Können Hunde empathisches Verhalten zeigen? Können Hunde Schutzbedürftigkeit bei anderen Lebewesen erkennen und entsprechend rücksichtsvoll handeln?

  • Statt zu sagen: "Hunde haben keine Empathie, weil sie unfähig sind, Empathie im menschlichen Sinne zu empfinden" halte ich es für besser, es so auszudrücken: "Hunde sind empathisch, können aber die Komplexität menschlicher Empathiefähigkeit nicht ausschöpfen. Wozu könnte also das hundliche Potential an Empathiefähigkeit reichen, und wie kann ich das nutzen bei der Formung von Verhalten, und wo sind da die Grenzen?"

    Da steht die Bewertung - in Deinem eigenen Zitat. Und da finde ich keine „verhaltensbiologischen Fakten.“


    Die ganze Diskussion findet doch gerade ein gutes Stück weit im luftleeren (philosophischen) Raum statt, ich vermute, dass die meisten auch deshalb schon ausgestiegen sind. Reine „verhaltensbiologische Fakten“ beschreiben Verhalten. Sobald man das Verhalten einer fremden Spezies mit anderen Wahrnehmungen hinsichtlich derer intrinsischen Motivation interpretiert, daraus eine „Norm“ für diese fremde Spezies postuliert und dabei den eigenen Wahrnehmungskontext zugrunde legt, befindet man sich im Bereich Deutung und Interpretation. Also voll in der Philosophie, wenn Du so willst.

  • . Reine „verhaltensbiologische Fakten“ beschreiben Verhalten.

    Verhaltensbiologie erforscht Verhalten.


    Dabei ist Verhaltensbiologie eine interdisziplinär arbeitende Wissenschaft, die sich nicht nur der Kenntnisse aus anderen Bereichen wie Neurologie, Genetik, Endokrinologie, Psychologie etc. bedient, sondern eben auch in Zusammenarbeit mit diesen Bereichen forscht und Erkenntnisse sammelt.


    Das ist auch sehr schön zu lesen in dem von dir eingestellten link:


    Ansteckende Emotionen: Hunde und ihre Besitzer fühlen gleich | National Geographic


    Hoch interessant, welchen Einfluss Oxytocin auf Bindung und auch Wahrnehmung von Gefühlen hat.


    Gefühle lassen sich über Hirnaktivitäten messen, hier hat z. B. Jaak Panksepp großartiges im Rahmen seiner These zu den Basisemotionen geleistet.


    Das hat wirklich null mit Philosophie zu tun.


    Im Verhaltensbiologischen Sinn bedeutet die Verwendung des Wortes primitiv "auf einer frühen (früheren) Entwicklungsstufe (Kulturstufe) stehend" - und das ist mitnichten eine messbare Wertung.


    Insofern betrachte ich die Empathiefähigkeit von Hunden weder als "anders", noch als "weniger" - sondern als auf einer früheren Entwicklungsstufe stehend, eben nicht so komplex und zu so abstrakten moralischen Betrachtungen fähig, wie es dem Menschen möglich ist.


    Um dem Ganzen mal wieder praktisches Futter zu geben:


    Was ich weiß, eben weil es wissenschaftlich belegt ist:

    - Hunde können Schutzlosigkeit bei (bestimmten) Lebewesen erkennen.

    - Hunde können unterschiedliche Entwicklungsstufen (bei bestimmten Lebewesen) erkennen

    - Hunde können Gefühle erkennen

    - Hunde leben mit dem Menschen als Sozialpartner zusammen

    - Stimmungsübertragung in einer Hund-Mensch-Beziehung ist ein wesentlicher Bestandteil zur Bindung

    - Empathie bedarf Lernerfahrungen

    - Hunde sind empathische Säugetiere, auch wenn deren Empathiefähigkeit auf einer früheren, nicht so komplex entwickelten Stufe wie beim Menschen steht


    Wozu ich dieses Wissen nutzen kann:


    Mir selber darüber klar zu werden, dass ein Hund sicher nicht "instinktiv" Kinder als schützenswerte Lebewesen in unserer Gesellschaft wahrnehmen wird. (Einige Hunde mögen das "von Natur aus" können - aber das jetzt automatisch von allen Hunden zu erwarten, und dann noch möglicherweise den Schluss daraus ziehen, dass ein Hund "nicht normal" ist, der dieses Verhalten eben nicht zeigt, wäre tatsächlich eine Vermenschlichung, mit welcher der Hund überfordert ist.)


    Ich weiß aber, dass entsprechende Lernerfahrungen die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen, dass Hunde Kinder als schutzlose Welpen des Menschen erkennen, und lernen entsprechend rücksichtsvoll mit ihnen umzugehen.

    Rücksichtsvoll ist dabei nicht nur ein vorsichtiger, umsichtiger Umgang in der Interaktion mit Kindern; Rücksicht ist auch, wenn ein Hund Kinder nicht mag, und ihnen deshalb lieber aus dem Weg geht.

    Alle Verhaltensweisen die Schaden vermeiden, sind rücksichtsvoll, wenn der Grund für dieses Vermeiden von Schaden im Gegenüber begründet liegt.


    Also lasse ich meine Hunde beizeiten einen vorsichtigen, rücksichtsvollen Umgang mit Kindern erlernen, lasse sie unter meiner Anleitung erfahren, dass Kinder "Welpen" des Menschen sind, die ich selber mit Umsicht und Rücksicht behandel.


    Last not least: Gerade bei Spezialisierungen von Hunden ist es notwendig, viele Verhaltensmerkmale besonders zu fordern und zu fördern; Eben weil Spezialisierungen andere Merkmale in den Hintergrund drängen, und diese überlagern, muss hier ein besonderes Augenmerk auf eine möglichst breit gefächerte Förderung im Bereich des sozialen Verhaltens gerichtet werden.


    Sonst wird z. B. das Entstehen eines "fehlgeleiteten Beutefangverhaltens" bei Hunden mit ausgeprägtem Beutefangverhalten wahrscheinlicher.

  • Und für all das brauchst Du den Begriff „Empathie“ nicht zu bemühen. Da gehts auch nicht um mehr oder weniger Komplexität, aber weitere Diskussionen spare ich mir an der Stelle, die laufen eh ins Leere. Wenn Du unbedingt den Begriff „Empathie“ benutzen willst: So what.


    Hunde passen sich an Menschen an, auch in ihren Stimmungen, sind im Normalfall kooperationsbereit und können unter Anleitung erwünschtes Verhalten erlernen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die durch Genetik und Sozialisation beeinflusst werden. Wer das gescheit nutzen will, sollte seinen Hund und sich selbst gut beobachten und kennenlernen, ein paar Kenntnisse im Bereich „Erwerb von Lernerfahrungen“ haben und den Hund nicht über seine Möglichkeiten hinaus bringen und beanspruchen wollen. Um Respekt vor einem Tier und seinen Empfindungen zu haben, muss ich es nicht als möglichst menschenähnlich wahrnehmen.

  • Hunde sind unterm Strich doch auch nur Opportunisten- sie werden immer versuchen das Verhalten zu zeigen das ihnen in diesem Moment den größtmöglichen Gewinn jeglicher Art gibt.



    Die Querverbindung "ich tu denen nix weil das sind Welpen und mir wurde als Welpe auch nix getan" traue ich meinen Hunden ehrlich gesagt absolut nicht zu. Ebenso echte Empathie- beide lesen meine Gefühle wie in einem offenen Buch, aber sie sind nicht traurig wenn ich traurig bin. Sie sind nicht wütend wenn ich wütend bin (viel eher hauen sie da erstmal ab).


    Empathie fußt nicht nur auf dem Verstehen von Emotionen sondern auch in der Spiegelung dieser. Man trauert mit jemandem mit, man ist mit jemandem wütend (wer kennt das nicht- man ist loyal sauer auf jemanden wenn die beste Freundin es ist).



    Und ich kann mit absoluter Bestimmtheit sagen: Darcey weiß haargenau wer kleiner/schwächer ist als sie. Würde ich sie lassen würde sie sich an solchen Lebewesen (egal ob nun Mensch oder Tier) ihr Ego gründlich aufpolieren. Aber Rücksicht? Nur wenn ich auf sie aufpasse. Sonst mobbt sie maximal...

  • Mein aufrichtiges Beileid :( : Ich hoffe, Ihr hatte einen friedlichen Abschied und ich wünsche Dir viel Kraft.

  • Es herrscht im übrigen inzwischen in der Wissenschaft weitgehende Einigkeit, dass (nicht nur) Hunde durchaus zu empathischem Verhalten auch gegenüber dem Menschen fähig sind. Hier einige interessante barrierefreie paper dazu:



    https://www.annualreviews.org/doi/full/10.1146/annurev.psych.59.103006.093625


    Human-like social skills in dogs?
    Domestic dogs are unusually skilled at reading human social and communicative behavior – even more so than our nearest primate relatives. For example,…
    www.sciencedirect.com


    https://www.annualreviews.org/doi/full/10.1146/annurev.psych.59.103006.093625


    Nicht barrierefrei:


    https://royalsocietypublishing.org/doi/full/10.1098/rsbl.2011.0083


    Empathic-like responding by domestic dogs (Canis familiaris) to distress in humans: an exploratory study - Animal Cognition
    Empathy covers a range of phenomena from cognitive empathy involving metarepresentation to emotional contagion stemming from automatically triggered reflexes.…
    link.springer.com
  • im Bereich Deutung und Interpretation. Also voll in der Philosophie, wenn Du so willst.


    Inwiefern hat Wissenschaft denn nichts mit Deutung und Interpretation zu tun? Gibt es überhaupt "reine" Fakten - frei von theoretischen Gerüsten?

  • Auch in den Artikeln, soweit lesbar, gehts nicht um die Fähigkeit zur Rollenübernahme und zur Verbildlichung der Situation des Anderen, sondern (nur) um die Fähigkeit, Gefühle des Anderen zu erkennen und darauf zu reagieren.

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