Erziehung nach HTS - Gefährlich für die Bindung?

  • Jepp, das Gespräch über das wegnehmen von Futter ist zumindest meinerseits nicht im Zusammenhang mit der HTS zu sehen, sondern wie gesagt OT und ich bin jetzt raus, sorry |)

  • Hm ja hab so ab 2010 ein paar Seminare mitgemacht. Hat bei meiner damaligen Hündin alles nur so semi geklappt, mittlerweile wende ich es so nicht mehr an. (Spätestens nach dieser Rudelstellungsgeschichte und als das ganze dann noch esoterischer wurde als ohnehin schon hab ich dem ganzen den Rücken gekehrt.)

    Ich mache mir das Leben doch deutlich einfacher wenn ich meinem Hund so viel wie möglich erstmal nett erkläre und erwünschtes Verhalten bestätige. Unerwünschtes Verhalten kann ich doch immer noch „strafen“ wenn es nötig ist. Mir schweben da so Sachen vor wie Hunde, Menschen und Wild anzuzeigen. Kann ich super nett über Umorientierung beibringen und bei Bedarf dann immer noch erklären dass es ne blöde Idee ist was anderes als das gewünschte Verhalten zu zeigen. Die Korrekturen kommen dann halt auch viel besser an wenn Hund nicht permanent für jeden Kleinscheiß korrigiert wird und deshalb komplett abgestumpft ist.

  • wobei ich mir tatsächlich auch aus heutiger Sicht nicht vorstellen kann, dass mein Terrier mir auch im Tausch gegen ein Leckerlie seinen Schinkenknochen gebracht hätte

    Und genau da liegt eben der Unterschied, ob man viel und oft mit Hemmung arbeitet, und der Hund einen entsprechend auch als potentiell durchaus unangenehm einschätzt, oder die Hemmungen doch sehr sparsam dosiert und von daher ein wesentlich vertrauensbasierteres Verhältnis aufbaut. (So gesehen finde ich gerade das Beispiel mit Abgeben von Ressourcen keineswegs OT.)


    Wenn ich einem Hund als Basis erkläre, dass ich ihm Dinge wegnehmen kann weil ich eben der Big Boss bin, dann lernt er zwar durchaus, das ohne Protest hinzunehmen; aber es bleibt eben genau das, ein mehr oder weniger widerwilliges Hinnehmen. Oft genug so gehandhabt, werde ich in der Sicht des Hundes ein überlegener Konkurrent. Was durchaus ein Leben lang funktionieren kann, keine Frage! Aber wieso sollte ich so etwas wollen?


    Natürlich ist es kein sinnvoller Gegenentwurf, dem Hund dann einen tollen Knochen zu geben, mit einem Leckerchen zu wedeln und zu hoffen, dass das funktionieren wird. So etwas nennt sich Bestechung, und ist nur ganz zu Anfang als Starter eine brauchbare Idee. Aber wieso nicht dem Hund von Anfang an erklären, dass es immer eine gute Idee ist, mir Dinge freiwillig zu geben? Wenn ich das mit einem jungen Hund übe, dann eben nicht gleich mit tollen Sachen, sondern mit einem eher langweiligen Kauteil und guten Leckerlies. Und nach jedem Leckerli bekommt er das Kauteil zurück, in mehrfacher Wiederholung. Bis ich dann die Leckerchen einpacke und den Hund mit dem mittlerweile gar nicht mehr so wichtigen Kauteil alleine lasse. Erst dann steigert sich die Qualität der Kauartikel, anfangs aber gleichzeitig auch die Qualität der Leckerlis. Sinn des ganzen: eine riesige Anzahl von Wiederholungen mit der immer gleichen Erfahrung, Abgeben ist eher was gutes als schlimm.


    Schneller geht sicher die Variante mit Druck und Hemmung. Je nach Hund reichen da eine bis ein paar wenige Wiederholungen, und er traut sich nicht mehr, mein Recht auf seine Ressourcen in Frage zu stellen. Wie gesagt, kann man so machen. Mir selbst wäre das erstens gefühlsmäßig unangenehm, wenn mein Hund sich im klassischen Sinne "unterordnet" und dabei immer das Gefühl hat, eben einem stärkeren Konkurrenten unterlegen zu sein. Vor allem aber sehe ich auch nicht ein, wieso ich meine "Reichweite" im Training dadurch massiv einschränken sollte?


    Denn eines ist klar: Mit Hemmung kann ich erreichen, dass mein Hund Abstand von begehrten Ressourcen hält, und diese auch widerspruchslos abgibt. Wem das reicht, ok. Ich selbst hab dafür viel zu viel Spaß an allen möglichen Möglichkeiten, das ganze weiter auszubauen. Zwei Beispiele, zwar schon älter, aber man nimmt so was ja auch nicht ständig auf:


    Um Würstchen einen Bogen machen kriegt man mit Hemmung gut hin. Aber auch, Würstchen zu apportieren?


    Oder wie sieht es damit aus, etwas direkt aus Keksen zu apportieren? Zwar mit viel Konzentration, aber ohne Stress und Angst?


    Das sind jetzt natürlich nur Beispiele. Aber sie verdeutlichen glaub ich ganz gut, wo der Unterschied liegt zwischen einer Erziehung, die auf Verboten basiert, und einer, die ein Win-Win-Miteinander anstrebt.

  • Gerade bei einem Hund, dem Ressourcen wichtig sind, würde ich persönlich das nicht über Strafe aufbauen. „Der muss das abgeben können“ klingt so schön, aber was mache ich wenn der Hund mit jeder negativen Erfahrung vehementer wird und irgendwann sein „nein“ nicht mehr knurrt, sondern mit Zähnen unterstreicht? Fester draufhauen? :ka:

    Das ist 20 Jahre oder so her, ich habe nicht mehr en Detail im Kopf, wie ich das konditioniert habe. Ich hab nicht drauf geschlagen, weil ich das schon damals nicht als Weg sah.


    Bei meinem ersten Hund lief das auch noch über Strafe, wir wussten es nicht besser.

    Ich hab nicht gehauen, das weiß ich sicher - und DIES ist, was ich ausdrücken wollte - es ist ewig her, ich hab mich damals mit dem Terrier auseinandergesetzt, und nicht vorher Lerntheorien analysiert. Mit dem nächsten Hund war vieles einfacher, dennoch war manches auch bis jetzt nicht so sauber umsetzbar. Kann ich mit leben, ich will ja keinen Kadavergehorsam, hat allerdings beispielsweise in der BH dann die Entscheidung erwirkt, dass ich etwas nicht zeige, was geübt war, weil es zu dem Zeitpunkt nicht wie gewünscht funktonierte. Mit dem vorigen Hund undenkbar. Dennoch bin ich mit dem Gehorsam meines Hundes aktuell sehr zufrieden.


    Sie sagt aber dazu, dass sie das jetzt mal gemacht und vielleicht in ein paar Monaten noch mal wiederholen wird und mehr nicht. Sie sagt auch, dass man seinem Hund nicht ständig das Essen wegnehmen soll.

    Das kann ich noch sagen, dass ich eben erwarte, bzw. es so gehalten habe, dass ich prüfe, ob es akzeptiert wird, WENN ich etwas wegnehme. Ich hab auch meinem vorigen Hund nicht ständig was weggenommen. Wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Ich wollte aber, dass er es akzeptiert, dass ich das mache.


    Natürlich ist es kein sinnvoller Gegenentwurf, dem Hund dann einen tollen Knochen zu geben, mit einem Leckerchen zu wedeln und zu hoffen, dass das funktionieren wird. So etwas nennt sich Bestechung, und ist nur ganz zu Anfang als Starter eine brauchbare Idee. Aber wieso nicht dem Hund von Anfang an erklären, dass es immer eine gute Idee ist, mir Dinge freiwillig zu geben? Wenn ich das mit einem jungen Hund übe, dann eben nicht gleich mit tollen Sachen, sondern mit einem eher langweiligen Kauteil und guten Leckerlies. Und nach jedem Leckerli bekommt er das Kauteil zurück, in mehrfacher Wiederholung. Bis ich dann die Leckerchen einpacke und den Hund mit dem mittlerweile gar nicht mehr so wichtigen Kauteil alleine lasse. Erst dann steigert sich die Qualität der Kauartikel, anfangs aber gleichzeitig auch die Qualität der Leckerlis. Sinn des ganzen: eine riesige Anzahl von Wiederholungen mit der immer gleichen Erfahrung, Abgeben ist eher was gutes als schlimm.


    Finde ich ja auch keinen falschen Ansatz. Finde es auch bewundernswert, wenn man den Hund Würstchen apportieren läßt. Aber auch das braucht mein Hund nicht....

  • doch stellt sich mir die ganze Zeit die Frage: Sind diese (Masse an) aversiven Korrekturen schädlich für die Bindung?

    Die erschreckende Antwort lautet: Nein!

    Hunde als hochsoziale Wesen sind derart abhängig von der Bindung zu einem anderen Lebewesen, dass sie selbst schwere Misshandlungen in Kauf nehmen. (Es gab in der Vergangenheit ganz gruselige Experimente dazu, die heute allesamt verboten wären.) So erklärt sich auch, dass Hunde bei Menschen bleiben, die sie misshandeln, bis Polizei und/oder Ordnungsamt einschreiten.

    Diese Bindung beginnt bereits nach 15 min bei einem wildfremden Menschen, wenn die Alternative wäre: allein bleiben.


    Wenn man sich das einmal verinnerlicht, sollte einem klar werden, welche moralische und emotionale Verantwortung man seinem Hund gegenüber hat!


    Statt DVDs und Videos von "angesagten" Trainern zu schauen, empfehle ich "moderne" Dokumentationen (also max. 4-5 Jahre alt) über Hunde. Die öffentlich rechtlichen Sender bringen da manchmal etwas und wenn es von der britischen BBC stammt, ist es meistens gut. Wichtig ist, zu schauen, wie Hunde ihre Jungen aufziehen. Das ist in erster Linie liebevoll und fürsorglich, aber auch konsequent und - wenn erforderlich - mit kurzen, knappen "Ansagen". Danach ist aber die Welt sofort wieder in Ordnung, denn wenn eine Situation einmal geklärt ist, sind Hunde nicht nachtragend - im Gegensatz zu uns Menschen.


    Wenn über allem die Frage steht: "Was muss ich tun, um meinem Hund zu helfen, ein "guter" Hund zu sein?", ist man eigentlich schon auf dem richtigen Weg. Im Umkehrschluss heißt das, wenn der Hund kein "guter Hund" war: Wo habe ich mit meiner Hilfestellung versagt, was muss ich beim nächsten Mal besser machen, früher erkennen, wo muss ich früher reagieren? Gerade letzteres ist unglaublich wichtig, denn nichts ist so wichtig, wie "Timing":

    • Eine Sekunde zu spät und mein Hund macht etwas, das ich nicht möchte!
    • Im rechten Moment richtig reagiert und mein Hund ist ein "guter Hund"!

    Dieses "Timing" lernt man nur, wenn man seinen Hund intensiv beobachtet und versucht, sein Verhalten, sein Wesen, seinen Charakter zu verstehen. Daraus erwächst automatisch eine immer engere Bindung, denn der Hund spürt natürlich, dass da ein Mensch versucht, ihn zu verstehen und ihm gerecht zu werden, ihm auch seine Freiräume zu gewähren - und sei es nur, ihn 3 Sekunden länger schnüffeln zu lassen, statt ihn weiterzuzerren.

    Da braucht man dem Hund kein Verhalten aufzwingen mit irgendeiner "Trainingsmethode".

    Jeder Hund hat einen "will-to please" (der eine mehr, der andere weniger) und wird versuchen, es uns recht zu machen, wenn er kann ... und nicht gerade die Hormone, der Jagdtrieb, ... ihn daran hindern ... Hier ist Mensch wieder gefragt: Wie kann ich meinem Hund dabei helfen, ...


    Rütter, Balser, "den kleinen Mexikaner", und wen sonst noch braucht man eigentlich nicht - schadet aber auch nicht, wenn man seeeeehr kritisch hinschaut. Und wenn man genau hinschaut, sieht man: Meistens geht es nicht um den Hund - sondern um die Hundemenschen!

    Die richtige Einstellung und Geisteshaltung der Hundemenschen ist schon mal "die halbe Miete".

    Es mag sein, dass Frau Balser mit den "Bildern" im Kopf der Menschen (nichts anderes sind z.B. die Ampelfarben) den Hundehaltern hilft, Zusammenhänge und Situationen besser zu verstehen und aus diesem Verständnich heraus "richtiger" zu handeln - mag sein, aber ich weiß es nicht.


    Letztlich liegt der Grund dafür, dass es so viele "Trainer/innen" und "Methoden" gibt, darin, dass wir alle anders verstehen und anders lernen. Diese Trainer/innen und Methoden vermitteln doch das ewig Gleiche - aber immer auf andere Art, durch die sich andere Menschen angesprochen fühlen, weil sie es besser verstehen können.

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