Extreme Reaktionen ggü. anderen Hunden - was (noch) tun?

  • Hallo zusammen!

    Seit vier Monaten wohnt eine isländische Schäferhündin (jetzt 8 Monate alt) bei uns, mit der wir seit der ersten Woche an im Hundetraining sind; diverse Bücher und Ratgeber sind gelesen, gefühlt jedes YouTube-Video geschaut, beim Thema "Hundebegegnung" rückt die Verzweiflung und Resignation aber sehr nahe.


    Sobald wir einem Hund begegnen, ist jegliche Aufmerksamkeit uns gegenüber dahin. Unsere Hündin bellt, oftmals sehr aufgeregt, und rassetypisch außerordentlich laut, hängt sich in die Leine.

    Anfangs im Hundetraining war der Rat "mit Futter vorbeifüttern" - wer frisst, kann nicht bellen, ja, aber nach einiger Zeit haben wir gemerkt, dass sie das nur noch mehr in Rage gebracht hat. "Blick auf den anderen Hund" (was auch immer sie sich dabei gedacht hat) wird mit Futter belohnt.


    Hundebegegnungs-Trainings gab es auch: An 20 anderen Hunden immer wieder vorbeigehen; nach den ersten Metern war sie da wohl so eingeschüchtert, da kam keine Reaktion mehr, da war das Schnüffeln am Wegesrand deutlich spannender.


    Bei Einzelbegegnungen danach: Verhalten unverändert.


    Aktuell trainieren wir mehr mit Körpersprache, was beim Begrenzen zu Hause und der Leinenführigkeit enorme Fortschritte erzielt hat. Sobald aber ein Hund auftaucht, ist jegliches Einschreiten mit dem Körper wirkungslos. Da müsste ich sie schon zehn Meter rückwärts drängen, bis sie sich auf mich konzentrieren kann.


    Ruhig stehen bleiben, sie ggf. neben einem ausrichten, und "gar nichts tun", haben wir so auch schon gemacht. Da springt bellt und springt sie eben trotzdem.


    Belohnen, wenn sie die Begegnung positiv meistert? Fehlanzeige, der integrierte Bewegungsmelder in ihrem Hirn ist zu schnell. Und wie gesagt: Futterbelohnungen heizen sie sehr, sehr auf.



    Hat hier jemand gute Tipps für uns? Vor allem dann, wenn sich eine Begegnung nicht vermeiden oder entschärfen lässt? Hin und wieder kommt eben doch ein Hund ums Eck, taucht plötzlich hinter uns auf usw. usf., da erschrecke ich selbst ja schon ziemlich..

    Körpersprachlich korrigieren (auch, wenn's nicht klappt)?
    Gar nichts tun?

    USA-Methoden á la am Hals in die Luft katapultieren, zwicken/treten und was auch immer man da im Internet sieht/findet kommen natürlich keineswegs in Frage..


    "Leine locker lassen" ist natürlich absoluter nonsense, geht ja eben nicht..


    Müssen wir da einfach durch, legt sich das mit zunehmendem Alter etwas?


    Vielen Dank für alle Ratschläge!!!


    & Guten Rutsch :)

  • Wie alt ist sie denn?


    Klingt danach, als hätte sie Angst vor den Begegnungen. Ich würde daher zum Gassi in einsame Gebiete fahren und Euch das, was nicht zu bewältigen ist, erst Mal ersparen. So lernt der Hund nur Mist und jeder Spaziergang ist vom Stresslevel zu viel. Sie ist ja auch noch in der Ankommphase. Da wäre ganz viel Ruhe und "bewältigbares" Leben erst Mal das A und O.


    Und dann wäre es gut, wenn Ihr ein Konzept erarbeitet, dass nichts mit Gängeln und "Du musst aber" zu tun hat. Etwas auftrainieren, das dem Hund ein abrufbares Verhalten an die Pfote gibt, wäre sinnvoll. Auftrainieren heißt zunächst wochenlange Fleißarbeit jenseits der Begegnungen zu betreiben und dann nur in homöopathischer Dosierung in die Begegnungen zu gehen.

  • Hallo! Danke für die rasche Antwort. Sie ist 8 Monate alt. Sie ganz fernzuhalten, bzw. besser gesagt negative Situationen mit schlechten Lernsituationen zu vermeiden, ist im Alltag gar nicht mal so einfach. Wir bemühen uns ehrlich gesagt schon in fast jeder freien Minute, hier alles richtig zu machen, nur bislang scheitern alle Methoden und das ist leider sehr frustrierend..


    Was für eine Art von Verhalten (bzw Kommando?) hättest du denn im Sinn? Also was wäre hier ideal, um es zunächst sehr stark isoliert zu verinnerlichen?

  • "Blick auf den anderen Hund" (was auch immer sie sich dabei gedacht hat) wird mit Futter belohnt.

    Ich würde mir allein deshalb einen anderen Trainer suchen. Also jemanden, der euch im Einzeltraining gezielt anleitet, euch im Timing unterstützt und euch vor allem auch erklärt, wieso ihr was wann belohnen oder korrigieren sollt.

    Weil "zum Reiz schauen belohnen" kann ein wunderbarer Weg sein, um Reize positiv zu belegen und dann nach und nach ein Alternativverhalten zu erarbeiten. Wenn man an der richtigen Stelle das richtige Verhalten einfängt und belohnt. Einfach nur belohnen ist Mist, weil dann belohnst du im blödesten Fall das Drohen, Fixieren usw., und erziehst dir das Pöbeln erst so richtig heran.

    Ich arbeite zum Beispiel damit, das Abwenden vom Reiz zu belohnen. Das habe ich auch zunächst aufgebaut, indem ich das entspannte (!) Anschauen vom Reiz belohnt habe. Nach und nach hat Hund dann verstanden, dass ein bestimmter Reiz eine Belohnung verspricht - und sich beim Erblicken des jeweiligen Reizes zu mir umgeschaut. Inzwischen sind wir so weit, dass Hund sich, wenn er andere Hunde sieht, direkt abwendet und zu mir schaut, weil da gibt's Leckerlies. So bleibt er ansprechbar und wir können die meisten Hundebegegnungen inzwischen ganz entspannt meistern. Aber man muss halt wissen, was man wieso wann tut und nicht einfach nur machen, weil hat Trainer X so gesagt.


    Und: 4 Monate sind gar nichts. Ihr habt in diesen 4 Monaten scheinbar schon ziemlich viel probiert, aber seid nicht allzu lang bei einer Methode geblieben. Gerade das ist aber bei langwierigen Themen wie Leinenaggression wichtig, eine schnelle Lösung gibt es meist nicht.

  • Oh je, das tönt stressig... :dizzy_face:


    Ich würde Dir mal die Methode Zeigen und Benennen ans Herz legen. Damit hatte ich bei meiner sehr reaktiven Terrier-Windhund-Mixhündin guten Erfolg. Es braucht sehr viel Geduld und Ausdauer, lohnt sich aber am Ende sehr!


    Zeigen und Benennen


    Edit: Das Buch Leinenrambo ist ebenfalls sehr hilfreich.

  • Hallo! Danke für die rasche Antwort. Sie ist 8 Monate alt. Sie ganz fernzuhalten, bzw. besser gesagt negative Situationen mit schlechten Lernsituationen zu vermeiden, ist im Alltag gar nicht mal so einfach. Wir bemühen uns ehrlich gesagt schon in fast jeder freien Minute, hier alles richtig zu machen, nur bislang scheitern alle Methoden und das ist leider sehr frustrierend..


    Was für eine Art von Verhalten (bzw Kommando?) hättest du denn im Sinn? Also was wäre hier ideal, um es zunächst sehr stark isoliert zu verinnerlichen?

    Oh, im gleichen Alter wie meine Kleine. Bei der ist allerdings schon richtig viel Vorarbeit bezüglich Außenreize gelaufen. Trotzdem meide ich Orte, wo wir überraschend jemandem begegnen könnten. Das verbraucht unheimlich viel Energie und ist in dem Alter nicht gerade deren Paradedisziplin - was völlig logisch ist.


    Das, was ich beschrieben habe, ist ein ganzer Werkzeugkasten an Verhaltensweisen, die man auftrainieren sollte. Da geht es erst Mal um das Verhältnis zur Leine an sich, dann der Umgang mit schönen Außenreizen, spannenden und erst im letzten Schritt mit gruseligen. Außerdem gehört bei dem Thema auch immer gut angeleiteter Kontakt mit anderen Hunden dazu. Also, keine zufälligen Begegnungen beim Gassi, sondern gezieltes zusammen gehen mit einem klaren Konzept dahinter.

  • Seit vier Monaten wohnt eine isländische Schäferhündin (jetzt 8 Monate alt) bei uns, mit der wir seit der ersten Woche an im Hundetraining sind; diverse Bücher und Ratgeber sind gelesen, gefühlt jedes YouTube-Video geschaut, beim Thema "Hundebegegnung" rückt die Verzweiflung und Resignation aber sehr nahe

    Erstmal: sich da nicht reinsteigern und selbst entspannt bleiben bei dem Thema. Es ist jetzt, wie es ist.


    Lass dir zeigen, wie man generell sinnvoll den Umgang mit Außenreizen, die Leinenführigkeit und einen Abbruch trainiert.


    Und dann müssen deine Erwartungen realistisch sein. Ein solches Training dauert, dein Hund ist jung.


    Am schlimmsten ist es, wenn du dir selber Stress damit machst, dass dein Hund Stress hat.

  • Also ich würde dir natürlich schon raten, dran zu bleiben. Manchmal dauert das alles seeeeeehr lange!


    Aber ich kenne das von meiner Hündin: fast drei Jahre bei uns und soooooooviel hat sich entwickelt, getan, verändert und verbessert. Ausser diese eine Sache, Prollerei bei Hundebegegnungen...! Mann, mir war das irgendwann dermaßen peinlich, diese mitleidig Blicke :rolling_on_the_floor_laughing:

    Irgendwann hab ich dann aber überlegt daß ich aber nicht immer nur zornig ( auch auf mich, weil ich es nicht hinbekomme, ihr die Sicherheit zu vermitteln) sein kann...

    ab da habe ich wieder angefangen Bögen zu laufen, umzudrehen, wenn ein Hund kam und ich mir sicher war, daß klappt nicht, reizarm laufen und sowas.

    Ich hab akzeptiert, dass sie eben so ist und eben nicht so "easy going für alle Gelegenheiten "...und dass wahrscheinlich immer Management nötig sein wird, bei diesem Thema.

    Ich bin da dran, weil ich ja auch bemerke, dass es doch manchmal erstaunlich gut klappt. Aber es gibt Tage, an denen bin ich feige und vermeide es einfach...um uns beiden den Stress zu ersparen!


    Und das hat viel Druck aus der Situation genommen...

  • Meine Riley ist auch sehr reaktiv, wir haben gute Erfahrungen mit Click für Blick gemacht, man darf nur keine Wunder erwarten. Der Hund braucht auch Zeit, die Abläufe zu verinnerlichen und alte Muster zu durchbrechen. Außerdem auch Futtersuche am Boden (Schnüffeln ist beruhigend und wirkt auf andere deeskalierend), ich habe auch schon Bellanfälle mit Futterwerfen unterbrochen. Abwenden auf Kommando und gemeinsam vom Reiz weggehen.

    Wenn du meinst, das Futter zu sehr pusht, kannst du sowohl die Futtersorte, die Hochwertigkeit und auch die Art der Gabe variieren.


    Das Hauptziel sollte meiner Meinung erstmal nur sein, den Stresspegel gering zu halten bei alltäglichen Spaziergängen und sich dem Thema Begegnung in kontrollierten Settings im Training zu widmen. Wenn es mit dem Trainer nicht passt, ruhig nochmal andere ausprobieren, wo die Chemie eventuell besser stimmt.


    Stress rausnehmen heißt, ruhige, kleine Routen gehen, viel Routine, ruhige Beschäftigungen Aufregung vorziehen.


    Wenn sie jeden Tag x-mal eskaliert, dann ist ihr System voller Stresshormone und Lernen wird erschwert bzw. verunmöglicht.

    Auf dem Hundeplatz haben wir erstmal gar nicht mitgemacht, sondern es gab eine Schleckmatte, während wir am Rand standen. Dann etwas an die Gruppe ranpendeln und erst mit der Zeit konnten wir teilnehmen und es ist trotzdem noch schwer für Riley, besonders, wenn andere unruhige Hunde dabei sind. Wir trainieren seit über 1,5 Jahren, ich habe sie im Alter von 4/5 Jahren bekommen.


    Ich denke mir auch manchmal: das wird nichts mehr, aber aufgeben ist für mich keine Option. Man trifft Hunde unterwegs, das ist nun mal so und deswegen will ich auch weiter dran bleiben, damit es hoffentlich irgendwann reibungslos(er) laufen kann. Früher war ein Leinenpöbler für mich die schlimmste Strafe, aber man wächst mit seinen Aufgaben... Heute bin ich stolz, dass wir ein Team sind, auch wenn nicht alles glatt läuft.


    Dein Schatz ist noch jung und ihr werdet euren Weg finden.

  • Generell muss man ja auch noch dazu sagen, dass dieser Hundetyp von Haus aus kein Begegnungsprofi ist und man selbst, wenn man von Anfang an alles "richtig" macht, zähe Zeiten diesbezüglich durchläuft.

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