, dann hören die Züchter von selber auf, zum Leidwesen der wenigen wirklichen Rasseliebhaber.

  • Wie du es machst, machst du es halt falsch als Züchter.


    Hörst du auf zu züchten, trägst auch du dazu bei, dass es weniger Individuen und somit weniger potentielle Zuchthunde gibt.

    Züchtest du, bedienst du den Markt und trägst zur hohen Populationsdichte bei.

    Züchtest du in einem Verband mit Regeln, schränkst du dich ein und fischt in der selben Suppe.

    Züchtest du nicht in einem Verband mit gesetzten Regeln, bist du ein Vermehrer, der Mischlinge produziert.

    Züchtest du Arbeitshunde, musst du erstmal für alle die passenden Menschen finden, die sie auch vernünftig arbeiten.

    Taugt da einer nicht, züchtest du untaugliche Hunde.

    Züchtest du moderate Linien, sind die eh alle nichts mehr wert und nicht "echt", denn die können ihren Job nicht mehr erledigen.

    Nimmst du einen Rüden, der schon viele Welpen mit vorhersehbaren Eigenschaften gebracht hat, wendest du dich Popular Sires zu.

    Nimmst du einen Rüden, der noch nicht gedeckt hat, sind Hunde dabei, die nicht deinem Zuchtziel entsprechen.

    Machst du viele Würfe, bist du geldgeil.

    Machst du wenige Würfe, bewegst du in der Zucht sowieso nichts.

    Stellst du aus, sind deine Hunde Püppchen.

    Stellst du nicht aus, hast du untypische Hunde und Angst vor Konkurrenz.

    Machst du Sport, sind es Sportgeräte und überhaupt, wieso läufst du nicht ganz oben mit, die taugen doch nicht.

    Machst du keinen turnierorientierten Sport, haben die ja offensichtlich nichts drauf.


    Und dann sind bei all den Würfen auch noch Hunde, die nicht dem Ideal entsprechen. Krank, ängstlich, zu forsch, jagt obwohl er nicht soll, jagt nicht obwohl er soll, territorial obwohl er nicht soll, nicht territorial obwohl er soll, zu unverträglich, zu wenig Aggression, zu viel Aggression, falsche Größe, falsche Farbe, zu viel oder zu wenig Fell, zu viel oder zu wenig Winkel, zu lang, zu kurz, schlechtes Pigment, Ohren zu hoch oder zu tief oder ein Knickohr obwohl es ein Stehohr sein soll und dann noch all die Allergien und Unverträglichkeiten...


    Führe diese Liste beliebig fort.... Wie man es macht, man kann es nur falsch machen.

  • Ich habe immer noch nicht verstanden, warum viele Hunde in Deutschland negativ für die Rassenhundezucht sind?

    weil unter diesen sehr vielen Hundehalter ein Großteil zwar eine Rasse mit einem Aufgabengebiet haben möchte aber der Hund dieses Aufgabenfeld genetisch bitte nicht mehr mitzubringen hat. Wachhunde ohne Wachtrieb, Hütehunde ohne Hüteveranlagung, Jagdhunde ohne jagdliche Eignung. Selbstverständlich beginnen einige dieser Menschen dann zu züchten weil dass was sie suchten ja so schwer zu finden war. Sie haben dann den Ausschuss bekommen weil der eben ohne xyz gewesen ist und damit haben sie dann eben gezüchtet usw. Was dabei rauskommt sieht man inzwischen an einigen Rassen. Die haben zwar die neuerdings unerwünschten Arbeitseigenschaften nicht mehr dafür gerne andere Eigenschaften, die sehr seltsam sind. Da wird sich über mangelnde Frustrationstoleranz, dünne Nerven, Fehler im Körperbau, explodierender Haarwuchs beschwert.

  • Ich habe immer noch nicht verstanden, warum viele Hunde in Deutschland negativ für die Rassenhundezucht sind?

    Weil die Menschen sofort haben wollen.

    Die nehmen sich in weiten Teilen nicht die Zeit, erstmal herauszufinden, welcher Hund zu ihnen passt, da wird nach Optik ausgesucht, oftmals was gerade in den (Sozialen) Medien modern ist und gezeigt wird. Ob man die Bedürfnisse der Rasse (oder auch der Mischung) bedienen kann, ist da vielen egal. Deshalb landet der Weimaraner dann bei Ersthundehaltern in der Hamburger Innenstadt im vierten Stock, der Kaukause als "Teddybär" bei der Großfamilie und der Frenchy soll Sportbegleiter für den Möchtegernfitnessinfluencer werden.


    Und da man auch nicht warten kann, bis ein vernünfitger Wurf fällt, wird bei großer Nachfrage auch schneller zu den unseriösen Angeboten gegriffen. Die Population wird im Zeitraffer hochgezogen mit allen nachteilen die das hat, es wird mit allem vermehrt, was man irgendwie finden kann, denn der Markt ist da, man muss nur etwas zu verkaufen haben. Man muss sich nur die extremen Unterschiede in den neu gemeldeten Hunden und den Welpenzahlen der seriösen Züchter bei den Moderassen ansehen.

    Hohe Nachfrage öffnet Tür und Tor für Vermehrer und schlechte Züchter.

  • Ich habe immer noch nicht verstanden, warum viele Hunde in Deutschland negativ für die Rassenhundezucht sind?

    VDH-Rassenhundezucht braucht zum einen natürlich Menschen, die züchten wollen. Die müssen sich für ihre Rasse und die Ziele begeistern, zumindest ein Stück weit im Ausstellungsraum, ggf. Sport-Bereich mitmachen, bereit sein, das Wissen zu erwerben und natürlich genug Geld haben. Je mehr davon, desto besser für die Rasse, mal so ganz pauschal.

    Und dann braucht man einen Markt, der die Welpen abnimmt, denn man wird nie mit allen züchten können und wollen. Diese Menschen sollten den Hund so halten können und wollen, wie es zur Rasse passt. Und sie brauchen genug Geld, um den Hund zu kaufen und zu versorgen.

    Gerade bei letzterem konkurriert man natürlich mit den anderen Angeboten. Bei uns ist da der Auslandstierschutz sehr stark, der mit dem "Gutes tun" wirbt. Dazu gibt es noch andere Rassehund und Mischlingszüchtungen verschiedenster Art.

    Aber warum wird die Situation schlechter, wenn mehr Leute Hunde halten?

    Nicht unbedingt schlechter, es verändert sich dadurch nur etwas.


    Die vielen Statistiken zur Hundepopulation gibt es, weil Hundehaltung mittlerweile ein riesengroßer Wirtschaftsfaktor geworden ist. Platt gesagt: Hundehaltung ist Konsum. Hunde selbst und vor allem das Rundherum sind aus Marktsicht Konsumgüter. Was zur Folge hat, dass der aktuelle und künftige Hundehalter umfangreich beworben wird mit vielen, vielen schönen Filmchen und Bildern. Und die prägen die Erwartungshaltung an das, was ein Hund zu sein hat. Ausgehend von der Optik.


    Natürlich verändert sich der Fokus im besten Fall mit der Hundeerfahrung (aber nicht zwangsläufig). Doch die Optik spielt ja auch für viele erfahrene Hundehalter eine große Rolle und deshalb wird darauf gezüchtet. Dass dann der Fokus aufs vermeintlich besonders „typvolle“ gerät, das „Besondere“ im Gleichförmigen, das ist ja auch kein Wunder.


    Im realen Leben begegnet mir die Unterscheidung zwischen Züchter und Vermehrer, wie sie hier im DF üblich ist, übrigens nicht. Mag an der sehr ländlichen Umgebung liegen. Den Markt bedienen beide und entsprechend prägen beide die Erwartungen.

  • Die Population wird im Zeitraffer hochgezogen mit allen nachteilen die das hat, es wird mit allem vermehrt, was man irgendwie finden kann, denn der Markt ist da, man muss nur etwas zu verkaufen haben. Man muss sich nur die extremen Unterschiede in den neu gemeldeten Hunden und den Welpenzahlen der seriösen Züchter bei den Moderassen ansehen.

    Hohe Nachfrage öffnet Tür und Tor für Vermehrer und schlechte Züchter.

    Das verstehe ich schon, aber nach allen Aussagen, die ich bisher hier im Forum von VDH-Züchtern gelesen habe, betrifft sie das nicht. Sie züchten so, wie sie die Rasse gut finden und schicken Interessenten, die nicht dazu passen, weg. Negative genetische Folgen betreffen sie auch nicht, weil sie außerhalb der VDH Zucht bleiben.

    Bleibt anscheinend, wenn ich manche Beiträge richtig interpretiere, dass manche VDH-Halter die Lust an ihrer Rasse verlieren, weil sie mit der Hundedichte an ihrem Wohnort nicht kompatibel ist. Aber da denke ich so still und leise, ich kann wohl nicht von meinen Mitmenschen erwarten, dass sie keine Hunde haben dürfen, nur damit ich meine Lieblingsrasse halten kann...

  • Noch mal zu den Arbeitseigenschaften:

    Als die VDH-Rassenhundzucht begann, waren die Arbeitseigenschaften in den lokalen Schlägen schon lange vorhanden. Sie haben sich über Jahrhunderte mit den Bedürfnissen der Menschen verändert und angepasst.

    Für viele Arbeits-Rassen war mit dem eigentlichen Einsatzgebiet bereits mit Beginn der VDH-Zucht Schluss. Dt. Schäferhunde wurden nicht von Schäfern gezüchtet. Die schüttelten über den Ausstellungsraum-Quatsch nur den Kopf und machten mit ihren Altdeutschen Schlägen weiter. (die wenigen, die ich kenne, machen das heute noch so und haben ihre Hunde-Schläge zu Koppelgebrauchshunden weiterentwickelt.)

    Viele Gebrauchshund-Schläge wurden durch Eikreuzen anderer Rassen "veredelt" (das war ein fröhliches Gedoodle da von 150 Jahren...) und danach nicht mehr im ursprünglichen Einsatzgebiet eingesetzt (Collies z.B.) Oder ich denke an echte arbeitende Schlittenhunde oder die Hütehunde der Samen, die brachte man wohl kaum zu einer Hundeausstellung. Als diese Rassen "durchgezüchtet" wurden, war die Zeit ihrer ursprünglichen Arbeit schon vorbei.

    Für manche Rassen erfand man dann Sportarten zum Ausgleich und aus Freude am Wettbewerb. Das war aber schon längst nicht mehr das Gleiche.

    Eine Ausnahme ist die Aufgabe als Wachhund, die sich bis heute wenig verändert hat. Und auch die Zucht vieler Jagdhunde, die ganz in Jägerhand geblieben ist.

  • Geht es hier jetzt plötzlich nur noch um VDH Züchter und wir blenden alle anderen aus?

    Ging es nicht um den Zustand der Rassen?

    So traurig es ist, wenn man sich die Zahlen anschaut, spielt in D die seriöse, kontrollierte Rassehundezucht bei den Moderassen einfach nur eine untergeordnete (teils sogar verschwindend kleine) Rolle. Wieso also nur auf den VDH schauen bei der Frage, was hohe Nachfrage für die Rassen bedeutet?


    wenn ich manche Beiträge richtig interpretiere, dass manche VDH-Halter die Lust an ihrer Rasse verlieren, weil sie mit der Hundedichte an ihrem Wohnort nicht kompatibel ist

    Hab ich jetzt so nicht wahrgenommen, aber falls doch sollte man mal andenken, ob die Rasse von Anfang an das Richtige gewesen ist.

    Und ja, mich nervt die steigende Hundedichte auch. Aber schlicht weil - zumindest hier in der Region - damit einhergeht, dass eben auch viele Menschen einen Hund haben, in deren Händen bereits ein Tamagotchi grenzwertig tierschutzrelevant wäre.

    Hund verkommt in vielen Kreisen immer mehr zum Lifestylaccessoir und nicht nur bei den (Möchtegern) Stars mit ihren Deko Handtaschenhündchen, sondern auch quer durch alle anderen Gesellschaftsschichten. Für viele gehört "Hund" einfach zum Selbstbild dazu, ohne dass dabei ein Gedanke an den Hund jenseits seiner Optik oder seines Rufs verschwendet wird.

    Die Leute wollen nicht Rasse XY mit allen Eigenschaften und Bedürfnissen, die Leute wollen eine Hülle, die aussieht wie Rasse xy mit möglichst wenig Anspruch und so lange sie bereit sind dafür zu zahlen - und seltsamerweise sind gerade diese Menschen oftmals bereits Wuchersummen auf den Tisch zu legen - wird sich jemand finden, der versucht es im großen Stil zu produzieren und ja, DAS beeinflusst Rassen.

    Und doch, auch in der FCI wirst du Leute finden, die bereit sind, dann mit dem absoluten Minimum an Gesundheit, Typ und Charakter zu züchten.

    Vor 10 Jahren wäre beim DSH im SV so gut wie niemand auf die Idee gekommen, ohne rote Papiere zu züchten, weil er die Hunde nie an den Mann gebracht hätte (außer die, die über die "gesundes Ostblut" Märchen verkauft haben, da fand man öfter mal Grüne). Dobermann wo nicht mindestens ein Hund ein vernünftiges AKZ gehabt hat... Ladenhüter.

    Jetzt plötzlich findet man beim DSH durchaus Nachfrage für "Basiszucht" wo meistens die Hündin quasi nix hat und beim Dobermann wird fröhlich mit BH Hunden gezüchtet und es verkauft sich wie warme Semmeln.

    Plötzlich reicht das absolute Minimum aus und du kannst mir nicht erzählen, dass das gesund ist.

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