Mein Hund läuft mir drinnen hinterher - ist es ein Problem? (unentspannte Hundehaltung)

  • wenn ich irgendwo neu bin, oder auf ner Messe oder so, guck ich auch immer hin und her, probier alles aus, lauf kreuz und quer… aber deswegen bin ich aber noch lange nicht gestresst.


    Ja, aber wie viel Prozent der HH sind denn wohl vermutlich in der Lage sicher zu sehen wann ihr Hund gestresst ist?

    Entweder es ist richtig vielen die ich hier in der Stadt so sehe egal oder sie können es nicht lesen. Ich schätze das beides recht oft vorkommt und würde immer da ansetzen, dass es zuerst mal gilt sich ernsthaft mit der Sprache in der Hunde kommunizieren zu beschäftigen.

  • Also, wenn man das wirklich möchte - dass er Hund auf gar nichts reagiert - dann wäre das natürlich problematisch.

    Dass man Hunden jedes Intersse, Neugier, Erkundungsverhalten aberziehen will, lese ich hier aber echt nicht als Tipp.


    Dass ein Hund mit Reizen umgehen kann, ohne Stress zu haben, das ist durchaus mein Ziel. Und in Situationen, wo der Hund das nicht kann, nehme ich ihn nicht mit.


    Zu dem ganzen Ruhe-Thema. Ganz häufig wird das Ziel mit der Methode verwechselt.


    Hunde sind erstmal Raubtiere/Beutegreifer und damit so gepolt, dass Phasen hoher Aktivität mit lange Ruhephasen abwechseln. Das machen alle Raubtiere/Jäger so. Bei den katzenartigen noch viel extremer als bei den hundeartigen. Energie zu verschwenden ist gefährlich.


    Daraus resultiert einfach ein hohes Regenerations- und Ruhebedürfnis. wird das dauerhaft nicht erfüllt, führt das zu Stress und Krankheit. Ob man sich da nun an Zahlen festmachen will - ich kenne es so, dass man bei erwachsenen Hunden ein Ruhebedürfnis von 16-20 Stunden am Tag annimmt. Ruhe, nicht Tiefschlaf.


    Nun ist ein Merkmal der Domestikation, dass Hunde jederzeit "anschaltbar" sind. Und zwar nicht nur - wie Wölfe - da, wo es eben überlebenswichtig ist, sondern jederzeit, weil der Mensch es eben so will. Salopp gesagt, man hat den Aus-Knopf weggezüchtet. Weil ist ja doof, wenn der Hund arbeiten soll und gerade pennen will.


    Weniger kooperative, selbständigere Rassen können sich dem entziehen (Hund hat "keinen Bock"). Hochgradig kooperative Rassen, wie Hütehunde, können das schlechter bis gar nicht. Sie reagieren auf jeden Input. Solche Hunde müssen lernen: Nicht jeder Reiz, nicht jedes Geräusch, nicht jede Bewegung ist ein Grund, aktiv zu sein.


    Wenn ich mal nach dem gehe, was Hütehundbesitzer hier im Forum schreiben, war es ja früher wohl normal, dass die Hunde im Zwinger waren, wenn sie nicht gebraucht wurden.


    Heute - in Privathand ohne Arbeit sowieso - sperrt man die Hunde ja eben NICHT in den Zwinger, sondern lässt sie am Leben teilnehmen, den ganzen Tag. Das ist aber uU zuviel Input für einen vom Menschen zu einem hochgradig reaktiven Lebewesen geformtem Hund, der immer noch das Ruhebedürfnis eines Caniden hat.


    Sowas kriegt der Hund nicht aufgelöst. Da ist der Mensch gefragt.

    Sonst wird der Hund krank.


    Und jetzt zurück zum Anfang: Wenn man jetzt denkt - ach, dann sperre ich den Hund halt 20 Stunden ein, und gut ist, verwechselt die Methode mit dem Ergebnis.


    Das (erwünschte) Ergebnis ist ein Hund, der i.d.R. über den Tag verteilt 16 bis 20 Stunden zufrieden ruht. Das kann er, wenn alle seine anderen Grundbedürfnisse gedeckt sind. Sicherheit, Futter, sozialer Anschluss, Bewegung, Kontakt zu Artgenossen, Kauen, Buddeln, Spielen, kognitive Ansprache...


    Wenn man nun mit seinem Junghund 2x am Tag an der Leine 10 min die Strasse lang läuft und ihn zuhause mit Sitz und Platz "auslastet" und sonst nur Nein und Aus und sonst nix und DANN erwartet, dass der Hund entspannt ist - hat man was gehörig falsch verstanden.


    Einen entspannten HUnd bekommt man NICHT, indem man den Hund einfach 16 Stunden festtackert und das als "Ruhe" bezeichnet Selbst wenn der Hund da "ruhig" in der Box drin liegt, ist das nicht das was es sein soll.


    Ein entspannter Hund, der seinem biologischen Ruhebedürfnis nachkommt, ist das Ergebnis eines guten Umgangs mit dem Hund, nicht das Ergebnis vom Immoblisierung.

    Bei manchen ist das ganz einfach, bei anderen ist es schwieriger. Ich würde mir deshalb keinen Hütehund holen. Ich kenne zuviele hochgradig gestresste, und hätte Sorge, dass ich es nicht hinbekomme.


    Und sicher gibt es Hunde, die deutlich mehr ruhen als andere - es geht um den Gesamteindruck, nicht um eine Zahl.

  • ich weiß nicht, ob ich mich klar ausdrücke - wenn ich irgendwo neu bin, oder auf ner Messe oder so, guck ich auch immer hin und her, probier alles aus, lauf kreuz und quer… aber deswegen bin ich aber noch lange nicht gestresst.

    Das sind Ausnahmesituationen und zumindest ich bin danach platt und habe danach einen stark erhöhten Ruhebedarf.

    Das ist kein Problem, das ist nicht schlimm, das darf meinem Hund genauso gehen.


    Wenn das aber der Alltag ist, wird es problematisch. Da bin ich froh, dass ich mehr in die Kaffeetasse schaue und mein Hund nur das Bein hebt ohne das wir vorher nochmal den kompletten Garten erkunden müssen.

  • Mona X  @Langstrumpf  Vriff

    Ihr habt alle recht, und wie gesagt - vielleicht nehm ich Aussagen wie „Andere Hunde/Menschen/Besuch hat/haben meinen Hund nicht zu interessieren“ auch selektiv wahr, das ist sicher möglich. Danke für eure Gedanken und Gesichtspunkte!

  • Trotzdem würde ich aus meiner eigenen Erfahrung hinaus bei zukünftigen Hunden wahrscheinlich tatsächlich priorisieren, dass ich nicht der totale Mittelpunkt ihres Universums bin, jedenfalls nicht in einem für die Hunde potentiell stressigen Ausmaß.

    Das ist auch für mich ein sehr guter Grund dem Hund zu lernen es geht auch ohne Frauchen/Herrchen.

    Aus dem Grund und nur aus dem Grund, habe ich von Anfang an eine Hundesitterin eingebunden, das eben nicht nur ich bzw. mein Mann, der Lebensmittelpunkt ist.

    Habe ich auch nach 2 Monaten gleich gebraucht, Knöchelbruch mit 3 Tagen Krankenhaus, Mann arbeiten, Hund kann nicht 9 Stunden alleine bleiben.

    Hat aber sehr gut funktioniert.

  • Find es schwierig, eine Pauschalaussage mit einer Pauschalaussage aushebeln zu wollen.

    Dadurch, dass Hunde recht individuell sind, gibt's da unendlich viele Grauzonen.

    Manche Hunde müssen erst lernen, bei Trubel auch abzuschalten, manche bringen es mit.

    Manche Hunde kommen - Sachen gibt's- quasi Leinenführig auf die Welt, bei anderen muss man da aktiv was dran machen.

    Manche Hunde bellen selten bis gar nicht, manche mutieren schon bei nem Flohpups zum Kläffer.

    Manche erkunden die Umwelt gerne im Umkreis ihres Halters, manche lieber im Renngalopp als Punkt am Horizont.

    Manche jagen nicht, manche fangen mit dem Appetenzverahlten ab Öffnen der Haustür an.

    Manche Hunde werden nach Müde blöd, manche legen sich nach Müde einfach hin und schlafen.


    Ich mag Pauschalaussagen nicht. Weder die Pauschalaussagen, die aus jedem Normalverhalten automatisch ein Problem machen, noch die Pauschalaussagen, die genau das verneinen.


    Für mich - aus meinem Job und meine Erfahrung würde ich eher sagen: wenn ich Hundeverhalten unter der Lupe betrachte, kann so ziemlich jedes Normalverhalten unter passenden Bedingungen zu einem zumindest problematischen Verhalten werden. Ob es dass dann tatsächlich wird, steht auf einem anderen Blatt.

  • Noch ein ganz anderer Gedanke, der mir gerade kam - vielleicht liegt es bei manchen Leuten (v.a. Kombi Hundeanfänger - Welpe?) auch noch an der falsch verstandenen Prägephase, dass die Leute glauben, der Hund müsse bis Tag X alles gesehen haben, was er vielleicht mal erleben könnte. Ich hab hier schon von Trips zum Flughafen gelesen und sowas…


    Es wird einfach vergessen, dass Hunde/Lebewesen lebenslang lernfähig bleiben - siehe unsere TH-Hunde. Oft wissen wir ja gar nicht, was der kannte, wie sein Leben war etc. Wenn er dann vermittelt ist, muss er vielleicht neue Hausregeln lernen - früher war das Sofa verboten, jetzt nicht mehr. Früher durfte man einfach fressen, jetzt gibts ne Freigabe… das kann ein Hund, der im selben Zuhause bleibt, ja auch lernen. Sich das bewusst zu machen, kann auch Druck rausnehmen.

  • Ist ja auch immer die Frage, was man selber will. Ich müsste nichts trainieren, bloß weil "man" das so macht.


    Meine Hunde hypnotisieren zb gerne das Mittagssen auf dem Tisch...stört mich nicht, wem das nicht passt....naja, mir egal ehrlich gesagt.


    Oder meine schlafen auch nicht die "vorgeschriebene" Zeit, sind aber trotzdem entspannt, wenn sie wach sind, fordern auch mal selbständig zum Spiel auf oder kommen zum gekuschelt werden an....Wir finden das genau so gut.


    Da muss man sich ja wirklich nicht von irgendwelchen Menschen, mit denen man nix am Hut hat, irgendwelche Regeln auftischen lassen.


    Für mich bedeutet Erziehung und Alltagstauglichkeit. Dass wir, die Hunde und unser Alltag zusammenpassen und das ist etwas, was sich einfach einspielt. Meiner Meinung nach.

  • Für mich bedeutet Erziehung und Alltagstauglichkeit. Dass wir, die Hunde und unser Alltag zusammenpassen und das ist etwas, was sich einfach einspielt. Meiner Meinung nach.

    Das klingt als ob du denkst, dass alles gut zusammen passt spielte sich mit egal welchem Hund (und Menschen?) einfach ein?

    Ich habe einen 7,5jährigen (Belgischen) Schäfi aus komplett isolierter Haltung, der mit fast allem was sich bewegen konnte unverträglich war adoptiert. Es hat sich eingespielt, ja, aber „einfach“? Nee, das war es nicht. Es war richtig viel Arbeit für mich, trotz Vorerfahrung mit ähnlichen Problemen.

    Vor ein paar Tagen war ich lange im Tierheim und habe mir da von einer Freundin einiges über verschiedene anwesende Hunde erzählen lassen. Das spielt sich doch nicht alles „einfach“ so ein. Ich schätze das wolltest du auch nicht sagen oder doch?

  • Ich meine das si, dass man Hunde nicht nach Lehrbuch erziehen kann, weil für jeden im Alltag etwas anderes wichtig ist. Und das findet man doch erst im Zusammenleben heraus.


    Ich kann doch vor Anschaffung des Hundes nicht alles festlegen, und wenn jetzt für Mensch X ultrawichtig ist, dass der Hund zu bd bis zu bestimmten Zeiten schläft, den Menschen keinesfalls von sich aus kontaktieren darf, keine Begründung an der Tür stattfinden darf ....weil ...Weltherrschaft und so... so dann muss das nicht zwangsläufig auch für Mensch y, z zutreffen.


    Aber ja, bei uns hat sich das tatsächlich alles nett eingespielt, vielleicht auch, weil wir vieles einfach nicht so eng sehen. Meine Hunde/Erziehung müssen niemand anderem gefallen, sondern es muss für unsere Familie passen. Manch einer würde sich in meinem Haus deshalb vermutlich nicht wohlfühlen, aber es dürfen gerne alle wegbleiben.


    Deshalb finde ich theoretische Lehrbücher/Vorgaben was Hund wann unbedingt muss, sehr schwierig, weil sie einfach null Individualität berücksichtigen.

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