Futterfixiert - von Frustration zu Aggression?

  • Hallo zusammen,


    ihr habt mir hier schon einmal so toll mit Tipps und Ratschlägen geholfen - deshalb hier ein neuer Beitrag von mir, denn ich weiß langsam nicht mehr alleine weiter.


    Timmy, ein 2-jähriger Hüte-Mischling aus Bosnien, lebt jetzt seit einem Jahr und 2 Monaten bei mir.

    In dieser Zeit habe ich viel über ihn gelernt, vor allem, dass er sicher nicht der Anfängerhund ist, als der er mir "verkauft" wurde (ich habe ihn über eine Tierschutzorganisation). Trotzdem war und bin ich bereit, voll und ganz mit ihm zu arbeiten - was ich auch tue.


    Neben einigen anderen "Baustellen" (Aggressivität/Kooperation beim Tierarzt und Revier-Verteidigung als Beispiele) macht mir vor allem aber ein Verhalten Sorgen:

    Er ist extrem futterfixiert. Bedeutet: Er lässt keine, wirklich keine, Gelegenheit aus, nach Futter zu suchen.


    Zu Hause ist das kein Problem. Da habe ich alles im Blick und unter Kontrolle. Er hat auch ein Kommando, ohne das er nicht an den Napf darf.

    Ich habe anfangs den Fehler gemacht, ihm ab und an was vom Tisch zu geben. Ja, das war dumm. Das mache ich nicht mehr.

    Er bettelt nach wie vor extrem, aber legt sich dann irgendwann ruhig ab.


    Draußen versuche ich mein Bestes, aber so schnell kann ich gar nicht gucken und er hat wieder was im Maul (das muss nicht mal was offensichtlich essbares sein, ne leere Verpackung tut es auch). Er weiß, dass er das nicht darf, umso schneller versucht er es zu verschlingen. Da hilft auch kein Leckerli als Tauschgeschäft. Problem nach wie vor: Ins Maul fassen ist nicht. Da beißt er, ohne Vorwarnung, zumindest bei Futter. Ball und Spielzeuge funktionieren, da klappt auch das "Aus".


    Das ist das eine.

    Das andere, darauf aufbauend: Er wird extrem frustriert, wenn er merkt, er kommt jetzt nicht ran bzw. es gibt jetzt nichts.


    Das äußert sich dann vor allem darin, dass er anderen Hunden aggressiv begegnet und sie lautstark zurecht weist.

    Ich dachte anfangs, es ist eine Leinen-Aggression (wobei ich das als Mit-Faktor nicht ausschließen würde), aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass sich sein Frust aufstaut, weil ich ihn eben nicht alles ins Maul nehmen lasse, und er den dann so los werden will. Nach dem Motto: Der andere Hund könnte jetzt ja eventuell was fressen und ich darf da nicht hin. Ohne Leine ist das etwas entspannter (klar, er hat mehr Spielraum, aus dem Weg zu gehen), aber ist er einmal in seinem Frustverhalten drin, dann ist es fast egal.


    Darauf gekommen bin ich, weil ich ihn letztens an einer Bäckertüte vorbei weiter beordert habe. In Sichtweite kam uns schon ein anderer Hund, ebenfalls angeleint, entgegen.

    Er hat den anderen Hund sofort angeknurrt und angebellt und man hat diese Frustration richtig gehört.


    Es gibt durchaus auch Spaziergänge, da scheint er nicht so auf Futter fixiert zu sein.

    Ich habe noch kein Muster erkannt. Mir scheint es aber so, dass er morgens deutlich entspannter ist, als am Nachmittag,

    Da spielt er dann auch mit den Hunden, die er ansonsten sofort angehen würde.


    Mein trauriges Highlight war aber eben an der Haustüre. Das hat mich jetzt auch veranlasst, diesen Beitrag zu verfassen.

    Meine bestellte Pizza kam und ich habe Timmy nach dem Klingeln auf seinen Platz beordert.

    Der Pizzabote war schon wieder am Umdrehen, da hat der kleine Lümmel es doch geschafft, durch den Türspalt in den Hausflur zukommen.

    Der Bote meinte, dass sei kein Problem und hat sich runter gebeugt und wollte ihn nur an der Hand schnüffeln lassen.

    Aus dem Nichts hat Timmy geknurrt und wollte nach der Hand schnappen - weil er wohl in dem Moment natürlich wusste, dass Essen im Spiel ist.


    Ich ärgere mich, dass die Situation so gelaufen ist und ich nicht früher eingeschritten bin, aber es ist jetzt nun mal passiert.


    Der Handwerker, der letztens am Morgen da war, konnte sich überhaupt nicht vor seinen Kuschelattacken und Küsschen retten.

    Eigentlich war und ist er immer zu jedem Menschen freundlich. Deshalb habe ich auch 0,0 damit gerechnet.


    Wie geht man sowas denn an?

    Mir scheint, dass "ich zerre ihn einfach an der Leine von allem weg", nicht der richtige Weg ist.

    Ich weiß auch nicht sicher, ob es wirklich nur ein Futter-Thema ist oder eben auch eine Leinen-Aggression, die da mit reinspielt.


    Ich war lange in einer guten Hundeschule.

    Da waren wir auch ein Top-Team. Aber da hat auch Futter nie eine Rolle gespielt.

    Und er ist ja nicht dumm: Er hat schon gecheckt, dass es in die Hundeschule geht.


    Meint ihr, ein Trainer, der mal mit mir in seiner gewohnten Umgebung arbeitet, wäre eine Idee?


    Ich habe den kleinen Kerl unfassbar gerne, aber wenn noch mehr dazu kommt, weiß ich langsam wirklich nicht mehr, ob ich zu 100% die richtige Person für ihn bin :pleading_face: .

  • Ein Trainerbesuch in eurer gewohnten Umgebung klingt sinnvoll. Eine kompetente Fachperson ja auch allgemein mal den Umgang von dir mit Timmy einschätzen und ggf. Sachen aufzeigen, die einem selbst so gar nicht auffallen.


    Trägt der Hund draußen keinen Maulkorb? Das wäre doch hier fast die stressfreieste Variante, ihn davon abzuhalten, alles Fressbare aufsammeln zu wollen.


  • An einen Maulkorb draußen habe ich natürlich auch schon gedacht. Aber ich habe bei ihm ein wenig die Befürchtung, dass der Frust dadurch nur noch größer wird, weil er dann eben merkt, dass er jetzt mit dem Ding auf der Nase wirklich nicht mehr rankommt. Ich möchte keinesfalls, dass er den Maulkorb komplett negativ assoziiert.


    Aber ja, ich werde es austesten, solange es nicht anders geht.


    Er bekommt zweimal täglich eine Hauptmahlzeit. Jeweils morgens und abends nach der Gassirunde. Ich füttere, aufgrund seiner noch nicht eindeutig diagnostizierten Allergien, Pferdereinfleisch aus der Dose und einen frischen Bio-Gemüsemix, ebenso aus der Dose. Das Verhältnis ist 50:50, sodass er am Tag insgesamt auf 300-350g Fleisch und ebenso viel Gemüse kommt. Dazu gebe ich noch Zusätze (Öle, Hagebutte, Gerstengras) ins Futter. Die Gramm-Angabe stammt vom Hersteller und Belesen meinerseits, wobei er ja schon eher aktiv ist und ich deshalb etwas draufgerechnet habe. Zusätzlich bekommt er noch den ein oder anderen Kausnack und Leckerlis zwischendurch.


    Er hat eine Top-Figur und normales Gewicht für seine Größe.


    Satt und zufrieden ist sehr schwierig zu beurteilen für mich. Das variiert. Morgens nach der Runde scheint er zufrieden(er) zu sein. Da geht er von seinem Napf meistens direkt in sein Körbchen oder legt sich woanders ab. Abends kriegt er gefühlt den Hals nicht voll. Da kommt er nach dem Fressen direkt zu mir und bettelt um weiteres Futter, ignoriere ich ihn, geht er, wenn ich nicht dran gedacht habe die Tür zuzumachen, in die Küche und checkt die Ablagen.


    Das Verhalten deckt sich auch mit meiner Beobachtung, dass er abends draußen viel aufgedrehter und intensiver auf Futtersuche ist.


    Er würde aber definitiv NIEMALS etwas auslassen, wenn es ihm angeboten wird oder es es eben findet. Als wäre er nie satt.


    Was ich geändert habe: Ich habe zu Beginn Trockenfutter gefüttert. Da war es so, dass er oft nur einen Bissen davon genommen hat morgens. Ich habe den Napf dann aber stehen lassen. Er hat dann mittags nochmal davon gefressen und, das war am auffälligsten, wenn er wusste, wir gehen jetzt dann gleich auf die Nachmittags/Abendrunde, hat er den kompletten Rest gefressen. Seit der Umstellung auf Nassfutter lässt er aber eh nichts mehr übrig, also ist das kein Thema mehr und ich möchte ja auch nicht, dass er mit vollem Magen raus geht.


    Ich habe schon überlegt, etwas an der Fütterung zu ändern, aber ich wüsste nicht was.

  • Der Handwerker, der letztens am Morgen da war, konnte sich überhaupt nicht vor seinen Kuschelattacken und Küsschen retten.

    Eigentlich war und ist er immer zu jedem Menschen freundlich. Deshalb habe ich auch 0,0 damit gerechnet.

    Ist Dir klar, dass dieses Verhalten die Vorstufe von Wachverhalten ist? Mit zweineinhalb schalten Hunde, die Wachgene haben meistens um und beginnen das Problem anders anzugehen, weil das "nette Stressverhalten" vorher ja nichts brachte ...

    Er bekommt zweimal täglich eine Hauptmahlzeit. Jeweils morgens und abends nach der Gassirunde. Ich füttere, aufgrund seiner noch nicht eindeutig diagnostizierten Allergien, Pferdereinfleisch aus der Dose und einen frischen Bio-Gemüsemix, ebenso aus der Dose. Das Verhältnis ist 50:50, sodass er am Tag insgesamt auf 300-350g Fleisch und ebenso viel Gemüse kommt. Dazu gebe ich noch Zusätze (Öle, Hagebutte, Gerstengras) ins Futter.

    Wo sind die Kohlenhydrate?

  • Es gibt mittlerweile recht viele Trainer und Hundeschulen, die Anti-Giftköder-Kurse anbieten. Vielleicht findest du so etwas in der Nähe. Ziel ist, dass der Hund lernt, Fressbares anzuzeigen und dafür mit Futter vom Halter belohnt zu werden, statt sich einfach auf alles zu stürzen. Das Problem mit Strafe ist bei sowas halt immer, dass die Hunde meist nur lernen, die Sachen möglichst unauffällig und schnell herunter zu schlingen.


    Zum Futter: nur Fleisch und Gemüse macht viele Hunde nicht wirklich satt. Ich würde an deiner Stelle unbedingt noch eine ordentliche Portion eingeweichte Haferflocken, Nudeln, Kartoffeln etc. dazu geben, einfach um auszuschließen, dass die Gier schlicht und ergreifend daran liegt, dass der Hund ständig Hunger hat.

  • Ist Dir klar, dass dieses Verhalten die Vorstufe von Wachverhalten ist?

    Offen und ehrlich war mir das so nicht klar. Danke für den Hinweis. Ich werde das künftig unterbinden und ihn konsequent auf seinen Ruheplatz schicken.

    Wo sind die Kohlenhydrate?

    Auch hier bin ich offen und ehrlich und dachte, dass das Futter so ausreicht. Ich hatte auch eigentlich extra mit dem Support Kontakt aufgenommen und gefragt, ob ich das so als Alleinfuttermittel verwenden kann. Auf Süßkartoffel reagiert er sofort mit Durchfall. Und auch die anderen Mix-Sorten hat er bisher nicht gut vertragen, wobei ich natürlich nicht sicher sagen kann, ob es an der Kohlenhydratquelle oder einem anderen Zusatz lag. Aktuell ist seine Verdauung top und auch sein Kotabsatz vorbildlich. Aber auch hier danke für den Hinweis.


    Ich bin so bemüht, alles richtig zu machen und ihm zu helfen, weiß und merke aber auch, dass ich definitiv noch weitere Unterstützung brauche. Deshalb frage ich mich auch, tief in mir, ob er in München in einer kleineren Wohnung bei jemanden mit noch nicht viel Hunde-Erfahrung wirklich richtig aufgehoben ist. Was nicht heißen soll, dass ich nicht zu 100% bereit bin, mit ihm den Weg zu gehen.

  • der ist futtertechnisch unterversorgt, was tatsächlich einen Einfluss auf das Verhalten haben kann. Zusätzlich zum Rest.

    Das muss unbedingt angepasst werden. Ausgewogene Ernährung ist sehr wichtig. Aber kein Hexenwerk.


    Draussen: Maulkorb drauf. Sauber zu Hause in Ruhe aufbauen.


    Wegen dem Frust: er schiebt ja eh schon Frust. Aber durch den Maulkorb schützt du dich und deine Umwelt. Denn irgendwann wird sich eine Situation ergeben, die dich überrascht, dann ist MIT Maulkorb wenigstens keine Beschädigung möglich. (denn Beschädigung ist bereits nah, hast fu ja gemerkt)


    Zusätzlich ist es ein Schutz gegen unverträgliche Sachen, die ihm schaden könnten.


    UND du nimmst dich aus der Gleichung raus. Denn jedes Mal wenn du ihm was wegnehmen willst/ musst, habt ihr ein Thema zusammen.


    Zu Hause: der hat an der Tür rein gar nichts zu suchen. Der kontrolliert das. Er muss drinnen bleiben und darf dir nicht entwischen.

    Dafür eigenen sich abtrennbare Bereiche mit Türgitter. Ich mache es so, dass beim klingeln die Hunde hinter das Türgitter gehen, dann kann ich in Ruhe an die Tür. Kein Hund kann mir so entwischen.


    Denn es ist echt mühsam, dauernd aufpassen zu müssen. Man ist ja auch mal müde oder abgelenkt. Schau dass du das managen kannst auch für dich, so mit Abtrennungen. Gibt auch hübsche Gitter, nicht nur diese Babyteile ;-)

  • Ich habe jetzt einen kostenlosen Erst-Termin bei einer Ernährungsberaterin vereinbart und werde in der Zwischenzeit Haferflockenbrei zufüttern (fand er ziemlich geil).


    Ich habe bei ihm einfach noch das Problem mit den Allergien, deshalb hole ich mir jetzt Hilfe dazu. Und dann muss ich mir auch keine Gedanken mehr um Unterversorgung etc. machen.


    Dann werde ich das Ganze mal beobachten, sprich, ob sein Futtersuch-Zwang sich bessert oder zumindest wieder "normale" Züge annimmt. Giftköder-Training gibt es aber so oder so on top. Und jetzt auch erstmal einen Maulkorb.


    Danke auch für den Tipp mit dem Hundegitter. Das wird gleich mal besorgt und dann auch bei Besuch eingesetzt. Macht es Sinn, das Gitter mit seinem Platz zu kombinieren? Sprich, ich schicke ihn auf den Platz, aber wenn er da nicht bleibt, dann beschränkt das Gitter? So, dass er auf lange Sicht, das Klingeln mit Liegen auf seinem Platz verknüpft?

  • Ich habe jetzt einen kostenlosen Erst-Termin bei einer Ernährungsberaterin vereinbart

    Da gibt es solche und solche ... Hafer ist sehr eiweißreich. Ich dachte eher an Kartoffeln, Nudeln, Gersteflocken oder was ähnliches.


    Das Fressen könnte dadurch befeuert werden.


    Es könnte aber auch eine Stresshandlung sein, weil er Probleme mit der Außenwelt hat. In solchen Fällen müsste man das Training ganz anders angehen ...

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