Wie lernt man ruhige Spaziergänge?

  • Hi,


    ich habe mal wieder ein Anliegen und hoffe auf eure Schwarmintelligenz.


    Unser Kleinpudel Barry ist mittlerweile 6,5 Monate alt. Er ist pudeltypisch ein echter Wirbelwind und sehr reizoffen. Ihn interessieren einfach alle Geräusche, Gerüche und Bewegungen und in kurzer Zeit ist er überdreht. Ab einem bestimmten Punkt kann man dann gar nichts mehr mit ihm anfangen und er rennt nur noch blind in die Leine. Teilweise stemmt er sich so sehr rein, dass er nur noch auf den Hinterbeinen hüpft. Wir brechen dann den Spaziergang ab und gehen auf dem schnellsten Weg nach Hause. Teilweise tragen wir ihn auch.


    Anfangs hat er diesen Punkt schon nach 2-3 Minuten erreicht und ist auch daheim nicht zur Ruhe gekommen. Wir haben seitdem sehr viel Ruhetraining gemacht und sind sehr zufrieden mit den Fortschritten. Er schläft mittlerweile problemlos 16-20 Stunden und bleibt auch relativ zuverlässig in seinem Körbchen, wenn wir ihn dorthin schicken. Draußen tut sich aber im Vergleich dazu fast gar nichts.


    Wir haben 3 Standard Gassi-Runden (5 Minuten, 15 Minuten, 20 Minuten), die wir mit ihm gehen. Er kennt besonders die ganz kurze Runde sehr gut, zeigt aber nach 2-3 Runden das beschriebene Verhalten.


    Von unserer Hundetrainerin haben wir eine Menge Methoden genannt bekommen, wie wir das in den Griff bekommen können. Das sind die üblichen Methoden, wie man Leinenführigkeit trainiert, also Stehenbleiben oder Richtungswechsel wenn er zieht oder auch körperliches Blocken wenn er vorbeiläuft.


    Das Stehenbleiben und Richtungswechsel haben wir viel geübt, aber Barry versteht das als Spiel. Wenn man stehenbleibt, kommt er sofort zurückgelaufen, um dann sofort wieder in die Leine zu rennen. Das ist mittlerweile schon so drin, dass ich nur mit dem Bein zucken muss und er sprintet wieder nach vorne.


    Das ruhige Starten in den Spaziergang haben wir auch geübt. Das klappt gut, macht den Spaziergang aber nicht deutlich besser.


    Wir haben auch gesagt bekommen, dass wir mehr Beschäftigung auf dem Spaziergang machen sollen, also zum Beispiel mal einen Dummy verstecken und suchen lassen. Auf langen Spaziergängen im Wald machen wir das, aber direkt von unserer Wohnung aus ist das eher schwierig weil es kaum geeignete Versteckmöglichkeiten gibt. Ich will den Dummy ja nicht bei den Nachbarn in den Briefkasten stecken. :zany_face:


    Wir haben den Eindruck, dass wir viel weiter vorne ansetzen müssen. Frustrationstoleranz und Impulskontrolle haben wir viel geübt und daheim funktioniert das super. Anfangs hat er es zum Beispiel kaum ertragen, nicht sofort ein Leckerli zu bekommen, wenn es vor ihm auf dem Boden liegt. Mittlerweile geht das unaufgeregt fast im Schlaf. Aber wie bringt man das in den Spaziergang?


    Mittlerweile wird das wirklich zu Frust. Wir versuchen natürlich weiterhin ruhig zu sein, aber es nagt an einem. Wir wissen, dass wir uns nicht mit anderen Hundehaltern vergleichen sollten, aber der Neid kommt trotzdem hoch, wenn wir sehen wie 3 Monate alte Welpen einfach locker an der langen Leine mitlaufen während wir schon so viele Stunden Training und Arbeit in unseren Hund gesteckt haben und nichts passiert.


    Was könnt ihr empfehlen? Habt ihr ähnliche Hunde und was hat euch geholfen?


    Wir sind für alle Tipps dankbar!

  • Darf ich mal was fragen?


    Gibt es auch so Zeiten, Momenten, Stellen, wo der Hund mal nach seiner Art und Weise entsprechend sich austoben, also rennen, "herumballern" darf?

    Die Umgebung ganz nach seinen Wünschen zu erkundigen?

  • Ich würde gar nicht noch mehr rum trainieren sondern 80% der Spaziergänge langweiliger gestalten.. zu der nächsten Bank gehen, da 15 min sitzen mit 5 Meter Leine und der Hund kann machen was er will.. wieder zurück..

    Mit dem Auto auf eine große Wiese fahren, Hund 30 min rennen lassen oder an die Schlepp wieder zurück..


    Auf den restlichen kannst du dann mal Rückruf und an Leine gehen üben oder mal in eine Stadt damit er das kennenlernt oder sowas

  • Ich schließe mich der Frage von SheltiePower oben an, es klingt ein bisschen als verlangt ihr immer zurücknehmen und anständig sein müssen. Das kann ein junger Hund, gerade junger Pudel nicht leisten.


    Anfangs las es sich auch, als ob ihr maximal 20 min Gassi geht, aber ich glaube das ist missverständlich, da du ja von später auch von Waldspaziergängen schreibst, ich denke die werden ja sicher mal ausgedehnter sein.


    Ich würde empfehlen, dass ihr unterscheidet zwischen Halsband - dann wird ordentlich Leineführigkeit trainiert unddas nur wenige Minuten am Stück und Geschirr - dann darf auch mal leichter Zug drauf sein. Euer Hund hat einfach noch nicht die Konzentration für dauerhafte Leinenführigkeit. Meinen 3 jährigen muss ich daran noch erinnern und auch für meine 10 jährigen ist das nicht gerade die Paradedisziplin.

  • Darf ich mal was fragen?


    Gibt es auch so Zeiten, Momenten, Stellen, wo der Hund mal nach seiner Art und Weise entsprechend sich austoben, also rennen, "herumballern" darf?

    Die Umgebung ganz nach seinen Wünschen zu erkundigen?

    Klar, du darfst alles fragen. :upside_down_face:


    Wir sind 1-2 mal pro Woche im Wald, wo er dann an der Schleppleine toben darf wie er will. Das nutzt er auch gut aus, ist dort aber auch oft nach 20-30 Minuten "drüber". Also nicht einfach ausgepowert, sondern extrem überdreht und unkonzentriert, so dass er in Bäume rennt oder wie ihm Wahn buddelt.


    Leider haben wir ansonsten wenig Möglichkeiten, ihn einfach mal frei toben zu lassen. Einen eigenen Garten haben wir nicht. Freilauf trauen wir uns nicht, da er in diesem "drüber"-Zustand nicht mehr auf den Rückruf reagiert.


    Die eingezäunten Hundewiesen hier sind entweder in einem schlechten Zustand (Zaun kaputt) oder tagsüber von Hunden belagert, mit denen wir keinen Kontakt wollen. Zwei Hunde in unserer Straße wurden dort auch schon gebissen. :frowning_face:

  • Ich würde empfehlen, dass ihr unterscheidet zwischen Halsband - dann wird ordentlich Leineführigkeit trainiert unddas nur wenige Minuten am Stück und Geschirr - dann darf auch mal leichter Zug drauf sein. Euer Hund hat einfach noch nicht die Konzentration für dauerhafte Leinenführigkeit. Meinen 3 jährigen muss ich daran noch erinnern und auch für meine 10 jährigen ist das nicht gerade die Paradedisziplin.

    Leine am Halsband ist leider fast unmöglich. Er zieht so sehr, dass er würgen muss, bleibt kurz stehen und macht dann weiter. Wir haben noch die Möglichkeit ihn vorne am Geschirr anzuleinen. Das haben wir schon für das gezielte Training versucht, aber leider auch ohne Erfolg. Vor allem hängt er dann sehr schief im Geschirr, weil er sich beim Ziehen zur Seite beugt. Das ist vermutlich für die Wirbelsäule richtig ungesund.


    Uns geht es auch eigentlich gar nicht so sehr um Leinenführigkeit. Das ist sowieso eine Definitionsfrage, aber wir wären schon sehr glücklich damit, wenn er nicht so schnell so stark ziehen würde.

  • Er sollte, in meinen Augen, sich tatsächlich des öfteren austoben dürfen.

    Das braucht so ein Energiebündel. Sonst hast Du eine "angespannte Feder", die sofort ihre Energie freigibt, wegspringt, sobald man die Halterung abmacht.



    Wenn kein Freilauf möglich ist, dann eventuell öfters mal Strecken wählen, wo man zumindest mit / an der Schlepp spazieren geht. Gerade anfangs der Runde ist die Umgebung einfach interessanter. Da würde ich auch Geschirr draufpacken, daran die Leine festmachen, und einfach mal so machen lassen.

    Das nimmt Euch beiden den Druck schon mal raus, auch wenn Leinenführigkeit schöner ist!



    Die kannst Du in Ruhe zu Hause üben. Gerne auch in der Wohnung, wo es eben keine Ablenkung gibt.

    Oder, wenn es auf der Gassistrecke wieder zurück nach Hause geht, und der Hund deutlich ruhiger geworden ist. Leine ans Halsband. Kurze Einheiten, viel bestätigen.



    Je mehr Druck Du jetzt ausübst, desto mehr "arbeitet" Ihr zwei gegeneinander. Dann entsteht Frust, und dieser muß ja auch erst einmal raus.

  • erinnert mich irgendwie etwas daran..

    SOPHIA & TEAM DOBACKEL on Instagram: "Es geht nicht ohne freie, selbstbestimmte Bewegung! Ein Leben ausschließlich an der Schleppleine ist in meinen Augen tierschutzrelevant. Groots Verhalten und seine Turbo-Entwicklung zeigt so eindrücklich, wie…
    2,620 likes, 169 comments - maya_mini_sausage on November 18, 2023: "Es geht nicht ohne freie, selbstbestimmte Bewegung! Ein Leben ausschließlich an der…
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    Ich denke auch der Hund ist einfach frustriert und braucht viel mehr freie Bewegung wo er machen kann was er will und parallel dazu kurzes Leinenlaufen üben am Halsband. Meine Hündin würde mir auch durchdrehen wenn die auf den Spaziergängen immer an der Leine wäre und sich nicht nach Herzenslust austoben darf und einfach Hundedinge treiben. Wenn Freilauf nicht möglich ist halt an der Schlepp.

  • Ich hab hier ja auch so nen kopflosen Hibbel sitzen. Und ich habe mir damals die Zähne ausgebissen an der Leinenführigkeit. Mit dem Ergebnis, dass es genau gar nichts gebracht hat.


    Ihr habt scheinbar einen Hund, der sich einfach total schnell in Außenreizen verliert und dann drüber ist. Das ist in dem Alter für die Rasse nicht ungewöhnlich, führt aber eben dazu, dass Hundi sich nicht allzu lang konzentrieren kann. Heißt, er ist überhaupt nicht aufnahmefähig für euer Leinenführigkeits-Training. Das kann also auch mit der besten Methode der Welt überhaupt nicht funktionieren.


    Was ich nach einem leidvollen Jahr voller Impulskontroll-Training, Ruhetraining, Frustrationstoleranz-Training, Stehenbleiben, Richtungswechsel, Blocken und so weiter und so fort gemacht habe:


    - Akzeptiert, dass ich nunmal einen kopflosen Hibbel habe und meine Anforderungen ganz arg runtergeschraubt.

    - Zu 90% gar keine Leinenführigkeit trainiert. Hund zieht? Ja nun, soll er halt. Gutes Geschirr und längere Leine dran und dann darf er ziehen.

    - Die Leinenführigkeit nur dann ganz gezielt trainiert, wenn er aufnahmefähig war. Also am Anfang mal für 30 Sekunden. Hund neben mir, schaut mich an, Leckerlie in die Schnute. Einen Schritt gehen, Hund schaut mich immer noch an? Perfekt, ein weiteres Leckerlie in die Schnute. Und das dann langsam ausgebaut.


    Ich finde diese Methode deshalb so gut, weil sie dafür sorgt, dass Hundi wirklich im Kopf bei dir bleibt. Es gibt Hunde, die können das leisten, zu schnüffeln, rumzugucken und gleichzeitig trotzdem leinenführig zu laufen. Und es gibt Hunde, die sich einfach ganz arg schnell in allen möglichen Reizen verlieren und das deshalb nicht leisten können. Die sind entweder 100% bei dir oder 100% in der Außenwelt. Und euer Hund gehört - genau wie meiner - scheinbar (noch) zu letzterer Fraktion.


    Die Ruhe im Spaziergang kam bei uns dann aber tatsächlich nach und nach von allein. Zum Teil mit dem Älterwerden, zum Teil auch, weil Hund nun weniger bzw. machbare Anforderungen beim Spaziergang zu bewältigen hatte und sicher zu einem nicht geringen Teil auch deshalb, weil ich dadurch entspannter war.


    Es bringt meiner Erfahrung nach wenig, einem Hund, der nicht genug Frustrationstoleranz und Impulskontrolle besitzt, um den Alltag zu meistern, einfach noch mehr Frustrationstoleranz und Impulskontrolle abzuverlangen. Dadurch entsteht eine Stress-Spirale, die eher das Gegenteil bewirkt. Für euch wichtig ist jetzt erstmal, den Hund "Hund sein" zu lassen und ihn dadurch auf ein Level zu bringen, in dem er überhaupt lernen kann.

  • Wir haben auch gesagt bekommen, dass wir mehr Beschäftigung auf dem Spaziergang machen sollen, also zum Beispiel mal einen Dummy verstecken und suchen lassen. Auf langen Spaziergängen im Wald machen wir das, aber direkt von unserer Wohnung aus ist das eher schwierig weil es kaum geeignete Versteckmöglichkeiten gibt. Ich will den Dummy ja nicht bei den Nachbarn in den Briefkasten stecken. :zany_face:

    Ich würde davon absehen, einem überreizten Hund noch mehr Konzentration abzuverlangen mit derartigen Beschäftigungen.


    Ich habe gerade auch eine Junghündin in dem Alter. Unsere Trainingssequenzen sind SEHR kurz. Leinenführigkeit existiert nicht. Ich mache nur hier und da mal Übungen, die vorbereitend darauf sind.

    Spar dir die Vergleiche mit einem 3 Monate alten Welpen. Das ist ein anderes Energielevel. Mit 3 Monaten ist meine Hündin auch noch an der lockeren Leine gelaufen.

    Ich setze darauf, die Situationen zu entstressen (für mich und den Hund)

    • An kurzen Runden nehme ich die Schlepp oder die Flexi (die ich eigentlich gar nicht mag, aber manchmal.. warum nicht?)
    • Hund darf ganz viel einfach nur Hund sein, ohne dass ich was von ihr möchte
    • Spazieren in sehr reizarmer Umgebung
    • Zur Not mit dem Hund 1x am Tag raus fahren und ihn flitzen lassen, wo kein Hund und kein Mensch ist

    Im Körbchen bleiben, wenn ihr das sagt erfordert viel Konzentration und Impulskontrolle. Verbraucht also eher Energie als sie zu regenerieren. Würde in diesem Alter die Einheiten dazu auch sehr kurz halten.


    Spart euch die Energie für Training, wenn der Hund auf diesem Energielevel ist. Hunde KÖNNEN so nicht lernen.

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