Können Hunde empathisches Verhalten zeigen? Können Hunde Schutzbedürftigkeit bei anderen Lebewesen erkennen und entsprechend rücksichtsvoll handeln?

  • Aber der Beutegreifer kann halt unterscheiden, wanns angebracht ist (sonst könnte er nicht jagen), und ein Halter kann ihm beibringen, daß zB mit Kindern/Fremden/alten Menschen vorsichtig umzugehen ist. Die Fähigkeit also nutzen und ausbauen, sodaß er sie im richtigen Moment zu verwenden in der Lage ist.

    Ja - aber welche Fähigkeit?


    Die Frage lautet ja: Können Hunde Empathie zeigen?

    Können Hunde Schutzbedürftigkeit erkennen und entsprechend rücksichtsvoll handeln?


    Die erste Frage wurde wissenschaftlich hinreichend untersucht, und lässt sich eindeutig mit "ja" beantworten.

    Dieses Einfühlungsvermögen ist aber nicht automatisch vorhanden, es entwickelt sich über die zugeführten Lernerfahrungen.

    Das ist übrigens genauso wie beim Menschen, wo ein Entzug sozialer Reize (Liebe, Zuwendung) auch zu schweren Störungen führt (Deprivationssyndrom, Hospitalismus, Kaspar-Hauser-Syndrom), aber auch die Umfeldbedingungen haben einen großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung.


    Dabei ist das Einfühlungsvermögen des Hundes natürlich nicht auf eine Stufe zu stellen mit dem Einfühlungsvermögen des Menschen.


    Aber das grundsätzliche Vorhandensein dieser Fähigkeit bietet eine Chance, die sich bei der Erziehung, also der Formung des Verhaltens eines Hundes ausnutzen lässt.


    Diese Chance wird noch erhöht durch die Anbindung des Haushundes an den Menschen, die ein Effekt der Domestikation ist.

    Das Wissen um diese Chance ist die Basis, auf welcher sich nun die zweite Frage genauer betrachten lässt:


    Können Hunde Schutzbedürftigkeit bei anderen Lebewesen erkennen und entsprechend rücksichtsvoll handeln?


    Schon die Fragestellung bietet Ansätze für große Kontroversen, und führt mAn am Ziel vorbei: "bei anderen Lebewesen" in Verbindung mit "entsprechend rücksichtsvoll handeln" kann kein eindeutiges Ja oder Nein erbringen, weil hier zu viele Faktoren mit eingebracht werden, die bestimmte Verhaltenskreise miteinander verquickt, die einfach getrennt betrachtet werden müssen.


    Bestes Beispiel war hier die Aussage: "Der Beutegreifer erkennt doch nicht die Schutzbedürftigkeit eines juvenilen Beutetiers, und lässt von seinem Jagdverhalten ab, weil er es als schutzbedürftig anerkennt."


    Ausgangspunkt dieses Threads war doch die Frage, ob ein Hund normal ist, wenn er die Schutzbedürftigkeit eines Kindes nicht erkennt (oder zwar erkennt, aber nicht anerkennt), und dieses ungehemmt schädigt.


    Dazu müssen viel grundsätzlichere Fragen betrachtet werden:


    Ist der Haushund aufgrund seiner kognitiven Möglichkeiten in der Lage:

    - Schutzlosigkeit eines Lebewesens zu erkennen

    - unterschiedliche Handlungsweisen aus dieser Schutzlosigkeit abzuleiten

    - Menschenkinder als juvenile Form des Menschen zu erkennen

    - deren Schutzbedürftigkeit zu erkennen und anzuerkennen


    Abschließend bliebe dann noch die Frage, welche Faktoren dazu beitragen können, dass Hunde kein aus Menschensicht angemessenes Verhalten gegenüber Kindern zeigen.


    Meine Frage:


    Hat überhaupt (noch) jemand Interesse, sich diese Thematik genauer anzuschauen?


    Hier sind ja sehr viele anekdotische Erfahrungen berichtet worden, die ein sehr breites Verhaltensspektrum dargestellt haben - aber irgendein Ergebnis hat das ja nicht gebracht :denker:

  • Hundundmehr

    Ich persönlich finde das Thema total interessant. Und auch deine Erläuterungen. Dennoch bleibt eben für mich der Aufhänger "Empathie". Das ist eben nicht die Fähigkeit die Stimmung eines anderen zu erkennen. Es bedeutet, sich in den anderen Hineinzuversetzen und daraus Schlüsse auf das eigene Verhalten abzuleiten.


    Ein Beispiel - meine menschliche bessere Hälfte kann dies nicht. Schlicht und ergreifend, er rät oder hat einiges gelernt oder man sagt es ihm. Das heißt nicht, dass er nicht erkennt, wenn jemand traurig ist. Er versteht nicht warum und was er tun muss um das zu ändern!!! Und ja das kann zu emotionalen Verletzungen und Fehlverhalten führen.


    Auf den Hund übertragen, heißt es eben für mich - ja der Hund kann erkennen das jemand traurig ist. Und er wird dabei aus Erfahrungen lernen. Nicht ich bin traurig darum kuschelt der Hund, sondern er hat gelernt, wenn ich in dieser Stimmung bin, heitert mich seine Nähe auf. Und ich glaube das ist ein wichtiger Knackpunkt.

    Die Empathie hingegen muss ich nicht lernen. Da weiß ich, wenn ich traurig bin, hilft mir beispielsweise mein Partner, eine Freundin oder was auch immer. Folglich bin ich für wichtige Menschen da, wenn diese traurig sind. Ich finde das ist ein enormer Unterschied. Ich lerne aus meinen Empfindungen und übertrage diese auf andere. Es hindert mich aber beispielsweise auch, Menschen zu beschimpfen und dadurch zu verletzen. Weil es mir andersrum weh tun würde...


    Auf den Hund übertragen bedeutet dies für mich, dass er dies eben lernen muss. Und somit kann man nicht von Empathie reden. Ja ein Hund kann lernen, das Minimenschen vorsichtig behandelt werden müssen.

  • Dennoch bleibt eben für mich der Aufhänger "Empathie". Das ist eben nicht die Fähigkeit die Stimmung eines anderen zu erkennen. Es bedeutet, sich in den anderen Hineinzuversetzen und daraus Schlüsse auf das eigene Verhalten abzuleiten.

    Tierische Empathie, dass Tiere mitfühlen können, ist mittlerweile nachgewiesen, hier mal nur ein Beleg dafür aus dem von Phonhaus eingestellten link:


    Zitat


    Hunde legen gegenüber Menschen, denen sie sich verbunden fühlen, affektive Empathie an den Tag. Das heißt, sie besitzen die Fähigkeit, die Gefühle dieser Personen instinktiv zu verstehen. Emotionale Übertragung, die sich in der Fähigkeit zeigt, die Gefühle eines anderen zu teilen, ist eine primitive Form der affektiven Empathie.


    Die Empathie hingegen muss ich nicht lernen

    Empathie entwickelt sich auch beim Menschen erst im Kindheitsstadium; Die Ausprägung der empathischen Fähigkeiten ist dabei stark von den Lernerfahrungen abhängig.

  • Ja und das bezieht sich auf die Gefühlswelt die Hunde kennen. Das möchte ich dem Tier auch nicht absprechen. Mit affektiver Empathie gehe ich total mit.


    Aber eben die Empathie, die der Mensch entwickelt, nicht so weit.

    Mal ein Beispiel: Der Hund wurde von einem anderen gebissen. Seine Lernerfahrung müsste ja sein, mir tut der Biss weh - und dann die moralische Ableitung - aus diesem Grund beiße ich niemanden. Und diese Form bezweifle ich.


    Auf das Kind und seiner Schutzbedürftigkeit übertragen - als Welpe wurde ich beschützt und gehütet - moralische Ableitung - aus diesem Grund muss ich Kinder beschützen - finde ich daher ebenso fraglich.


    Hab ich dich so richtig verstanden?

  • Der Arbeitsbegriff „affektive Empathie“ ist einfach auch irreführend, weil er nur einen kleinen und nicht den wesentlichen Teil dessen bezeichnet, was nach der gängigen wissenschaftlichen Definition unter Empathie alles zu verstehen ist. Und im Artikel noch eingeschränkt mit dem Wort „primitiv.“ Ich würde einfach davon weggehen, dass damit gesagt ist, dass Hunde über die Fähigkeit zur Empathie (nach menschlich theoretischem Verständnis) besitzen. Weil man damit nämlich Missverständnisse und Fehldeutungen vorprogrammiert.


    „Schutzbedürftigkeit des Kinds“ beinhaltet schon eine ideologische bzw. moralische Wertung, die kulturabhängig heftig schwankt (Weihnachten ist eine schöne Zeit dafür, Dickens zu lesen :smile: ). Und in der Ideologie deutlich stärker vertreten als in der Praxis. Dieses also schon beim Menschen sehr volatile Konzept ausgedehnt auf den Hund diskutieren zu wollen: Kann man machen. Ich würde nur nicht erwarten, dass da mehr als episodische Erfahrungen und Ideologie herauskommt.

  • Hab ich dich so richtig verstanden?

    Nein - also wenn du meinst, ich würde folgenden Schluss ziehen:


    Auf das Kind und seiner Schutzbedürftigkeit übertragen - als Welpe wurde ich beschützt und gehütet - moralische Ableitung - aus diesem Grund muss ich Kinder beschützen - finde ich daher ebenso fraglich.

    Das wäre menschliche Moral.

    Das können Hunde nicht.


    Das ist auch das, was Phonhaus schreibt:



    weil er (damit ist affektive Empathie gemeint) nur einen kleinen und nicht den wesentlichen Teil dessen bezeichnet, was nach der gängigen wissenschaftlichen Definition unter Empathie alles zu verstehen ist.

    Die gängige wissenschaftliche, umfassende Definition von Empathie ist ein menschlicher Maßstab, der auch nur für Menschen angewendet werden kann, eben weil er auch äußerst komplex ist.


    Er war aber auch beim Menschen nicht immer so komplex, und hat sich im Laufe der Evolution entwickelt.


    Ich halte es für falsch - und eben auch unwissenschaftlich - Tieren, insbesondere eben auch Hunden jegliche Möglichkeiten, die auf der grundsätzlichen Fähigkeit zu empathischen Empfinden beruhen, abzusprechen, nur weil sie nicht über die Fähigkeit für Empathie in der komplexen menschlichen Form verfügen.

  • Na genau das sag ich doch :rolling_on_the_floor_laughing:

    Empathie = ja

    Moralische Ableitung = nein

    :denker: Oder steh ich jetzt so auf dem Schlauch :ka:

  • Die menschliche moralische Ableitung, für die du zwei Beispiele genannt hast, wäre durchaus falsch. Das ist zu abstrakt, und zu komplex.


    Dass Tiere aber durchaus eine Vorstellung von Moral haben, wird unter Anderem von Bekoff belegt, der Hunden ein Gefühl für Fairness bescheinigt.


    Ich finde, es muss einfach besser differenziert werden:


    Statt zu sagen: "Hunde haben keine Empathie, weil sie unfähig sind, Empathie im menschlichen Sinne zu empfinden" halte ich es für besser, es so auszudrücken: "Hunde sind empathisch, können aber die Komplexität menschlicher Empathiefähigkeit nicht ausschöpfen. Wozu könnte also das hundliche Potential an Empathiefähigkeit reichen, und wie kann ich das nutzen bei der Formung von Verhalten, und wo sind da die Grenzen?"

  • Du hast als a priori, dass „anders“ = „weniger“ ist.

    Wie kommst du darauf dass ich eine Bewertung vornehme?


    Eine solche Betrachtung ist mir viel zu philosophisch, bei der Frage nach dem was Hunde können und wo ihre Grenzen sind halte ich mich doch lieber an verhaltensbiologische Fakten.

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