Können Hunde empathisches Verhalten zeigen? Können Hunde Schutzbedürftigkeit bei anderen Lebewesen erkennen und entsprechend rücksichtsvoll handeln?

  • Hallo in die Runde!


    Ich überführe das Thema vom "Gefährliche-Hunde"-Faden mal hierher, weil es dort zu Off Topic wurde.

    Vielleicht würde euch ein Austausch auch interessieren.


    Die Fragen, die im Raum standen, waren, ob Hunde die Schutzbedürftigkeit von anderen Lebewesen, zb Babys und Kleinkindern oder auch Welpen oder Kitten, erkennen können und entsprechend zurückhaltend und vorsichtig agieren.


    Ich zitiere mal exemplarisch zwei User, damit der Kontext etwas klarer ist.

    In meinem Umfeld gibt es jedoch x Hunde, die überhaupt nicht erzogen sind und trotzdem mit Kindern und Welpen ganz anders umgehen als mit ausgewachsen Exemplaren. Auch bei Pferden kommt dies wohl öfter mal vor.

    Das liegt schon daran, denke ich, dass sie die Harmlosigkeit und leichte Verletzlichkeit einschätzen können und sich darauf einstellen. Ergo Empathie.



    Ich füge auch gleich noch einen Link zum Beginn dieser Diskussion im anderen Faden ein, falls jemand dort nachlesen möchte, was schon geschrieben wurde.



    Beginn war Post #7784 von Hundundmehr


    Ich freue mich auf eure Meinungen!

  • Ja, können sie. Hunde sind individuelle Persönlichkeiten und ihnen das pauschal abzusprechen meines Erachtens nicht richtig.


    Aber es ist falsch und fahrlässig das als selbstverständlich/gesetzt zu betrachten, denn das ist es keineswegs!!!


    Es ist eine Kombination aus dem Grundwesen des Hundes und entsprechender Sozialisierung. Und ich denke, der Großteil der Hunde bringt es nicht mit. Und auch die Rasseeigenschaften werden da eine große Rolle spielen.

  • Hier sollte erstmal eine Klarstellung hin, was hier unter „Empathie“ verstanden wird.


    Nach klassischen auf den Menschen in unserem kulturellem Kontext bezogenen Definitionen erfordert Empathie Selbstkonzept sowie die Transzendenz des Selbstkonzepts. Entwicklungspsychologisch wird das im sogenannten „Spiegelstadium“ angesiedelt. Das beim Menschen durch das Primat des Sehens bedingt wird (das sprachlich mitgeteilt wird, also als kultureller Erfahrungswert auch Menschen zur Verfügung steht, die nicht sehen können).


    Hunde haben einen andersgearteten Wahrnehmungsschwerpunkt und eine komplett andere Sozialisation, in den wir uns trotz Empathie nicht hineinfühlen können. Sollten sie etwas Vergleichbares entwickeln, so muss es mMn dennoch eine ganz andere und für uns nicht unmittelbar zugängliche Basis geben. Man kann darüber nur spekulieren. Mit der extrem hohen Wahrscheinlichkeit, dass bei diesen Spekulationen eigene Bedürfnisse auf den Hund projiziert werden.

  • Ich stelle geschwind eben noch meine zwei Aussagen dazu ein:


    Ein Hund, der auf solch schreckliche Weise dokumentiert hat, dass er die Schutzbedürftigkeit von Kindern nicht erkennt,

    Ich wage zu behaupten, dass die allermeisten Hunde keine Schutzbedürftigkeit von fremden Babys und Kindern erkennen. Genauso wie besonders Hündinnen auch keine Schutzbedürftigkeit von fremden Welpen erkennen.



    Kinder und schreiende Babys werden vielleicht toleriert, ignoriert, genervt zur Kenntnis genommen, und im schlimmsten Fall als jagenswert oder zurechtweisenswert angesehen. Deshalb lässt man Hunde keine tragenden Entscheidungen treffen sondern führt sie sicher durch knifflige Situationen, eben weil man als Halter die Schutzbedürftigkeit von Kindern anerkennt.




    Fokus bei meinen Antworten war "fremde Kinder", "fremde Welpen" und "das muss beigebracht werden".



    Wobei, es ist auch etwas typabhängig.


    Strawberrydrop hatte ja Pferde angeführt. Da gibt es welche, die bleiben sofort stehen, wenn sie merken, der Reiter da oben gerät in Schwierigkeiten. Und dann gibt es die Kandidaten, die einem noch den letzten Schubser geben, damit man auch ganz sicher schnell unten liegt :ugly:

  • Ich weiß nicht, ob Hunde das können bzw. ob der Durchschnittshund Kinder so einschätzt. Meine Hündin hat Neugeborene (also max. wenige Wochen alte Säuglinge) seeehr behutsam inspiziert - also nur mit den Vibrissen berührt, keine hektischen Bewegungen, etc., sodass mir damals vorkam, dass sie schon erkennen konnte, dass es sich um ein Lebewesen handelt mit dem man vorsichtig umgehen muss.

    Herumlaufende, spielende, schreiende Kinder hätte sie jedoch am liebsten zusammengetrieben und gemaßregelt, ganz bestimmt war sie nicht der Meinung, dass diese Kinder schutzbedürftig gewesen wären. Meinen jüngsten Neffen fand sie sogar so blöd, dass sie ihn schon auf Entfernung angeknurrt hat, während sie meinen ältesten Neffen sehr gerne mochte und der sogar schreien und mit den Armen fuchtelnd rumlaufen durfte.


    Also kann ich dazu nur sagen: Meine Hündin hat nicht alle Menschenkinder als schutzbedürftig behandelt.

  • Uff. Neben der Fähigkeit zur Einfühlung wird mit dem „Erkennen von Schutzbedürftigkeit“ auch noch eine massive moralische Komponente ins Spiel gebracht. Ich würde mal unterstellen, dass Hunde als (ehemalige) Beutegreifer ganz sicher Hilflosigkeit erkennen können. Mit einem ganz anderen nachfolgendem Reaktionsmuster als dem Gewähren von Schutz xD Hilflosigkeit auch eines Wesens, das nicht ins Beutespektrum passt, zu „Schutzbedürftigkeit“ umzudeuten: Das setzt mMn entweder lange intensive Selektion auf dieses Verhalten voraus oder aber sorgfältig erlerntes bzw. vom Sozialpartner Mensch abgegucktes Verhalten. Ohne dass das dahinterliegende moralische Konzept eine Rolle spielt.

  • Meine Hunde kennen keine Kinder, also gar nicht.

    Als wir also im Sommer das erste Mal mit einer Nachbarin und deren Kinder, der Jüngste 1,5 Jahre, im Garten saßen, war ich ziemlich gestresst.

    Grundlos im Nachhinein, meine Hunde sind rücksichtslose Arschgeigen, die nicht das geringste Problem damit haben jemanden umzunieten. Aber das tapsige 1,5 Jahre alte Kleinkind konnte mitten unter die wild tobenden Hunde rennen und die konnten, selbst mit allen Vieren durch die Luft fliegend, noch irgendwie abdrehen um das Kind nicht einmal zu berühren. Uns Erwachsene oder auch die älteren Kinder hätten sie eiskalt weggebombt. Aber da waren sie vorsichtig.

    (Ja, das Kind hatte da nichts verloren, blabla, ich weiß, ist halt passiert)

    Sie haben dem Kleinen auch das Essen nicht geklaut, Sachen ganz vorsichtig und zögernd genommen, nicht auf ihn drauf wenn er gefallen ist usw. Kurz, sie haben ihn ganz anders behandelt. Vorsichtig und rücksichtsvoll.


    Also, ja, ich glaube auch, dass Hunde das sehr wohl können. Ob das jeder Hund auch macht, ist eine andere Sache.

  • Ich denke schon dass Tiere auf die ihnen bekannten Menschen empathisch reagieren können.


    Baldur ist von Anfang an mit unserem jüngsten Kind ganz anders umgegangen als mit den größeren Kindern.

    Während die großen auch mal einen blauen Fleck hatten vom toben oder vom Welpen "gebissen" wurden kam das beim damals Einjährigen nie vor. Da war Baldur von Anfang an vorsichtiger.

    Wenn es jemanden aus der Familie schlecht geht, dann bemerkt Baldur dies und weicht demjenigen nicht von der Seite. Bleibt bei ihm, tröstet und ist Seelenwärmer.

    Bei Fremden würde er sowas nicht beachten.


    Auch meine Kaninchen die ich früher in freier Wohnungshaltung hatte haben bemerkt wenn es uns schlecht ging. Dann waren sie besonders anhänglich, besonders kuschelig. Und sind uns nicht von der Seite gewichen.



    Ich denke daher schon, dass Tiere zu Empathie fähig sind. Aber nicht zu jedem, nicht in jeder Situation. Und eben unterschiedlich stark ausgeprägt - der eine mehr, der andere weniger

  • Unsere alte Familienhündin kam aus dem Tierheim und hat uns als Kinder sofort für besonders schützenswert empfunden, was dazu geführt hat, dass sie meinen Großvater anfangs in regelmäßigen Abständen beinahe an die Wand getackert hätte, wenn er sich Späße mit uns erlaubt hat. Meine Eltern durften sich selbst verteidigen, für die hätte sie sich erstmal nicht in den Kampf gestürzt.


    Mein eigener Hund hat keine Familienkinder, aber ich habe schon das Gefühl, dass er kleine Menschen als zerbrechlicher ansieht. An Erwachsene wirft er sich oft mit vollem Körpereinsatz ran, um ihre Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen, Kinder bekommen meist eher recht ruhig den Flauschekörper zum Streicheln präsentiert. Gib die Leine meines Hundes an einen fremden x-beliebigen Erwachsenen, und er wird sich erstmal benehmen, als hätte ihm noch nie im Leben jemand das Konzept der Leinenführigkeit erklärt. Gib die Leine einer Dreijährigen, und die kann spazieren gehen, weil der Pudel hat keine Augen mehr für die Welt um sich herum, sondern bleibt verlässlich neben dem Kind.


    Mein Pferd ist da auch so eine Kandidatin: Die Füße der Reiterin reichen gerade so übers Sattelblatt, reiterliches Niveau mangelhaft? Macht nix, wir passen auf und versuchen möglichst gutmütig Signale zu interpretieren. Rückwärts, vorwärts, seitwärts, mein Pferd kann alles. Der Reiter ist 40, erfolgreicher Turnierreiter und setzt sich zum Spaß auf das haarige dicke Pferd? Was willst du, Schenkelgehorsam? Mach doch selber oder besser noch, steig ab.


    Ich würde so ein Verhalten jedoch nie bei einem Tier voraussetzen. Es gibt definitiv auch Hunde, die Kinder mindestens als die schrecklichste Plage des Planeten wahrnehmen und Pferde, die quietschende Mädchenstimmen als Zeichen zum Reißausnehmen sehen. Mal abgesehen, dass Hunde nicht unbedingt die besten Entscheidungen treffen, selbst wenn sie Kinder schützen wollen - mein Großvater hatte den Hass unserer Hündin aus Menschensicht gesehen nicht verdient, das hätte man ihr aber nur schlecht erklären können.

  • Die Fragen, die im Raum standen, waren, ob Hunde die Schutzbedürftigkeit von anderen Lebewesen, zb Babys und Kleinkindern oder auch Welpen oder Kitten, erkennen können und entsprechend zurückhaltend und vorsichtig agieren.

    Ja können sie, auf jeden Fall. Aber natürlich ist nicht jeder Hund so.

    Meine Hündin ist mit kleinen Kindern, Welpen, Kätzchen und "ihrem" alten gebrechlichen Kater sehr liebevoll umgegangen. Habe ich ihr nicht beigebracht, sie war einfach so. Mit erwachsenen Hunden und Menschen dagegen hat sie sehr grob und ruppig gespielt.

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