Haben wir ein systemisches Problem mit dem Tierschutz v.a. was "gefährliche" Hunde betrifft?

  • Das man es nicht genau wie beim Menschen Diagnostizieren kann heißt ja nicht zwangsläufig das es nicht etwas ähnlich geartetes bei Hunden gibt.

    Meine Frage war eher ist es noch nicht erforscht oder durch Forschung ausgeschlossen worden, oder eben durch Forschung bestätigt was ja aber gerade verneint wurde.

    Ich versuche es mal kurz in meiner Mittagspause :smile: Man kann es mMn nicht verlässlich erforschen. Mal ganz unabhängig davon, dass man Hunde nicht befragen und somit letztlich nicht auf ihre psychische Verfassung hin diagnostizieren kann: Sogenannte „Persönlichkeitsstörungen“ haben als festen Bezugsrahmen definierte menschliche Normen der Persönlichkeitsentwicklung, z. B. von Empathie und „Ichbewusstsein.“ Und menschliche Werte, Erwartungen an das Verhalten untereinander innerhalb einer funktionsfähigen Gemeinschaft.


    Das ist nicht einfach auf Hunde übertragbar. Ja, es gibt immer wieder heiße Diskussionen darüber, ob und in welchem Maß Tiere Ichbewusstsein, Empathie, ggf. sowas wie ein Gewissen etc. entwickeln. Aber die basieren letztlich auf der Beobachtung von Verhalten und der menschlichen Interpretation dieser Beobachtung. Wenns schon da keine Klarheit gibt, wie soll man dann feststellen, ob da was gestört ist?


    Heißt: Man kann beobachten, dass ein Hund eine über das als artgerecht angesehene Maß hinaus gesteigerte Aggressivität hat, die ohne „angemessene Vorwarnung“ gezeigt wird. Ob das so ist, weil der Hund sowas wie eine „angeborene Psychopathie oder antisoziale Persönlichkeit (antisozial in welchem Bezug übrigens?)“ hat, das kann man weder diagnostizieren noch mit dem Menschen nahtlos vergleichen. Noch dazugerechnet, dass der Bewertung von „übersteigertem Verhalten“ auch im wissenschaftlichem Bereich letztlich menschliche Definitionen und Maßstäbe zugrunde liegen.


    Und warum sollte man letztlich auch, was würde es im Handling des Tiers ändern? „Schuldfähig“ sind sie ja eh nicht.


    Was sich natürlich lohnen würde - siehe „Gefährlicher Hund - Thread“ - wäre eine zentrale Erfassung und Auswertung von „übersteigert aggressivem“ Verhalten und Untersuchung auf Korrelationen, wie Rasse, Zuchtlinie etc.


    Ob das allerdings maßgeblich zur Entlastung der Tierheime beitragen und mehr Platz für Abgabetiere schaffen würde? :ka:

  • Danke für die ausführliche Antwort, dann lässt sich so etwas also mit unsren derzeitigen Methoden und unserem derzeitigen Wissensstand nicht erforschen, vielleicht auch nie.


    Ich denke, sowas hat insoweit mit dem Thema zu tun, dass es eine Hilfe wehre zu entscheiden, ob ein Hund "resozialisierbar" ist.


    Ich denke, wenn ein gefährliches Verhalten in einigen Fällen angeboren ist und auch wenn es erworben ist, weil der Mensch diesem Hundetyp nicht gewachsen ist, ist es auch fahrlässig zu Menschen zu sagen, du hast jetzt diesen Hund gekauft, du kannst ihn weder händeln noch abgeben, weil sich keiner findet, der ihn nimmt, komm irgendwie alleine klar die nächsten 12 Jahre.


    Insbesondere bei erworbenem Verhalten würde eine frühzeitige Abgab häufig ein gefährlicher Hund und oder Tierheimlangzeitinsassen -Kariere verhindern.


    Langzeitig würden also offizielle Anlaufstellen für gefährliche Hunde das Problem auf Dauer abschwächen, denke ich.

  • Danke für die Aufklärung an dieser Stelle.


    Das ist absolut verständlich und nachvollziehbar!!!


    Ich tue mich halt an einigen Stellen einfach sehr schwer mit dem Begriff "gefährlich". Und wer Zeit hat, kann hier gerne einmal lesen wieso:


    1. Fall "Staffordshire Bullterrier" 10 Jahre:

    Die alte Dame ist im Tierheim gelandet. Dort wurde sie bei einer Tierärztin vorgestellt. Sie hatte eine hochgradige Ohrenentzündung. Natürlich tat das "gepropel" im Ohr durch den Menschen weh. Sie versuchte sich zu entziehen. Ohne Erfolg. Sie knurrte - ohne Erfolg. Sie schnappte in die Luft Richtung Tierärztin - darauf hin wurde sie gemeldet und mit dem Stempel gefährlich versehen.


    Hier wurde m.M.n. erheblich versagt. Zunächst weil ein Hund mit Schmerzen durchaus austicken kann. Ein Tier in so einer Situation ohne MK zu behandeln oder vorzustellen, sorry geht halt nicht. Und in meinen Augen tut ihre Rasse da auch einiges zur Sache. Denn ich bin sicher, ein anderer Hund einer anderen Rasse hätte es nicht so erwischt. Hier haben eigentlich alle Versagt. Das Tierheim - die Ärztin - der Staat. Leidtragend war die Hündin die zum Glück dennoch ein wunderbares zu Hause finden konnte, wenn auch schwierig und mit Auflagen.


    2. Fall "Rottweiler" 5 Monate:

    Beim Besuch der Hundeschule bellt eine junge Hündin einen Artgenossen an. An der Leine, ohne nach vorne zu gehen oder sonstiges. Die Trainerin hat aber statt Mensch und Tier zu unterstützen direkt eine Meldung beim OA gemacht. Leider kannte die HH nicht was allgemein bekannt war. Die Trainerin hatte kategorisch Angst vor Rottis.

    Ende vom Lied - auch diese Hündin wurde vom OA als Gefährlich eingestuft, da ja ein Hundetrainer diese Auffassung vertrat.

    Auch hier wurde m.M.n. erheblich versagt an verschiedenen Stellen.


    Es gibt Fälle wo ein Hund ausrastet und Menschen massiven Schaden zufügt. Die Gründe sind einfach so unfassbar vielfältig, dass kann man nicht alles auf einem Weg lösen.

    Natürlich wäre es halt eben leichter, hier zu unterscheiden, wenn es einen Anhaltspunkt dafür gäbe. Und das einfach BEVOR etwas passiert. Ich persönlich finde einfach jeder Vorfall ist einer zu viel. Ich finde es unfassbar Schrecklich für alle in einer solchen Situation.


    Dennoch fände ich eine Differenzierung irgendwie sinnvoll. Wie ja bereits einige sagten, ist es bei manchen Hunden auch eine situative Gefährlichkeit. Auch hier aus den unterschiedlichsten Gründen. Es muss doch irgendeinen Ansatz geben, der sowas eingrenzen und möglicherweise in gewissen Fällen verhindert werden können.

    Und dabei finde ich es eben zu einfach eine Aussage zu treffen "Der Hund ist gefährlich - er muss weg und eingeschläfert werden". Natürlich sehe ich es wie einige, die sagen wenn ein Hund in eine Art Blutrausch verfällt sollte er eingeschläfert werden. Aber eben genau dann liegt das Kind doch bereits im Brunnen.


    Genau wie einige hier bin ich auch kein Freund von - der Halter ist überfordert und muss zwingend den Hund behalten. Aber auch hier würde ich mir einfach Prävention wünschen. Ja natürlich wird es dann immer noch Fälle geben, wo eben genau dies einsetzt und wo der Tierschutz einfach auf den Plan rücken muss. Aber die Masse an überforderten Haltern, die sich weder informiert haben was ein Tier für Anforderungen mitbringt noch die Bereitschaft dazu diese zu erfüllen sollte auch aufhören. Damit der Tierschutz einfach auch Platz für andere Fälle hat. Und wenn dies mit normalem Menschenverstand halt eben nicht funktioniert, sollte auch da eingegriffen werden.


    Genau wie bei der Zucht. Ja unsere Marktwirtschaft besteht aus Angebot und Nachfrage. Solange die Nachfrage an Hunden bestimmter Charakter-/Farb- oder Süßeigenschaften nicht aufhört wird es auch das Angebot geben. Und hier sehe ich tatsächlich mal nicht den Staat in der Verantwortung. Denn schauen wir uns doch mal verbotene Rassen an. Die es nach 20 Jahren noch gibt trotz Zuchtverbot. Sorry Leute, aber der illegale Weiterbetrieb scheint sich zu lohnen. Und es wird folglich immer noch Menschen geben, die bereit sind genau für solche Hunde noch mehr Geld zu zahlen... Ein Verbot an dieser Stelle wird also wenig helfen. Da wird es eben "leichter" die Nachfrage zu steuern.


    Ich glaube, selbst wenn man alle Verkettungen und Umstände die zu tragischen Vorfällen führen unterbrechen könnte, was ich selbst leider für utopisch halte, wird es immer noch in Einzelfällen zu sowas kommen. Aber eben weniger. Und wenn eben nicht bereits alles mit anderen Hunden voll ist, wird eben genau dann auch angefangen werden können, damit differenzierter umzugehen...

  • Darum find ich, dass der Staat sich verpflichten müsste, Hunde die als gefährlich eingestuft werden, zu übernehmen!
    Das wäre ein Ausweg für Halter, die mit ihrem Hund überfordert sind.

    Aber es kann doch nicht sein das der Staat für jegliches Luxusgut verantwortlich sein soll!

    Ich will einen Hund, das ist meine Verantwortung und doch nicht die des Staates!


    Ja, mehr Kontrollen, mehr (und besser geschultes) Personal bei Ordnungs- und Vetamt, das wäre mehr als wünschenswert.

    Dazu eine verpflichtende Chipdatenbank.

    Das ist was ich vom Staat gerne hätte. Aber doch nicht das er komplett verantwortlich ist wenn ich was vermassele!

  • Ja da gebe ich dir durchaus Recht mit.

    Aber was tun? Beim Halter bleiben und warten das etwas passiert? Einschläfern weil der Halter es vermasselt? Finde ich beides eben auch keine Optionen. 🤷‍♀️

  • Einschläfern kann durchaus ne bessere Option als das was man z.T tun muss/ müsste um bestimmte Hunde wieder händelbar und ansatzweise Gesellschaftsfähig zu kriegen.

    Die Jahre von Fehlverhalten "auszulöschen" bzw zu überspielen ist für alle Seiten ein unschöner, stressiger Weg und da sollte es durchaus möglich sein abzuwägen.

    Das sich nicht jeder Depp n Hund , Grade bestimmte Typen holen sollte , geschenkt. Das ist aber offensichtlich nicht so einfach zu ändern. Ist ja nicht erst seit gestern ein Problem.

  • Sie schnappte in die Luft Richtung Tierärztin - darauf hin wurde sie gemeldet und mit dem Stempel gefährlich versehen.

    Beim Besuch der Hundeschule bellt eine junge Hündin einen Artgenossen an.

    Von solchen Hunden redet hier aber keiner :no: :no:

    Es gibt Fälle wo ein Hund ausrastet und Menschen massiven Schaden zufügt

    Sondern von solchen!!! :rotekarte:

  • Warum nicht einschläfern?

    Klar ist es unschön weils der Halter vermasselt hat. Aber ehrlich, je nach Hund ist es kaum möglich den zu resozialisieren. Was bringt es dem Hund denn jahrelang irgendwo verwahrt zu werden bis er irgendwann stirbt?

    Und wer will denn so Hunde in seiner Umgebung haben?


    Sicher sollte es mehr Wissen geben über Hunde, klar. Aber das wird eh nicht passieren.

    Also lassen wir die Hunde halt jahrelang irgendwo versauern damit bloß nicht eingeschläfert wird?

  • Ich denke das einschläfern für viele Besitzer und gerade für die die eigentlich einen netten Hund als geliebtes Familienmitglied haben wollte eine riesige Hemmschwelle ist.

    Da wird der Hund eher zulange behalten und dann passiert doch etwas…


    Und außerdem hat der Hund sich nicht ausgesucht wo er hin kommt und wenn er dann aus dem Ruder läuft weil er nicht adäquat erzogen wird ,weil der Mensch es nicht hinbekommt, ob nun aus Faulheit oder mangelnder Kompetenz ,oder einfach weil die Umstände einfach nicht passen. Leider in erster Linie der Hund und wird deswegen evtl. sogar getönt. Ich finde es da dann schwierig zu sagen selber schuld komm klar Mensch. Nach dem einschlafen kann der Mensch sein Leben problemlos weiter Leben der Hund lässt dann für die Unüberlegtheit seines Besitzers sein Leben. Diese Haltung Trift also in erster Linie wehrlose Lebewesen welche unter Menschlicher Obhut stehen.


    Deswegen bin ich deutlich für frühprävention und Hilfestellung in Problemkonstelationen Hund Mensch

  • Danke Runa-S!!!


    Ich sehe es halt einfach etwas Zwigespalten. Ich finde das Leben ist schützenswert. Und gerade das jener die eben nicht selbst dazu in der Lage sind sich zu verteidigen.


    Übrigens Fall 1 ist in genau ein solches Beispiel. Nicht vermittelbar weil gefährlich!!! So wurde es eben definiert. Das Glück des Tieres war schlicht und ergreifend, dass man es umgehen konnte und den Hund nicht vermittelt sondern eine Pflegestelle schaffen hat.


    Also sind wir wieder bei - das Tier muss erst ernsthaften Schaden verursachen, um dann als gefährlich eingestuft und eingeschläfert zu werden. Und das ist doch wohl zu spät. Vielleicht sollte daran gearbeitet und unterschieden werden bevor es zu einer grundsätzlichen Entscheidung zur Euthanasie gefährlicher Tiere kommen kann. Und nach meinem Kenntnisstand werden eben die Tiere eingeschläfert, wenn sie einen Menschen getötet oder „zerfleischt“ (wie es hier genannt wurde) haben.

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